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V3-Stellung bei Hermeskeil-Lampaden

1942 forschte der Ingenieur August Coenders, Oberingenieur der Fa. Röchling, an der schon aus dem 19. Jahrhundert stammenden Idee einer Mehrkammerkanone. Bei dem Prinzip der Mehrkammerkanone werden an ein Kanonenrohr seitliche Treibladungskammern angeflanscht, deren Treibladungen nachdem das Geschoss an ihnen vorbei gekommen ist, detonieren und dieses auf immer höhere Geschwindigkeiten bringen.

Hochdruckpumpe Mimoyecques

Coenders entwickelte 1942 eine Mehrkammerkanone mit der Tarnbezeichnung "Hochdruckpumpe". Die Soldaten nannten sie aufgrund ihrer für eine Kanone ungewöhnlichen Form "Tausendfüssler" oder "Fleißiges Lieschen". Im Sprachgebrauch der Nazis wurde sie in der Reihe der Vergeltungswaffen als dritte einsatzfähige Waffe, V3 genannt. Hersteller der Rohrteilstücke für die Geschütze war die Firma Röchling Stahlwerke Völklingen, Fertigungswerk Wetzlar. Die pfeilförmigen, zwei Meter langen Granaten (Kaliber 15 cm) mit der Bezeichnung Rö Be 42 wurden ebenfalls von Röchling entwickelt.

Hitler lies sich ein verkleinertes Modell der Waffe vorführen und plante, die Stadt London von der Kanalküste bei Mimoyecques (Frankreich) aus mit mehreren HDP anzugreifen. Die effektive Kampfentfernung der 130m langen Kanonen sollte 160 km betragen. Auf dem Versuchsgelände in Misdroy an der Ostsee wurden im Januar´1944 bis zu 140 km Schussentfernung gemessen.

Nachdem im September 1944 die Alliierten die Kanalküste bei Mimoyecques eroberten, musste der Plan, London mit bis zu 50 HDP aus Artilleriebunkern zu beschießen, aufgegeben werden. SS-Gruppenführer Kammler, dem die Verbände der Vergeltungswaffen unterstanden, wollte unbedingt die Fronttauglichkeit der V 3 beweisen und holte sich bei Hitler die Erlaubnis, die HDP während der Ardennenoffensive gegen die Stadt Luxemburg einzusetzen.

Hauptstollen der Anlage bei Mimoyecques

Zu diesem Zweck brachte man im Ruwertal bei Hermeskeil-Lampaden zwei verkürzte Versionen der HDP mit der Bezeichnung LRK 15 F 58 (Langrohrkanone) in Stellung. Den Einsatz übernahm die 1. Batterie der Heeres-Artillerie-Abteilung 705. Die Aufstellung der ersten Kanone dauerte vom 28.11.44 bis zum 23.12.44, die der zweiten benötigte etwas mehr Zeit. Man errichtete zwei Geschütze auf Stahlkonstruktionen, die auf einer hölzernen Unterkonstruktion lagerten. Die hölzerne Unterkonstruktion wurde halb in den Hang eingegraben. Die Rohrerhöhung betrug 34 Grad. Diese verkürzte Version der Hochdruckpumpe war nicht mehr als 50 m lang und mit zwölf rechtwinklig angeordneten Seitenkammern ausgestattet. Die Kanonen hatten eine Reichweite von bis zu 60 km mit einer Streuung von bis zu 4 km.

Desweiteren errichteten die Baueinheiten drei Betonbunker für Personal und Munition. Ein nahegelegener Bergwerksstollen wurde vermutlich auch für die Lagerung von Material oder Munition genutzt. Aufgrund der alliierten Lufthoheit tarnte man die Feuerstellung an dem bewaldeten Hang sehr sorgfältig, sodass sie von den feindlichen Jagdbombern nicht erkannt werden konnte. Der Eisenbahnnachschub musste deshalb auch nachts herangeführt werden. In der Nähe der Feuerstellung liegt der ehem. Bahnhof Lampaden (Bahn-km 24.0) der Strecke Hermeskeil-Trier, über den der Nachschub der Einheit zugeführt wurde.

Der ehemalige Bahnhof Lampaden

Die Ardennenoffensive begann am 16.12.44, durch die Nachschubprobleme der aus Nürnberg-Feucht angelieferten Munition, konnte jedoch erst gegen Ende Dezember mit dem Einsatz der V3 begonnen werden.Die erste Kanone eröffnete am 30.12.44 das Feuer, die zweite am 03.01.45.
Am 15. Februar befahl SS-Gruppenführer Kammler die Demontage von einer der beiden LRK . Die verbleibende Kanone war noch bis Ende Februar im Einsatz. Insgesamt verschoss man 183 Stück der 155mm-Sprengranaten Typ 4481 mit einem Gewicht von je 97 kg mit einer Durchschnittsfeuergeschwindigkeit von 3 Schuss pro Tag auf die 43 km entfernte Stadt. Durch die Beschießung wurden insgesamt 10 Menschen getötet und 32 verletzt. Gegen Ende Februar waren die amerikanische Panzerspitzen nach einem schnellen Vorstoß nur noch 3 km von der Feuerstellung entfernt. In fieberhafter Eile wurde die Feuerstellung geräumt und der Transport der letzten Kanone auf die rechte Rheinseite durchgeführt. Die Teile der HDP transportierte man per Bahn wieder zurück nach Wetzlar auf das Gelände der Herstellerfirma Röchling, von wo sie nach dem Einmarsch der Amerikaner mit unbekanntem Ziel abtransportiert wurden.

Die Schneise ist noch heute sichtbar
Kopfpunkt der SchneiseTalweg entlang der V3-StellungWeg hinauf zum Kopfpunkt

Ob der deutsche Gegenangriff auf die amerikanischen Verbände bei Lampaden in der ersten Märzwoche 1945, bei dem 800 deutsche Soldaten den Tod fanden, den Rückzug der V3-Einheit decken sollte, ist nicht mehr nachzuvollziehen. Am 16. März richtete die 94. US-Inf.-Div bei der Feuerstellung bzw. auf der in der Nähe liegenden Burg ihre Operationszentrale ein.

Heute ist von einer der beiden HDP noch die Abschussrampe zu erkennen sowie der Weg an das Kopfende der Stellung . Die zweite Abschussrampe konnte nicht lokalisiert werden. Von den Betonbunkern ist nichts mehr zu erkennen, lediglich der ehemalige Bergwerksstollen ist noch vorhanden, sein Eingang wurde vermauert.

 

Quellen (Auszug):
- German Research in World War II, Leslie E. Simon
- Ludwig 1994, Geschichte von Nonnweiler
- Porezag 1996, Geheime Kommandosache
- Bartels, Anhäuser, Sartoris 1986, Fichten, Fachwerk, Flugzeugträger - Beiträge zu einer regionalen Militäranalyse
- Chronik der Völklinger Hütte
- Internetrecherche

Tags: Testgelände, V-Waffen