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Der Spitlertor-Turm in Nürnberg


Der Name Spitlertor-Turm leitet sich von einem einst in der Nähe gelegenen Spital ab. Der Turm wurde erstmalig im Jahre 1377 erwähnt, zu diesem Zeitpunkt befand sich er sich bereits in Bau. Fertiggestellt wurde das Bauwerk im Jahre 1385. Die Stadtmauer existierte damals bereits in einer dritten Variante, die häufigen Veränderungen waren durch das stetige Wachstum der Stadt notwendig geworden. Lediglich im Bereich der heutigen nördlichen Altstadt gab es so gut wie keine Veränderung der Lage der Stadtmauern.

In seiner ursprünglichen Form war der Turm rechteckig und als Erweiterungsbauwerk der Stadtbefestigung errichtet worden. Um das Jahr 1552 wurden die Zeiten im Nürnberger Land wieder einmal kriegerisch, die Stadt wurde von Markgraf Albrecht belagert. Und schließlich eingenommen Die gewonnene Erkenntnis, dass die rechteckigen Stadtmauertürme leicht zu relativ zerstören waren, führte dann zu Überlegungen, wie man die Stadt besser vor Angriffen mit Artillerie schützen könne.

Relativ schnell wurden dann Pläne realisiert, die bestehenden Türme mit einer runden Ummauerung zu versehen, um ihnen zusätzliche Stabilität gegenüber Kanonenkugeln zu verleihen. Ausführender Baumeister für alle dieser modifizierten Türme war Georg Unger. Die Aussage, wonach auch Albrecht Dürer maßgeblich an der Befestigung "seiner" Stadt beteiligt gewesen sein soll, ist nur eine Legende. Der Umbau der Türme war bereits im Jahre 1558 abgeschlossen. Gebaut wurde mit Sandsteinquadern, die von verschiedenen Nürnberger Steinmetzen geliefert und bearbeitet wurden. Abgerechnet wurden diese Steinmetze nach Anzahl ihrer Steine - dazu brachten die unterschiedlichen Werkstätten jeweils ihr Zeichen an den Steinen an, sodass bei der "Abnahme" nur noch diese Zeichen gezählt werden mussten.

Im Rahmen der Baumaßnahmen gab es einige Besonderheiten, die für die damalige Zeit bemerkenswert waren.

  1. Der Ring, der durch die Ummauerung entstand, wurde so angelegt, dass der Abstand zwischen neuer Außenwand und altem Mauerwerk zur Außenseite der Stadt größer war. Damit wurde zusätzliche Stabilität erzielt. Dies galt für alle auf diese Weise umgebauten Türme.
  2. Um zusätzliche Stabilität zu schaffen, wurde der entstandene Zwischenraum zwischen dem alten Turm und der Ummauerung mit dem Bauschutt und Müll der Stadt von damals angefüllt. Die Wandstärken betragen zum freien Feld annähernd 5m und auf der Stadtseite ca. 3,50m.
  3. Alle Türme bekamen eine Gefechtsplattform, auf der jeweils mehrere Kanonen installiert wurden.
  4. Ebenfalls auf allen Türmen gab es Hebevorrichtungen für eben diese Kanonen, wobei am Spitlertor-Turm die Holzbestandteile der Kanonen über das Treppenhaus im Turminneren nach oben geschafft wurden. Lediglich die gusseisernen Teile - hauptsächlich natürlich das Kanonenrohr - wurden mit der Hebevorrichtung nach oben geschafft. Diese befand sich am der Stadt zugewandetem Rand des Turms

Um die Türme etwas ansprechender zu gestalten, wurden in die neu geschaffenen Außenmauer "blinde" Fenster eingelassen. Im Rahmen der Baumaßnahmen entstanden neben den Türmen auch sog. Waffenhöfe, in denen neben Waffen und Munition auch Soldaten untergebracht waren.

FassadeWaffenhofGefechtsplattform

Interessant ist, dass nach diesen Umbauarbeiten bis 1796 von den Geschützplattformen kein einziger Schuss abgegeben worden ist. Ob damit der ganze Aufwand umsonst war oder aber die Türme potentielle Feinde schlicht abgeschreckt haben, wird sicherlich offen bleiben.. Mit dem Ende des "heiligen römischen Reiches" wurden dann die Kanonen abgebaut und noch etwas später auf die damalige Festung Regensburg verbracht. In den Folgejahrhunderten wären die Türme und Mauern der Stadt beinahe geschleift worden, wenn nicht durch die bayerischen Truppen die Festungseigenschaft der Stadt Nürnberg festgestellt worden wäre und damit die Bauwerke militärisch erhaltenswert erschienen. Im Laufe der Jahre entpuppten sich die Türme im Zeitalter der Industrialisierung als zunehmendes Verkehrshindernis, da die Stadt weiter wuchs und die Türme immer noch den einzigen Zugang zur Altstadt darstellten. Trotzdem blieb zumindest der Spitlertor-Turm mit seinem Waffenhof bis heute erhalten, lediglich in unmittelbarer Nachbarschaft wurde ein Durchbruch in der Stadtmauer für den Verkehr geschaffen.

Anfangs der 30er Jahre traf den Turm für kurze Zeit wieder eine Umbaumaßnahme und er wurde erstmals für fremde Zwecke gebraucht. Die damalige Reichspost richtete eine Vermittlungsstelle des Telefonnetzes in dem Turm ein. Diese befand sich jedoch nur einige Jahre in dem Bauwerk, heute sind davon keine Spuren mehr zu sehen. Kurze Zeit später wollte die Hitlerjugend den Turm für ihre eigenen Zwecke nutzen. Dazu kam es jedoch nicht, denn bereits 1940 wurde der Turm abermals umgebaut - diesmal zu einem Luftschutzraum. Dieses Schicksal wiederfuhr u. a. auch dem Turm am Königstor gegenüber des Hauptbahnhofs. Im Rahmen des Umbaus zum LSR wurden u.a. folgenden Maßnahmen durchgeführt:

  1. Einbau einer Schleuse im Eingangsbereich 2 x 90 Grad Winkel (um Druckwellen abzufangen) inkl. Drucktüren.
  2. Auf jeder Etage wurden zwei Toiletten eingebaut
  3. Die obere Decke zur Geschützplattform wurde auf ca. 3.00m verstärkt
  4. Der Ausgang auf die Gefechtsplattform wurde ebenfalls mit einer Drucktür gesichert.
  5. Weitere obligatorische Maßnahmen (z.B. Leuchtfarbe an den Wänden, Wandbeschriftungen etc.).

Nach den Umbauten bot die Anlage auf mehreren Etagen Schutz für insgesamt ca. fünfhundert Personen.

NotwasserbehälterTreppe zwischen zwei AufenthaltsetagenErhaltene Wandbeschriftung

Nach dem Krieg sollten auf Beschluss der Alliierten eigentlich alle Großstädte entfestigt werden, man entschied sich in Nürnberg allerdings glücklicherweise gegen die Sprengung der Türme, da die Stadt schon unter den Bombardements gelitten hatte und auch Wohnraum entsprechend knapp war. 1946 wurde dann der sog. Entfestigungsbeschluss aufgehoben und den Türmen drohte keine Gefahr mehr.

Doch auch jetzt wurde der Turm noch verschiedenen Nutzungszwecken zugeführt. So nutzte u.a. die "Sittenpolizei" den Turm wegen seiner günstige Lage zum Sperrbezirk bis in die 60er Jahre, um das "Treiben" der gewerblichen Damen und derer Kundschaft zu beobachten. Mit dem steigenden Autoverkehr bekam dann der Turm eine weitere Aufgabe, es wurden dort die ersten Kameras zur Überwachung des Verkehrsgeschehens auf dem nahegelegenen Plärrer (wichtiger Verkehrsknoten in Nürnberg) installiert. Erst in den 80er Jahren wurde der Turm entrümpelt und fortan erfolgte die Überwachung der Autofahrer von anderer Stelle.

Die bisher letzte Umwidmung in der Nutzung des Turmes erfolgte vor kurzer Zeit durch das Garnisonsmuseum Nürnberg, das damit einen weiteren Hochbunker (das Museum selber befindet sich ebenfalls in einem Hochbunker) in Nürnberg für die Nachwelt erhalten möchte. Derzeit befindet sich in dem Turm Archiv und Bücherei des Museums. Nach Anmeldung beim Garnisonsmuseum besteht die Möglichkeit zur Besichtigung des Objekts.

 

Quellen:
- Garnisonsmuseum Nürnberg

Tags: Luftschutz, Bunker, Nürnberg