Die West Pier von Brighton - vom Glanz vergangener Zeiten

Im Jahr 2002 konnte man Bilder in den Medien sehen, die eine brennende Pier zeigten. Schon damals war klar, wie hoch der durch die Flammen verursachte Schaden sein würde. Die Rede ist von der West Pier in Brighton - ein denkmalgeschütztes Bauwerk, dessen heutiger Wiederaufbau Unsummen verschlingen würde. Und so sind die vorhandenen Reste der Pier fast ohne jede Erinnerung an den Glanz vergangener Zeiten dem Verfall preisgegeben.

In Brighton wurden ursprünglich drei Piere gebaut - nur noch eines ist existent und beinhaltet heute eine Spielhölle und einen Kirmes. Ursprünglich wurden diese Piere für die reichen Bürger Londons gebaut, die es sich leisten konnten, mit Zügen an den Ärmelkanal zu fahren, um die frische und salzhaltige Seeluft zu genießen. Es war damals  nicht üblich, dass man Baden ging - man fuhr stattdessen mit einem Boot auf das Wasser. Man wollte dem Wasser möglichst nahe sein, ohne es jedoch selbst berühren zu müssen.

Es war die Ära der geschäftstüchtigen Gründer der „Brighton West Pier Company“. Im Jahre 1863 wurde die Company unter anderem von einem gewissen Londoner Henry Moor gegründet, der auch Geschäftsführer wurde. Das Unternehmen finanzierte sich über eine Londoner Bank, der Londoner Architekt Eugenius Birch wurde mit der Planung der Pier beauftragt, dessen feierliche Eröffnung schon am 06.10.1866 stattfand. Der Firmenzweck der „Brighton West Pier Company“ war die Planung, Errichtung, Vermarktung und der Betrieb der Pier. Die für die Planung, den Bau und den Anfangsbetrieb gewährten Kredite der Bank sollten durch die zu erwartenden Einnahmen rückgezahlt werden. Die Baukosten wurden mit 25.000 Britischen Pfund veranschlagt; daraus wurden allerdings 35.000,-. Die “Brighton West Pier Company“ war ein börsennotiertes Unternehmen, sie sollte so erfolgreich werden, dass den Aktieninhabern 1898 und 1899 insgesamt neun Prozent vom Gesamtgewinn als Dividende ausgeschüttet werden konnten.

Am Anfang glich die Pier einem langen Steg, an dessen Ende sich eine Plattform mit Holzgebäuden befand. Man verlangte vor dem Betreten der Pier Eintrittsgelder. Viele Londoner Ärzte empfahlen Ihren Patienten, unbedingt nach Brighton zu fahren und die Pier zu betreten („...draußen auf dem Wasser ist die Luft für Sie gesünder...“). Inwiefern die Vermarktungsstrategie des Unternehmens auf diese Empfehlungen Einfluß hatte, ließ sich leider nicht recherchieren.

Historische Ansichtskarte aus besseren Zeiten der Pier
 
Die Gründung der Westpiers erfolgte durch große, überdimensionale „Bohrer“, die von jeweils zwei Booten aus in den Kanalgrund gedreht wurden. Es müssen hunderte dieser Bohrer gewesen sein. Die Boote schwankten und es ist heute kaum vorstellbar, wie sich die gusseisernen Stahlgründungen kerzengrade in den Grund vortreiben ließen. Am Strand von Brighton liegen heute zwei dieser Bohrer. Über diese Stahlgründungen wurden große Stahlrohre geschoben, um dem Ganzen mehr Stabilität zu verleihen. Sogar die Stahlrohre, wie fast alle Eisenteile, tragen schöne Verziehrungen. Über die Gründungen kamen diagonale und längsseitige Träger, welche die Holzböden (Planken) trugen.


Schon kurz nach der Eröffnung im Jahre 1866 fing man an, die Besucher durch Kapellen zu unterhalten, die auf der Pier im Freien standen. Bis auf Toilettenhäuschen und eine längliche Überdachung mit Sitzplätzen gab es 1866 keine Gebäude auf der Pier. 1892 wurde nach Plänen des Architekten Birch ein großer Pavillon gebaut, der 1.200 Menschen aufnehmen konnte. Der im viktorianischem Stil errichtete Bau besaß zwei Stockwerke, war 125 Fuß lang und 100 Fuß breit (ca. 38,10 m x 30,48 m)  Im Außenbereich (Balkon) hatten 300 Menschen Platz, um sich von der Sonne verwöhnen zu lassen. Im Pavillon selbst waren ein Telegraph-Office, Gastronomie, ein großer Theatersaal mit Logen und moderne Toiletten untergebracht. Der Pavillon wurde schon nach einem Jahr Bauzeit am 19.10.1893 eröffnet.  An der seewärtigen Stirnseite wurde 1894 ein Anleger angebaut, um auch Ausflugsfahrten anbieten zu können. Die Westpier wurde immer beliebter, sodass in der Mitte der Pier ein weiterer, kleinerer Pavillon aufgesetzt wurde.

Schon Anfang der siebziger Jahre wandelte sich die Pier zu einer Vergnügungsmeile mit Karussells und Spielautomaten. Seit Kriegsende hatte sich das Publikum in Brighton stark verändert, nun kam zunehmend auch der „kleine Mann“ in das bis dahin mondäne Seebad.  Die historischen Hotels und Häuser lassen noch heute erahnen, wie kapitalkräftig die Gäste früher gewesen sein müssen.

Bis 1975 fanden Theatervorführungen statt- allerdings ging das Besucherinteresse stetig zurück. Durchschnittlich 200 Besucher kamen 1975 zu den Vorführungen, bei Eröffnung des Theaters 1893 waren es noch an die 1.000 gewesen. Nachdem man bereits in den sechziger Jahren eine Generalüberholung des neueren Pavillons durchgeführt hatte, wurde 1975 der hintere, ältere Teil der Pier aus Sicherheitsgründen für die Öffentlichkeit gesperrt. Die notwendigen Restaurierungsmaßnahmen schienen zu kostenintensiv und konnten aufgrund sinkender Besucherzahlen nicht finanziert werden. Ironie des Schicksals: Ausgerechnet dieser Teil ist derjenige, dessen Gerippe heute noch steht. Der neuere Teil ist inzwischen völlig zusammengefallen; nur noch die Stahlkuppel ragt aus den Fluten.

Die West Pier bei Flut. Links Teile des neuen PavillonsBrighton West PierDas Dach des neueren Pavillons bei Ebbe
 
Im Jahr 2002 kam das endgültige Ende der Pier, ein Brand zerstörte das gesamte Bauwerk. Lediglich ein Metallgerippe blieb übrig. Diese, nun nicht mehr überdachten Teile sind der Korrosion und dem Salzwasser ausgesetzt. Am Eingangsbereich der Pier steht heute noch eines von zwei Eingangsgebäuden. In dessen Fundament wurde im zweiten Weltkrieg eine kleinere Küstenverteidigungs-Stellung untergebracht - noch heute ist die Schießscharte zu sehen. Der Bereich ist nicht mehr zugänglich, da bis 2011 auf dem Platz ein Aussichtsturm errichtet wird (der Entwurf stammt von den Erbauern des London Eye).


Der noch verbliebene „Brighton Pier“ unterhält heute eine Spielhölle und einen Kirmes. Die Erhaltungskosten sind nach Betreiberangaben erheblich. Diese Pier lässt die ursprüngliche Größe der zerstörten Westpier noch heute  erahnen...

Die Überreste der Westpiers befinden sich in der Nähe des Grand Hotels. Der Bereich um die ehemalige Westpier herum ist abgesperrt. Schwimmen und Tauchen sind in diesen Bereichen lebensgefährlich und somit untersagt.

Quellen:
- Gray F. „ Walking on Water“, 1998 Brighton West Pier Trust


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