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Die Geschichte des U-Bootbunkers "Kilian" in Kiel

Mehr als ein halbes Jahrhundert prägte der U-Bootbunker "Kilian" - nach nur drei Jahren Betrieb nach Ende des 2. Weltkriegs zur Ruine gesprengt - die Einfahrt in den Kieler Hafen. Heute deutet fast nichts mehr auf seine Existenz hin. Die letzten Reste liegen seit dem Jahr 2001 unter dem Erweiterungsareal des Ostuferhafens, einem Teil des Kieler Handelshafens im Ortsteil Dietrichsdorf, begraben. An der Einfahrt zum abgesperrten Hafengelände wurde nach Abschluss der Hafenbauarbeiten ein Gedenkstein, der auf die Entstehungsgeschichte des Bunkers hinweist, aufgestellt.

Uboot-Bunker KILIAN

Der "Kilian" war einer der für Ausrüstung- und Instandsetzungsarbeiten im Laufe des Zweiten Weltkriegs in besetzten Ländern oder entlang der deutschen Nord- und Ostseeküste unter Leitung der Organisation Todt errichteten U-Bootbunker der deutschen Kriegsmarine. Er hatte die Aufgabe, neu erbauten U-Booten bei Restarbeiten und Ausbildungs- wie Frontbooten bei der Reparatur Schutz zu bieten. Sein Bau durch die Firma Dyckerhoff & Widmann begann im Winter 1941/42. Er wurde am Rande des Stammwerks der Kieler Howaldtwerke im sogenannten Nassbauverfahren - also ohne trocken gelegte Baugrube - errichtet. Der rückwärtige Werkstattbunker wurde im Frühjahr 1942 am Kopfende einer Schiffbauhelling auf Stahlpfählen gegründet und im folgenden Herbst fertig gestellt. Zur selben Zeit wurden die ersten von mehreren 42,3m langen und acht Meter breiten Senkkästen auf den Hafengrund abgesenkt, die als Fundament der Wände dienten. Zwischen drei Kais wurde eine Holzkonstruktion verlegt, die als Arbeitsplattform für den Bau der Wände und der Decke diente. Für die Konstruktion der Wände wurden fahrbare Stahlschalungen eingesetzt. Der Bau der Außenwände und der mittleren Wand wurde im Sommer 1943 abgeschlossen. Anschließend wurde die Decke aus 434 Spannbetonträgern mit dazwischen gefügten Spiralbewehrungen montiert. 1.200 Arbeiter verbauten in Schichten rund um die Uhr durchschnittlich 1.000 m³ Beton pro Tag. Wie üblich wurden zahllose Deportierte aus besetzten Ländern und KZ-Insassen als Zwangsarbeiter für den Bau eingesetzt, die überwiegend in Barackenlagern in der Nähe der Rüstungsbetriebe untergebracht waren, aus denen sie jeden Tag durch die Straßen zu ihren Arbeitsstätten geführt wurden. Osteuropäische Zwangsarbeiter wurden in den Lagern unter haftgleichen Bedingungen gehalten. Jegliche Kontaktaufnahme wurde streng bestraft. Bei Bombenangriffen wurde es den Zwangsarbeitern verwehrt, Schutzräume aufzusuchen. Entsprechend kam es zu zahlreichen Todesopfern durch Bombardements.

KILIAN während der Bauühase

Am 13. November 1943 wurde der "Kilian" eingeweiht. Er verfügte bei einer Gesamtlänge von 168 Metern über zwei Nassboxen von jeweils 150 Metern Länge, war 80 Meter breit und 30 Meter hoch. Die Decke war 3,5 Meter stark (später wurde zusätzlich eine 1,3 Meter dicke Zerschellerschicht aus Schwerbeton aufgebracht), die Außenwände zunächst zweieinhalb, nach späteren Verstärkungen 3,3 Meter dick. Insgesamt wurden 200.000m³ Beton verbaut. Bei einer Nutzlänge von 138 Metern war der "Kilian" der einzige bis Kriegsende fertig gestellte Bunker, in dem zwei Hochsee-U-Boote hintereinander Platz fanden. Insgesamt bot er 12 Liegeplätze für VII C-Boote. Bei einer gleichen Anzahl der größeren XXI-Boote hätten die Hecks der außen festgemachten Boote allerdings drei Meter aus dem Bunkerschutz heraus geragt. Die beiden Bunkertore wurden mit jeweils sieben 2,75 Meter breiten Stahltafeln im Hängetorverfahren verschlossen. Sie reichten bis zur Wasserlinie hinunter. Unter der Wasserlinie befanden sich keine Schutzvorrichtungen. Auf der Nordwestecke des "Kilian" befanden sich in einem 14,8x13x10,8 Meter großen, wie auch die außen gelegenen Treppenhäuser unverbunkerten, Aufbau eine Flakstellung und darunter auf zwei Geschossen Unterkünfte für deren Bedienungsmannschaft.

Am 19. November 1943 lief als erstes U-Boot "U 1101" in eine der beiden Boxen ein. Am 7. August 1944 erschien eine Anweisung des HAS (Hauptausschuss Schiffbau), nach der im "Kilian" von nun an monatlich 14 Achterschiffsektionen für XXI-U-Boote gebaut werden sollten, weil die Hamburger, Danziger und Bremer Werften mit der Montage des XXI-Typs ausgelastet waren. Von den ungeschützten Hellingen der Germania-Werft in Kiel-Gaarden sollte der Sektionsbau in die Box II des Kilian verlegt werden. Die Anweisung sah die Endmontage im zweiten Kieler U-Bootsbunker, dem "Konrad" auf dem Areal der Deutschen Werke Kiel, vor. In der nördlich gelegenen Box I sah eine am 18. September 1944 vorgelegte Planung des Ingenieur-Büro Glückauf aus Blankenburg, den Bau von XXI-Sektionen vor, in der Südbox II den Bau von XXIII-Booten. Die Planungen wurden so nicht umgesetzt. Im Februar 1945 besichtigte Admiral Friedrich Ruge den Bunker und rügte, dass die vorhandenen 120 Drehbänke nur ungenügend für die U-Bootsfertigung genutzt würden. Im "Konrad" wurden inzwischen in Serienproduktion Zwei-Mann-U-Boote vom Typ "Seehund" zusammengesetzt.

Produktion von Seehund-Kleinst-Ubooten

Während der letzten Kriegsjahre erhielt der Bunker, an dessen endgültiger Fertigstellung noch bis 1945 gearbeitet wurde, eine Reihe von Bombentreffern, die zunächst aber nur geringe Schäden anrichteten. Während Kiel als kriegsstrategisch wichtiges Ziel seit 1941 systematisch verwüstet wurde und die Innenstadt fast nur noch aus Ruinen bestand, blieb es in der U-Bootsproduktion bei Zufallstreffern. Dies änderte sich in der Nacht vom 9. zum 10. April 1945. 6.712 Bomben fielen bei einem einzigen Angriff aus den Bombenschächten von 576 Flugzeugen der Royal Air Force auf die Werftanlagen auf dem Kieler Ostufer. Unter ihnen waren auch schwere Luftminen der Art, mit der 1944 das Schlachtschiff "Tirpitz" im norwegischen Altafjord zum Kentern gebracht worden war. Um 21:33 wurde Luftalarm in Kiel ausgelöst. U.a. wurden beim folgenden Bombardement der Schwere Kreuzer "Admiral Scheer" versenkt und die "Admiral Hipper" sowie der Leichte Kreuzer "Emden" schwer beschädigt. Als der von 22.29 bis 22.54 dauernde Angriff beendet war, loderten Flammen auf diesen Schiffen, brannten Maschinenhallen, waren im Trockendock I neben dem Bunker "Konrad" die U-Boote "U 1227" und "U 2516" zerstört worden. Die unter Wasser aufgerissene "Scheer" kenterte um 23:35 an der Pier des Ausrüstungshafens der DWK und schloss zahlreiche Besatzungsmitglieder in seinem kieloben gedrehten Rumpf ein. Neben zahllosen Marineangehörigen fanden 81 Zivilisten bei dem Luftangriff den Bombentod.

Kiel, Bunker Konrad

Im "Kilian" lagen zur Zeit des Angriffs die U-Boote "U 4708" und "U 170". "U 4708", ein modernes Elektro-U-Boot, war am 26. März 1945 bei der Germania-Werft per Stapelhub durch einen 350-Tonnen-Kran zu Wasser gelassen worden. Auf ihm sowie dem Schwesterschiff "U 4704" sollte die neue Schutzfolie Alberich gegen Schallortung erprobt werden. Deren Aufbringung hatte den Bau um insgesamt eine Woche gegenüber anderen Typbooten verlängert. Am 9. April stand das 34,68 Meter lange, 234 Tonnen verdrängende Boot vor der Abnahme durch die Marineaufsicht. An Bord befanden sich acht Mann, darunter zwei Marineangehörige. Die anderen sechs waren Arbeiter der Germania-Werft. Der Kommandant, OltzS Dietrich Schultz, und die anderen Crewmitglieder waren nach einer tagsüber durchgeführten Probefahrt von Bord gegangen und hatten ihr Quartier auf dem Wohnschiff "Holtenau" im Binnenhafen bezogen. Wegen der Luftgefahr war das U-Boot von der Bauwerft kurzfristig in den "Kilian" verlegt worden. Hier lag bereits das große IXC/40-Boot "U 170" in der Südbox, dessen Sehrohr zu Reparaturen gezogen werden sollte. Von dessen Turm aus beobachteten zwei Besatzungsangehörige das Einlaufen von "U 4708". Als der Luftalarm ausgelöst wurde, befahl der Kommandant des größeren Bootes seine Außenposten auf das Boot zurück und ließ die Luken verriegeln. Gleichzeitig wurde Schotten dicht-Verschlusszustand hergestellt und die Besatzung auf Tauchstation gerufen. Während auf diesem Schiff durch die Unterteilung ein gewisser Schutz gegen Wassereinbrüche gegeben war, verfügte "U 4708" nur über einen durchgängigen Innenraum und eine einfache Stahltür zum Maschinenraum. Die auf dem Boot noch in ihre Arbeit vertiefte Crew hatte den Luftalarm gar nicht wahrgenommen.

Offenbar mit Hilfe von Präzisionsinstrumenten wurde eine Blockbuster-Bombe direkt vor dem Eingang des "Kilian" zur Explosion gebracht. Die Hängeplatten im Eingang wurden durch den starken Luftdruck, den diese mit dünner Wandung konstruierten, vor dem eigentlichen Aufprall detonierenden Litfasssäulenbomben erzeugten, förmlich weggefegt. Teile davon prallten auf das Achterschiff von "U 4708" und rissen achterlich des Turmes, wo sich der Luftansaugstutzen und die Dieselabgasleitung befanden, ein Leck in den Einhüllenrumpf. Eine Druck- und Flutwelle raste durch den Bunker und tötete sämtliche Wachmannschaften und Arbeiter darin. Auch die Bedienungsmannschaft des Flakgeschützes auf dem Dach kam ums Leben. An Bord von "U 170" wurde ein ohrenbetäubendes Krachen, Bersten und Brausen wahrgenommen. Der Tiefenmesser schlug bis auf 40 Meter aus, ehe er langsam zurück wanderte und schließlich bei 25 Metern stehen blieb. Die Männer an Bord wähnten sich in den Hafengrund gebohrt. Minuten später aber bewegte sich der Zeiger bis auf Null zurück - der schiere Druck hatte ihm die im rund 12 Meter tiefe Hafen gar nicht mögliche Tauchtiefe suggeriert. Nun waren von außen Rufe zu hören. Das Turmluk wurde aufgeschraubt, und Hilferufe schallten durch die Dunkelheit. Ein Scheinwerfer beleuchtete wenig später die verwüstete Box: Im Wasser schwammen drei Männer, doch wo "U 4708" gelegen hatte, war nichts mehr zu sehen. Der Lichtschein wanderte weiter auf die Förde hinaus, weil kein Tor mehr die Bunkerkammer zum Hafen hin abschloss.

"U 4708" war von der Druckwelle hochgeworfen worden, hatte mit dem Bug die Pier gerammt und war durch das von dem Bunkertor gerissene Leck rasch vollgelaufen. Typbedingt hatte es nur geringe Auftriebsreserven. Dies führte auch bei einem Schwesterschiff, das nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs für die spätere Bundesmarine als "U Hai" in Dienst gestellt worden war, am 14. September 1966 zu seinem raschen Untergang nahe der Doggerbank, als Wasser durch einen Zuluftmast am Turm eindrang. Nur ein Mann der 20köpfigen Besatzung überlebte dieses bis dato schwerste Unglück der Bundesmarine. Ähnlich erging es 21 Jahre zuvor auch "U 4708". Mit verklemmtem Turmluk sackte es auf den Hafengrund ab und schloss seine Besatzung ein. Sechs von ihnen gelang es, sich in eine Luftblase unter dem Ausstiegsluk in der Zentrale zu flüchten. Die beiden Maschinisten hingegen ertranken sofort im gefluteten Maschinenraum. Drei Männer stiegen durchs enge Zentralluk in den 1,7 Meter schmalen Turmaufbau. Die anderen drängten vom ansteigenden Wasser getrieben nach. Mit einer Hebelstange gelang es nach verzweifeltem Ringen, das Turmluk aufzubrechen. Als die letzte Luft aus dem Wrack entwich, drängten die Eingeschlossenen zur Luke. Nur zweien gelang die Flucht. Für sechs Männer, darunter drei Werftarbeiter, wurde "U 4708" zum Grab. Die Überlebenden wurden von der Besatzung des "U 170" aus dem Wasser gezogen.

Am Tag nach dem Untergang wurde mit Hilfe von Tauchrettern die gesunkene "U 4708" inspiziert. Sie lag nach Backbord gekippt im Schlick direkt am Heck des unbeschädigt gebliebenen "U 170". Es gelang, einen Toten aus dem Wrack zu bergen. "U 170" diente den zerbombten Howaldtwerken anschließend als Not-E-Werk und verlegte am 27. April 1945 ins norwegische Horten. Die überlebende Crew von "U 4708" sollte nach dem Verlust ihres Bootes die "U 2323" übernehmen, die am 26. Juli 1944 querab des U-Boot-Ehrenmals Möltenort nach Minentreffer gesunken war und derzeit zur Reparatur bei der Germania-Werft lag. Dazu kam es nicht mehr - vom Übungsplatz in Hassee, wo schließlich für den Endkampf exerziert wurde, ging es direkt in englische Kriegsgefangenschaft.

Trotz der Bombenschäden wurde der "Kilian" bis Kriegsende von U-Booten weiter genutzt. Im April 1945 lagen hier "U 475", "U 393" und "U 2512". Die Arbeiten gerieten aber in Verzug, immer weniger Werftarbeiter erschienen im Bunker, und die Besatzungen mussten selbst tätig werden. Am 2. Mai 1945 detonierte eine Tieffliegerbombe vor dem intakt gebliebenen nördlichen Bunkereingang, wo kurz zuvor noch das Heck von "U 393" während einer Dieselstandprobe herausgeragt hatte. Der letzte Bombenangriff auf Kiel erfolgte in der folgenden Nacht. Am Morgen des 3. Mai erging der Befehl an alle Boote, auszulaufen oder zu sprengen. Sämtliche U-Boote verließen den Bunker und liefen nach Flensburg oder in den Kieler Marinestützpunkt Wik. "U 393" wurde nahe Holnis von Fliegerbomben getroffen. Andere Boote versenkten sich schließlich selbst. Im Dock V der Deutschen Werke Kiel wurde die "Admiral Hipper" gesprengt.

Das Innere der Nordbox

Am 4. Mai erreichten die ersten britischen Panzer Kiel. Sie stießen auf eine Stadt, deren Zentrum zu 90% zerstört war. Die Rüstungsproduktionsstätten auf dem Ostufer glichen mit den dicht an dichte liegenden Kratern der Bombeneinschläge einer Mondlandschaft. Im Hafen lagen rund 400 Wracks auf Grund. Eine Wrackkarte des Marine Bergungs- und Seedienstkommandos Kiel wies im Bereich des "Kilian" neben "U 4708" noch das Feuerlöschboot "Lumme" an der Nordseite aus sowie die Wracks von zwei Baupontons, die während des letzten Kriegsjahres für den U-Boots-Sektionsbau eingesetzt waren, und einige Zwei-Mann-U-Boote.

Nach Kriegsende erforschte der britische "Salvage Service" die Bunkerkammern. Hierzu wurde das ehemalige Torpedo-Fangboot "Ente" mehrfach eingesetzt. Im Auftrag der englischen Untersuchungskommission wurde versucht, das Turmluk von "U 4708" dichtzusetzen und das Boot mit Pressluft zu heben. Da dies aber nicht gelang, blieb das Wrack mit den fünf Toten an Bord im Bunker liegen, in dem vom 1. September 1945 an dessen Sprengung vorbereitet wurde. Ein Arbeitskommando der 14. Field Company brachte 288 Bohrlöcher ein und füllte sie mit Explosivladungen. Außerdem wurden 107 250-Kg-Fliegerbomben aus der Umgebung Kiels herbeigeschafft und in Hohlräumen der Mittelwand aufgehängt. Weil eine Flutwelle im Gefolge der Detonation erwartet wurde, verankerte der Kings Harbourmaster die ehemalige Walfabrik "Jan Wellem", 11.700 BRT, in 120 Metern Entfernung vor dem Bunker. Sie sollte das im heutigen Landeshaus eingerichtete Headquarter Military Government Schleswig Holstein sowie den British Yacht Club im Olympiahafen von 1936 auf der gegenüberliegenden Hafenseite schützen. Am 20. Oktober waren die Vorbereitungen zur Zerstörung des "Kilian" abgeschlossen. Um den Bau wurde ein 550 Meter breiter Sicherheitsgürtel eingerichtet.

Die Jan Wellem vor dem Bunker
Die Sprengung des BunkersRoyal Marines bringen im Werkstattbunker vor der Sprengung ihr Wappen anSprengung

Um 11.10 des 26. Oktober 1946 wurde die Sprengladung gezündet. Insgesamt 12,3 Tonnen Sprengstoff rissen nicht nur, wie geplant, die Mittelwand ein - so wie bei der Sprengung von "Elbe II" im Hamburger Vulkanhafen - sondern kappten auch die Außenwände nach außen weg. In einer gewaltigen Sprengwolke stürzte die Bunkerdecke herab, nur im rückwärtigen Bereich stützte sie sich auf einige separat gegründete Betriebsgänge ab, die den Bunker quer durchzogen hatten. Der nördliche Eingangspfeiler wurde völlig zerstört, an seiner Stelle ragte fortan nur noch der einst auf dem Dach befindliche Flakturm aus dem Hafen. Das südliche Eingangsportal blieb hingegen stehen, ebenso wie der rückwärtige Werkstattbunker, der bei der Sprengung eine 20 Meter dahinter gelegene Trafostation hatte schützen sollen. "U 4708" war unter herabgestürzten Betontrümmern endgültig begraben.

Werkstattbunker
Original erhaltene Wandbeschriftung im Werkstattbunker des U-Boot-Bunkers KilianOriginal erhaltene Wandbeschriftung im Werkstattbunker des U-Boot-Bunkers Kilian

In den Nachkriegsjahren zog die Ruine immer wieder Schrotttaucher an, die in ihr nach Edelmetallen und Quecksilber suchten. Zwischen 1947 und 1950 wurden in großem Umfang Kondensatoren und wertvolle Drehstähle ans Tageslicht geholt. Im Sommer 1952 entdeckte der Taucher Rolf Breuer erst quer zur Landseite des Bunkers eine mit Widia-Stählen beladene Schute und dann in acht Metern Tiefe das Wrack von "U 4708". Sein Bug war einen halben Meter tief eingedrückt, der Rumpf wies leichte Schlagseite auf. Es lag rund 30 Meter vom Eingang entfernt. Nördlich des Bunkers barg die Firma Harry Stallzus ein Zwei-Mann-U-Boot und baute dessen Motor in das Direktionsboot "Hella" der Howaldtwerke ein. Später übernahm Stallzus das Boot selbst. Die Firma besteht noch heute als Entölungsbetrieb im Kieler Scheerhafen.

An dem stehen gebliebenen Eingangsportal des "Kilian" kam es im Lauf der Jahre zu zunehmenden Rissbildungen. Wegen der Einsturzgefahr wurde Stallzus im Herbst 1959 beauftragt, die aus rund 44.000 Tonnen Beton bestehende Restdecke herabzusprengen. Wegen des fragilen Zustandes des Portals wurde mit Hilfe eines Schwimmkrans in die vorhandenen Risse an der Unterseite 24 Kilogramm Sprenggelatine eingebracht. Mit 12 Zeitzünderverspätungen wurde es am 19. Oktober 1959 zum kontrollierten Einsturz gebracht. Es dauerte eineinhalb Minuten, bis die Decke in der Mitte eingebrochen war und dann an den stehen gebliebenen Pfeilern herabstürzte und auch den letzten Zugang zu "U 4708" verschloss. Wenig später schwappte eine Flutwelle ans gegenüberliegende Hindenburgufer. Die ursprünglich geplante vollständige Beseitigung der Ruine seitens der Howaldtwerke wurde anschließend eingestellt, weil sich herausstellte, dass das Gelände nicht ihnen, sondern der Kieler Oberfinanzdirektion gehörte, die wiederum für die Kosten eines Totalabrisses nicht aufkommen wollte. Der Bunker hatte eine Gestalt angenommen, die für die kommenden dreissig Jahre praktisch unverändert bleiben sollte.

Fast gänzlich verschwunden war zu dieser Zeit bereits der andere Kieler U-Bootsbunker "Konrad". Auch er war 1946 gesprengt, die umliegenden Hafenanlagen samt der Wrackreste der "Admiral Scheer" und anderen Kriegsschiffen mit Seesand zugespült worden. Die eingeebneten Trümmer des "Konrad" wurden Anfang der 60er Jahre von den Howaldtwerken beseitigt, die auf dem vormaligen Dockgelände große Schiffbauhallen errichteten. Die Räumarbeiten, bei denen die Betonbewehrungen mittels Sprengungen und Schneidbrennern für die Bagger zerkleinert werden mussten, dauerten von Oktober 1961 bis Mai 1962. Während dessen wurden auch die Wracks dreier plattgedrückter "Seehund"-U-Boote gefunden. Bereits im Dezember 1962 erhoben sich an der Stelle des "Konrad" vier riesige Schweißhallen.

Die Ruine des "Kilian" entschwand aus dem öffentlichen Blickfeld. Der Werkstattbunker wurde von Howaldt als Materiallager genutzt, die Decken- und Wandreste als Ablage für Kranträger und Gerüste. 1974 vertäute die Werft den ehemaligen Piratensender "Galaxy" in der Nordbox. Er hatte im Hamburger Zweigwerk nach erfolgreichem Einsatz vor England überholt werden sollen, um fortan vor Helgoland auf Sendung zu gehen. Als in Deutschland ein Gesetz gegen Piratensender erlassen wurde, gaben die Eigner ihr Schiff auf, für das nach einiger Zeit die Ruine des "Kilian" als sicherer Liegeplatz auserkoren wurde. Dies erwies sich als trügerisch - vom 19. auf den 20. April 1979 sank die "Galaxy", ursprünglich ein amerikanischer Minenleger, der im Zweiten Weltkrieg vor Japan im Einsatz gewesen war, aus Altersschwäche. Mit starker Backbordschlagseite und noch aus dem Wasser ragenden Aufbauten lockte sie während der folgenden Jahre zahlreiche Wassersportler und Taucher an. 1985, als das Werftgelände an die Stadt Kiel verkauft worden war, wurde die Beseitigung des rostigen Wracks aus Umweltgründen beschlossen. In einer komplizierten, mehrtägigen Aktion trieben Taucher Stahlstropps zwischen Rumpf und Bunkerbeton hindurch, ehe die Schwimmkräne "Hebe 2" und "Hebe 1" das Wrack anheben und auf eine stillgelegte Schiffbauhelling verfrachten konnten. Hier wurde die "Galaxy" anschließend verschrottet.

Kiel, Bunker KilianKiel, Bunker KilianKiel, Bunker Kilian

Im Vorfeld der von der Stadt auf dem ehemaligen Werftareal geplanten Erweiterung des Handelshafens begann 1987 eine Diskussion um die Zukunft des "Kilian" und eventueller Gefahren durch womöglich noch vorhandene Munitionsreste. Im Februar 1988 drangen Eckernförder Marinetaucher unter die Bunkerdecke vor. Am 21. März 1988 begann eine Kappelner Wasserbaufirma, die inzwischen zweieinhalb Meter dicke Schlammschicht in den Bunkerbecken abzusaugen, damit Taucher die unter Wasser liegenden Ruinentrümmer untersuchen konnten. Es gelang, eine Reihe von Granaten zu bergen und auch das U-Bootswrack zu ertasten. Am 6. April wurden die Arbeiten eingestellt.

Ende August 1988 stellte das Schleswig-Holsteinische Landesamt für Denkmalpflege "Kilian" unter Denkmalschutz. Hiergegen leitete die Stadt Kiel eine Klage ein, unterlag aber im Oktober 1991 beim Verwaltungsgericht in Schleswig.

Wrack
Die Südwand im Spetember 1991Das ehemalige Areal der SüdboxDie NordboxDer versunkene FlakwürfelDer Südturm 1991

Im Mai 1994 wurde in die Bunkerboxen aus Dänemark herbei transportierter Seesand eingespült, um eine Explosionsgefahr durch bislang unentdeckt gebliebene Munitionsreste gänzlich ausschließen zu können. Dabei wurde auch das Wrack eines halb gesunkenen Leichters in der Nordbox teilweise zugesandet. Mittels Pumpen wurde der Sand in die zahllosen Hohlräume eingebracht, die anschließend mit Betonpfropfen versiegelt wurden. Über Wasser erstreckte sich fortan eine Art kleiner Strände im inneren Bunkerbereich.

1997 kam der Abriss des "Kilian" wieder auf die Tagesordnung. Dafür hob nach intensiv geführter, öffentlicher Debatte die Schleswig-Holsteinische Landesregierung den Denkmalschutz auf, um damit den Weg für eine uneingeschränkte Erweiterung des Ostuferhafens zu ebnen. Dessen ungeachtet bemühte sich der Verein "Mahnmal Kilian e.V.", die Ruine des Bunkers als Gedenkstätte zu erhalten. Sie stellte nach dessen Auffassung einen Gegenpol zu den U-Boot-Ehrenmalen Laboe und Möltenort dar und sei Seegrab, Ort von Zwangsarbeit, Produktionsstätte einer verbrecherischen Kriegsführung und als zerstörter Bunker ein Friedenssymbol. Nach einer Reihe öffentlichkeitswirksamer Veranstaltungen im Umfeld des "Kilian" wurden ab Oktober 1998 Führungen auf dem Bunker angeboten, auf dem eigens hierfür Trails hergerichtet worden waren. Ab Ende dieses Jahres wurde der Bau zudem nachts illuminiert. Dem Verein gelang es, Künstler wie z.B. den Lichtperformer Erasmus Schröter für eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem "Kilian" zu gewinnen, der für die lichtverfremdete Ablichtung von Bunkern bekannt ist. Auf dem schräg gegen einen Eingangspfeiler gelehnten Dachrest der Südbox wurden fünf Kreuze zum Gedenken an die im U-Boot verbliebenen Toten errichtet. Mit Schulklassen fand pädagogische und künstlerische Arbeit auf der Ruine statt. Mehrere tausend Besucher nutzten im Lauf der Monate die Gelegenheit, den "Kilian" zu besichtigen. Das beharrliche Engagement des Vereins, der auch ein Museumskonzept für den Werkstattbunker erarbeitete, wurde im September 1999 mit der Verleihung des Deutschen Preises für Denkmalschutz in Speyer gewürdigt.

Dessen ungeachtet begannen nach Abschluss der notwendigen Planfeststellungsverfahren im Dezember 1999 die Vorarbeiten zur Hafenerweiterung. Die Seehafen Kiel GmbH & Co. KG begann mit der Aufspülung von Sand. Bis Juni 2000 hatten Schuten bereits über 500.000 Tonnen Sand herangeschafft, die sich ringsum die Ruine aufhäuften und auch ihre unteren Bereiche auffüllten. Am 8. Mai 2000 begann der Bau von Spundwänden um den "Kilian" herum tief in die Förde hinein mit einem symbolischen Rammschlag. Noch bis September des Jahres führte der Verein "Mahnmal Kilian", dem zwischenzeitlich das Begehen des Geländes untersagt worden war, per Barkasse Informationsfahrten zum Bunker durch.

Sprengung des SüdturmsDer ehemalige Südturm

Am 26. September 2000 begann ein Bagger den Abriss des inzwischen komplett eingespülten Flakbunkers. Am 18. November fiel nach einer ersten Sprengung der Nordturm, am 23. November um 12.30 der Südturm. Vorher hatte eine thüringische Sprengfirma 150 Kilogramm Sprengstoff in 60 Bohrlöcher im Turm eingebracht. Planmäßig stürzte der Turm nach der Zündung binnen Sekunden zur Seite. Weitere Auflockerungssprengungen dienten der Auflockerung des Betonschutts, der anschließend zerschreddert und zur Hafenauffüllung weiter verwendet wurde. Mit einem Teil des Materials wurde in Erfüllung einer Auflage zur Erteilung der Abrissgenehmigung eine künstliche Untiefe nördlich des Ostuferhafens geschaffen. Sie soll als Ersatz für die beim Abriss verloren gegangene "Rifflandschaft" des Bunkers dienen, in der sich während der vergangenen Jahrzehnte eine reiche Meeresflora und -Fauna entwickelt hatte. Mit einer Sprengung am Werkstattbunker am 8. Dezember 2000 begann die Beseitigung vom letzten Hochbau des "Kilian". Weitere kleinere Sprengungen folgten. Im Frühjahr 2001 waren insgesamt 15.000 Tonnen Betonschutt abgetragen. Die Fundamente des "Kilian" blieben dabei zwar erhalten, verschwanden aber unter metertiefem Sand. Ende August 2002 waren die Wasserbauarbeiten zur Erweiterung des Kieler Ostuferhafens, der sich zur Drehscheibe im Frachtverkehr nach Osteuropa entwickelt hatte, abgeschlossen.

Wo sich einst der "Kilian" erhoben hatte, waren nun fünf RoRo-Liegeplätze mit kompletter Infrastruktur und weitläufige Lagerflächen entstanden. Der Verein "Mahnmal Kilian e.V." erwarb als neues Objekt zur Vermittlung des Gedankens von Friedensförderung und Völkerverständigung die Ruine eines ehemaligen Luftschutzbunkers gegenüber des Marinestützpunktes in der Wik, wo heute regelmäßig Führungen angeboten und inhaltliche Veranstaltungen von Erinnerungsarbeit über Lesungen bis zu Theater durchgeführt werden.

Quellen und Literaturhinweise:
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- http://uboat.net/flotillas/bases/kiel_bunkers.htm
- http://www.vimudeap.de/228.html

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