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Fernmeldesektor-Türme der Luftwaffe

Mitte der sechziger Jahre errichtete die Bundeswehr, verteilt über das damalige Westdeutschland, mehrere sich ähnelnde Funkaufklärungsanlagen mit praktisch baugleichen Türmen. Diese bereits 1960 geplanten, sogenannten Fernmeldesektoren-Türme der Luftwaffe (FmTürmeLw) bildeten eine Art"Perlenkette" entlang der deutsch-deutschen bzw. deutsch-tschechischen Grenze und waren mit Buchstaben gekennzeichnet:

 

FmSkt Einsatzstelle Unterkunft Baubeginn Aufgelöst
A Klaustorf Großenbrode 1965 2004
B Thurauer Berg Dannenberg 1965 März 1994
C Stöberhai Osterode 1964 März 1993
E Schneeberg Wunsiedel 1963 März 1993
F Hohenbogen/Eckstein Bad Kötzting 1965 2004

Fernmeldesektor A Großenbrode Ende der 1980er JahreFernmeldesektor E Schneeberg im Oktober 2005Fernmeldesektor F Hoher Bogen, ca 1995Fernmeldersektor F Hoher BogenFernmeldersektor F Hoher Bogen

Planzeichnung Fernmeldesektor B Thurauer BergErster Turm dieser Bauart und Prototyp für die Folgebauten war der Turm des Fernmeldesektors E auf dem Schneeberg - er ging bereits 1965 in Betrieb. Nach jeweils zwei bis drei Jahren Bauzeit wurden die Türme bezogen. 1987 wurde mit dem Bau sogenannter "horizontaler Erweiterungen" für Betriebsräume, Werkstätten etc. begonnen. Diese wurden bis zur Wende allerdings nur bei den Fernmeldesektoren A und F fertiggestellt (siehe unten). Zum Bau eines ursprünglich geplanten FmSkt G in Südbayern kam es aus finanziellen Gründen  nicht mehr. Es gibt bzw. gab noch weitere Türme gleicher Konstruktion, so beispielsweise den "Turm M" des Marine-Fernmeldesektors 73 in Pelzerhaken (Bild 2) (1992 aufgelöst). Obwohl sich diese Kampfführungsanlagen architektonisch zum größten Teil stark glichen (deshalb haben wir sie hier auf einer Seite zusammengefasst), unterschieden sie sich in der Nutzung teilweise doch erheblich voneinander. Die Nutzungspläne für jedes Geschoß und jede Antennen-Stellfläche der Anlagen mußten vom Bundesministerium der Verteidigung einzeln geprüft und genehmigt werden. Alle Lw-Türme hatten aus Stabilitätsgründen zunächst ein Radom in Sinus/wellen)form. Als der Aufklärungsbereich in den Gigahertz-Bereich erweitert wurde, ergaben sich durch die Sinusform erhöhte Peilfehler. Deshalb bekamen die Türme in den 70er Jahren neue, runde Radome mit eng tolerierter Abweichung in der Schichtdicke.


Marine-Fernmeldesektor M Pelzerhaken mit Sinus-VerkleidungMarine-Fernmeldesektor M, 1978Marine-Fernmeldesektor M, ca. 2004

Stöberhai

Schon 1957 errichtete die Bundeswehr die Dienststelle "Wieda" auf der direkt angrenzenden Kuppe und seit etwa arbeitete die französische Luftaufklärung mit ihrer Einheit Escadron Electronique Sol 06/054, DT6 auf dem Stöberhai (Erkundung 10/1960, Landerwerb 1963, Bau 11/1963 bis Frühjahr 1967 mit Unterbrechung 1964-65). Der rund fünfundsiebzig Meter hohe Turm des Fernmeldesektors C der Luftwaffe entstand in einer ersten Ausbaustufe von ortsfesten Peil- und Aufklärungsstationen in den Jahren 1964 bis 1966 (Baubeginn: 28.2.1964, Richtfest: 24.6.1965). Am 7. Juni 1967 ging der Turm in Betrieb. Hausherr war nun mit rund 300 Angehörigen der Fernmeldesektor C des Fernmelderegiments 71.

Fernmeldesektor C, Stöberhai

Das eingezäunte Gelände auf dem Stöberhai belegt eine Fläche von rund 28ha. Der Turm hat einen Fuß-Durchmesser von 24,5m, eine Nutzfläche von 750m² auf 16 Stockwerken und besteht aus 5.280 Tonnen Beton und 350 Tonnen Stahl. Er ist durch einen rund 35m langen, unterirdischen Gang mit dem Eingangsbauwerk verbunden. Der Gang sollte u.a. auch eine Eisversiegelung verhindern, die unter den rauhen klimatischen Bedingungen möglicherweise hätte vorkommen können.

Die Evakuierung des Turmes wäre im Ernstfall über eine Wendel-Rutsche geschehen, die von der achten Etage bis in den Keller reicht. Man hatte zwar die Idee, Rettungsschläuche von der Plattformebene (12. Etage) aus einzusetzen, diese wurde aber nie in die Tat umgesetzt. Um trotzdem Personen aus diesen Stockwerken retten zu können, gab es die Möglichkeit, Verletzte auf einer Trage vom 12.OG abzuseilen. Aufgrund des hohen damit verbundenen Risikos wurde dies aber nie geübt.

Die alte Stellung auf dem StöberhaiFernmeldesektor C, Stöberhai während der BauphaseFernmeldesektor C, Stöberhai 1978
Fernmeldesektor C, Stöberhai 1978Fernmeldesektor F im Bau Fernmeldesektor C, Stöberhai 1964/1965

In der großen, dreistöckigen "Verdickung" waren die Erfassungsplätze und -anlagen untergebracht, diese wurden später größtenteils in die Nebengebäude verlegt. Ebenfalls im Turmwulst untergebracht war das Herzstück - die 1977 in Betrieb genommene Kreisgruppenantennenanlage. Bis zu ihrem Einbau wurden VHF-Peilaufgaben mit auf den "Balkonen" installierten Richtantennen erledigt, beispielsweise mit Wendelantennen.Die Turmaußenhaut bestand in diesem Bereich (9./10.11. OG) natürlich aus einem wellendurchlässigen Material (PUR). Oberhalb dieser Etagen waren verschiedene Peil- und Aufklärungsantennen angebracht, weitere befanden sich auf dem kleineren, unteren Ring. Zum Transport von Lasten befand sich zwischen dem 12. und 16. Stockwerk ein Kleinlastenaufzug. In den Geschossen fünf und neun war das Heer (Fernmeldekompanie 945 bzw. 947, später FmKp 7) als Mitbenutzer Dauergast.

Etage Verwendungszweck
16 Antennen
15 Antennen
14 Antennen
13 Antennen
12 Antennen
11 Erfasserplätze (Luftwaffe), Antennenwerkstatt
10 TnHorchFu Boden, Gerätewerkstatt
9 "Gastnutzung" durch das Heer
8 Erfasserplätze Fernschreib Lw
7 Fernmeldezentrale, Kryptoraum
6 Turmkommandant, Rechnerzentrale
5 "Gastnutzung" durch das Heer
4 AV/AS
3 Lager
2 Wartungs- und Instandsetzungsgruppe Maschinen
1 Zugangstunnel, NEA, Gefechtsstand

Fernmeldesektor C, StöberhaiFernmeldesektor C, StöberhaiFernmeldesektor C, StöberhaiFernmeldesektor C, StöberhaiFernmeldesektor C, StöberhaiFernmeldesektor C, StöberhaiFernmeldesektor C, StöberhaiFernmeldesektor C, StöberhaiFernmeldesektor C, StöberhaiFernmeldesektor C, StöberhaiFernmeldesektor C, StöberhaiFernmeldesektor C, StöberhaiFernmeldesektor C, StöberhaiFernmeldesektor C, StöberhaiFernmeldesektor C, Stöberhai

Noch in den Jahren 1987 bis 1991, also zum Teil nach der Wiedervereinigung, wurden Anbauten im Wert von rund 14 Millionen DM errichtet, aber nie fertiggestellt. Aufgrund der besonderen Bausubstanz des Turms (u.a. auch Asbest) und der geplanten, zusätzlichen Stationierung eines Aufklärungstrupps für das Höhenaufklärer-Programm LAPAS war diese, bereits 1976 geplante, sogenannte horizontale Erweiterung nötig geworden. Hier hätten neben Luftwaffen-Angehörigen in separaten Stockwerken auch sogenannte "zivile Mitnutzer" Platz gefunden. Im Rahmen des LAPAS-Programms war noch nach der Wiedervereinigung 1990 eine Anbindung des FmSkt C an die geplanten Fernmeldesektoren M (Zodel) und N (Gützkow) vorgesehen, die Wahl fiel dann aber doch auf den FmSkt B bei Woltersdorf als Bodeneingangsstelle (siehe unten). 1992 wurde die gesamte Station schließlich stillgelegt. Neben den Anlagen der Luftwaffe stehen noch immer die Masten und Gebäude der Franzosen und zeugen von der Zeit der "Schattenkrieger".

Fernmeldesektor C, StöberhaiFernmeldesektor C, StöberhaiFernmeldesektor C, StöberhaiFernmeldesektor C, StöberhaiFernmeldesektor C, Stöberhai

 

Die Anlage wurde seit Jahren nicht mehr beheizt, was zusammen mit dem starken Winterfrost hier oben zwangsläufig zur Beschädigung der Bauten führen mußte. So litt zum Schluß alles unter starker Feuchtigkeit, vom Turm lösten sich bereits größere Betonplatten. Einige Investoren mit unterschiedlichsten Plänen hatten bereits Interesse bekundet - zu einer Realisierung kam es jedoch nie. Obwohl gerichtlich schon seit fünf Jahren geklärt war, daß der Bund für die Abrisskosten in Höhe von rund 3,5 Millionen Euro aufkommen muß, stritten Bund und Landkreis lange über den Abbruch. - schließlich setzte der Landkreis seine Position durch. Im Sommer des Jahres 2005 begannen die Abbrucharbeiten, zunächst mit dem Abriss einzelner Gebäude. Am 23. September 2005 um 14:40 endete schließlich auf dem Stöberhai die Ära des Kalten Krieges mit der Sprengung des Turms durch ein Eislebener Unternehmen. Achtundreißig Kilogramm des Sprengstoffs Gelamon, verteilt auf 380 Bohrlöcher, und einige Vorkehrungen am Turmfuß waren notwendig, um den Riesen in die gewünschte Richtung zu Fall zu bringen. Künftig soll eine Gedenkplatte an die Anlage auf dem Stöberhai erinnern.

Abriss auf dem StöberhaiAbriss auf dem StöberhaiAbriss auf dem StöberhaiAbriss auf dem StöberhaiAbriss auf dem StöberhaiAbriss auf dem Stöberhai

Woltersdorf

Diese Anlage wurde ebenfalls zwischen 1965 und 1967 errichtet. Betreiber war der Fernmeldesektor B der Bundesluftwaffe, die hier rund 200 Menschen beschäftigte. Untergebracht waren diese allerdings nicht im Objekt, sondern in der Kaserne Neu Tramm. Wie auf Turm C war auch hier das Heer mit der FmKp 945 (später FmKp 1) auf einigen Etagen des Turmes "zu Gast".

Abriss auf dem Stöberhai
Fernmeldesektor B 1978Fernmeldesektor B 1994

Noch Ende der 80er/Anfang der 90er Jahre wurde hier ein Gebäude für das sog. LAPAS-Programm ("luftgestütztes, abstandsfähiges Primär-Aufklärungssystem", bei den NATO-Partners "Senior Guardian" genannt) errichtet - ein durch Metallplatten und entsprechende Bauweise praktisch strahlungsdichtes und abhörsicheres Bauwerk. Die Baukosten dafür sollen mindestens 12 Mio DM betragen haben - wahrscheinlich aber wesentlich mehr. Im Zuge der Arbeiten wurde bei diesem Turm das oberste Stockwerk entfernt, um hier die Antenne für den Kontakt zur Grob D500 montieren zu können. Im Endausbau hätte die ortsfeste LAPAS-Infrastruktur 131 Mio DM gekostet - geplant waren in einer ersten Ausbauphase bundesweit zwei Stationen. 1993 entschied die Bundesregierung, daß LAPAS im Hinblick auf die schlechte Finanzlage doch nicht gebaut werden solle - man kann aber vermuten, daß die "Amigo-Affäre" bei dieser Entscheidung zumindest eine gewisse Rolle gespielt hat. Kurz darauf wurde das Gelände privatisiert. Heute wird es von verschiedenen Firmen und dem THW genutzt, der Turm trägt einige Mobilfunk-Antennen.

Hoher Bogen

Personell entstand der Fernmeldesektor F bereits 1961 aus den Reihen des damaligen Fernmelderegiments 72, noch im gleichen Jahr wurde nach einem geeigneten Ort für eine Einsatzstellung gesucht. Während die Hohenbogen-Kaserne in Kötzting bereits Mitte 1962 entstand, begannen die Bauarbeiten für den Fernmeldeturm erst im Jahr 1964. Mitte 1965 zogen die ersten Soldaten in die fertig gestellte Kaserne ein, der Horch-, Beobachtungs- und Peildienst Dienst auf dem Turm begann erst Mitte 1967. Auch hier begann auf Grund der beengten Verhältnisse im Turm und des durch immer mehr Technik stetig wärmer werdenden Raumklimas im Oktober der Bau einer horizontalen Erweiterung zur Aufnahme der Arbeitsplätze. Nachdem auch der für Antennen verfügbare Platz auf dem Turm nicht mehr ausreichte, begann im September 1988 der Bau eines zweiten Sonder-Antennenträger, später scherzhaft „Baby-Turm“ genannt. Im Dezember 1990 wurde die horizontale Erweiterung bezogen, der Sonderantennenträger ging im April 1991 in Betrieb.

Mit der veränderten Weltlage nach dem Fall des „Eisernen Vorhangs“  änderte sich Ende 1993 auch der Auftrag der Soldaten auf dem Turm. Er lautete ab jetzt „Ausbildung und Übung“, dem entsprechend wurde vom Schichtdienst auf reinen Tagesdienst umgestellt. Die Entscheidung zur Auflösung kam 2001, drei Jahre später ging der Fernmeldesektor F außer Dienst. Nach langem Leerstand erwarb ein Investor das Gelände und möchte die Anlage als Panorama-Resort touristisch erschließen. Die horizontale Erweiterung dient einem Solaranlagen-Hersteller, der hier offenbar das Verhalten seiner Anlagen unter extremen Witterungsbedingungen testet.

Fernmeldesektor F - TurmLinks die horiz. Erweiterung, dahinter der Turm, im Hintergrund der Baby-Turm, rechts der Antennenträger der Hornantenne des HeeresFernmeldesektor F - Fahrzeugschleuse der ZaunanlagePlakette am Fuß des SonderantennenträgersFernmeldesektor F - Zugangsstollen zum TurmFernmeldesektor F - NetzersatzanlageGeschützter Gefechtsstand Typ BW50Geschützter Gefechtsstand Typ BW50

Der Traditionsverein Hohenbogen-Kaserne Bad Kötzting betreibt heute in zwei Gebäuden der ehemaligen Kaserne ein empfehlens- und vor allem sehr besuchenswertes Museum. Der Besucher hat hier Gelegenheit, sich von der Arbeit auf der Einsatzstellung an Original-Arbeitsplätzen und zahlreichen Exponaten ein Bild zu machen. Ehemalige Soldaten des Fernmeldesektors F geben hier einen fachkundigen und kompetenten Einblick in die elektronische Aufklärung während des Kalten Krieges.

Peilantenne COMINTAntennengruppe ELINTErfassungs- und Auswerteplatz ELINTErfassungs- und Auswerteplatz TF/MehrkanalErfassungs- und Auswerteplatz COMINTCOMINT-Empfängerschrank VKE mit 648 Flugfunk-Kanälen

Quellen (Auszug):
- Die materielle Ausstattung der Fernmeldetruppe Eloka des Heeres 1956 bis 1990, Rudolf Grabau
- Militarisierungsatlas der Bundesrepublik, Alfred Mechtersheimer/Peter Barth
- Empfänglich für Geheimes, E.Schmidt-Eenboom
- Les Eléments Air Francais en Allemagne 1967 - 1994
- Geschichte der Fernmeldetruppe des Heeres in der Bundeswehr, Dr.Peter Berrenberg
- "Antenne", Sonderheft 100 Jahre Fernmeldetruppenn
- Traditionsverein Hohenbogen-Kaserne Bad Kötzting e.V.
- Festschrift "40 Jahre Fernmeldesektor F"
- LwFüKdo-A3V 2001 - Az:41-51-00 vom 28.09.2001
- Intelligence and National Security, Matthew M.Aid/Cees Wiebes
- Wolfgang Sterr, FmSkt F (vielen Dank für die Luftbilder)
- Archiv Michael Hein, www.kornberg.de
- Dietmar Herrmann, Fichtelgebirgsverein e.V.
- Archiv M.Bischoff
- Archiv H.Rhenius
- Archiv M.Frahm
- Archiv Werner Krall
- Archiv "Olaf Strecker
- Archiv Oliver Reichardt
- Verein Spurensuche Goslar e.V.
- Bundesvermögensamt Hannover, Zweigstelle Göttingen
- versch. Zeitungsartikel, vor allem Goslarsche Zeitung
- eigene Recherchen

Für die freundliche Genehmigung zur Begehung der Anlage auf dem Stöberhai danken wir an dieser Stelle ganz herzlich. Ein besonderer Dank für die freundliche Unterstüzung geht auch an den Verein Spurensuche Goslar e.V

Tags: ELOKA