"Gemeinsam gegen Stalin ..."

Gerüchte, Geschichten, Utopien
berndbiege

"Gemeinsam gegen Stalin ..."

Beitrag von berndbiege » 06.03.2004 08:59

Moin,

ich möchte einfach 'mal zum Spinnen einladen:

Vielfach ging/geht ja das Gerücht, dass die Westalliierten 1945 Pläne hegten, nach einer Teilkapitulation des "Dritten Reiches" und einer Säuberung der Führungsstruktur ("Mr. Hitler, would you mind stepping over to that wall ...?") gemeinsam mit deutschen Truppen die UdSSR anzugreifen und zu "befreien". Als Vertreter solcher Planungen wurden unter anderem Churchill und Patton genannt.

Schön und gut ... aber wie hätte so etwas praktisch ausgesehen?

Hoheitszeichen - Wären deutsche Panzer und Flugzeuge mit Balkenkreuzen versehen gewesen oder mit dem "Eisernen Kreuz" des Kaiserreiches? Oder gar mit einer neugeschaffenen Trikolor-Markierung?

Technologie - Hätten Amerikaner, Franzosen und Briten deutsche Technologie in ihre Streitkräfte übernommen und vice versa? Königstiger mit weissem Stern? Shermans mit deutscher Markierung? Me 262 mit RAF-Kokarde?

Waffen-SS - Wie wären diese Einheiten über die "Wende" hinweggekommen? Aufgelöst und inhaftiert? Als "Legion" unter neuem Kommando? Oder nur mit neuem Namen versehen als reguläre Streitkräfte?

"Fremdvölkische Verbände" - Als DPs nicht an Stalin ausgeliefert, sondern als "Befreiuungsarmeen" neu ausgestattet? Exilrussen mit White-Halbketten und Opel Blitz?

Ich habe da so meine eigenen Ideen (.. die gerade in einem Artikel für eine britische Zeitschrift verarbeitet werden), wäre aber für jedes Feedback dankbar!

PS: Kein Geschichtsrevisionismus, keine Nazi-Propaganda verstecken sich hier hinter, sondern ein reines "What if ..."-Szenario! Es geht auch nicht um mögliche Geschichtentwicklungen, sondern rein um den Moment, die Logistik und die Möglichkeiten zur Inkorporation der deutschen Truppen in eine Anti-UdSSR-Koalition 1945.

Matze
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Beitrag von Matze » 06.03.2004 10:53

Hallo Bernd,
ich glaube gar nicht mal, daß das alles so abwegig ist. Der Großvater eines Freundes erzählte uns einst, daß es Gefangenenlager der Amerikaner gab, in denen die deutschen Gefangenen ihre Rangabzeichen und die Offiziere ihre Pistolen behalten durften (ich glaube, daß das nicht immer so war, aber vielleicht täusche ich mich auch). Nicht unweit des Lagers seien damals die Waffen der Gefangenen aufbewahrt worden (was ja ein Sicherheitsrisiko bei einem Ausbruh wäre). Die Begründung dafür? Die Amerikaner sprachen von baldiger Waffenbruderschaft. Und gegen wen es dann gehen sollte, ist klar. Ob das ein Einzelfall war? Ich weiß es nicht. Vielleicht können wir das Rätsel hier im Forum lösen.

Grüße
Matthias

berndbiege

Beitrag von berndbiege » 06.03.2004 16:18

Moin,
Matze hat geschrieben:Der Großvater eines Freundes erzählte uns einst, daß es Gefangenenlager der Amerikaner gab, in denen die deutschen Gefangenen ihre Rangabzeichen und die Offiziere ihre Pistolen behalten durften ...
Offiziere mit Pistolen scheint es in mehreren Lagern gegeben zu haben, so liess man wohl auch den exilrussischen Kosaken einige Handfeuerwaffen (... was dann bei Bekanntwerden der Auslieferung zu Selbstmorden führte ...). Im Raum Dithmarschen wurde sogar eine komplette deutsche Division (?) mit schwerem Gerät voll einsatzfähig gelassen und sozusagen "auf Ehrenwort" quasi-interniert.

kaefercarsten
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Beitrag von kaefercarsten » 07.03.2004 15:41

Hallo,

eine ähnliche Thematik hat der Autor Glenn Meade in seinem Roman "Unternehmen Schneewolf" aufgegriffen. Das Buch habe ich gerade gelesen und fand es sehr spannend. Es geht dabei um eine Russin die 1952 aus einem sowjetischen Lager nach Finnland flieht und von da in die USA gelangt. Von dort soll sie mit einem Killer wieder in die UdSSR und Stalin töten.
Wie gesagt ist ein Roman, aber spannend geschrieben und prima recherchiert.

Viele Grüße
Carsten

berndbiege

Beitrag von berndbiege » 07.03.2004 16:27

kaefercarsten hat geschrieben:Autor Glenn Meade
Hmmm ... ich kenne von dem Autoren "Sands of Sakkara" und muss sagen ... inhaltlich wie historisch grottenschlecht!

lutz1st

Beitrag von lutz1st » 07.03.2004 18:00

warum sollte man gefangenen Soldaten auch die Rangabzeichen wegnehmen? Die würden Sie glaube ich ggf. höchstens selbst vor der gefangennahme entsorgen. (Ich meine natürlich nicht die Landeskennung)

berndbiege

Beitrag von berndbiege » 07.03.2004 19:24

Genfer Abkommen über die Behandlung der Kriegsgefangenen1
Teil III Gefangenschaft
Abschnitt I Beginn der Gefangenschaft

Art. 18

Alle persönlichen Effekten und Gebrauchsgegenstände - ausser Waffen, Pferden, militärischer Ausrüstung und militärischen Dokumenten - verbleiben, ebenso wie die Stahlhelme, die Gasmasken und alle andern zum persönlichen Schutz dienenden Gegenstände, im Besitze der Kriegsgefangenen. Sämtliche Effekten und Gegenstände, die zur Bekleidung und Verpflegung dienen, verbleiben gleicherweise in ihrem Besitze, auch wenn sie zu ihrer offiziellen militärischen Ausrüstung gehören.
[...]
Grad- und Staatsangehörigkeitsabzeichen, Auszeichnungen sowie Gegenstände, die hauptsächlich persönlichen oder gefühlsmäsigen Wert haben, dürfen den Kriegsgefangenen nicht abgenommen werden. [...]

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klaushh (†)
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Beitrag von klaushh (†) » 08.03.2004 09:15

Moin, moin!

Die von Bernd aufgeworfene Frage, wie mit den genannten "Kleinigkeiten" umgegangen wäre, finde ich sehr interessant.
Meine Einschätzung dazu: über solche Dinge hat man wahrscheinlich garnicht nachgedacht. Man befand sich mitten im Krieg und hatte einen gemeinsamen (?) Feind. Da kann man nicht erst deutsche gegen amerikanische Panzer austauschen, Vorschriften anpassen und Normen angleichen.
Sicher hätte die Wehrmacht nicht weiter unter der Reichskriegsflagge gekämpft und Hoheitsabzeichen an Uniform und Ausrüstungsteilen wäre sicher auch relativ schnell verschwunden. Aber Orden und Ehrenzeichen wären sicher in unveränderter Form weiter getragen worden.

Interessant wäre, mal etwas darüber zu hören, wie weit es damals tatsächlich konkrete Pläne gab. Oder handelt es sich um Überlegungen, die nur auf unterster Ebene geführt wurden.

Sachlich traue ich solche Überlegungen amerikanischen und britischen Entscheidungsträgern durchaus zu.

Gruß
klaushh

lutz1st

Beitrag von lutz1st » 08.03.2004 10:09

@ bernd
genau auf den Text wollte ich hinaus, nur sehe ich grade, das das Abkommen erst am 12.8.1949 geschlossen wurde.
http://www.admin.ch/ch/d/sr/0_518_42/index.html

Vorher war das in der Haager Landkriegsordnung geregelt, grade am suchen...

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Deichgraf (†)
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Beitrag von Deichgraf (†) » 08.03.2004 10:49

Moin,
ich denke, daß dieses Thema eher dem Wunschdenken entsprang als der Wirklichkeit. Das hat nichts damit zu tun, daß kurzzeitig teilweise deutsche Truppen ihre Ausrüstung/Bewaffnung behalten haben (was die Gerüchtebildung sicherlich erheblich verstärkt hat). Nur haben diese Truppen (z.T. unter Führung alliierter Offiziere) Wach- und auch Kampfhandlungen vorgenommen. Ich erinnere mich da eine Internetseite die den Raum Schleswig/Holstein betrifft und auf der von Kampfhandlungen zwischen plündernden Fremdarbeitern und eben solchen "Ordnungstruppen" die Rede war. Leider weiß ich die Seite nicht mehr. Vermutlich hat auch der alliierte Gedanke von der Vermeidung unnötigere eigener Opfer bei der Bekämpfung von Resten deutscher Einheiten (Thema Werwolfangst) dabei eine Rolle gespielt, solche deutschen Einheiten erstmal bestehen zu lassen nach dem Motto "Warum unsere Jungs opfern, sollen die sich mal gegenseitig die Köppe einhauen".
Andererseits wäre es gar nicht so einfach gewesen, die deutschen Truppen weitermarschieren zu lassen (welche eigentlich? Die kaum noch kompaniestarken Regimenter, die Hitlerjungen oder den Volkssturm, die zum Erdeinsatz abgestellten Besatzungen der Kampfflieger oder die Reste der Alarmbataillone usw.?) Mal ganz davon abgesehen, daß die wahrscheinlich wenig Neigung verspürten, wieder loszumarschieren - warum sollten sie das tun? Oder sollte einer ganz ernsthaft geglaubt haben sie wären jetzt plötzlich gleichberechtigte Partner der Amerikaner, Briten, Holländer, Franzosen, Neuseeländer....? :crazy:
Mal ganz davon abgesehen, womit hätten sie losziehen sollen. Die, die hier schreiben wissen sicherlich wie die Produktions- und Bestandszahlen der deutschen Waffenindustrie zu dem Zeitpunkt aussahen, was bedeutet, die Truppe hätte komplett mit alliierten Waffen und Technik ausgerüstet werden müssen. Das wiederum bedeutet, daß die Truppen nicht nur erst einmal neu aufgestellt sondern auch ausgebildet werden müssen.
Das alles hätte mindestens ein halbes Jahr Zeit gekostet - und damit wären dann die Reste der deutschen Wehrmacht erneut in einen Winterkrieg mit der UdSSR gezogen.
Ach ja, da hab ich doch Polen ganz vergessen. Durch das Land hätten sie auch erst noch gemußt. :mrgreen:
Mit anderen Worten: selbst wenn sie gewollt hätten, sie hätten nicht gekonnt. Die innenpolitischen Probleme der Westalliierten dabei kann sich jeder selber vorstellen.
Bis dann
Deichgraf

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