Belgisches Standortmunitionslager Bad Arolsen

Depots, Tanklager, Munitionsniederlagen, Versorgungs- und Nachschub-Infrastruktur des Militärs
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thomasbreitenbacher
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Belgisches Standortmunitionslager Bad Arolsen

Beitrag von thomasbreitenbacher » 10.04.2023 16:57

Belgisches Standortmunitionslager Bad Arolsen.kmz
Hallo,

ein Ostermarsch der anderen Art führte mich im Rahmen einer kleineren Wanderung zum ehemaligen belgischen Standortmunitionslager bei Bad Arolsen. Dieses befand sich auf der südlichen Seite der Landstraße L 3078 zwischen Bad Arolsen und Massenbach in dem zum Thiele-Tal hin abfallenden Waldgebiet (gemeinsam mit der benachbarten belgischen Schießanlage; beide Liegenschaft wurden am 27.05.1993 freigegeben). In Google Earth aus der Luft auf Grund des „typischen“ Wegeverlaufs v.a. auf historischen Bildern problemlos zu identifizieren, sieht es dort aber eher klein und kompakt aus. In Wahrheit war es wesentlich umfangreicher und ausgedehnter und bestand aus zwei sich deutlich unterscheidenden Lagerbereichen. Einmal den über die Wegestruktur gut in Google Earth identifizierbaren westlichen Lagerbereich und den weniger markanten östlichen Bereich.

Die Zufahrt erfolgte über die Landstraße und wies als Besonderheit zwei im Grunde parallel verlaufende, aber getrennte Straßen in das Lager auf (eine hinab in den westlichen Lagerbereich im Talbereich, die andere in den östlichen Bereich, welcher sich am Hang entlangzieht und nach und nach ebenfalls in den Talbereich hinabführt).

Der westliche Bereich ist gekennzeichnet durch massive Erdwälle, welche die Standorte der mutmaßlichen Munitionslagerhütten, aber auch die Lagerstraße insgesamt begrenzten. Die Straßen hier waren gut befestigt mit Beton-Einfassungen und Straßengräben auf beiden Straßenseiten. Die umwallten Flächen sind hier größer als im anderen Lagerbereich. In den hier befindlichen insgesamt 17 erdumwallten Lagerplätzen befinden sich jeweils vollständig betonierte Bodenplatten und Fundamente der Munitionslagerhütten (allerdings aufgebrochen bzw. zerstört) unterschiedlicher Größe. Von den Hütten an sich gibt es in dem Lager keinerlei Spuren mehr und somit auch keinen Hinweis auf den Typ. Mir sind drei unterschiedliche Typen bekannt (allerdings bin ich kein Spezialist für belgische Munitionslager und verfüge somit maximal über Halbwissen): einmal solche mit Eternit-Verkleidung (und wegen des Asbests somit eher problematisch), zum anderen mit Wellblechverkleidungen. Der dritte Typ ist eine belgische „Spezialität“, zumindest was die NATO-Streitkräfte im Kalten Krieg betraf: „Garagen“ zur Unterstellung von zwei mit Munition beladenen LKW’s (i.d.R. MAN) mit den Abmessungen acht mal zehn Metern (was -mit der Unsicherheit durch bloßes Abschreiten der Fundamente- durchaus hinkommen könnte).
In diesem westlichen Lagerbereich fanden sich noch mind. drei auf dem Boden herumliegende Warnschilder für die Munitionsbrandklasse 1 (achteckiges orangenes Schild mit schwarzer 1), also war hier tatsächlich massenexplosionsfähige Munition gelagert. Es fanden sich in zwei Lagerplätzen noch Reste der Holzständer für Brandschutz-/Feuerlöschgeräte, ebenso mehrfach Reste von Blitzableitern an den Lagerplätzen.

Der andere, östliche Lagerbereich war weniger gut ausgebaut. Die Straße war hier weniger gut befestigt und ausgebaut, die Plätze der Lagerhütten waren entweder in den Hang hineingegraben oder es wurden i.d.R. wesentlich niedrigere Schutzwälle wie im westlichen Lagerbereich aufgeschüttet und die umwallten/ausgegrabenen Flächen waren kleiner als dort. Auch gab es hier offensichtlich nur betonierte Fundamentrahmen, keine betonierten Bodenplatten. Somit dürften sich hier „klassische“ Munitionslagerhütten befunden haben. Insgesamt befanden sich hier 26 solcher Lagerplätze.
Räumlich von den beiden Lagerbereichen abgesetzt und nur über einen auf Grund der Vegetation im Grunde nur noch erahnbaren Weg vom Eingangsbereich aus erreichbar befanden sich im nordöstlichen Lagerbereich drei weitere Lagerplätze mit Schutzwällen.

Im Eingangs-/Torbereich selbst sind noch Treppenstufen, wohl zum abgegangenen Wachgebäude führend, sowie zwei zerstörte betonierte Bodenplatten analog des westlichen Lagerbereichs zu finden (ehemals Fahrzeuggaragen ?), ebenso am Boden herumliegende Reste eines Tores mit Metallrahmen und -pfeilern.

An einigen Stellen stehen bzw. liegen noch die Betonpfosten der ehemaligen Umzäunung , auch in Bäumen eingewachsene Zaunreste sind noch auszumachen, ebenso wie umgestürzte Telefonmasten oder Stahlrohre (ehemals Lampenträger ?).

Somit bestand die Lagerinfrastruktur aus mutmaßlich insgesamt 46 Munitionslagerhütten, davon 17 größeren.

Angehängt ein paar Bilder sowie der GE-Placemark mit dem Lagerstraßenverlauf (rote Linien).

Da für mich das Thema belgische Munitionslager weitestgehend terra incognita ist würde ich mich freuen, wenn jemand hierzu mehr Details beisteuern bzw. auf Quellen o.ä. hinweisen kann.

Viele Grüße, Thomas.
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Re: Belgisches Standortmunitionslager Bad Arolsen

Beitrag von redsea » 10.04.2023 22:07

Hallo Thomas,

vielen Dank für diesen so ausführlichen und interessanten Bericht!

Ich bin vor Jahrzehnten, als ich einen Zweitwohnsitz in Korbach hatte, häufig an diesem Depot vorbei gefahren, habe aber nie etwas darüber in Erfahrung bringen können.

In Deiner kmz fehlt leider der von Dir erwähnte Lagerstraßenverlauf (rote Linien). Ich habe ihn anhand einer Karte aus dem Geoportal Hessen in Google Earth nachvollzogen und hänge ihn als kmz an.

Allerdings ist mir aufgefallen, dass sich dieser nicht exakt mit dem Lagerstraßenverlauf aus Luftbildern der Befliegungen Ende 1953 deckt. Auf diesen Luftbildaufnahmen ist jedoch ein Großteil der Lagerhäuser des östlichen Bereiches zu erkennen.

Nördlich des westlichen Bereiches verläuft eine breite lange Schneise durch den Wald, bei der es sich um einen Schießstand gehandelt haben könnte. Nördlich des östlichen Endes dieser Schneise befindet sich noch eine Doppelwendeschleife im Wald.

Die Luftbildaufnahmen der Befliegung sind im =1&LAYER[id]=51089&LAYER[visible]=1]Geoportal Hessen als Layer zu sehen. Sollte der Flächennutzungsplan als Layer erscheinen, dann links oben im Dropdown-Menu "Themen" den Haken aus dem Kästen "Flächennutzungspläne Stadt Bad Arolsen" entfernen.

Beim hinein- und hinauszoomen aus der Karte, erscheint in einem bestimmten Maßstab auch ein Geländemodell/Höhenmodell, in dem die Erdwälle des westlichen Lagerbreiches deutlich zu erkennen sind. Leider bekomme ich das jetzt nicht mehr hin, aber vielleicht findest Du oder jemand anders ja heraus, auf welchem Weg man da wieder hin kommt.

Viele Grüße

Kai
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Re: Belgisches Standortmunitionslager Bad Arolsen

Beitrag von redsea » 11.04.2023 21:02

Hallo Thomas,

anhand des Schummerungs-Layers des Bodenviewer Hessen habe ich die Erdschutzwälle in Google Earth nachvollzogen.

Im östlichen Bereich habe ich sie der Einfachkeit halber als zusammenhängende Linie nachvollzogen. In diesem Bereich handelt es sich tatsächlich jedoch um nicht zusammenhängende, also einzelne U-förmige Erschutzwälle.

Im westlichen Bereich habe ich wie Du 17 Lagerplätze gezählt. Im östlichen Bereich zähle ich am Lagerweg liegend 24 Lagerplätze. Darüber hinaus befinden sich nördlich im Wald noch 3 U-förmige Schutzwälle und ein einzelner im Bereich zwischen westlichem und östlichem Lagerbereich.

Darüber hinaus habe ich in die anhängenden kmz noch die Flurstücke: Flur 17 Flurstück: 3/3, 4/2 und 3/6 als Overlay aufgenommen.

Viele Grüße

Kai
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thomasbreitenbacher
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Re: Belgisches Standortmunitionslager Bad Arolsen

Beitrag von thomasbreitenbacher » 13.04.2023 18:23

Hallo redsea,

vielen Dank für die Links zu BodenViewer und GeoPortal Hessen. Toll, was es im Internet alles für Schätze gibt. Dies macht die Vorbereitung auf solche Ausflüge viel zielführender als wie ich bisher nur über Google Earth und klassische Topographische Karten praktiziert.
Im BodenViewer findet man am ehemaligen Torbereich zwei schwache Bodenvertiefungen. Hier befinden sich noch heute die zerstörten betonierten Bodenplatten, die ich als Garagen interpretiert hatte.
Der von Dir als Doppelwendeschleife angesprochene Bereich existiert noch heute in Form von zwei parallel verlaufenden Erdwällen (Abstand ca. großzügige LKW-Breite) mit einem leider durch mich nicht zu identifizierenden Schild davor (vielleicht ist jemand geübter, siehe anhängendes Bild).
Rätselhaft sind die drei isoliert im nordöstlichen Lagerbereich befindlichen Erdwälle. Weder im BodenViewer noch im Luftbild 1953 sind Wege dorthin zu erkennen (insofern muss ich meine Wahrnehmung eines in der dichten Vegetation noch schwach auszumachenden Weges wohl korrigieren). Sind sie u.U. älter ? Vielleicht kann jemand anhand des anhängenden Bildes ein "Baumuster" erkennen.

Viele Grüße, Thomas
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Re: Belgisches Standortmunitionslager Bad Arolsen

Beitrag von redsea » 14.04.2023 22:13

Hallo Thomas,

auf dem Schild lese ich in der zweiten Reihe: "VIGNERON".

In Zusammenhang mit dem Schießstand würde ich darauf schließen, dass sich an dieser Stelle die Schießbahn für Maschinenpistolen befand.

Viele Grüße

Kai

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