U-Bahn für Interkontinentalraketen?

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Harald

U-Bahn für Interkontinentalraketen?

Beitrag von Harald » 03.08.2009 22:47

In wie weit war eigentlich geplant, die MX-Raketen permanent durch ein Tunnelsystem fahren zu lassen, um so den genauen Ort ihres Aufenthalts für die sowjetische Aufklärung geheim zu halten oder plante man nur, wie in der Wikipedia beschrieben, sie immer auf Eisenbahnzügen über das amerikanische Eisenbahnnetz hin- und her zu fahren?

Matze
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Beitrag von Matze » 04.08.2009 19:30

Beide Möglichkeiten haben den Bereich der Planung nie verlassen: zu teuer, veränderte Sicherheitslage etc., wobei das Tunnelsystem wohl als noch teurere Alternative zur Lösung, die Raketen über das Eisenbahnnetz zu transportieren, galt. Gemäß dem SALT-II Verträg hätte man ab und an das Tunnelsystem "lüften" müssen, damit sowjetische Satelliten einen Blick hinein werfen hätten können...

Gruß
Matze

Harald

Beitrag von Harald » 05.08.2009 12:55

Wie viele Kilometer Tunnel wollte man eigentlich bauen? Ich bin mir sicher, daß man bestimmt hierfür die Technologie des Tunnelbaus weiterentwickeln wollte oder weiterentwickelt hat. Wurde irgendwo versuchsweise ein Tunnel, der für die Stationierung von MX-Raketen geeignet wäre, gebaut, um entsprechende Bauverfahren zu testen?

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Beitrag von Matze » 05.08.2009 20:53

Das entzieht sich meiner Kenntnis. Allerdings hatten sich die Verantwortlichen Anfang/Mitte der 1970er Jahre über verschiedene "mobile" Lösungen (warum mobil? Experten rechneten damit, dass die Sowjetunion spätestens Ende der 80er Jahre in der Lage sein würde, mit einem Angriff rund 80% der amerikanischen ICBM-Stellungen auszuradieren) für die MX den Kopf zerbrochen: Abwurf bzw. Start von einem Transportflugzeug und die von dir genannte Idee, die Raketen auf Zügen auf dem Eisenbahnnetz zu transportieren. Allerdings wurde als die wahrscheinlichste Einsatzart der Start der Raketen aus Gräben und Unterständen angesehen. Die Planungen dafür sahen vor, 200 geschlossene Straßensysteme zu bauen, zwischen denen die Raketen stetig hin und her bewegt werden sollten. Sechs bis neun Kommandozentralen sollten für die Raketen verantwortlich sein. Mitte 1986 sollten die ersten zehn Raketen einsatzbereit sein und obwohl die Stellungen bzw. Straßen damals noch nicht feststanden, wurde schon 1980 an dem Fahrzeug, welches die Raketen zieht und aufrichtet, gebastelt. Das von dir genannte unterirdische System war als Alternative gedacht. Wie lang die Tunnel bzw. das oben genannte Straßensystem sein sollten, weiß ich nicht. Ich habe nur eine Zeichnung zur Hand, die erklärt, wie so ein Tunnelsystem hätte aussehen können: das Transport- und Startfahrzeug rumpelt durch die Tunnel und besitzt vorne und hinten jeweils eine Art Schutz bzw. Verschluss, der vor einer möglichen Druckwelle schützen sollte. Erfolgt der Startbefehl, durchbricht das Startgerät mittels hydraulischer Zylinder das Erdreich und die Rakete wird abgeschossen. Ein Versuch, die Rakete, die ja horizontal gelagert und transportiert wurde, aufzurichten und dabei das Erdreich zu durchstoßen, war erfolgreich. Die einzige Zahl, die ich nennen kann, ist, dass die unterirdischen Schienenstränge - zumindest ist es so auf der Zeichnung vermerkt - knapp 1300 Meter auseinander liegen sollten. Wie auch immer, Ronald Reagan wollte die MX Raketen 1981 in neue, äußerst stark verbunkerte Silos stopfen. Der Kongress sperrte sich und so wanderten sie in alte Minutemen Silos. Nur 50 Stück wurden einsatzbereit gemacht, da der Kongress 1985 einer weiteren Indienststellung entgegen wirkte, da immer noch keine Lösung gefunden war, die Raketen zu schützen. Dann wurden Überlegungen getätigt, die dahin gingen, die Raketen auf Eisenbahnzügen durch die Lande zu fahren. 1992 sollte es so weit sein...was vorher passierte, ist allen bekannt. So weit ich weiß, war dann 2005 endgültig Schluss und die "Resterampe" wurde bzw. wird ins All geschossen, um Satelliten zu transportieren.
Quelle: Die illustrierte Enzyklopädie der Raketen & Lenkwaffen, Herausgeber: Phillip de Ste. Croix & Bill Gunston, Salamander Books 1979, in Deutschland 1981 veröffentlicht von Buch und Zeit Verlagsgesellschaft mbH, Köln - nicht mehr up-to-date, aber immerhin....

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