Djensi hat geschrieben:violette hat da nicht unrecht, regelhaft wurden die Grabplätze außerhalb der Städte angelegt, ausgenommen waren Kirchhöfe. Später sind die Städte wieder um die Friedhöfe "herum gewachsen".
Wie gesagt, in Bezug auf das Mittelalter hat violette leider nicht recht. Und davon war ja die Rede. Aber irgendwie gerät hier zwischen (zwar alten und schönen) Erbbegräbnissen der Neuzeit und dem Mittelalter einiges durcheinander. Bis Städte außerhalb ihrer alten Stadtmauern wirklich wuchsen, dauerte es schon noch ein paar Jahrhunderte bis zur Industrialisierung. Vorher wuchsen die Stadtmauern nämlich aus taktischen Gründen mit.
http://de.wikipedia.org/wiki/Mittelalter
Djensi hat geschrieben:In den meisten Chroniken der Städte trifft man auf die Begrifflichkeit, "der Begräbnisplätze vor den Toren der Stadt".
In welchen Chroniken (?!) kommt denn so eine Begrifflichkeit vor? Vielleicht hast Du ja ein paar konkrete Beispiele. Für mich klingt das eher nach romantischer Literatur, aber die kam erst in der Neuzeit.
Wenn ein mittelalterlicher Friedhof vor den Toren einer Stadt angelegt wurde, hatte dies zumeist platztechnische Gründe. Außerdem konnte dies nur in Friedenszeiten (also vor allem nach dem Dreißigjährigen Krieg) geschehen. Und der war ja selbst bei großzügiger Auslegung der Geschichte nicht mehr im Mittelalter.
Djensi hat geschrieben:Die Gründe waren vielschichtig, einerseits die pure "Angst" vor dem Totenkult,...
Die "pure Angst" vor dem Totenkult ist heute mit Sicherheit verbreiteter als damals. Schließlich sorgten im Mittelalter eine hohe Sterblichkeit, Hungersnöte, Kriege und nicht zuletzt die Todesstrafe dafür, dass man mit dem Tod praktisch täglich konfrontiert war. Ein naher Friedhof (und nicht hunderte Meter vor der Stadt) war da schon allein aus Gründen des Transports praktischer. Einfach mal den Beerdigungsunternehmer anrufen, war seinerzeit schlecht möglich.
In diesem (nicht von mir editierten) Wikipedia-Artitel stehen auch einige interessante Aspekte, wonach mittelalterliche Friedhöfe gerade aus Glaubensgründen INNERHALB der Stadt-/Kirchenmauern lagen und weshalb Tote im Christentum z. B. nicht einfach eingeäschert wurden:
http://de.wikipedia.org/wiki/Friedhof#G ... ntwicklung
Djensi hat geschrieben:...vermutliche Seuchengefahr oder Verbringung der durch Krankheit (Pest, Cholera usw.) umgekommenen Menschen unter Vermeidung der Ansteckungsgefahr etc. etc.
Ansteckungsgefahr und Ursachen von Krankheiten waren im Mittelalter noch nicht bekannt. Bis ins 19. Jahrhundert herrschte noch der Glaube an die vier Lebenssäfte:
http://de.wikipedia.org/wiki/Humoralpathologie
Richtig ist allerdings, dass z. B. Pestkranke (aber auch Arme, Gaukler, Unehrenhafte und die besagten Juden) auf Friedhöfen außerhalb der Stadtmauern begraben wurden. Aber das waren eben keine regulären Friedhöfe.
http://de.wikipedia.org/wiki/Pestfriedhof
Im Übrigen blieb Menschen, die zu Tode verurteilt waren, ein reguläres Begräbnis verwehrt, weshalb deren Körper ebenfalls vor den Toren der Stadt blieben - allerdings auf dem Henkersplatz und nicht unter der Erde.
Djensi hat geschrieben:und das in den Stadtmauern einfach nicht genug Platz gewesen ist. Bei Belagerungen wurde es dann beispielsweise in kirchlichen Gruften "eng".
Gerade bei Belagerungen war eine Bestattung außerhalb der Stadtmauern wohl kaum möglich, oder? Es sei denn, man hatte genug Munition für den nötigen Feuerschutz.
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Da Bilder aber mehr als meine tausend Worten sagen, hier ein paar Ansichten vom Friedhof / Kirchhof der mittelalterlichen Wehrkirche in Kraftshof. Dort sind noch zahlreiche Gräber aus dem (neuzeitlichen) 18. und 19. Jahrhundert erhalten, darunter auch das Erbbegräbnis der Nürnberger Patrizierfamilie Kreß von Kressenstein. Weitere, ältere Gräber der Familie befinden sich in der Kirche.
http://de.wikipedia.org/wiki/Kreß_von_Kressenstein
Bei solchen Kirchhöfen, wie sie später aus Platzgründen vielerorts eingeebnet wurden, handelt es sich übrigens nicht um eine regionale Besonderheit. Auch im mittelalterlichen Amsterdam oder Hamburg (die zur Entstehungszeit von z. B. Kraftshof allerdings noch gar nicht existierten) wurde zunächst um und in Kirchen bestattet und auch dort entstanden reguläre Friedhöfe außerhalb der Stadt erst ab dem 18./19./20. Jahrhundert.
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