Netzspannung im Deutschen Reich?

Zivile und sonstige Bauten mit geschichtlichem Hintergrund und deutlichem Bezug zu den Fachthemen, die jedoch nicht eindeutig zuzuordnen sind
Biedermann (†)

Netzspannung im Deutschen Reich?

Beitrag von Biedermann (†) » 02.11.2003 22:42

Auf der heutigen Bunkertour in Eppendorf konnten wir den Stromerzeuger im OP-Bunker des Universitätsklinikums besichtigen. Der Diesel von MAN (Bj. 41) treibt einen Siemens-Schuckert Generator (keine Baujahrangabe) an.
Beim Sichten der Fotos stieß ich auf diese Frage:
Der Generator hat auf dem Typenschild zwei Spannungsangaben, nämlich 400 und 110 Volt.
400 V klingt nach Großverbrauchern (OP-Leuchten, Sterilisatoren, Aufzug). Aber 110?
Hatte Deutschland vor/im Krieg ein 110 V Netz oder ist diese Spannung generatortechnisch irgendwie leichter zu erzeugen und wird dann auf 220 V hochtransformiert?
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lars
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Beitrag von lars » 02.11.2003 23:02

Moin,
ich vermute mal die 110 Volt wurden nicht nach außen abgegeben, sondern damit ist die Erregerspannung des Generators gemeint. Diese wurde anfangs durch einen externen Gleichstrom-Hilfsgenerator mit extra Antrieb erzeugt, der später dann mit in den Hauptgenerator eingebaut wurde. Die 400V entsprechen unserer heutigen Netzspannung 400/230V Drehstrom, 400V zwischen je zwei Phasen, 230 V zwischen Phase und Nullleiter.

Gruß Lars

FrankW

Beitrag von FrankW » 03.11.2003 17:46

Hatte Deutschland vor/im Krieg ein 110 V Netz oder ist diese Spannung
generatortechnisch irgendwie leichter zu erzeugen und wird dann auf 220 V
hochtransformiert?
Die weitverbreiteten 110 bzw. 220 Volt kommen daher, daß ursprünglich Bogenlampen mit 55 Volt Betriebsspannung verwendet wurden, d.h. man hat als Netzspannung ein Vielfaches hiervon vereinbart. Was die 400 Volt anbelangt: 230/400 Volt
als Netzspannung gibt es hier erst seit etwa 20 Jahren, d.h.
die beiden Spannungen haben erst mal nix miteinander zu tun.
Vermutlich handelt es sich hier einfach um eine völlige Trennung von Lichtnetz und Netz für stärkere Verbraucher.

Zeroq

Beitrag von Zeroq » 03.11.2003 22:44

Diese Netztrennung ist heute noch in Südamerika üblich. Dort gibt es ein Stromnetz mit 110Volt (Lichtnetz genannt) und 440/260 Volt für Großverbraucher (Die 260 Volt gegen N werden nicht genutzt... So z.B. im VW Werk in Puebla (Mexico).

Gruß
ZeroQ

Devon

Beitrag von Devon » 03.11.2003 23:31

Zeroq hat geschrieben:Diese Netztrennung ist heute noch in Südamerika üblich. Dort gibt es ein Stromnetz mit 110Volt (Lichtnetz genannt)[...]
Nicht nur in Südamerika. Auch in Nordamerika ist 110V üblich...

sparky

Beitrag von sparky » 04.11.2003 17:14

Devon hat geschrieben:
Zeroq hat geschrieben:Diese Netztrennung ist heute noch in Südamerika üblich. Dort gibt es ein Stromnetz mit 110Volt (Lichtnetz genannt)[...]
Nicht nur in Südamerika. Auch in Nordamerika ist 110V üblich...
Ich wohne in Kanada und wir haben tatsaechlich 110V, 60Hz. Die meisten Elektrogeraate funktionieren mit 110V. Unsere Haeuser haben alle eine 2 phasen Leitung, und groessere Geraete (z.B. Oefen, Heizung...) laufen mit 220V.

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klaushh (†)
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Spannung!!!

Beitrag von klaushh (†) » 04.11.2003 17:32

Moin, moin!
Nach meiner Erinnerung war noch nach '45 die Spannung 110 V in Deutschland nicht so ganz unverbreitet!
Gruß
klaushh

Gast

Beitrag von Gast » 06.11.2003 11:09

erstaunlich das sich noch niemand geäußert hat, ich war im glauben das sich hier jede menge elektriker aufhalten.....

ich habe mir mal die mühe gemacht und meinen ve 301gw vom dachboden geholt, um die rückseite mit den spannungsangaben zu sehen.
in der annahme das der volksempfänger ja universell einsetzbar sein sollte, denke ich, gibt das wohl eine realistische übersicht der netzspannungen.
also, einstellbar ist das teil auf:
110v, 125v, 150v, 220v, 240v. das ist die wechselspannung.

und dann ist das gerät scheinbar (ich bin maschinenbauer... :mrgreen: ) noch auf die gleichstromspannungen:
110v, 125 v, 150v, 220v und 240v einstellbar.

man sprach damals auch von sogenannten "allstromempfängern".

also, war es damals doch recht vielfältig mit der netzspannung.

holger

Der Flieger

Beitrag von Der Flieger » 06.11.2003 17:42

Hallo,
ich war heute mal am Lehrstuhl in der Uni. Nach einiger Zeit hatte ich dann - Martin sei Dank - den folgenden Zettel in der Hand...

Kurz gesagt: es handelt sich bei den 110V um die Erregerspannung.

Grüße, Thomas
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Wilm

Beitrag von Wilm » 06.11.2003 20:57

dwarslöper hat geschrieben:erstaunlich das sich noch niemand geäußert hat, ich war im glauben das sich hier jede menge elektriker aufhalten.....

ich habe mir mal die mühe gemacht und meinen ve 301gw vom dachboden geholt, um die rückseite mit den spannungsangaben zu sehen.
.

holger
Hallo Holger,
ich bin zwar nicht gerade ein Elektriker, möchte aber versuchen, die Frage nach den Spannungen der damaligen Zeit zu beantworten.

Vorab, meinen herzlichen Glückwunsch zum VE 301 GW. Ein solches Schätzchen sollte man sicherlich nicht auf dem Dachboden lagern. So etwas gehört ins Regal !!!

Die Typenbezeichnung beantwortet schon einen großen Teil der hier aufgekommenen Fragen:

VE = Volksempfaenger
301 = Datum: 30.1.1933. Tag der Machtuebernahme der damaligen Regierung
W = Wechselstrom
G = Gleichstrom
GW = Allstrom (Wechsel- und Gleichstrom)
B = Batterie
n = neue Version
dyn = dynamischer Lautsprecher (elektrodynamisch oder Permanent- dynamisch)

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Die ersten Netze waren tatsächlich Gleichspannungsnetze. Erst später kamen Wechselspannungsnetze hinzu. Zur Zeit der Machtübernahme gab es im DR etwa 2800-3000 Elektrizitätswerke. Hauptziel dieser Werke war die Versorgung der elektrischen Straßenbeleuchtung, sowie die Energieversorgung der Industrie. Aber woher kommen die 110 Volt ? Ganz einfach : Edison entwickelte die Glühlampe mit 55 V. 2 x 55 V ( damals wurden 2 Birnen in Reihe geschaltet ) ergeben 110V.
220 Volt kamen erst später dazu, als die eigentliche Energielast durch die Menge der Verbraucher Probleme bei der Energieübertragung machten. Zur Zeit der Machtübernahme dürften es sich damit um ein Gemisch aus 110 und 220 Volt Wechselspannung, sowie um 110 und 150 Volt Gleichspannung gehandelt haben.

Die Änderung der bundesdeutschen Netzspannung auf 230/400 Volt aus dem Jahr 1987 hat lediglich etwas mit der Harmonisierung des europäischen Strommarktes zu tun ( Stichwort : Europäisches Verbundnetz )

Vielleicht etwas Licht in die Sache gebracht habend

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