Historische bewegliche Eisenbahnbrücken in SH

Verkehrsgeschichte - Bauwerke der Bahn, U-Bahn, S-Bahn etc.
Gast

Historische bewegliche Eisenbahnbrücken in SH

Beitrag von Gast » 19.09.2008 09:15

Hallo zusammen,

durch den Beitrag über ehemalige Eisenbahnanlagen in Rendsburg bin ich auf die Idee gekommen, mal in meinen gesammelten Werken zu kramen, was ich so über Rendsburg habe.
Genaugenommen, kann der Beitrag auch die Verkehrsgeschichte der Schiffahrt betreffen, aber die Eisenbahn interessiert mich persönlich noch etwas mehr, als die Schiffahrt.

An anderer Stelle habe ich mir die Mühe gemacht, die historischen Brücken, ob es nun Dreh- oder Klappbrücke waren, zeichnerisch zu rekonstruieren und ein wenig Hintergrundinformation zu liefern.

Ich denke, da die Brücken entweder "Lost", oder zumindest ihrer Beweglichkeit beraubt sind, ist der Platz hier ganz geeignet.

Beginnen möchte ich nicht mit einer Brücke, sondern mit zweien.
Mit dem Bau des Nord-Ostsee-Kanales wurde eine Querung des Kanals in Rendsburg notwendig.
Dies geschah in Rendsburg entgegen der grundsätzlichen Einstellung, den Kanal mit Hochbrücken zu queren, durch zwei Drehbrücken.
Da der Bahnhof nur ca. 600 m vom Kanal entfernt ist, liessen sich auf diese Distanz natürlich keine 42m Höhe gewinnen. (Siehe Bild 1)

Aus verschiedenen Gründen (strategische wie ingenieursmäßige) wurde statt einer zweigleisigen, zwei eingleisige Brücken erstellt.

Die Brücken wurden als Fachwerkträgerbrücken mit asymmetrischem Drehpunkt und trapezförmigem Querschnitt erstellt.

Der Fachwerkträger verjüngte sich dabei jeweils zu den Enden hin. (Bild 2, Bild 3)

Die Brücke wurde am 07.02.1895 dem Probebetrieb übergeben und zwei Monate später vertragsgemäß abgenommen.
Ausgeschwenkt gaben die um 70° zur Kanalachse gedrehten Brücken eine 50 m Breite Schiffahrtsöffnung frei.

Nicht nur diese beiden Brücken, auch die etwas westlicher liegende Strassenbrücke wurden vom hier liegenden Maschinenhaus mit Druckwasser für die Antriebe versorgt.
Das Wasser-Glycerin-Gemisch trieb dabei pro Brücke jeweils zwei Flaschenzüge zum Öffnen, bzw. Schliessen.

(Bild 3)

Sowohl die Anfälligkeit der Antriebe, als auch die Tatsache, daß die Brücken, die wegen des Vorranges des Bahnverkehrs meist geschlossen waren, zu Stauungen auf dem Kanal führten, bescherten den Brücken keine lange Lebensdauer.
Am 01.10.1913 wurde die bekannte Hochbrücke in Rendsburg in Betrieb genommen.
Interessant ist, daß es starke Proteste gegen die Ausfühung mit den Langen Rampen um die Stadt herum gab, weshalb es ja 1892 nicht zum Bau einer Hochbrücke kam.
Die strategischen Überlegungen führten allerdings dann zur Durchführung des Hochbrückenprojektes, trotz der erwähnten Proteste.

Wenn es gefällt folgen gerne noch weitere Beiträge.

Gruß

Hans
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petzolde
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Beitrag von petzolde » 19.09.2008 10:06

Welche maximale Durchfahrthöhe galt denn bei geschlossener Drehbrücke? Hätte das für die (heute üblichen) Binnenschiffe gereicht?
gruß EP

Gast

Beitrag von Gast » 19.09.2008 10:53

Moin EP,

greife ich mal die Maße ab, so beträgt die lichte Höhe am Mittelpfeiler ca. 3,28 und am Auflagepfeiler ca. 4,98 m.
Machbar wäre eine Durchfahrt, aber ich habe Zweifel, daß dies erlaubt war.

Gruß

Hans
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Gast

Die dritte und vierte Drehbrücke in Rendsburg

Beitrag von Gast » 19.09.2008 12:41

Neben der Staatsbahn gab es in Rendsburg noch die Kreisbahn.

(Bild 1)

Die meterspurige Rendsburger Kreisbahn wurde am 21.12.1901 eröffnet und zwar mit dem Abschnitt Rendsburg-Hohenwestedt.
Später, am 14.02.1916, wurde die Streckenerweiterung von Hohenwestedt nach Schenefeld eröffnet.
Dieser Abschnitt wurde am 18.10.1954 von der Betriebspflicht entbunden und bis November 1954 abgebaut.
Der weitere Niedergang zeigt sich am 15.08.1957 mit dem Abschnitt Hohenwestedt-Lunhstedt, am 1.1.1957 Luhnstedt-Jevenstedt und schließlich am 15.5.1957 mit dem letzten Abschnitt bis Rendsburg.

Aber beginnen wir 1901.
Der bereits einige Jahre vorher gebaute Nord-Ostseekanal wurde in Rendsburg von einen Strassendrehbrücke gequert.
Ab 1901 wurde in Fahrbahnmitte die Kreisbahn aufgenommen.

Die Drehbrücke bestand aus einem kurzen festen Teil auf der Nordseite und dem drehbaren auf der Südseite.

Angetrieben wurde die Brücke mit Druckwasser, was das Maschinenhaus der Eisenbahndrehbrücken lieferte.
(Siehe ersten Beitrag)

(Bild 2)

Wie zuvor schon bei den Eisenbahn-Drehbrücken ließ sich die Straßenbrücke in bisherigem Zustand nicht erhalten, als es darum ging, den Kanal auszubauen.
Der erweiterte Kanalquerschnitt ließ einen Umbau der bisherigen Brücke nicht zu.

(Bild 3)

Dabei erfolgte der Bau der neuen Brücke 78m westlich der alten Brücke.

(Bild 4)

Allerdings kam es nicht wie in Holtenau zum Bau einer weiteren Hochbrücke, sondern zum Ersatz durch eine zweiflügelige Drehbrücke mit einer größeren Durchfahrtsöffnung von 75m
zwischen den Leitschienen.

Die Brücke bestand aus zwei Flügeln in Fachwerkbauweise mit nach oben geschwungenem Obergurt.

(Bild 5 / Bild 6)

Die Brücken hatten einen asymmetrischen Drehpunkt.
Das Gleis der Kreisbahn wurde aussermittig auf der westlichen Seite der Fahrbahn geführt.

(Bild 7)

Die zur Kanalmitte angeordneten Enden der Brückenflügel waren dabei angeschrägt, die landseitigen ausgerundet.


Bedient wurden die Brückenflügel von jeweils einem Wärter, der sich in dem über dem Drehpunkt angeordneten Wärterhaus aufhielt.
Die Zeichnung zeigt die Frontansicht bzw. den Schnitt in Drehpunktnähe.

(Bild 8)

Im Juli 1912 wurde der südlicher Brückenflügel fertiggestellt, im Oktober 1913 die gesamte Brücke dem Verkehr übergeben.

In der Nachkriegszeit wurden die geschwungenen Geländer durch schlichte Geländer mit senkrechten Streben ersetzt, die Brückenhäuser erhielten statt der Leitern richtige Aufstiege.

Mit dem zunehmenden Verkehr der Nachkriegszeit über die Hauptverbindung nach Norden, der E3, war der Zustand in Rendsburg allerdings nicht mehr tragbar.
Alleine der Öffnungsvorgang vom Schließen der Schranken, dem Einfahren der Hubspindeln und dem Drehen der Brücke betrug zwei Minuten.
Da dies ja bereits Minuten vor Ankunft des jeweiligen Schiffes geschah, betrug die Wartezeit vor der Brücke mindestens zehn Minuten.

Somit erfolgte ab 1957 der Bau des Kanaltunnels, der 1961 in Betrieb genommen wurde.
Für die Kreisbahn hatte der Wegfall der Brückenverbindung im Jahre 1961 keine Bedeutung mehr, da ja seit dem 15.5.1957 der Betrieb eingestellt wurde.

Gruß

Hans
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Beitrag von Fieldmouse » 19.09.2008 15:19

Sehr schön ! Leider kenne ich die alten Drehbrücken beim Conventgarten auch nicht mehr.
In Bild 8 erinnert das Führerhäuschen an die noch existente Schwebefähre, ist ja auch klar,
weil Brücke und Schwebefähre die gleiche Entstehungszeit hatten. Aber die Fähre hat überlebt.
viewtopic.php?t=8733&postdays=0&postord ... &&start=10
Darf man erfahren, welcher Art Deine Quellen sind ?
Gruß Fm

Gast

Beitrag von Gast » 19.09.2008 15:25

Moin Fieldmouse,

ganz unterschiedliche Quellen. Angefangen mit Büchern über den NOK (W. Schulz "Der Nordostseekanal", "Der Nordostseekanal vor dem 1. Weltkrieg"), weiter Literatur über die Eisenbahn in Schleswig Holstein.
Die Zeichnungen sind im Wesentlichen nach Fotographien entstanden. Wenn die Abmessungen hinlänglich bekannt sind, läßt sich einiges Konstruieren und Rekonstruieren.

Gruß

Hans

Gast

Klappbrücke in Kiel

Beitrag von Gast » 19.09.2008 17:45

Auch in Kiel gab es bewegliche Brücken.
Plural da es eben mehr als eine Brücke war, jedoch an gleicher Stelle.

Am 18. September 1844, dem Geburtstag des dänischen Königs Christians VIII, wurde die Eisenbahn Altona Kiel eröffnet.
Zu Ehren des Königs erhielt die Bahn den Namen „König-Christian-VIII.- Ostseebahn“.

Schon bald danach, in jedem Fall vor dem Jahr 1870 wurde der Hafen im Bereich des Bootshafens auf der Westseite der Förde angeschlossen.

(Bild 1)

Der Bootshafen wurde mit einem Damm durchquert, der, anders als in der Karte dargestellt, zwangsläufig schiffbar sein und somit eine Zufahrtsmöglichkeit haben mußte.

(Bild 2)

Dies geschah zunächst durch eine Drehbrücke mit ca. 24 m Brückenlänge, die die Zufahrt für Fuhrwerke ebenfalls in einem parallelen Fahrplanum aufwies.

(Bild 3)

Von der Drehbrücke existieren keinerlei brauchbaren Unterlagen, abgesehen vom vorigen Photo.

Betrachtet man die Karte von 1870, so ist nach der Brücke eine Wagendrehscheibe angeordnet, die die Zufahrt Richtung Förde ermöglichte.
Wie später zu sehen ist, war am nördlichen Ufer des Bootshafens im Straßenzug "Am Wall" ebenfalls ein Gleis verlegt.

Im Jahr 1905 wurde nicht nur der Kieler Bahnhof umgestaltet, auch das Szenario am Bootshafen erfuhr eine Änderung.
Der Gleisverlauf änderte sich und war bis in die letzten Jahre in der Zuführung zur Weft am Fördewestufer gleich.

(Bild 4)

Zu sehen ist, daß der Gleisverlauf etwas südöstlicher war und das Gleis nicht mehr im Linksbogen über den Bootshafen geführt wurde (gelbe gestrichelte Markierung), sondern im Die Planung zur Umgestaltung lief schon 1900 wobei interessanterweise zunächst wieder eine Drehbrücke geplant war.

(Bild 5)

Die Drehbrücke mit asymmetrischem Drehpunkt sollte, wie die dann später ausgeführte Klappbrücke über eine große Breite verfügen.
Wenn ich den gezeigten Entwurf aus dem November 1900 richtig deute, so befand sich auch nördlich des Bootshafens ein Gleis, das über die Wagendrehscheibe angeschlossen war.

Der Verlauf des ursprünglichen Dammes ist auf dem folgenden Entwurf aus dem Dezember besser auszumachen, der aber deutlich vom vorigen Entwurf abweicht.
So ist hier, wie später auch ausgeführt, der Fördebereich vor dem Bootshafen vorgedämmt und östlich der Brücke nicht mehr mit Schuppenanlagen geplant.

(Bild 6)

Scheinbar standen hier zwei Entwürfe im Wettbewerb.

Wie bekannt wurde die Brücke dann als Klappbrücke ausgeführt

Die Situation am Hafen sah dann 1909 so aus, wie nachfolgend gezeigt.
Wie vermutet lag das Gleis auf der östlichen Brückenseite und wie vermutet, war das nördliche Gleis am Bootshafen über eine Weiche angeschlossen und verfügte sogar über ein Umlaufgleis.

(Bild 7)

Nochmal im Detail, wobei sogar das Brückenwärterhaus auszumachen ist.

(Bild 8)

Die ursprünglichen Planzeichnungen zu den Entwürfen sind heute leider nicht mehr vorhanden.

Das Bauwerk, welches die Drehbrücke 1905 ablöste war eine Klappbrücke.

(Bild 9)

Die Klappbrücke wies bei einer relativ geringen Stützweite eine große Fahrbahnbreite auf.

(Bild 10)

Der Bereich am Wall und die Südseite der Kieler Altstadt wurden im Krieg vernichtet.
Nach dem Krieg wurde das zerstörte Areal für einen großzügigen Straßenausbau genutzt.
Auch wenn ich darüber keine Unterlagen besitze ist zu vermuten, daß die Klappbrücke mit Kriegsende außer Betrieb genommen wurde.
Sie soll dann noch mit zubetoniertem Klappenkeller weiter existiert haben.
Nur ist im Zuge der Verkürzung der Uferlinie um 1974 zur Förde hin nichts mehr von der Brücke zu sehen gewesen.

Gruß

Hans
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Gast

Klappbrücke in Kiel

Beitrag von Gast » 19.09.2008 18:22

Die Frontansicht fehlte noch

Gruß

Hans
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Djensi
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Beitrag von Djensi » 20.09.2008 17:56

Moin,

auch der südliche Teil der früheren reinen Eisenbahnbrücke Lauenburg-Hohnstorf war drehbar ausgeführt.

Gruß
Djensi

Gast

Beitrag von Gast » 20.09.2008 18:48

Moin Djensi,

hast Du darüber Unterlagen?
Mir war nur bekannt, daß vor der Brücke ein Trajekt bestand.
Die Zufahrt zum Fähranleger ist auch heute noch auf topographischen Karten zu erkennen.
Allerdings war mir nicht bekannt, daß die Brücke auch beweglich war.

Gruß

Hans

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