Vorbereitete Sperren an Gleisanlagen?

Vorbereitete Sperren, Sperranlagen und zugehörige Infrastruktur
Hein Hollenbek

Einbeziehung der Eisenbahn in militärische Planung (DDR)

Beitrag von Hein Hollenbek » 20.01.2003 16:21

Auch die Sowjetunion hat auf die Eisenbahn gesetzt. Schließlich standen (stehen) in Ostpreussen Dampflokomotiven der deutschen Baureihe 52 betriebsfähig und konserviert abgestellt. Die Rauchkammern zeigten gen Westen.

Gruß
Jürgen[/quote]

In der DDR wurden bis in die siebziger Jahre Eisenbahnstrecken, die eine strategische Bedeutung hatten, auf hohe Achslasten umgebaut. Desweiteren gab es div. Orten Umgehungskurven, die ausschließlich militärischen Zwecken dienten. Diese sollten im Falle eines Falles dann aktiviert werden, um den Militärverkehr an den Knotenpunkten vorbeizuleiten. Im Eisenbahnmagazin gab es darüber mal einen längeren Artikel. Nach der Wende wurden die meisten dieser Strecken abgebaut.

railfan

Re: Vorbereitete Sperren an Gleisanlagen?

Beitrag von railfan » 17.09.2003 12:38

Imperator hat geschrieben:Gab es eigentlich auch vorbereitete Sperren an Gleisanlagen?
In den auf DDR-Gebiet gelegenen Grenzbahnhöfen zwischen der BRD und der DDR gab es stets mehrere "Schutzweichen", d.h. Weichen, die einen Zug vom Hauptgleis geleitet und entgleist hätten, wenn im Stellwerk - wo in Grenzbahnhöfen entsprechend geschulte und "verlässliche" Kräfte sassen - die Weichen nicht extra gestellt wurden.

In einigen Bahnhöfen, genannt sei Gutenfürst (nördlich von Hof) gab es diese Sperren auch in umgekehrter Richtung, wohl um die "Ausreise" von fluchtwilligen DDR-Eisenbahnern zu unterbinden.

railfan

Re: Einbeziehung der Eisenbahn in militärische Planung (DDR)

Beitrag von railfan » 17.09.2003 12:43

Hein Hollenbek hat geschrieben:In der DDR (...) gab es div. Orten Umgehungskurven, die ausschließlich militärischen Zwecken dienten. Diese sollten im Falle eines Falles dann aktiviert werden, um den Militärverkehr an den Knotenpunkten vorbeizuleiten. Im Eisenbahnmagazin gab es darüber mal einen längeren Artikel. Nach der Wende wurden die meisten dieser Strecken abgebaut.
Es gab diese Umfahrungskurven nicht nur zum (zum Teil sehr weiträumigen) Umfahren von Knotenpunkten, sondern auch um im Bedarfsfall zusätzliche Verbindungen über natürliche Hindernisse - insbesondere Oder und Elbe - herzustellen. So war vorgesehen, im Ernstfall mittels Behelfsbrücken zusätzliche Elbequerungen herzustellen - vorbereitet dazu, also mit Gleisen von/bis beiden Elbeufern) waren u.a. Plätze nahe Niedergörne (nördlich von Stendal), Tangermünde (südlich von Stendal) sowie Strehla (nordwestlich von Riesa).

railfan

Re: Einbeziehung der Eisenbahn in militärische Planung (DDR)

Beitrag von railfan » 17.09.2003 13:06

Timo hat geschrieben:also tote Gleise die an die Flüße herangeführt wurden?
Genau, zudem sollen Widerlager für die (Behelfs-)Brücken errichtet worden sein.

Timo hat geschrieben:Weißt Du ob diese noch vorhanden sind oder schon zurückgebaut wurden?
Das von der Strecke Stendal - Niedergörne abzweigende Gleis könnte noch vorhanden sein (wenn auch ohne die Weiche am Hauptgleis), auf der gegenüberliegenden Seite ist m.W. weder das "strategische Gleis" noch die zugehörige Strecke Schönhausen - Sandau mehr vorhanden.

In Tangermünde findet sich nichts (mehr).

In Strehla wurde eine frühere Schmalspurbahn von Oschatz (an der Strecke Leipzig - Riesa) aus strategischen Überlegungen auf Normalspur umgebaut und in bescheidenem Maße (Transport von landwirtschaftlichen Gütern und Brennstoffen) auch zivil genutzt. Die Strecke ist heute stillgelegt, aber teilweise noch vorhanden. WIe es dort auf der anderen Seite der Elbe aussieht, weiß ich nicht.

Es gab ähnliche Anlagen an der Oder, möglicherweise auch weitere an der Elbe (etwa nördlich von Torgau), aber dazu weiß ich leider nichts genaueres.

railfan

Re: Einbeziehung der Eisenbahn in militärische Planung (DDR)

Beitrag von railfan » 17.09.2003 13:36

Timo hat geschrieben:Und erstmal willkommen im Forum.
Danke :)

Timo hat geschrieben:Von sowas habe ich bisher nichts gelesen, bzw. gehört. Hat jemand von ähnlichen Anlagen im Westen gehört?
Von derartigen Anlagen in Westdeutschland ist mir nichts bekannt, abgesehen davon, daß die Bahnbrücke über den Rhein westlich von Rastatt wohl aus militärischen Gründen vorgehalten wurde, nachdem dort kein ziviler Verkehr mehr stattfand.

Aber auf Drängen der NATO weiterhin vorgehaltene Bahnstrecken gab es in Westdeutschland mehrere, z.B.:

Stromberg - Simmern - Morbach - Hermeskeil ("Hunsrück-Querbahn")
Ruwer (bei Trier) - Hermeskeil
Niebüll - Flensburg

Timo hat geschrieben:Solltest Du genaue Ortsangaben haben, würden wir uns freuen diese zu erfahren. Da Gleise und Widerlager (relativ) Vandalensicher sind ;), brauchen wir uns über das Veröffentlichen von genauen Ortsangaben keine Gedanken machen (nur damit mir niemand den Kopf abschlägt. :mrgreen: )
Strehla (bei Riesa) findet man auf einer Karte leicht und der Bahnhof bzw. das Elbeufer dürfte auch nicht zu versteckt sein ;)

Wegen der anderen Elbe-Querungen schaue ich heute Abend zuhause mal, möglicherweise habe ich noch genauere Angaben.

Gast

Beitrag von Gast » 17.09.2003 13:54

hey...

jetzt noch einmal ein frage zu den sogenannten "Schutzweichen".

mir ist immer wieder aufgefallen, dass es weichen gibt, die von der hauptstrecke abzweigen, dann aber nach einigen metern irgendwo im "nichts" enden. mal mit prellbock, mal ohne.

das... sogar an den neubaustrecken der ice-trasse irgendwo zwischen hannover und kassel usw.

ich war bislang der meinung, dass dort eine weiche zur reserve einbaut wurde, um dann das gleis irgendwann weiterzuführen.
nur mein persönlicher eindruck war auch immer, das es dann von der bahn sehr optimistisch geplant war bzw ich an den sinn (und dem verstand der planer...) gezweifelt habe.
also....gibt es ganz konkret vorgaben solche schutzweichen zu planen und einzubauen, mit dem zweck eine engleisung herbei zuführen??
und das nicht nur im randgebiet zur ex-ddr?

holger

railfan

Beitrag von railfan » 17.09.2003 14:07

dwarslöper hat geschrieben: jetzt noch einmal ein frage zu den sogenannten "Schutzweichen".

mir ist immer wieder aufgefallen, dass es weichen gibt, die von der hauptstrecke abzweigen, dann aber nach einigen metern irgendwo im "nichts" enden. mal mit prellbock, mal ohne.

das... sogar an den neubaustrecken der ice-trasse irgendwo zwischen hannover und kassel usw.
(...)
also....gibt es ganz konkret vorgaben solche schutzweichen zu planen und einzubauen, mit dem zweck eine engleisung herbei zuführen??
und das nicht nur im randgebiet zur ex-ddr?
Diese Schutzweichen entsprechen rein technisch den in DDR-Grenzbahnhöfen verwendeten Anlagen - allerdings ist die Bezeichnung "Schutzweiche" bei der heutigen Verwendung weniger zynisch.

Die heutigen Schutzweichen befinden sich an Nebengleisen - etwa einem Überholgleis - von stark bzw. schnell befahrenen Hauptgleisen, meist kurz bevor das Nebengleis in das Hauptgleis einmündet. Fährt nun auf dem Hauptgleis ein Zug durch, wird die Schutzweiche auf dem Nebengleis auf "Abzweig" gestellt. Sollte nun auf dem Nebengleis trotz aller zusätzlichen Schutzmechanismen (Signale und die damit verbundene Zwangsbremsung bei Nicht-Beachtung) ein Zug Richtung Hauptgleis fahren, wird dieser "abgelenkt" (und zwangsgebremst), um dem Zug auf dem Hauptgleis nicht in die Flanke zu fahren. Der so auf über die abzweigende Schutzweiche geleitete Zug wird zwar entgleisen, aber zumindest den durchfahrenden Zug nicht treffen - ist also das kleinere der beiden Übel.

Unter http://home.t-online.de/home/ms.muc/wab.htm findet man Bilder von zwei Loks, die in Haspelmoor (zwischen München und Augsburg) über die Schutzweiche geleitet wurden. Der Lokführer des Privatunternehmens EBGO (mittlerweile insolvent) hatte mit seinem auf dem Nebengleis stehenden Zug das grüne, also "Fahrt" zeigende Signal des Hauptgleises irrtümlicherweise für seines gehalten und war losgefahren - ergo: Zwangsbremsung und Fahrt über die Schutzweiche vom Hauptgleis weg. Kein Personenschaden, der Zug (ein Holzgüterzug) war unbeschädigt (und nicht entgleist) und wurde kurze Zeit später von einer anderen Lok ans Ziel gebracht, die grüne Lok beschädigt, die weiße unbeschädigt. Deutlich glimpflicher, als wenn der Zug auf das Hauptgleis gefahren wäre, wo ja ein anderer Zug "von hinten" herankam.

Gast

Beitrag von Gast » 17.09.2003 15:14

interessant.... danke für die erläuterungen!

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Lacky
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Re: Vorbereitete Sperren an Gleisanlagen?

Beitrag von Lacky » 18.09.2003 10:28

railfan hat geschrieben: In den auf DDR-Gebiet gelegenen Grenzbahnhöfen zwischen der BRD und der DDR gab es stets mehrere "Schutzweichen", d.h. Weichen, die einen Zug vom Hauptgleis geleitet und entgleist hätten, wenn im Stellwerk - wo in Grenzbahnhöfen entsprechend geschulte und "verlässliche" Kräfte sassen - die Weichen nicht extra gestellt wurden.

In einigen Bahnhöfen, genannt sei Gutenfürst (nördlich von Hof) gab es diese Sperren auch in umgekehrter Richtung, wohl um die "Ausreise" von fluchtwilligen DDR-Eisenbahnern zu unterbinden.
Moin erstmal!

Diese "Grenz-Schutzweichen" gab es grundsätzlich in jedem letzten Bahnhof auf DDR-Gebiet, bevor die Strecke westdeutsches oder westberliner Gebiet erreichte. Diese Schutzweichen waren oft sehr einfach ehalten, indem z.B. nur eine Weichenzunge eingebaut wurde.

Auf zuverlässige Reichsbahner als Stellwerkspersonal brauchte man auch nicht unbedingt zurückgreifen, da es technisch unmöglich war, auf einem Grenzbahnhof durchzufahren. Das Einfahrsignal konnte nämlich erst auf Fahrt gestellt werden, wenn die Schutzweichen in der Bahnhofs-Ausfahrt entsprechend "in die Botanik" gestellt waren. Versuchte ein Lokführer am halt zeigenden Einfahrsignal vorbeizufahren, wurde der Zug automatisch zwangsgebremst. Als zusätzliche Sicherheit waren die Schutzweichen in Schutzstellung auf den Strellwerken blockelektrisch mit einem Schlüsselwerk verschlossen. Die dazugehörigen Schlüssel mußten dann nach jeder Zugfahrt an die Grenztruppen ausgehändigt werden.

Diese "Schutzmaßnahmen" wurden durchgeführt, nachdem ein Lokführer es geschafft hatte, am 5. Dezember 1961 auf dem Bahnhof Albrechtshof bei Berlin die Grenztruppen zu täuschen, in dem er seinen Zug im Bahnhof kurz abbremste und dann plötzlich mit Volldampf und komplettem Reisezug, in dem die Familien von Lokführer und Heizer saßen, in Richtung West-Berlin verschwand.

Sehr aufschlußreich über dieses Thema ist auch das Buch von Bernd Kuhlmann: "Züge durch Mauer und Stacheldraht", erschienen im Verlag GVE, Berlin.

Lacky
Mut ist oft ein Mangel an Einsicht, während Feigheit nicht selten auf guten Informationen beruht - Sir Peter Ustinov

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Beitrag von Kindacool » 18.09.2003 11:50

... um dem Zug auf dem Hauptgleis nicht in die Flanke zu fahren.
von railfan

Nur eine wiiinzig kleine haarspalterische Ergänzung:
Aus oben genanntem Grunde heißen diese Weichen auch korrekt: "Flankenschutzweichen".

Gruß
Michael

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