Friedhöfe im Ruhestand

Zivile und sonstige Bauten mit geschichtlichem Hintergrund und deutlichem Bezug zu den Fachthemen, die jedoch nicht eindeutig zuzuordnen sind
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violette
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Beitrag von violette » 14.11.2011 10:11

Moin,

@ Käpt´n Blaubär
Dass Hausmarken auch auf Grabsteinen verwendet wurden ist mir neu :-)
Danke für den tollen eye-opener.

Gruß,
Vi

Janericloebe
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Beitrag von Janericloebe » 19.11.2011 23:06

violette hat geschrieben:Was sagt ihr Experten zu diesen Symbolen: Schere (Bild 53),
eine 4(?) mit Kreuzchen(Bild 51)...?
Hallo violette. Nachdem die Vier mit den Kreuzchen schon gelöst ist, noch zur Schere. Es handelt sich um das Zunftwappen des Schneider-Berufs. Wie viele andere handwerkliche Berufe auch, waren Schneider seit dem Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert (in Deutschland) in Zünften organisiert. Das heißt: Nur als Mitglied der Zunft durfte man diesen Beruf auch ausüben. Es konnte auch nicht jeder Mitglied einer Zunft werden. In diesem Sinne waren auch die Zunftzeichen rechtlich geschützt, weshalb wir also davon ausgehen können, dass hier ein echter Schneider begraben liegt.

Es handelt sich gewissermaßen um eine frühe Form der Berufsangabe auf einem Grabstein. Auf späteren und heutigen Grabsteinen findet man das immer mal wieder in schriftlicher Form, z. B. Rechtsanwalt, Bürgermeister, General, etc.

http://de.wikipedia.org/wiki/Zunftzeichen
http://de.wikipedia.org/wiki/Schneider

Weitere Abbildungen von Schneider-Zunftzeichen:

http://commons.wikimedia.org/wiki/File: ... wappen.jpg
http://commons.wikimedia.org/wiki/File: ... 024_07.jpg
http://commons.wikimedia.org/wiki/File: ... neider.JPG

Gruß
Janericloebe

violette
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Beitrag von violette » 28.11.2011 18:07

@ Janericloebe
Also doch kein Frisör ;)
Und warum auch nicht; schon bemerkenswert, dass nicht nur die Freiherren und -frauen sich mit ihren ganzen Titeln von und zu verewigen ließen.

Gruß,
Vi

Janericloebe
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Beitrag von Janericloebe » 30.11.2011 11:24

violette hat geschrieben:@ Janericloebe
Also doch kein Frisör ;)

Gruß,
Vi

Da liegst Du gar nicht so verkehrt. Die Zunft der Frisöre (früher auch Friseure und noch früher Bader) hatte auch eine Schere im Wappen. Allerdings meist in Kombination mit einem Salbenspatel, da Bader auch einfache medizinische Handlungen ausführten.

Da der Grabstein schon etwas verwittert ist, kann es man es halt nicht 100%ig sicher sagen. Vielleicht ist bei einer höheren Auflösung noch etwas zusätzliches zu erkennen?

Wie der Zufall es will, war ich erst letztes Wochenende auf einem Friedhof, wo es von Scheren und anderen Zunftzeichen nur so wimmelt:

Der Nürnberger Rochusfriedhof im Stadtteil Gostenhof wurde ab 1519 als Pestfriedhof angelegt und ersetzte den zu klein gewordenen Kirchhof der Lorenzkirche. Im Gegensatz zum bekannteren Johannisfriedhof, auf dem viele wohlhabende Bürger der "Sebalder Altstadt" bestattet wurden, finden sich auf dem Rochusfriedhof (benannt nach dem Pestheiligen Rochus von Montpellier) die Gräber der einfacheren Leute aus der "Lorenzer Altstadt".

Der Friedhof liegt direkt an der heute stark befahrenen Rothenburger Straße. Jeder Nürnberger ist da wohl schon hunderte Male dran vorbeigefahren. Dabei lohnt sich der Zwischenstopp. Auf den mehr oder weniger gleichförmigen Grabsteinen brachte man meist sehr kunstvoll gestaltete Epitaphe aus Bronze an. Es war üblich, solche Epitaphe noch zu Lebzeiten zu erwerben, weshalb bei manchen das Todesdatum noch fehlt. Um die Ergänzungen hatten sich die Nachkommen zu kümmern.

Einen passenden Link zu den Gräbern der Handwerker habe ich auch gefunden:

http://www.nordbayern.de/nuernberger-ze ... r-1.608839

Auf dem Friedhof sind auch einige bekannte Persönlichkeiten begraben. Und in der nördlichen Hälfte finden sich auch einige Gräber aus dem 19./20. Jahrhundert. Dazu aber zu einem späteren Zeitpunkt mehr.

Es finden dort übrigens noch Begräbnisse statt. Allerdings ist es wegen des Denkmalschutzes bei vielen Gräbern nicht möglich, dort auch den eigenen Familiennamen anzubringen. Auf diese Weise werden die historischen Gräber aber von privater Hand gepflegt.

Gruß
Janericloebe
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Beitrag von Janericloebe » 30.11.2011 12:16

Hier noch einige Handwerkergräber. Sehr häufig findet man auf dem Rochusfriedhof Gräber von Bäckern, Metzgern, Gastwirten und Bierbrauern.

Letztere verwendeten als Berufssymbol oft den Brauerstern. Nicht zu verwechseln übrigens mit dem Davidstern, den man von jüdischen Friedhöfen kennt und der dort aber erst im 19. Jahrhundert auftauchte und im 20. Jahrhundert üblich wurde.

http://de.wikipedia.org/wiki/Brauerstern

Einige Zeichen kann ich nicht eindeutig zuordnen. Viele Handwerker brauchten im Winter eine andere Beschäftigung, weshalb es auf den Epitaphen auch zu sonderbaren Berufs-Kombinationen kam.

Fortsetzung mit den bekannteren und teils neueren Gräbern folgt.

Gruß
Janericloebe
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Beitrag von Djensi » 30.11.2011 12:49

@ janericloebe

Die Hutmacher haben/hatten wohl solche Werkzeuge am Start, ich meine mal in einer Doku aus England so etwas Ähnliches gesehen zu haben, zum Ziehen der Krempe usw..

Danke auch für die Aufklärung der Symbolik, bei den erwähnten Doppelbeschäftigungen fallen mir die Ziegelmeister ein, die im Winter häufig einer anderen Beschäftigung nachgegangen sind, im Bereich Westfallen-Lippe sind sie im Winter Tuchverarbeiter oder Schneider gewesen.

Grüße
Djensi

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Beitrag von Janericloebe » 30.11.2011 18:04

Djensi hat geschrieben:@ janericloebe

Die Hutmacher haben/hatten wohl solche Werkzeuge am Start, ich meine mal in einer Doku aus England so etwas Ähnliches gesehen zu haben, zum Ziehen der Krempe usw..

Grüße
Djensi
@Djensi

Ja, es handelte sich wohl um jemanden, der Hüte aus Pelzen (also eher Mützen) hergestellt hat. Da gab es ja genug zu ziehen, abzuziehen, überzuziehen etc. Die Werkzeuge rechts stammen also weniger von einem Gerber als von einem Kürschner.

Hier eine kleine Auswahl von mehr oder weniger appetitlichen Kürschnerwerkzeugen:

http://commons.wikimedia.org/wiki/Categ ... king_tools

Gruß
Janericloebe

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Beitrag von violette » 16.12.2011 22:38

Moin,

der jüdische Friedhof in Warburg ist nicht frei zugänglich. Aus dem 19. Jahrhundert. Erstaunlicherweise direkt vor der Stadt, an der mittelalterliche Stadtmauer. Der christliche Friedhof befindet sich übrigens direkt daneben - sehr stimmig abends an Allerseelen...

Gruß,
Vi
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Beitrag von Janericloebe » 18.12.2011 17:36

violette hat geschrieben:Moin,

der jüdische Friedhof in Warburg ist nicht frei zugänglich. Aus dem 19. Jahrhundert. Erstaunlicherweise direkt vor der Stadt, an der mittelalterliche Stadtmauer.
Hallo. Stimmungsvolle Bilder von einem Friedhof aus dem 19. Jahrhundert, wie man ihn sich wünscht! :shocked:

Um nochmal auf das alte Thema zurückzukommen: Die Mischna, also die Religionsgesetze des Judentums, schreiben zwischen bewohnter Fläche und Friedhof lediglich eine Distanz von 50 Ellen (25 bis 40 Meter) vor. Dass viele Friedhöfe oftmals sehr viel weiter von Siedlungen entfernt liegen, hat wie schonmal beschrieben andere Gründe.

Im 19. Jahrhundert wurden Juden in Deutschland gesetzlich zunehmend der christlichen Bevölkerung gleichgestellt - spätestens mit der Reichsgründung 1871 gänzlich. Entsprechend befinden sich viele jüdische Friedhöfe aus dem 19. Jahrhundert direkt neben den christlichen oder städtischen Friedhöfen. Im oberfränkischen Lichtenfels nutzten Juden und Christen sogar gemeinsam das Leichenhaus des städtischen Friedhofs.

Die folgenden Bilder stammen allerdings vom jüdischen Friedhof in Baiersdorf. Die mittelfränkische Stadt war einst der Hauptort des Judentums im Markgrafentum Brandenburg-Bayreuth. Der möglicherweise schon um 1388 angelegte jüdische Friedhof befindet sich sogar innerhalb der historischen Stadtmauer, der christliche seit 1720 hingegen außerhalb. Eine weitere Besonderheit ist, dass die Gräber dort nicht nach Osten sondern nach Westen (in Richtung der ab 1938 zerstörten Synagoge) ausgerichtet sind.

Das "Einzugsgebiet" des jüdischen Friedhofs in Baiersdorf ist vergleichsweise groß, da viele Gemeinden in der Umgebung über keinen eigenen Friedhof verfügten. Bis 1607 wurden dort sogar Verstorbene aus Fürth, dem "fränkischen Jerusalem", beerdigt.

Im Übrigen kann man anhand der Bilder dieses umfangreichen Friedhofs das immer wieder auftauchende Vorurteil widerlegen, alte jüdische Gräber seien einheitlich oder gleichförmig gestaltet. Grundsätzlich unterscheiden sich jüdische Gräber (bis auf die hebräische Inschrift und eindeutige Symbole) kaum von denen der christlichen Friedhöfe. Es gab natürlich viele regionale Unterschiede. Waren die Gräber der Christen in einem Ort eher einfach gestaltet, waren es die der Juden meist auch und umgekehrt. Im 19. Jahrhundert kamen dann auch deutsche Inschriften, zahlreiche (auch weltliche) Symbole und aufwendigere Materialien wie Marmor dazu. Entgegen dem jüdischen Glauben, gibt es aus dieser Zeit sogar vereinzelt Grabmale mit Fassungen für Blumenschmuck, was sich längerfristig allerdings nicht durchsetzte. Aber auch die Gräber der christlichen Friedhöfe wurden im 20. Jahrhundert wieder etwas schlichter.

Aber bevor ich noch mehr abschweife, hier die Bilder aus Baiersdorf vom 9. November 2011.

Eine interessante Ausführung zum Friedhof gibt es hier:

http://www.baiersdorf.de/Judenfriedhof.pdf

Einen Link zu Friedhofsführungen findet man hier:

http://www.baiersdorf.de/2370_DEU_WWW.php

Gruß
Janericloebe
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Zuletzt geändert von Janericloebe am 18.12.2011 18:14, insgesamt 2-mal geändert.

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Beitrag von Janericloebe » 18.12.2011 18:07

Fortsetzung Baiersdorf.
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