Ziegelei Schutschur und Kraftwerk Alt Garge

Fabriken, Kraftwerke, Zechen ...
Benutzeravatar
mschmitz
Forenuser
Beiträge: 9
Registriert: 24.11.2013 00:17
Ort/Region: Lyme Regis / Dorset / UK

Lage im Krieg / Recherche

Beitrag von mschmitz » 27.11.2013 16:00

Moin, moin

in den Unterlagen meiner Eltern habe ich einen Lebenslauf von meinem Vater gefunden aus dem hervorgeht, dass er die Ziegelei von 1937 bis 1952 geleitet hat. Dann wurde sie, laut den Erzählungen meiner Mutter, verkauft. Weiteres über die Zeit im Krieg, aufgeschrieben aus meinen Erinnerungen, wird in Kürze folgen.

Gruß,

Michael

Benutzeravatar
mschmitz
Forenuser
Beiträge: 9
Registriert: 24.11.2013 00:17
Ort/Region: Lyme Regis / Dorset / UK

Lebenslauf Adam Schmitz

Beitrag von mschmitz » 27.11.2013 16:29

Anbei der Lebenslauf meines Vaters, aus dem hervorgeht, wann er die Ziegelei gleitet hat.

Gruß,

Michael
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.

Benutzeravatar
Christel
Moderator
Beiträge: 2381
Registriert: 04.05.2003 22:54
Ort/Region: Bispingen
Kontaktdaten:

Beitrag von Christel » 27.11.2013 21:20

Hi Michael,

einfach klasse :thumbup: . Danke dafür.


LG,

Christel

Benutzeravatar
mschmitz
Forenuser
Beiträge: 9
Registriert: 24.11.2013 00:17
Ort/Region: Lyme Regis / Dorset / UK

Die Glienitzer Tonwerke von 1937-52 ...

Beitrag von mschmitz » 03.12.2013 15:39

... Aufgeschrieben aus den Erinnerungen an die Geschichten meiner Eltern

Ich erinnere mich, wie meine Mutter die Geräusche von Flugzeugen imitierte. Sie saß am Esstisch, breitete ihre Arme wie Tragflächen aus, beugte sich vor, brummte, zischte und rief mit aufgerissenen Augen: »Bum, bum, bum, bum, bum, wummerten seine Maschinengewehre, als er auf uns schoss.« Das war kurz vor Ende des Krieges. Sie spazierte mit meinem Vater und ihrem Cocker Spaniel über die Felder an der Elbe vor den Glienitzer Tonwerken, als er sie plötzlich in einen Graben riss. »Papi warf sich auf mich und neben uns spritzten die Kugeln in den Matsch«, während der Hund panisch davonsprang. »Mein blaues Sonntagskleid war ruiniert«, empörte sie sich noch dreißig Jahre nach dem Krieg. Eine Kugel bohrte sich direkt neben dem Auge meines Vaters in die Erde. Die hat er auf der Stelle mit seinen Händen ausgegraben. »Ich dachte, wenn ich das nicht sofort mache, finde ich sie später nie wieder«, sagte mein Vater, während er vom Tisch aufstand und das Geschoss, dick und lang wie die beiden letzten Glieder meines kleinen Fingers, holte, um es herumzuzeigen. »Das waren zwei Amis, die im Tiefflug über die Elbe jagten und aus Spaß auf alles schossen, was sich bewegte. Und kurz darauf kamen die Russen«, sagte meine Mutter.

Sonntags, wenn alte Freunde aus Lüneburg und Dannenberg bei uns in Travemünde zu besuch kamen, wurden nach dem Essen die alten Kriegsgeschichten erzählt. Ich denke, das war ihre Art die Vergangenheit zu verarbeiteten und bin froh, mich zu erinnern, als sei es gestern gewesen. Damals aber, als kleiner Junge rutschte ich ungeduldig auf meinem Stuhl herum und wartete, endlich aufstehen zu dürfen. Jede Geschichte hatte ich mindestens tausend Mal gehört und konnte sie fast auswendig mitsingen.

Mein Vater, Adam Schmitz, wurde 1900 in Duisburg am Rhein geboren. Meine Mutter, Anneliese Schmitz, 1914 in Arfrade bei Lübeck. 1918 zog er mit Hurra für Kaiser, Volk und Vaterland in den Krieg. Kurz vor Ende erwischten die Engländer sein U-Boot im Kanal und internierten ihn in Scapa Flow. 1920 kehrte er aus der Gefangenschaft zurück und seine Begeisterung für Kaiser und Kriege hatte sich deutlich gelegt. Mitte der zwanziger Jahre wanderte er nach Südamerika aus, um dort als Gold- und Ölsucher zu arbeiten. 1932 machte er Urlaub in Travemünde, lernte meine Mutter kennen und heiratete sie 1933 in Maracaibo, Venezuela. Später sagte sie oft: »An die Malaria gewöhnt man sich. Aber die nasse Hitze am See, bei der kein Fetzen trocken bleibt, konnte ich kaum ertragen.«

1937 ergab sich die Gelegenheit zum Kauf der Ziegelei. Meine Großmutter mütterlicherseits kaufte mit ihrem Erbteil aus einer rheinischen Brauerei und Krediten der Warburg Bank in Hamburg (das ist mir im Nachhinein wieder eingefallen) die Glienitzer Tonwerke. Mein Vater sollte seinen Teil dazu beisteuern aber dazu kam es nicht.
Während mein Vater in Südamerika arbeitete, schickte er regelmäßig Geld an seinen Bruder in Duisburg, damit dieser es sicher verwahrt und anlegt. Als er das für die Ziegelei brauchte, konnte der Bruder nicht zahlen, weil er das Geld verspekuliert hatte. Es kam zu einem Zivilprozess, bei dem meinem Vater 90.000,- RM Schadenersatz zugesprochen wurden. Wenige Tage später erhielt er ein Schreiben von der Reichskanzlei des Führers, in dem das Urteil aufgehoben wurde.
Meine Mutter nannte den Bruder immer nur »Parteinummer 9« und war der festen Überzeugung er hätte diese Nummer tatsächlich gehabt. Ich fand bisher keine Belege dafür. Sicher ist nur, dass er ein überzeugter Nazi mit besten Verbindungen zur Parteispitze war.
Mein Vater wandte daraufhin sich an Oberstandartenführer Eckert, Oberleutnant bei der schwarzen Reichswehr in Schwerin, den er in Mexiko aus dem Gefängnis befreit hatte, als dieser dort in Schwierigkeiten steckte, und bat ihn jetzt seinerseits um Hilfe. Eckert versprach zu helfen und riet meinem Vater, sich vorerst in einer Irrenanstalt zu verstecken und so zu tun, als sei er ganz und gar wahnsinnig geworden. Der Bruder habe ihn nämlich als Kommunisten und Judenfreund denunziert und so einer müsse schließlich verrückt sein. Wen er damit meinte, ließ er offen. Nebenbei sei mein Vater deswegen in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden und würde bereits von der Gestapo gesucht.
Ich erinnere mich, dass meine Mutter diese Geschichte immer sehr leise und blass erzählte, während mein Vater sich vor Vergnügen über sein Husarenstück, wie er den Nazis vom Galgen sprang, auf die Schenkel klopfte.
Nach ein paar Monaten wurde das Todesurteil aufgehoben, Eckert sicherte meinen Vater gegen die Verfolgungen und er konnte aus seinem Versteck in die Ziegelei zurückkehren, die unterdessen mit weiteren Mitteln von der Warburg Bank gestützt wurde. Das Geld von seinem Bruder hat er nie wiedergesehen. Aber die Geschäfte liefen gut. Die Nazis bauten ihre Version vom Turm zu Babel, für die sie jede Menge Ziegel brauchten und so konnten er die Kredite abzahlen.

Als der Krieg begann, war mein Vater froh, dass er als Leiter eines »kriegswichtigen Betriebes« nicht noch einmal eingezogen werden konnte. Sein Enthusiasmus für Klein- und Weltkriege hielt sich seit dem Letzten in überschaubaren Grenzen. Aber leider wurden nach und nach alle wehrfähigen Arbeiter der Ziegelei eingezogen und nach 1941 durch russische Kriegsgefangene ersetzt.
Die Russen wurden in einfachen ungeheizten Baracken auf dem Firmengelände untergebracht und von Kriegsversehrten aber noch dienstfähigen Soldaten bewacht. »Du kannst Dir nicht vorstellen, wie arm diese Russen waren«, sagte meine Mutter. »Die hatten nicht mal Strümpfe in den Schuhen und keine Mäntel zum Anziehen.« Deswegen strickte sie für alle warme Strümpfe, mein Vater gab ihnen seine Wintermäntel und sammelte bei den Bauern in der Gegend weitere. »Du kannst die Leute doch nicht arbeiten lassen, wenn sie frieren«, sagte er und ließ sie deswegen im Winter unbewacht in den warmen Rundöfen schlafen. Außerdem versorgte meine Mutter sie mit Fleisch aus ihrer Kaninchenhaltung und -Schlachterei, die sie hinter den Fabrikhallen betrieb sowie Kartoffeln und Gemüse aus eigenen Gärten.
Während der Hamburger Bombennächte konnten sie den Widerschein der Brände am Horizont sehen. Und am nächsten Morgen fanden sie angesengte Kirchenblätter, Seiten aus Liederbüchern und Bibeln, die vom Feuersturm fortgerissen und bis nach Schutschur geweht wurden, in ihrem Garten.
In den letzten Tagen vor Kriegsende geriet mein Vater noch einmal mit Deutschen Truppen in Streit, die ein an der Verladebrücke liegendes Frachtschiff und die Ziegelei sprengen wollten, damit nichts dem Feind in die Hände fällt. Vielleicht hätte er nicht sagen sollen: »Das kommt gar nicht in Frage ihr Idioten, der Krieg ist aus und wir brauchen das für den Wiederaufbau.« Denn da hätten sie ihn beinahe erschossen. Nur die von der Fabrik zur Hilfe geeilten Wachmannschaften konnten im letzten Moment Schlimmeres verhindern, als sich mein Vater mit erhobenen Fäusten und ein Unteroffizier mit gezogener Pistole kampfbereit gegenüberstanden. Schließlich einigten sie sich darauf, dass er den Frachter versenkte, indem er die Ventile öffnete. So konnten sie das Schiff hinterher wenigstens wieder flott machen. Und die Fabrik ließen sie in Ruhe.
Kurz danach besetzten die Russen das Gebiet. Die Kriegsgefangenen postierten sich am Eingang des Betriebsgeländes, begrüßten die anrückenden Soldaten aber verweigerten der Armee das Betreten. So entgingen die Fabrik und meine Eltern der Plünderung und möglicherweise schlimmeren.
Später, im Zuge der Besatzungsverhandlungen wurde das Gebiet den Engländern zugesprochen und die holten das Plündern gründlich nach. »Alle Silberpokale, die Dein Vater in Montevideo gewonnen hat, haben sie geklaut, die Betten verwüstet und beschmutzt und in die Ecken gesch..., die Wasserhähne abmontiert, die Vitrinen und Schränke eingeschlagen, die Kissen und Polster aufgeschlitzt und alles, alles was sie schleppen konnten geklaut. Nein, das hätte ich von denen nicht erwartet«, entsetzte sich meine Mutter.
Die Engländer machten das Verwaltungsgebäude zu ihrem Hauptquartier und beschlagnahmten das Wohnhaus meiner Eltern. Bis zum Teilabzug der Truppen zog meine Mutter zu Bekannten nach Aumühle und mein Vater kam in der Nachbarschaft unter, von wo aus er sofort begann, sich um den weiterbetrieb zu kümmern.

Über die Jahre des Wiederaufbaus unmittelbar nach dem Krieg, weiß ich so gut wie nichts. Nur, dass mein Vater von den Briten relativ schnell entnazifiziert und als Bürgermeister eingesetzt wurde. 1952 verkaufte meine Großmutter den Betrieb. Meine Eltern zogen nach Frankfurt und eröffneten dort mit Hilfe von alten Freunden aus der Ölindustrie einen Tankstellenkonzern.

Ich hoffe, Euch mit diesen Geschichten über die Glienitzer Tonwerke, aus der Zeit während des Krieges, unterhalten und informiert zu haben. Vieles kann ich im Nachhinein nicht mehr überprüfen und da meine Eltern beide längst gestorben sind auch nicht mehr nachfragen. Gerne hätte ich mehr Details beigesteuert aber ich denke, ihr versteht, wie das mit den Kriegsgeschichten so ist. Die Eltern erzählen einen nur das, was sie wirklich bewegt hat und das Tagesgeschäft, wer, was, wann, wo und wie gemacht hat, bleibt da natürlich außen vor. Vielleicht könnt Ihr über die Namen im Lebenslauf noch mehr herausfinden oder einer der »Dorfältesten« kann möglicherweise aus der Erinnerung noch etwas beisteuern.

Gruß,

Michael

P.S.: Auf dieses Forum bin bei der Recherche meiner Familiengeschichte für ein Buch aufmerksam geworden.

Benutzeravatar
Djensi
Forenuser
Beiträge: 2099
Registriert: 28.08.2003 22:25
Ort/Region: Hamburg

Beitrag von Djensi » 03.12.2013 21:25

Besten Dank für diese Fleißarbeit! :thumbup: :thumbup: :thumbup:

Die Geschichten sind die Form der Verarbeitung des Erlebten. Heutzutage könnte man wegen der traumatischen Erlebnisse in Therapie gehen... Das war unseren Eltern nicht möglich. So werden die Geschichten des Erlebten immer wieder vorgetragen.Ich habe Kontakte nach Glienitz, aber in den 50gern war man sehr viel mit sich selbst beschäftigt. Da war die Ziegelei in Schutschur aber Näheres dazu weiß man nicht. Leider gibt es keine Kontakte von dort zu ehemaligen Mitarbeitern und leider sind sehr viele von denen, die dazu was erzählen könnten, bereits verstorben. Aber ich gebe ja nicht auf ;)

Grüße
Djensi

bfg
Forenuser
Beiträge: 5
Registriert: 04.12.2013 10:13
Ort/Region: Neu Darchau

Beitrag von bfg » 04.12.2013 21:36

Djensi hat geschrieben:Besten Dank für diese Fleißarbeit! :thumbup: :thumbup: :thumbup:

Die Geschichten sind die Form der Verarbeitung des Erlebten. Heutzutage könnte man wegen der traumatischen Erlebnisse in Therapie gehen... Das war unseren Eltern nicht möglich. So werden die Geschichten des Erlebten immer wieder vorgetragen.Ich habe Kontakte nach Glienitz, aber in den 50gern war man sehr viel mit sich selbst beschäftigt. Da war die Ziegelei in Schutschur aber Näheres dazu weiß man nicht. Leider gibt es keine Kontakte von dort zu ehemaligen Mitarbeitern und leider sind sehr viele von denen, die dazu was erzählen könnten, bereits verstorben. Aber ich gebe ja nicht auf ;)

Grüße
Djensi
Hallo Djensi!

Hallo Michael !

Mein Name ist Bert Fiedler, und ich stamme aus Glienitz.

Ich beschäftige mich mit der Heimatforschung der drei Dörfer Drethem, Glienitz , Schutschur.

Eine Frage vorab: Gibt es in diesem Forum keinen normalen Antwort- Button ?

Ich habe den jedenfalls (noch)nicht gefunden.
Deshalb das Zitat von Djensi.

Ich habe schon öfter hier auf diese Seite geschaut, aber erst auf den Bericht von Michael hin habe ich mich angemeldet.
Ich hätte mir auch gerne die tollen Bilder von Dir kopiert, aber leider geht das bei mir nicht !??
Ich habe von einem Schutschurer ein paar alte Bilder von der Ziegelei erhalten, aber ich weiß nicht, ob ich die hier einstellen darf.
Evtl. lasse ich sie Dir, Michael, über die PN zukommen.

Den Lebenlauf konnte ich leder nicht lesen, weil ich ihn nicht vergrößern konnte.

Zu Deinen Ausführungen zum Kriegsende: Das die Russen westliches Gebiet betreten haben sollen, höre ich zum ersten Mal.
Ich glaube hier ist einiges durcheinander gekommen. Fakt ist, das die US Amerikaner die Orte Drethem, Glienitz und Schutschur am 23. 04. 45 eingenommen haben. Neu Darchau wurde von den Briten besetzt. Genaues Datum kann ich bei Bedarf nachliefern. Die Grenze zwischen den Briten und Amis war genau in Neu Darchau. In Neu Darchau haben dann die Amis eine Ponton Brücke errichtet und sind weit nach Mecklenburg vorgedrungen.Und zunächst haben dann auch die Briten das Amt Neuhaus in Besitz genommen.
Die Drethemer Bauern haben noch im Juni 45 ihr Heu auf dem im sog. Drethemer Werder gelegenen Wiesen ernten können. Da waren die Russen wohl noch nicht da.
Man war sich wohl noch nicht so ganz einig ob das Amt Neuhaus nun britische oder russische Besatzungszone werden solle...
Zu dem Benehmen der Briten: Es werden im allgemeinem den Eroberen ( Briten und Amis) Plünderungen, Zerstörungen usw. zugeordenet. Tatsache ist, das die Bevölkerung sofort nach eintreffen der Amis Zwangsevakuiert wurde. Die Demarkationlinie für die Elbdörfer war die Eisenbahnlinie Lüneburg- Dannenberg, also Leitstade.
Die meisten Elbanwohner sind nach Nieperfitz geflüchtet.Nach dem Bericht eines Zeitzeugen durften die Flüchtlinge erst am 12/13. Mai in ihre Wohnungen zurückkehren. Anders ausgedrückt : es gab keine Zeitzeugen, das die Verwüstungen wirklich von den " Befreiern" stammten. Andererseits ließ man den jetzt befreiten Zwangsarbeitern, Kriegsgefangenen, usw. freien Lauf und ist nicht eingeschritten...
Im "kollektiven Gedächtnis" waren diese Untaten jedoch immer die Amis/ Briten.

Zu der Frage, warum die Schutschurer Ziegelei Glienitzer Thonwerke hieß, habe ich noch keine schlüssige Antwort bekommen.
Das Gelände der Ziegelei liegt laut Katasteramt eindeutig auf Schutschurer Gebiet (Schulzenland), warum dann der Name Glienitz ?
Ein Teil der Tongruben liegt in der Gemarkung Glienitz. Das geht ja auch alles (fast)nahtlos ineinander über. Aber ob das der Grund ist ?

LG Bert von der Elbe

PS Michael: Deine Großeltern könnten während der Evakuierung in Lüben ( LK Lüneburg bei Pomoissel) gewesen sein. Der Vater meiner Patentante war Kraftfahrer in der Ziegelei und ist mit einem Lkw mit seiner Familie geflüchtet, evtl war Deine Familie mit dabei ?
Die Sache mit dem Lkw halte ich für etwas seltsam, wenn er nicht einen direkten Befehl hatte.

Benutzeravatar
Djensi
Forenuser
Beiträge: 2099
Registriert: 28.08.2003 22:25
Ort/Region: Hamburg

Beitrag von Djensi » 04.12.2013 21:53

Hallo Bert,

herzlich willkommen! Soweit die Fotos keine Copyrights haben, kannst Du diese hier einstellen.
Der Antwortbutton ist unter den Threads im linken Bereich.
Wenn Du die Fotos und den Lebenslauf herunterladen oder größer sehen willst, musst Du auf das Feld Druckversion neben dem Antwortbutton klicken, als Mozilla-Nutzer kenne ich das Problem.
Wenn Du noch weitere Unterstützung brauchst, melde Dich, gerne auch per PN (Private Nachricht).

Achja, zur Ziegelei, weiter vorn habe ich irgendwo geschrieben, von wem der Betrieb durch die Stadt Altona gekauft wurde, das war jemand aus Schutschur. Das mit der Namensgebung ist wirklich eigentümlich, weil auch immer Bezug auf Schutschur und nicht auf Glienitz genommen wird.

Viele Grüße
Djensi

Benutzeravatar
mschmitz
Forenuser
Beiträge: 9
Registriert: 24.11.2013 00:17
Ort/Region: Lyme Regis / Dorset / UK

Kriegsende

Beitrag von mschmitz » 05.12.2013 05:46

Hallo Bert,

und herzlichen Dank für Deine Reaktion.

Hieß der Vater Deiner Patentante, der in der Ziegelei als Fahrer gearbeitet hat, mit Vornamen Ernst und sprach seine Frau fast ausschließlich Platt? Ich erinnere mich an Geschichten von meinen Eltern (nicht Großeltern) über einen Fahrer namens Ernst, mit dem mein Vater im LKW zum »Organisieren« über die Dörfer gefahren ist. Gut möglich, dass er ihm einen LKW gegeben und ihn fortgeschickt hat, um sich und seine Familie in Sicherheit zu bringen, als die alliierten Truppen anrückten. Zumindest wäre dies typisch für meinen Vater. Unsinnige Befehle, Vorschriften und Gesetze hat er immer großzügig ignoriert. Deswegen hat er sich ja auch der Sprengung der Ziegelei und des Schiffes widersetzt.
Nebenbei, die Russen haben tatsächlich Gebiete westlich der Elbe vor den Briten oder Amis erreicht, bevor sie sich wieder zurückzogen und das Gebiet den Anderen überließen. Umgekehrt galt das Gleiche.
Soweit ich weiß, hat sich mein Vater der Zwangsevakuierung widersetzt und ist in der Ziegelei geblieben. Nach seinen Erzählungen kam dann als Erstes die russische Armee und die Kriegsgefangenen haben sich schützend vor ihn und die Ziegelei gestellt. So wie ich meine Eltern kenne, halte ich das für plausibel und kann nur mutmaßen, dass die Gefangenen meinen Vater schützten, weil sie wiederum von meinen Eltern während des Krieges eher als Mitarbeiter behandelt und versorgt wurden, denn als Kriegsgefangene. Ich glaube, deswegen hat er das alles unbeschadet überstanden. Anschließend haben die Briten das Verwaltungs- und Wohngebäude für eine Zeit besetzt und als Hauptquartier genutzt. Die (meiner Erinnerung nach die Briten) haben ihn als Betriebsleiter zunächst für einen Nazi gehalten und eingesperrt, bis meine Mutter belegen konnte, dass er von den Nazis zeitweilig verfolgt wurde. Anders ließe es sich kaum erklären, dass er anschließend als Bürgermeister eingesetzt wurde. Freunde von uns hatten damals in einem der nördlichen Nachbardörfer (in welchem erinnere ich nicht mehr) zumindest noch bis in die siebziger Jahre eine Tankstelle und Autoreparatur und hätten seinen Geschichten bei den gegenseitigen Besuchen sicher widersprochen, wären sie nicht korrekt gewesen.
Natürlich sind Geschichten aus der Erinnerung immer in gewissem Maße ungenau. Besonders, wenn sie aus dritter Hand stammen. Daher gehen eventuelle Fehler voll und ganz zu meinen Lasten und ich bitte, sie mir großzügig nachzusehen.

Herzliche Grüße von der Insel,

Michael

P.S.: Über Deine Bilder würde ich mich sehr freuen und kann Dir meine in besserer Auflösung auch gerne per Mail schicken.

bfg
Forenuser
Beiträge: 5
Registriert: 04.12.2013 10:13
Ort/Region: Neu Darchau

Beitrag von bfg » 05.12.2013 21:23

Hallo Michael !

An den Vornamen meines Nachbarn kann ich mich leider nicht erinnern, weil er nicht mehr lebte, als ich geboren wurde. Nachname ist: Bonatz aus Glienitz.
Da kann ich aber meine Patentante fragen, die aber leider fortgezogen ist.
An Frau Elly Bonatz kann ich mich gut erinnern, die wurde von mir nur Tante Elly genannt, obwohl sie nur meine Nachbarin war.

Und das die Leute hier "platt schnacken" war normal.Ich kann mich nicht erinnern, das meine Großeltern hochdeutsch miteinander gesprochen haben. Heute ist das eine Ausnahme und nur noch die älteren über 70 Jahre machen das.

Zu dem Tankstellenbesitzer :

Ich tippe auf Heinz Schulz aus Neu Darchau. Der ist Schmiedemeister und hatte am Ortsausgang von Neu Darchau Richtung Katemin eine ARAL Tankstelle.
Seine Frau ist eine geborene Sander aus Drethem. Beide leben übrigens noch.

Ich kenne auch noch Hernn Walter Schrader und seine Frau, die lange Zeit in einem der Wohnhäuser der Ziegelei gewohnt haben. Herr Schrader war der " Aufpasser" in der Zeit als die Ziegelei stillgelegt war, und wir Kinder uns das Werk als Abenteuerspielplatz auserkoren hatten.

Die Geschichte mit der Kommandatur im Verwaltungsgebäude der Ziegelei hat mir mein Vater ( Jahrgang 1929) auch erzählt.
Er und seine Freunde hatten den Briten einen gefährlichen Streich gespielt: In der Dunkelheit in einer Kurve einen Leiterwagen auf die Straße geschoben...
Darauf mussten alle zum Commander in der Ziegelei antreten und hatten Angst vor einer schweren Bestrafung. Außer einem großem Donnerwetter ist aber nichts passiert...

Für meine Recherchen wäre auch wichtig zu erfahren wie die Einheit hieß die dort stationiert war.

In der "Villa Loelf" in Drethem war ebenfalls eine Kommandatur untergebracht.

Noch eine Frage an Dich : für welche Orte war Dein Vater der Bürgermeister ?

Nur für Schutschur oder für alle Elbdörfer von Drethem bis Neu Darchau ( Katemin gehörte bis 1972 zum Landkreis Lüneburg)

LG Bert von der Elbe

Benutzeravatar
mschmitz
Forenuser
Beiträge: 9
Registriert: 24.11.2013 00:17
Ort/Region: Lyme Regis / Dorset / UK

Kriegsgeschichten

Beitrag von mschmitz » 06.12.2013 11:09

Hallo Bert,

ich meine, mich an den Namen Elly Bonatz ganz dunkel zu erinnern, kann mich da aber auch täuschen doch er kommt mir bekannt vor. Vielleicht hat meine Mutter ihn einige Male in ihren Geschichten erwähnt. Bei dem Namen Bonatz, meine ich auch, mich an einen Willi Bonatz zu erinnern. Aber wie gesagt, ich kann mich da auch täuschen. Mit Bestimmtheit kann ich nur sagen, dass ein Fahrer Ernst hieß. Und bei der Tankstelle wird es sich dann sicherlich um die von Dir erwähnte in Neu Durchhau handeln. Wenn Du die Leute noch kennst, kannst Du da bestimmt noch mehr in Erfahrung bringen. Daher kann ich auch leider nichts dazu sagen, wie die Einheit hieß, die dort stationiert war oder von welchen Dörfern mein Vater damals Bürgermeister war. In seinem Lebenslauf steht nur: "von amerikanischen Besatzungstruppen zum Bürgermeister über 3 Dörfer und später vom Landrat Dannenberg weitere 2 Dörfer erhalten." Und ich habe als Kind nicht weiter nachgefragt. Für mich waren seine anderen Geschichten immer viel spannender. Daher bitte ich, mir die Lücken in den Details nachzusehen.

Herzliche Grüße,

Michael

P.S.: Lebt Dein Vater noch? Eventuell hat er damals dann auch meinen kennen gelernt.

Antworten