Störsender gegen Rotterdamgerät/H2S

Funkmess-, Funkpeil-, Funkleit- und Funkstörtechnik des 2. Weltkriegs
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g.aders
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Störsender gegen Rotterdamgerät/H2S

Beitrag von g.aders » 05.01.2022 15:41

Guten Tag,
welche Störsender gegen die o.a. genannten Geräte gab es gegen Kriegsende?

Danke für Eure Infos
beste Grüße
G. Aders

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EricZ
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Re: Störsender gegen Rotterdamgerät/H2S

Beitrag von EricZ » 05.01.2022 17:39

Frohes neues MMXXII Herr Aders!

Kennen Sie bereits die Quelle?
https://www.cdvandt.org/AGR%20Chapter%205.pdf

Gruß, E. Zeppenfeld
And I'm hovering like a fly, waiting for the windshield on the freeway...

g.aders
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Re: Störsender gegen Rotterdamgerät/H2S

Beitrag von g.aders » 05.01.2022 18:41

Lieber Herr Zeppenfeld,
danke für die guten Wünsche und die Auskunft – diese Quelle kannte ich nich nicht, aber sie hilft mir nicht weiter, weil sie den Stand von 1943 zeigt.
Es geht mir um Folgendes
Am 7./8. Februar 45 flog die 8. Bomber Group des BC einen Angriff auf den Kanal bei Ladbergen – 177 Lancaster, 11 Mosquitos als Zielmarkierer.
Der Angriff war totaler Fehlschlag. Die Mossies fanden das Ziel nicht, das unter dichter Wolkendecke lag. Dabei waren die Besatzungen der No 5 Group alles andere als Anfänger.
Keine einzige Bombe – alle mit LZZ – traf den Kanal, aber im Radiuas von 10 km wurden viele Dörfer zerstört.
Ich vermute als Ursache den Totalausfall der H2S Geräte durch Störsender.
Das Operation Sheet der 5. Group ist dürftig nennt als Grund für den Misserfolg nur die unerwartet starke Abwehr.

Mit besten Grüßen

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niemandsland
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Re: Störsender gegen Rotterdamgerät/H2S

Beitrag von niemandsland » 06.01.2022 08:22

Hallo Herr Aders,

ich habe für Sie zusammengestellt, was ich zu diesem Angriff am 07.02.1945 in meinen Unterlagen finden konnte.
Die Seiten wurden von mir bearbeitet, da ich jemand ein Versprechen gegeben habe, das ich höchstens zu einzelnen
Angriffen Informationen veröffentliche.

Enthalten sind Night Sheet vom 07.02.1945, 5. Bomb Group (07.02.1945 in Auszügen bezogen auf den Angriff), sowie einzelne Squadronsberichte soweit sie mir vorliegen. Die entsprechenden Signaturen reiche ich Ihnen gerne bei Bedarf nach.

Soweit die britische Seite.

Störsender: deutsche Seite

Herr Aders die folgende Information bitte ich unter der Vorraussetzung zur Kenntnis zu nehmen, das ich bisher noch relativ neu in der Geschichte der Radar-Technik (Funkmess/RDF/usw.) unterwegs bin.

Was jedoch aus dem Trenkle-Buch "Die Deutschen Funkstörverfahren bis 1945" zu entnehmen ist, das gegen das 3 cm Radar der briten nur zwei Systeme der deutschen gewirkt haben: Feuerechse, Roderich und Roland I + II (Tabelle auf S. 110).

Im Buch finden sich dann noch Beschreibungen (hier aus dem Zusammenhang gerissen) der folgenden Geräte:
- Postklystron -> Feuerball
- Roderich
- Roland I + II

Zu Postklystron ( „Postklystron“ war eine andere Bezeichnung für „Feuerball“ ! )
Der Sender „FeuerbaIl = RPF-Sender“ war (...) bei der RPF (Pfaffe) entwickelt und verwendete ein wassergekühltes und von Hand im Bereich 3,2-3,5 GHz abstimmbares Klystron LZG 10, wobei der Sender nebst Kühlaggregat in einem kleinen DKW-Fahrzeug untergebracht war. Als Antennen wurden Trichterantennen mit 70° Diagrammbreite und auch Parabolsplegel verwendet.
Bei der Erprobung in Werneuchen und bei der Marine in Pelzerhaken wurden gute Ergebnisse (Störreichweiten zwischen 20 und 40 km) mit der hier angewendeten Rauschmodulation (3 bzw. 10 MHz) bei etwa 60-100 W Dauerstrichleistung erzielt.

Die gleichen technischen Angaben finden sich in den Angaben von Dr. Scholz [101], wobei der Deckname „Postklystron“ genannt wird, der Entwickler der Klystronröhre sei Dr. Groos gewesen. Das „Postklystron“ wurde nach seinen Angaben im März 1945 bei den Leuna-Werken eingesetzt, wobei für Bandstörung mehrere frequenzmäßig versetzte Sender mit Antennen geringer Bündelung Störreichweiten bis zu 30 km erzielten. Für Punktstörung wurde die Hornantenne eines „Korfu“-Empfängers mit der Hornantenne (mit 6° Diagrammbreite) des „Postklystrons“ zusammengebaut. (...) In diesem Falle sei die Anzeige des „Rotterdam“-Geräts bis zu 40 km Entfernung total, bei größeren Entfernungen wenigstens in dem Sektor, in dem der Störsender stand, unbrauchbar gewesen.
Der Störsender „Feuerechse“ der Fa. Lorenz sollte mit 2 kW Leistung im 3 cm-Bereich (um 10 GHz) arbeiten und war bei Kriegsende noch im Anfang der Entwicklung. Als Senderöhre war ein Magnetron LMS 32 vorgesehen.
( Zitate von S. 94+95 / Trenkle )


Zu Roderich, Roland I + II
Ein besonderes Sorgenkind war der bei Siemens (Dr. Schutes) in Entwicklung befindliche Störsender „Roderich“. Er war in einer Schneliaktion nach Erbeutung des „Rotterdam“-Gerätes mit einem deutschen Magnetron (RD 2 Me) entwickelt worden, das direkt im Brennpunkt eines 3 m-Parabolspiegels angebracht und im Bereich 2,86-3,16 GHz abstimmbar war. Der Sender war aber mit 4W lmpulsleistung wesentlich zu schwach und kam deshalb vermutlich nie zum Einsatz. Bei der Marine wurde er jedoch in den Listen als „FuMS 11“geführt, d. h. es müssen mindestens Muster geliefert worden sein. Es soll später auch eine Variante für den 3 cm-Bereich (8,6-11,0 GHz) gegeben haben [101,112a]
Der ebenfalls bei Siemens (Dr. Wehrmann) entwickelte Störsender„Roland I“(3,06-3,41 GHz) verwendete zuerst ein Magnetron LMS 10, später eine Scheibentriode LD 72 (oder LD 75?) und eine Hornantenne mit 30° Diagrammbreite. Seine Leistung lag im Dauerstrichbetrieb (mit 100 kHz-Modulation) bei 25-40 W, bei lmpulsmodulation (2-10 kHz) bei 300 W. Seine Reichweite (für volle Panoramabildstörung) betrug ca. 30 km. Er soll im Februar 1945 bei den Leuna-Werken eingesetzt, im März jedoch gegen „Postklystron“-Sender ausgetauscht worden sein [101]. Fertig entwickelt war bei Kriegsende eine Version „Roland 2“ im 3 cm-Bereich (9,4-10,0 GHz) mit ca. 30 W Leistung (?) und Hornantenne mit 20° Diagrammbreite.
( 2 Zitate von S. 98/99 des oben genannten Buches)

Vielleicht hilft Ihnen das etwas weiter. Ob und welche Störverfahren im Anfang Februar 1945 tatsächlich verfügbar waren und möglicherweise im Raum Dortmund eingesetzt wurden, geht aus den mir vorligenden Dokumente bzw. aus dem Buch von Fritz Trenkle aus dem Jahr 1981 für mich nicht hervor.

In den Squadronsberichten berichten einzelne Besatzungen das nach GEE und nach roten und grünen T.I. die Bomben abgeworfen wurden. Die Wolkendecke war dicht... möglicherweise sind die Besatzungen auf SCHEIN-TIs hereingefallen. Dann sind vielleicht keine Störsender sondern evtl. Scheinsignalraketen im Einsatz gewesen, die eben ein Ziel "vorgegeben" haben, was jedoch nicht wirklich das Ziel war. Ich möchte diese Option mit in den Raum Stellen.

Viel Erfolg!

Gruß aus Hannover,
Guido Janthor
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Re: Störsender gegen Rotterdamgerät/H2S

Beitrag von g.aders » 06.01.2022 16:37

Lieber Herr Janthos,
welch ein Fund! Ganz, ganz herzlichen Dank!
Das bringt mich ein ganze Stück weiter!
Ich melde mich noch mal.
BesteGrüße und Wünsche
Ihr
Gebhard Aders

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Re: Störsender gegen Rotterdamgerät/H2S

Beitrag von g.aders » 08.01.2022 12:27

Lieber Herr Janthor,
noch einen Nachtrag:
Die übermittelten Einsatzberichte zeigen, daß auch ein Eliteverband wie die 5. Bomber Group mit langer Erfahrung mit Zielmarkierungsverfahren und mit der damals neuesten Elektronik es nicht immer schaffte, ein kleines Ziel zu zerstören, wenn es von einer dichten Wolkendecke bedeckt war und das Ziel in einer flachen Landschaft mit wenigen deutlichen Erhebungen lag.
Geplant war ein typischer 5. Group-Angriff: Nach dem Ablaufpunkt Auffächern des Verbandes, danach Überfliegen des Zieles aus verschiedenen Richtungen. Das Ziel war durch Pfadfinder mit GEE-Gerät zu finden, die Zielmarkierer abwerfen sollten, die oberhalb der Wolkendecke zündeten, und rote und grüne Bodenmarkierer.
Das Verfahren war x-mal erfolgreich eingesetzt worden, nur diesmal ging alles schief: GEE-Geräte fielen aus, mit H2S war der Zielpunkt, nämlich die Überführung des DEL über das Flüsschen Glane, nicht auszumachen, durch Rückenwind kamen die Bomber vom Ablaufpunkt am Zielgebiet an, bevor die Markierungen richtig gesetzt waren, manche Besatzungen mussten mehr als einen Ansatz fliegen.
Die Markierung klappte überhaupt nicht, die Luftmarkierungen verschwanden inden Wolken, Bodenmarkierungen waren nur undeutlich auszumachen. Und da alle Bomben Zeitzünder hatten waren auch keine Bodendetonationen zu sehen.
Ergebnis: In einem Radius von über 10 km fielen Bomben auf kleine und kleinste Ortschaften, was bis heute dazu führt, dass Heimatforscher dafür mitunter haarsträubende Erklärungen suchen, z. B, dass vor einem Bauerhaus ein ausgebombter Apotheker große Glasballons und Fässer gelagert hatte, die den Engländern als wichtiges Ziel vorgekommen wären.
Beste Grüße
Ihr
Aders

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Re: Störsender gegen Rotterdamgerät/H2S

Beitrag von niemandsland » 08.01.2022 22:37

Hallo Herr Aders,

wenn wir zum "GEE" (Hyperbel) Verfahren kommen und deren Störverfahren, dann möchte ich wieder ein paar Zitate aus dem Buch von Herrn Trenkle zitieren:
Erste Störversuche machte der Ausbreitungsfachmann Dr. Möge//RLM im August 1942, weitere das RPZ mit im Frequenzbereich veränderten UKW-Ansteuerungssendern (500 W) mit 200 kHz-Modulation. lm November wurden bereits die ersten Störsender „Heinrich I/ll“ verfügbar, die dann entsprechend verteilt wurden. An den Küsten wurden von Brest bis Nonıvegen etwa alle 100 km Empfangsstationen mit 2 „Heinrich“-Sendern eingerichtet, die gegen Ende 1942 / Anfang 1943 voll in Betrieb gingen. Bis Kriegsende waren über 270 Störsender im Einsatz, um die jeweils benutzten Frequenzen abzudecken. Die Kontrolle der Wirksamkeit der Störung wurde mit erbeuteten Originalgeräten am Boden und in Flugzeugen überwacht.
Die Engländer antworteten darauf mit der Einführung neuer Geräte R 1355 mit auswechselbaren HF-Teilen, wobei erst kurz vor dem Ziel auf eine neue Frequenz umgeschaltet wurde, deren lmpulsfolge mit der zum Angriff benutzten und deutscherseits gestörten Frequenz synchronisiert war.
Zitat von Seite: 121 - Die dt. Funkstörverfahren bis 1945, 1981, Fritz Trenkle
lm August 1944 wurde auf dem Aussichtsturm auf dem Feldberg (Taunus) ein großes „Stördorf“ eingerichtet. Neben normalen „Heinrich“-Sendern kamen die neuen impulsgetasteten Störsender „Feuerhilfe“ (30 kW), „Feuerstein“ (120 kW) und „Feuerzange“ (1000 kW) zur Anwendung. Diese konnten sowohl die lmpulse der Muttersender, als auch diejenigen der Tochtersender mit leicht veränderter Tastfrequenz bzw. Phasenlage nachahmen. ln der Nähe der Störgeräte waren die Bordempfänger total gestört (außer Synchronisation), in größerem Abstand waren mehrere Signale zu sehen, die langsam gegeneinander wanderten, so daß echte und falsche Signale nicht unterscheidbar waren. Das setzte natürlich eine laufende Beobachtung der echten „GEE“-Sender voraus, um allen Veränderungen in lmpulsfolge und Modulation folgen zu können. Die ersten Störsender gingen dort im November 1944 in Betrieb, im Januar1945 war die Station voll ausgebaut; am 2. März 1945 vernichteten Jabos mittags um 12.30 Uhr die Anlagen zu 90%, die ja durch die Konzentration auf einen einzigen weithin sichtbaren Punkt ein gutes Ziel boten.
Zitat von Seite 122 - Quelle wie zuvor.

Soweit die Zitate aus dem Buch. Meiner Meinung nach könnte gerade die Beschriebene Anlage auf dem Feldberg die ab Januar 1945 voll ausgebaut war, für den Misserfolg der 5. BG der RAF verantwortlich sein. Ich habe leider noch nicht alle Berichte der 5. BG vorliegen, so das ich nicht alle Bomber erfasst habe. Aber bei Bedarf kann ich die in den nächsten Tagen/Wochen ggfs. nachreichen.

Ich finde inzwischen die unterschiedlichen Verfahren / Störverfahren die mehr oder weniger immer im Wechsel entwickelt wurden, mehr als interessant. Gerade die Störverfahren auch von den Briten und Amerikanern sind es echt wert, sich mit dem Thema mehr zu befassen. Aber es ist einfach so viel Material das man sich für ein, zwei Schwerpunkte entscheiden muss, sonst verzettelt man sich. Und das ist auch der Grund, das ich mit der RDF/Funkmess-Thematik nicht wirklich voran komme.

Wenn ich noch mehr passendes zum Thema finde, denke ich auf jeden Fall an Sie.
Ergebnis: In einem Radius von über 10 km fielen Bomben auf kleine und kleinste Ortschaften, was bis heute dazu führt, dass Heimatforscher dafür mitunter haarsträubende Erklärungen suchen, z. B, dass vor einem Bauerhaus ein ausgebombter Apotheker große Glasballons und Fässer gelagert hatte, die den Engländern als wichtiges Ziel vorgekommen wären.
Outsch! Sowas ist doof. ;-) So schöne Geschichten kenne ich hier aus meiner Ecke auch. Und wie die sich über die Zeit halten. Da kann man noch so viele Gegen-Argumente haben und mit entsprechenden Dokumenten in den Händen wedeln. Was einmal verbreitet wurde, krallt sich in der lokalen Geschichtsschreibung fest. ;-)

Gruß aus Hannover,
Guido Janthor
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Re: Störsender gegen Rotterdamgerät/H2S

Beitrag von g.aders » 09.01.2022 11:26

Lieber Herr Janthor,

vielen Dank für die Zusatzinfos.
Ich hatte mal Aktenkopien aus dem britiischen Nationalarchiv, in denen es um das "Nichtfinden" einer Benzolöfabrik im Ruhrgebiet ging, da das GEE-System gestört wurde.
Da wurde beim Bomber Command ernsthaft darüber diskutiert, ob es dieses Ziel überhaupt gebe und nicht ein von den Deutschen erfundenes Fake sei.

Grüße aus dem Münsterland
Ihr
Aders

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