Invalidensiedlung Berlin-Frohnau

Nichtmilitärische Zweck- und Repräsentationsbauten und -Projekte des Nationalsozialismus 1933-1945
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erlenmeier
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Invalidensiedlung Berlin-Frohnau

Beitrag von erlenmeier » 25.09.2016 12:26

In Berlin-Frohnau befindet sich am Stadtrand, südlich von Hohen-Neuendorf, die sog. Invalidensiedlung. Zufahrt über Oranienburger Chaussee, dann Staehle-Weg.

Die 49 Häuser mit dunkelroten Klinkerfassaden und schw. Ziegeldächern umfassen insgesamt 180 Wohnungen unterschiedlicher Größe. In den zweigeschossigen Häusern gibt es pro Etage 2-3 Wohnungen mit je 2 bis 5 Zimmern. Es können zusätzliche Mansardenräume im Dachgeschoss dazu gemietet werden. Da es sich um eine gemeinnützige Trägerschaft handelt, sind die Mieten niedrig.

Das Ganze ist auf einem großen Parkgelände großzügig angeordnet und steht unter Denkmalschutz. So entspricht auch der derzeitige optische Zustand dem ursprünglichen. Zu dem Komplex gehören Gemeinschaftshaus, Kindertagesstätte, Sporthalle sowie das Restaurant Hubertusklause.

Eigentümer ist die Stiftung Invalidenhaus Berlin, Anstalt öffentlichen Rechts mit Aufsicht durch die Verwaltung des Landes Berlins.
http://www.invalidensiedlung-berlin.de/
Laut Satzung sollen in erster Kriegsversehrte untergebracht werden.Deren Zahl hat in den letzten Jahren stetig abgenommen. Derzeit wohnen dort in erster Linie Schwerbehinderte gemäß den Vorgaben des SGB (Sozial-Gesetzbuch).

Nun die Vorgeschichte dieses Lostplace im wahrsten Sinne des Wortes.

- Schon in früher preußischer Zeit 1748 zur Unterbringung kriegsversehrter Soldaten am
damaligen Berliner West-Stadtrand errichtet.

- Gegen Ende des 19. Jhdts. wohnten dort zunehmend komplette Familien mit invaliden Vätern.

- Ca. 1900 wurde in Nachbarschaft die Militärärztliche Akademie gegründet.

- 1937 wurde das I.-haus dem Reichskriegsministerium zugeordnet, Kommandant der Anlage
wurde Oberst Wilhelm Staehle, als Unterstützer der Widerstandsgruppe am 23.04.1945 von
Mitgliedern der SS hingerichtet, (nach ihm die heutige Zufahrtsstraße benannt).

- Im gleichen Jahr plante man dort die Erweiterung der Militärärztliche Akademie.

- Um dafür Baugelände zu schaffen, wurde der Abriss des I.-hauses beschlossen und der Bau
einer Ersatzsiedlung in Berlin-Frohnau in Angriff genommen.

- Obwohl vom RK-Min. und damit NS-ausgerichtet betrieben, finden sich keine typischen
Stilmittel der üblichen öffentlichen Bauten aus der Zeit. Vielmehr befindet sich über
jedem Hauseingang ein Relief mit Motiven der preuß. Friedrich dem Großen-Zeit, die in
der NS-Zeit verherrlicht und idealisiert wurde (siehe Ufa-Kinofilme).

- Nach 1945 war die Siedlung an drei Seiten von Stacheldraht-Zaun und später Berliner
Mauer vom benachbarten Gebiet der DDR abgeriegelt.

- Seit 1990 führt der Mauerweg (https://www.berlin.de/mauer/mauerweg/) als
Fahrradweg auf dem ehemaligen Grenzstreifen durch die Siedlung hindurch.
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erlenmeier
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Invalidensiedlung Berlin-Frohnau Teil 2

Beitrag von erlenmeier » 25.09.2016 17:24

Wer arbeitet, macht auch mal Fehler.
Wer gar nicht arbeitet.......

Korrektur zum obigen Post: Das heutige Restaurant Landhaus Hubertus ist das ehemalige Gemeinschaftshaus, von 1938 bis 1945 mit der Funktion in Betrieb.

Das Gemeinschaftshaus war mit einer für damalige Verhältnisse modernen und leistungsfähigen Kinoanlage ausgestattet. 2 Film-Projektoren standen zur Verfügung.
Die Bestuhlung war nicht am Boden befestigt. Die Stühle konnten für Feiern weggeräumt und anders aufgestellt werden. Das hatte auch einen weiteren Hintergrund: Weil die damaligen Kranken-Fahrstühle groß, schwer und wenig gelenkig waren, konnte man auf diese Art Weg und Stehplatz für die Beschädigten schaffen.
Zu den Feiern gehörten Geburtstage des Führers und Friedrich II. Weitere Gemeinschaftsveranstaltungen waren Filmabende, Musikdarbietungen und gemütliche Nachmittage, aber auch regelmäßige Gottesdienste.
Am Dienstag konnten übrigens Bewohner der geraden Hausnummern kostenlos Kinofilme sehen, donnerstags waren die ungeraden Nummern dran.

Im Aug.1945 wurde das Gebäude an einen Kinobetreiber verpachtet. 200 Sitzplätze standen nun auch den Bewohnern von Hohen-Neuendorf zur Verfügung. Trotz zunehmender Grenzbefestigung durch Stacheldraht und Zäune gelang es den Nachbarn immer wieder sich die Filme anzusehen, die in der damaligen SBZ offiziell nicht angeboten wurden. Nach dem Mauerbau 1961 war dann damit endgültig Schluss.
1963 schloss dann der Betreiber das Kino. Die Zuschauerzahl war durch die Grenzabriegelung so stark zurück gegangen, dass sich der Betrieb nicht mehr lohnte. Siehe dazu den Aufsatz von Wolfram Sternberg in http://www.allekinos.com/BERLINStadtrand.htm, der auch als Quelle des vorher Beschriebenen diente.

Ergänzung zu der Architektur der Gebäude: Die Reliefs über den Eingangsportalen stellen Szenen aus den Orten dar, an denen die preußische Armee zu Friedrichs Zeit Erfolge verbuchte. Dazu einige interessante Bilder im Blog http://www.berlinansichten.de/2006/20050907222427.html.
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