Bunker Offenbach, Brunnenweg 73

Luftschutzbunker, zivile Bunkeranlagen und Schutzbauwerke des 2. Weltkriegs
silverstar16
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Bunker Offenbach, Brunnenweg 73

Beitrag von silverstar16 » 13.03.2016 19:46

Im Ortsteil Tempelsee von Offenbach am Main steht im Brunnenweg 73 ein Bunker, der unter Denkmalschutz steht. Erbaut 1941, wurde er kurz nach dem Krieg durch Hineinsprengen von zwei Fenstern zunächst demilitarisiert. Er diente über mehrere Jahre der nahe gelegenen Kirchengemeinde als Gebetsraum.
Während der Kubakrise wurden die Fenster wieder verschlossen. In der Datenbank ist der Bunker nicht aufgenommen, daher hier im folgenden einige weitere Informationen.

Lage:
Offenbach gehörte zu den Städten, die im 1. Bauprogramm 1940/41 aufgenommen wurden, vor allem wegen der zahlreichen Industrieanlagen. Insgesamt sind 16 Bunker entstanden, was relativ viel ist und der Unterstützung des damaligen Oberbürgermeisters zu verdanken ist. Tempelsee ist ein Vorort mit eher ländlichen Charakter, trotzdem finden sich hier gleich zwei Bunker (beide im Brunnenweg). Ursprünglich lag der Bunker am Stadtrand, ein altes Bild zeigt dahinter Felder.

Bauform:
Der Bunker folgte technisch strikt den Anweisungen des Bauprogramms, d.h. 2 m dicke Außenwände, eine Decke von 1,40m, 2 Ausgänge usw. Allerdings ist er in der Form etwas ungewöhnlich, und erinnert eher an ein landwirtschaftliches Anwesen. Ein großer Kamin enthält eine Frischluftzufuhr, sowie einen schräg angelegten Kamin für die Heizungsanlage.

Zustand:
Der Bunker blieb lange in Staatsbesitz, nach mündlichen Auskünften wurde er dann veräußert und schließlich über eine Versteigerung von einem privaten Eigentümer erworben. 2005 finden sich die ersten Hinweise auf einen privaten Eigentümer, der wie einige weitere Inhaber versuchte, den Bunker einer Nutzung zuzuführen. Für SM-Studio, Übungsraum, psychologische Praxis lassen sich auch noch heute bauliche Hinweise finden.
Diese verschiedenen Nutzungen führten dazu, dass eine ganze Reihe von Räumen entkernt sowie einige Wände eingerissen wurden. Andere Teile der Anlage blieben dagegen im Originalzustand, so die Frauen-Aborte, der Heizungsraum und der Lüftungsraum.


Perspektive:
Es liegt eine Baugenehmigung zur Umwandlung in Wohnungen vor, die Arbeiten haben bereits begonnen. Daher soll an dieser Stelle auch der Originalzustand dokumentiert werden, da schon jetzt Teile der Fassade ausgesägt worden sind.

Neben den angefügten Bildern gibt es noch einen 3D-Rundgang (Zustand 2015) http://www.immocity24.de/Bunker.


Außerdem ein Video auf Youtube https://www.youtube.com/watch?v=5Od_WtsI4D4, was sowohl den Originalzustand wie auch die Arbeiten beim Sägen zeigen.
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Beitrag von MikeG » 13.03.2016 22:32

Moin!

Interessant! An Hand der Einbauten würde ich dazu tendieren, hier zumindest eine zeitweise Nutzung im Zivilschutzprogramm des Bundes anzunehmen. Hilfreich zur Einordung wäre vor allem ein Foto der L+ftungsanlage selbst, erst recht aber natürlich eine belastbare Aussage der zuständigen Behörde. Gibt es mindestens eins von beiden?

Mike

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Zivilschutzprogramm

Beitrag von silverstar16 » 13.03.2016 22:54

Also die Lüftungsanlage ist ja abgebildet, Typschild 1941. Anbei nochmal mit einem Fischauge kpl.

Auch von den restlichen Einbauten ist eigentlich nichts "neuer", sieht alles Stand 1941 aus.
Nur eben die zubetonierten Fenster nicht.

die gesprengten Fenster finden sich im Stadtarchiv wieder, Amis wollten das Ding sogar ganz platt machen weil nicht richtig demilitarisiert.

Die Nachbarin wohnt seit 30 Jahren dort und hat den Bunker mit Fenstern noch erlebt. Die hat das auch mit der Kuba-Krise erzählt, in der Bauakte findet sich nichts wieder. War warscheinlich "geheim". Aber mehr als Fenster zugemacht haben die wohl nicht....
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Beitrag von Shadow » 13.03.2016 23:44

Dann will ich mal konkretisieren, worauf Mike anspielt:

Du schreibst selber, dass während der Kubakrise die Fenster wieder verschlossen wurden. Das reicht sicher nicht aus, um das als Instandsetzung zu definieren. Bei der Lüftermaschine glaube ich auch gern noch an ein Baujahr 1941. Ebenso bei den grauen Ventilen in der Wand.
Was mich und Mike stutzig macht sind die floureszierenden Beschriftungen an den Wänden aber sicher vor allem die R10-Filter mit ihrer bunten Verrohrung. Die passen für mich nicht so ganz in das 1941-Bild.
Das Typenschild dieser R10-Filter mit Herstellungsdatum wäre wirklich interessant, wenn sie nicht schon auf dem Schrott gelandet sind.

Thorsten.

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Beitrag von Cremer » 14.03.2016 01:38

Allerdings im Zuge der Kubakrise wurde auch in Bad Kreuznach der alte AOK 1 Bunker auf "Ertüchtigung" untersucht und ein Gutachten angefertigt.
MfG Euer Fernmelder
Erich Fellgiebel 1935:Nachrichtentruppen sind kostbare, schwer zu ersetzende Mittel der Führung.

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R10 Filter

Beitrag von silverstar16 » 14.03.2016 17:17

Ihr habt sicherlich schon wesentlich mehr Bunker gesehen als ich, aber trotzdem bleibe ich erst einmal bei der Vermutung, dass hier die Reaktivierung in der Kubakrise nur sehr oberflächlich erfolgt ist, und der Rest eher Altbestand ist.

- Fluoreszierende Wegweiser: also der Bunker ist auf jeden Fall wieder verschlossen worden, und ich habe unten noch ein Bild aus dem Treppenhaus angefügt. Dort ist auch ein Fenster hineingesprengt worden. Wären die Orientierungshinweise erst im Zuge der Reaktivierung angebracht worden, so hätte man doch zumindestens im Treppenhaus einmal über den Beton drüber gestrichen, und dort die Markierungen ähnlich wie im anderen Treppenhaus (dort hängt der Wassertank) angebracht. Hier ist es aber so, dass man einfach zu betoniert hat, und noch nicht einmal gestrichen hat. Die Markierungsstreifen, die unten beginnen, enden mit dem Beton. Quick and dirty.

- Lüftungsanlage: ich habe noch ein zweites Schild, ebenfalls 1941. Die gesamte Anlage steht im Moment auch noch Original am Platz. Sie war/ist an das hauseigene Lüftungssystem angeschlossen (sowohl Richtung Heizung, Frischluft, wie auch Zuluft in den Bunker). Die R10 haben kein Typ-Schild, ich habe noch einmal ein anderes Bild hochgeladen wo man die besser sieht. Für mich würde es aber wenig Sinn machen, wenn man ausgerechnet diese Filter an einer komplett alte Anlage drangehängt hätte
Ich bin ich auch am rätseln, warum die Anlage so bunt ist. Hier vermute ich aber eher einen Vorbesitzer, der sein Farbleben ausgelebt hat. Kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass eine Zivilschutzbehörde hier die Sache so bunt anmalen würde - die Weltkriegler waren es sicher nicht.

Die Lüftungsanlage ist im übrigen noch eingebaut im Moment, wir sind gerade dabei zu schauen, ob man die an irgend ein Museum abgeben kann. Die Wand dahinter wird bald auf gesägt, und für ein Wohnzimmer ist das Ding doch ein bisschen zu groß.
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Beitrag von klaushh (†) » 14.03.2016 18:19

Moin, moin!

Das Bauwerk wirft ja allerlei Fragen auf.
Auch mein erster Eindruck war der, dass das Bauwerk während des Kalten Krieges reaktiviert worden ist.
Tatsächlich wurden in den 50-er Jahren die ersten Bunker aus WK II im Rahmen einer "Ersten Aufnahmebereitschaft" vereinfacht reaktiviert. Dazu gehörten eine Reinigung, elektrische Beleuchtung und Drucktür. Ich weiß nicht, ob man bei dieser Gelegenheit auch alte Belüftungsanlagen instand gesetzt hat. Etwas fragwürdig erscheint mir auch die Vermauerung von eingesprengten Öffnungen. Gab es in Offenbach nicht genügend nicht entfestigte Bunker, die man besser hätte nutzen können?
Bei der Bemalung der Lüftungsrohre vermute ich auch eher, dass sich da jemand ausgetobt hat.

Unklar bleiben noch die beiden Filter: handelt es sich noch um Kapfstofffilter aus dem 2. Weltkrieg oder um R 10-Filter aus dem Kalten Krieg?
Beide hatten/haben keine Fabrikschilder, sondern Kenndaten waren an den Seiten aufgemalt. Möglicherweise wurden die Filter auch von dem "Rohrmaler" angemalt.

Alte und neue Filter sehen äußerlich sehr ähnlich aus.
Zur besseren Klärung: kannst Du bitte mal den Durchmesser und die Höhe des Filterkörpers nachmessen und hier kundtun?

Übrigens wurden Bunker der Ersten Aufnahmebereitschaft später nicht unbedingt weiter modernisiert (ertüchtigt) sondern praktisch als ZS-Anlage gestrichen (und das Jahrzehnte vor 2007), so dass sie nicht in der ZS-Anlagendatenbank enthalten sind.

Gruß
klaushh
Bei Interesse für Bunker und unterirdische Bauwerke in Hamburg mal http://www.hamburgerunterwelten.de besuchen!

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Bunker Brunnenweg offenbach

Beitrag von silverstar16 » 14.03.2016 18:47

Gab es in Offenbach nicht genügend nicht entfestigte Bunker, die man besser hätte nutzen können?
Zumindest die Weltkriegsbunker wurden nach dem Krieg alle komplett demilitarisiert. Ich habe im Stadtarchiv eine Liste von allen Bunkern gesehen, in der Regel waren es 5-15 Öffnungen. Nur dieser Bunker ist vergleichsweise geringfügig beeinträchtigt worden. Der andere Bunker im Brunnenweg hatte bestimmt 15 Fenster bekommen, der wurde als Schule genutzt und war in dem Zustand sicher nicht mehr für Schutzzwecke gebrauchbar. Also insofern blieb für diesen Vorort keine andere Wahl.

Wie bereits erwähnt findet sich im Stadtarchiv auch ein Bericht, wonach die Amerikaner den Bunker komplett sprengen wollten, weil er zu diesem Zeitpunkt wohl noch keine oder nicht genug Öffnungen hatte. Hat sich aber erledigt, denn sonst würde er nicht mehr stehen.

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Die "Erste Aufnahmebereitschaft" könnte hier passen. Die Gasschleusen sind ja noch heute erhalten, und mit dem betonieren der Fenster war es sicher besser als nichts. Übrigens wurde das untere Fenster auch mal als Metzgerladen genutzt - die Nachbarin hat dort selbst noch als Kind eingekauft.

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Ich messe die Filter mal aus, Beschriftung / Typschild ist nun wirklich nichts zu sehen gewesen.

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Filter Lüftungsanlage

Beitrag von silverstar16 » 15.03.2016 14:59

So, die Filter haben einen Durchmesser von 74 cm und 102 cm Höhe incl. Füße.
Beschriftungen/Typschilder nichts zu sehen

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klaushh (†)
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Beitrag von klaushh (†) » 19.03.2016 11:22

Moin, moin!

Nicht zuletzt auf Grund der Maßangaben vermute ich, dass es sich bei den beiden Filtern um Kampfstofffilter aus dem 2. Weltkrieg handelt.
Die "heutigen" R 10-Filter haben einen Durchmesser von 85 cm und eine Höhe von 110 cm (ohne Füße).
Leider habe ich keine Maßangaben für Filter aus dem 2. Weltkrieg vorliegen, ich habe sie aber deutlich niedriger in Erinnerung. Die letzten zehn Originalfilter in einem alten Bunker in Hamburg wurden sträflicherweise vor neun Monaten vom Bunkereigentümer entsorgt.

Kann mal jemand, der Zugang zu nachweislich alten Filtern Zugang hat, nachmessen?

Gruß
klaushh
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