BAMSt (Beobachtungs- und ABC- Meßstelle)

Zivile bzw. nicht-militärische Schutzbauwerke und Anlagen des Kalten Krieges
ntech
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BAMSt (Beobachtungs- und ABC- Meßstelle)

Beitrag von ntech » 03.02.2011 10:59

Hallo zusammen,

ich war unter meinem Nick schon lange begeisterter "Mitleser", bis der Nick einer Reinigungsaktion zum Opfer fiel, aber nun habe ich doch mal eine Frage zu einer "Entdeckung", die schon einige Jahre zurückliegt.

Was habe ich denn da gefunden? Bei einem Spaziergang fiel mir ein Deckel im Sand auf, der da absolut nichts verloren hatte. Nach Öffnung des ungesicherten Deckels tat sich ein etwa 3-3,5 Meter tiefer Schacht mit Sprossen auf. Unten war ein Durchgang in eine Kammer mit Röhrenquerschnitt, etwa 2 Meter breit und 3 Meter lang. Möbliert war das ganze mit halbverfallenen Möbeln: Schreibtisch, Stuhl, SchrankBillig, wie man's von der Bundeswehr kennt. Die Wände waren wohl irgendwann einmal weiß-beige lackiert und machten auf mich einen metallenen Eindruck. Es fanden sich viele Plastikstreifen in Pfeilform, ca 60 cm lang, weiß mit einem schwarzen Dreieck und der Aufschrift „ATOM“.

In der Umgebung fand sich noch eine rechteckige Mulde mit so etwas wie einem Motorenfundament. Ein Stromerzeuger?

Die Bilder, die ich seinerzeit aufnahm, haben die Zeit leider nicht überstanden - sorry.

Für Euch sicher nichts ungewöhnliches, aber ich fand es imemrhin ungewöhnlich, dass so etwas völlig ungeschützt mitten in Rheinland-Pfalz rumsteht.

Vielen Dank für die Aufklärung

Herzlichst - Euer ntech.

PS: Ach bitte, falls der Beitrag woanders hingehört ... bitte gern verschieben!

Ich habe mir erlaubt, den Titel mal anzupassen. Der ursprüngliche Titel lautete "Was habe ich denn da gefunden?". Gruss, Shadow.

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Beitrag von derlub » 03.02.2011 12:04

Hallo.

Für mich hört sich Deine Beschreibung nach einer BAMSt (Beobachtungs- und ABC- Meßstelle) des Katastrophenschutzes an.
Mir sind mehrere Städte und Landkreise in RHP (und bisher nur dort) bekannt, die ihre BAMSt in einer unterirdischen Stahltonne mit ABC-Filtertechnik untergebracht haben. Die Tonne war möbliert und für 4 Personen ausgelegt. Vorgesehene Möblierung: 1 Tisch, 2 Stühe, 1 Hocker, 1 Kleiderregal, 1 Aktenregal, 1 Doppelliege. Ich habe auch Baupläne einer solchen "Stahltonnen-BAMSt", aus der man erkennen kann, dass das Notstromaggregat außerhalb der Tonne in einem kleinen Kasten/Schuppen untergebracht war. Größe der Tonne (ohne Zugangsschacht): 3,6m L; 2,0m H; 2,7m Durchmesser.
Es wäre sehr interessant zu wissen, wo genau Du dieses Objekt gefunden hast. Evtl. ist es einer der Standorte, die ich bereits kenne und damit wäre Deine Frage sicher gelöst.
ntech hat geschrieben:Für Euch sicher nichts ungewöhnliches,
Doch, absolut!

Grüße,
Christoph

P.S. Ich habe das Thema mal in den Bereich Kalter Krieg-Zivilschutz & Zivilverteidigung verschoben

ntech
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Beitrag von ntech » 03.02.2011 12:12

Hallo, das hört sich nach einem Volltreffer an. Die Möblierung passt jedenfalls und ich glaube, mich an irgendwelche Filtertechnik zu erinnern.

Allzu genau sollte ich bei der Ortsbeschreibung besser nicht werden, immerhin so viel: Die "Tonne" findet sich in der Nähe von Ingelheim am Nordhang eines Hügels. Man hat von dort einen schönen Blick über das Rheintal zwischen Mainz und Bingen, wenn man sich den Bewuchs wegdenkt.

Ich habe die "Tonne" nur deshalb gefunden, weil man seinerzeit die Gegend "entbuscht" bzw gerodet hatte. Wie es dort inzwischen aussieht, kann ich nicht sagen, aber ich verspreche, einen Frühlingsspaziergang mit Kamera zu machen. :-)

Gruß, ntech

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Beitrag von derlub » 03.02.2011 12:30

Hallo.
Ach die Tonne existiert noch? Interessant. Die die ich kenne sind alle Mitte der 90er Jahre wieder ausgegraben worden. Dann ist es tatsächlich besser keine genauen Angaben zu machen. Zumindest ist mir dort noch keine solche Tonne bekannt, ich kenne aber auch nur von ganz wenigen Städten und Landkreisen die Standorte der BAMStn.
Die von Dir beschriebene erhöhte Lage mit guter Rundumsicht passt bestens auf die Anforderungen an den Standort der BAMStn.
Mehr dazu siehe auch hier: http://gsb.download.bva.bund.de/BBK/KatS_Dv_112.pdf
Grüße,
Christoph

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Beitrag von ntech » 03.02.2011 13:17

Hallo Christoph,

ob die Tonne wirklich noch existiert, ist mir natürlich (noch) nicht bekannt, das lässt sich aber herausfinden. Es mag sein, das die seinerzeitige (ca. 2000) Rodung eine vorbereitende Maßnahme war, um das Ding auszubuddeln. (Vielleicht war es aber auch nur ein ordnungsliebender Landwirt)

Das Dokument habe ich mir durchgelesen und ich bilde mir ein, mich an solche herumliegenden Formblätter zu erinnern. Aber gleichzeitig überfiel mich auch das kalte Gruseln - als Jahrgang 1958 sind mir diese verharmlosenden Sprüche im Umgang mit Atomwaffen im Stil der "Duck and Cover"-Filmchen noch gut in Erinnerung.

Vier Mann in so einer Dose? Unglaublich! Und dann von denen zu verlangen, dass sie alle möglichen Beobachtungen treulich weiterleiten in dem sicheren Bewusstsein, dass sie genau an diesem Zeug elend eingehen werden?

Ich werde folgendes tun: Erstens noch mal alle in Frage kommenden Harddisks nach den Bildern durchförstern und sie bei Erfolg zur Verfügung stellen (Ich habe nach "BAMSt" gegooglet, aber auf allen dort gefundenen Bildern war die Einrichtung wesentlich schlechter erhalten) und zweitens einen "Abenteuerspaziergang" machen, sobald das Wetter es erlaubt. Keine Bange, ich bin nicht in einem Alter, in dem ich mich über Verbote und Vorhängeschlösser einfach "hinwegsetze" :-)

Kannst Du mir derweil noch erklären, wofür die "Pfeile" aus weißer Plastikfolie mit der Aufschrift ATOM dienten? Die lagen dort in großen Stückzahlen und ich glaube ich habe noch einen daheim. Sollten damit strahlende Brocken gekennzeichnet werden??? Das wäre doch Selbstmord, oder?

Es bedankt sich für die Aufklärung

ntech (Details gern auf meiner HP)

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Beitrag von zulufox » 03.02.2011 13:23

ntech hat geschrieben:Kannst Du mir derweil noch erklären, wofür die "Pfeile" aus weißer Plastikfolie mit der Aufschrift ATOM dienten? Die lagen dort in großen Stückzahlen und ich glaube ich habe noch einen daheim. Sollten damit strahlende Brocken gekennzeichnet werden??? Das wäre doch Selbstmord, oder?

Es bedankt sich für die Aufklärung

ntech (Details gern auf meiner HP)
Diese "Pfeile" gab es nicht nur für ATOM, sondern auch für GAS, sie sollten an den Markierungsbändern angebracht werden, die den äußersten Rand des verstrahlten/vergifteten Gebietes umspannen sollten. Der Spürtrupp war natürlich unter ABC-Vollschutz unterwegs.

MfG
Zf :holy:
Demosthenes (384 - 322 v. Chr. Athen)
"Nichts ist leichter als Selbstbetrug, denn was ein Mensch wahrhaben möchte, hält er auch für wahr."

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Beitrag von Buddelflink » 03.02.2011 16:07

zulufox hat geschrieben:Diese "Pfeile" gab es nicht nur für ATOM, sondern auch für GAS, sie sollten an den Markierungsbändern angebracht werden, die den äußersten Rand des verstrahlten/vergifteten Gebietes umspannen sollten.

..und für Bio in der Farbe blau. Das mit dem äußeren "Rand" ist bei der Beschriftung "Gas" zutreffend. Beim Schild "Atom" ist es nicht immer der Rand sondern einer bestimmten Dosisleistung zugeordnet. Es heißt dann zwar auch/ meistens GdV (Grenze der Verstrahlung, 1cGy/h) aber es gibt auch andere befohlene Markierungsmöglichkeiten. Das Gebiet umspannend- jain- kommt auch auf die Lage an und was befohlen wird.

Beste Grüße
Andreas

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Beitrag von petzolde » 03.02.2011 19:31

Verstehe ich das richtig: Der Grad der Verstrahlung bzw. oder ein Grenzwert o.ä. wird "befohlen"? Der Trupp hat dann ein Gebiet auszukartieren und abzuzäunen, innerhalb dessen ein befohlener Grenzwert überschritten wird?
gruß EP

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Beitrag von Buddelflink » 03.02.2011 22:24

Du mußt unterscheiden zwischen Katatsrophenschutz/ Feuerwehr im Frieden und dem Militär. Die BAMStn waren wohl für den Verteidigungsfall geplant.
Folgende Zeilen zählen für das Militär- bei diesem liegen bestimmte Grenzwerte höher und- ich gehe jetzt von einem Verteidigungsfall aus- abgezäunt wird da nichts. Wer sollte das im Einsatz auch tun, bei großflächig kontaminierten Gebieten. In der Regel wie schon erwähnt wird die GdV markiert (diese liegt vorgeschrieben bei 1cGy/h). Es können aber auch andere Werte befohlen werden oder zusätzliche. Wird das Spürferfahren Umgehen angewandt, dann wird um das Gebiet bei dieser bestimmten/befohlenen Dosisleistung an markanten Punkten eine Markierung gesetzt. Wird das Spürverfahren Durchstoßen gewählt wird jeweils am Anfang eine Markierung gesetzt und eventuell auch am Ende- vorausgesetzt man kommt bis zum Spürziel und muß nicht vorher schon umkehren; z.B. weil die Meldedosis erreicht und überschritten oder die Dosisleistungsgrenze erreicht wurde. Beim letzten Verfahren wird jedenfalls nicht das gesamte betroffene Gebiet gekennzeichnet sondern z.B. nur ein einziger bzw. 2 Punkte auf einer gedachten Linie oder Straße. Alles andere gehört dann nicht zum Auftrag.
Je nach Spürart: zu Fuß, Kfz- gepanzert/ungepanzert, Luft gelten natürlich unterschiedliche Grenzwerte- und der Aufwand sowie die Aufklärungsgeschwindigkeit variieren stark.
Das GAS- Schild ist übrigens gelb, irgendwo im www finden sich hierzu bestimmt Fotos.
Ich habe letztens erst in einer US- amerikanischen Liegenschaft solch ein Markierungssatz gefunden- nagelneu- der gleiche wie beim Bund (deutscher Hersteller)- nur eine andere Versorgungsnummer.
Die Bundespolizei markiert zB. bei 25µSv/h. Schon dahingehend interessant das beide Behörden verschieden Einheiten verwenden: Gy/h= Energiedosisleistung und Sv/h für Äquivalentdosisleistung. Aber zurück zur BAMSt :-)

MfG
Andreas
Zuletzt geändert von Buddelflink am 03.02.2011 23:01, insgesamt 2-mal geändert.

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Beitrag von derlub » 03.02.2011 22:39

Um mal wieder den Bogen zum Kernthema zurückzufinden.
In einer älteren Veröffentlichung des damaligen Bundesamt für Zivilschutz steht, dass der Kreis Mainz-Bingen über nur 1 BAMSt verfügte. Andere Kreise hatten je nach Topographie und Größe des Verwaltungsgebietes auch mal mehr. Das könnte sie dann jedenfalls gewesen sein.

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