KZ Dachau

Zwangsarbeit, Fremdarbeiter-, Konzentrations- und Kriegsgefangenenlager (STALAG, DULAG etc.) und deren Außenlager
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Gravedigger
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Beitrag von Gravedigger » 18.09.2008 15:57

Bei uns ist das Thema leider in der Schule ziemlich totgeschwiegen worden, die Geschichte hat quasi 1933 aufgehört und ging dann 1945 weiter. Und dazwischen war halt Krieg oder so was... Mehr bekamen wir damals Anfang-Mitte der 80er net mit.
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zulufox
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Beitrag von zulufox » 18.09.2008 18:53

Gravedigger hat geschrieben:Bei uns ist das Thema leider in der Schule ziemlich totgeschwiegen worden, die Geschichte hat quasi 1933 aufgehört und ging dann 1945 weiter. Und dazwischen war halt Krieg oder so was... Mehr bekamen wir damals Anfang-Mitte der 80er net mit.
Hallo Gravedigger,

das war auch schon Mitte der 60-er so. Als ich im November 1966 in Darmstadt Abitur machte, hatte die Geschichte Deutschlands und Europas im Jahr 1933 geendet. Was zwischen 1945 und 1955 geschaht, das hatten wir in der Volksschule im Heimatkundeunterricht gehabt, dann nicht mehr.

Eigentlich wollte ich mich zu diesem Thema nicht äußern, aber nun will ich als Angehöriger der Generation der unmittelbar nach dem Krieg Geborenen doch etwas aus meinen Erfahrungen berichten:

Nach über 40 Jahren Umgang mit der jeweils jungen Generation (darunter über zwei Jahre fast täglich eine Führung durch das Luftwaffenmuseum der Bundeswehr in Berlin-Gatow) stellt sich mir die Gruppe der heutigen 15 - 20-Jährigen grob dreigeteilt dar:

1. Die Gruppe derer, für die "Die Alten" alle Verbrecher waren und mit denen darüber keine logische Diskussion geführt werden kann.

2. Die Gruppe derjenigen, die meinen, das ging sie doch alles gar nichts an. Vor allem aus dieser Gruppe kamen auch immer die Fragen nach den Leistungsparametern der deutschen Flugzeuge und die Aussagen, sie hätten das alles viel besser gemacht ...

3. Zum Glück gibt es aber auch eine große Gruppe sehr wißbegieriger und nachdenklicher Leute, die versuchen, sich ein eigenes Bild von den Ereignissen zu machen und versuchen, alle Seiten und ihre Gefühle zu verstehen.

Am 08. April 2005 war ich bei der Gedenkfeier dabei, bei der Bürger der Stadt Halberstadt und ehemalige Zwangsarbeiter der Untertageanlage MALACHIT und deren Nachkommen des verheerenden Bombenangriffes der 8th U.S.A.A.F. am 8. April 1945 und seiner Opfer gedachten. Dabei hielt Michaela Burelli, die Enkelin eines italienischen Zwangsarbeiters, eine vielbeachtete Rede, deren Text ich als Bild angehängt habe. Am selben Tag wurde einige Stunden später ein Teil des Stollens, den die Zwangsarbeiter und die KZ-Häftlinge gegraben hatten, als Teil der Gedenkstätte Langenstein-Zwieberge eröffnet.

Ich kann nur empfehlen, sich z.B. einmal die beiden CDs "Zwischen Stollen und Todeskiefer" mit einem von der US-Army unmittelbar nach Besetzung des Lagers aufgenommenem Schwarz-Weiß-Film und Gesprächen mit den Überlebenden des KZ Langenstein-Zwieberge und "Operation Sardine", den Film über die Zerstörung Halberstadts mit Interviews Überlebender anzusehen.

MfG
Zf
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zulufox
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Beitrag von zulufox » 19.09.2008 10:23

Übrigens,

mir ist noch eine kleine Begebenheit eingefallen, die ein gewisses Schlaglicht auf die gesamte Problematik der historischen Betrachtung der Geschehnisse dieser Zeit wirft.

Bei der im vorigen Beitrag angesprochenen "Feierstunde" zur Eröffnung des Reichsbahnstollens erinnerten ein Niederländer als ehemaliger Lagerinsasse und eine junge Polin als Angehörige der Enkelgeneration (wenn ich micht richtig an die Nationalitäten erinnere) an die Geschehnisse im Lager und in der Untertageanlage und sprachen über ihre aktuellen Gefühle an dieser Erinnerungsstätte.

Danach ergriff ein Überlebender der Shoa ungeplant das Wort und beschwerte sich darüber, dass keiner seiner Glaubensgeschwister aufgefordert worden sei, an ihr Leiden zu erinnern. Nur sie hätten das Recht, Erinnerung an diese Leidenszeit zu fordern.
Ähnliche Auseinandersetzungen hat es ja auch in Berlin und in Auschwitz gegeben.

MfG
Zf
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Krakau
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Beitrag von Krakau » 19.09.2008 16:58

Moin Zulufox!

Ja, diese Anschauung der damaligen Ereignisse ist mir hier in Krakau (besonders auf Kazimierz) schon recht häufig begegnet.

Stellt sich nur die Frage: Hat man bei der Einweihung der Gedenkstätte unbewusst religiöse Richtungen ausgeklammert und war der Meinung ein, zwei Berichte (von wem auch immer) würden alle vereinen? Unter diesem Gesichtspunkt könnte ich den jüdischen Überlebenden schon ein wenig verstehen.

Das er das dann so radikal formuliert - nun da kann ich dann nicht mehr mit konform gehen. Sicherlich hat aber auch die radikale Formulierung erst zur gewünschten Aufmerksamkeit geführt...

Gruß
Thomas

P.S. Gibt's die CD's irgenwo zum online angucken oder muss ich erst meine Geldbörse zücken?

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