Richtfunkturm Obernkirchen

Militärische und militärisch (mit)genutzte Fernmeldeanlagen und -einrichtungen, Netze und Infrastruktur (ohne ELOKA)
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HW (†)
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Richtfunkturm Obernkirchen

Beitrag von HW (†) » 19.10.2021 16:32

Hallo,
da ein Bekannter vor einiger Zeit zurück in seine Heimat in den Landkreis Höxter gezogen ist, habe ich mich etwas informiert was zur Zeit des Kalten Krieges an Militär in dieser Gegend vorhanden war. Während hier in Südbayern fast ausschließlich nur Bundeswehr und US-Streitkräfte waren und sind (Frankreich nur bis Anfang der 90er Jahre in Fürstenfeldbruck und auf dem "Hoher Bogen"), gab es z. B. in den Landkreisen Höxter, Holzminden, Hameln, Schaumburg, Lippe usw. neben der Bundeswehr auch Liegenschaften der Belgier, der Niederländer, der Briten und, da staunte ich, der US-Streitkräfte. der Köterberg mit der Richtfunkstellung der US-Streitkräfte war mir hier aus dem Forum ja bekannt. Weitere gute Informationen fand ich auf Relikte.com. Für mich war diese Gegend "Neuland".
Über eine Richtfunkstellung bin ich aber "gestolpert", Obernkirchen (zwischen Bückeburg und Stadthagen).
In der 1975 aufgegebenen HAWK-Stellung der Niederländer auf dem Süntel (Bad Münder) und auf dem Steinberg bei Dörentrup-Schwelentrup, auch eine 1975 aufgegebene HAWK-Stellung der Niederländer, gab es ab 1976 Radarstellungen der US-Streitkräfte, CRP Bad Münder , FACP Dörentrup-Schwelentrup (CRP = Control and Reporting Post, FACP = Forward Air Control Post).
Ganz in der Nähe vom Steinberg bei Dörentrup-Schwelentrup gibt es den Ort Linderhofe, hier auf dem Dörenberg eine Richtfunkstellung der US-Streitkräfte mit einem markanten Richtfunkturm. Heute steht hier ein anderer Richtfunkturm.

Auf einer Karte auf usarmygermany.com gibt es eine Richtfunkstrecke vom Köterberg nach Obernkirchen und weiter nach Wunstorf. Linderhofe wird zwar erwähnt auf der Karte, aber umgangen.
Auf einer anderen Karte, die den Streckenverlauf Ende der 80er Jahre wiedergibt, geht die Richtfunkstrecke vom Köterberg nach Linderhofe und weiter nach Bad Münder. Obernkirchen ist nicht mehr aufgeführt.
Konkrete Informationen über die Richtfunkstellung Obernkirchen habe ich aber nicht gefunden.
Auf dem "Bückeberge" (Höhenzug) gibt es zwar einen Funkturm, Sender Stadthagen, der wurde aber erst 1989 gebaut.
Nur wenige hundert Meter von diesem Funkturm gibt es einen "Jahnturm". Hier soll eine britische Abhörstation gewesen sein. Der Jahnturm ist aber nicht sehr hoch.
Es gibt zwar etwas weiter östlich eine Liegenschaft, benannt nach dem Ortsteil Reinsdorf, ein Ortsteil von Apelern, die war erst von 1965 bis 1989 eine HAWK-Stellung der Niederländer, von 1989 bis 1995 eine Stellung für PATRIOT, und danach bis zur Zeit ein Übungsgelände der Bundeswehr (Hubschrauber aus Bückeburg). Die Stellung Reinsdorf liegt aber nicht auf der Gemarkung von Obernkirchen und war ja ab 1965 eine Flugabwehrstellung, deswegen schließe ich hier die Richtfunkstellung der US-Streitkräfte aus.

Wo war also die Richtfunkstellung Obernkirchen genau?

Viele Grüße
HW

HW (†)
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Re: Richtfunkturm Obernkirchen

Beitrag von HW (†) » 19.10.2021 16:59


HW (†)
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Re: Richtfunkturm Obernkirchen

Beitrag von HW (†) » 10.12.2021 18:59

Hallo,
ich habe zur Relaisstellung Obernkirchen der US-Streitkräfte auf dem Bückeberge sehr gute Informationen bekommen. Meinen Dank der freundlichen Dame im Vorzimmer beim Bürgermeister, die sofort wusste wer hier helfen kann und meinen Dank der freundlichen Dame bei der Info-Galerie, die sofort wusste, um was es ging und mir aus einem Buch zutreffende Passagen zitierte. Ich hatte bei Anfragen auch schon Anderes erlebt.
Ich habe mir das Buch gleich bestellt:
„Ein Pferd hängt im Baum. Der Bückeberg in Geschichte(n) und Gegenwart.“
In dem Buch gibt es einen Abschnitt „Kriege und Militär“.

Wo war jetzt die Richtfunkrelaisstellund Obernkirchen der US-Streitkräfte? Das Buch gibt Auskunft, ich zitiere: 1961 kamen die Amerikaner. Sie errichteten eine kleine Funkrelaisstation…..Die Station gehörte als 2057th Radio Relay Station zur 1945 th Communicationsn der Air Force. Die Einrichtung übermittelt Funksignale als Teil einer Kette von Stationen vom Feldberg bei Frankfurt nach Bremerhaven. Der Bückeberg stand in direkter Verbindung mit dem Köterberg in südlicher Richtung und nach Wunstorf, Celle und Holtum bei Verden in nördlicher Richtung…..Auf dem Gelände befand sich ein etwa 50 Meter hoher Funkmast…..westlicher Seite des Höhenweges, heute etwa 150 Meter von der äußeren Ecke des JBF-Centrum……(Zitat Ende).
Also westlich vom NDR-Sender und dem Jahnturm. Wo heute das JBF-Centrum ist war damals u. a. das Gasthaus Walter, Verwaltungsgebäude von den Sandsteinbrüchen, Arbeiterwohnungen und ein Lokschuppen für die Feldbahn. (JBF-Centrum = Jugend-, Bildungs- und Freizeitcentrum.)
Die Richtfunk-Relaisstellung wurde 1971 aufgegeben.

In dem Buch wird auch über den „Horchposten“ der Royal Air Force auf dem Bückeberge geschrieben, kurze Zusammenfassung: 1945/46 wurde auf dem Bückeberge, wie auch in Uetersen, die Basis für ein Netz von Funkaufklärungseinheiten in der britischen Zone von Deutschland errichtet. Es soll auch eine deutsche Funkstation im WK II auf dem Bückeberge gegeben haben, deren zurückgelassene Ausrüstung und Material die Briten zum Teil übernommen haben.
1946 wurde ein Turm von den Briten auf dem Bückeberg errichtet, der später als Jahnturm bezeichnet wurde. Im Turm war ein Peilsender untergebracht und das Dach mit speziellen Antennen bestückt. Diese britische Station war auch im Bereich vom JBF-Centrum, Im Buch ist die Angabe „Auf der Schütt“. Es sind auch Fotos von dieser Stellung in dem Buch, einmal ein britischer Funkturm und auf einem anderen Foto 2 Antennenmasten mit dazwischen gespannten Antennen.
Neben diesen „Abhörspezialisten der Royal Air Force, die Einheit nannte sich „ASRU“ (Air Scientific Recovery Unit), die 1952 in „646 Signals Unit“ umbenannte wurde, gab es eine weitere britische Einheit auf dem Bückeberge, ab 1945. Deren Stellung wurde als „Decimetre Site“ bezeichnet. Auftrag war Funkmessung und Kommunikation. Die Ausrüstung war mobil und auch hier wurde Ausstattung und Material der ehem. Deutschen Stellung verwendet, so z. B. ein 70 Meter Antennenmast. Diese Einheit begleitete u. a. funktechnisch die „Spionageflüge“ entlang der Zonengrenze.
Und da alle Guten Dinge 3 sind, wie ein Sprichwort sagt, gab es auch noch eine weitere Stellung auch im Bereich des heutigen JBF-Centrum. Es war eine Gemeinschaftsstellung der Briten und Niederländer, die eine Verbindungsstation (Sender, Empfänger, Antennenmast) für Funkverbindungen zwischen verschiedenen Stellungen der NATO betreiben sollte.
Ende 1957 war diese Stellung aber noch die einzige Stellung auf dem Bückeberge, die anderen 2 Stellungen waren 1957 aufgegeben worden. Aber auch 1958 wurde diese Stellung aufgegeben.
Und 1961 kamen die Amerikaner.

HW (†)
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Re: Richtfunkturm Obernkirchen

Beitrag von HW (†) » 10.12.2021 19:32

In dem Buch wird auch auf die 1966 bezogene HAWK-Stellung Reinsdorf der Königlichen Niederländischen Luftwaffe im eher östlichen Teil des Bückeberges eingegangen, die 1987 zur PATRIOT-Stellung umgebaut wurde. Es ist auch ein Luftbild der PATRIOT-Stellung in dem Buch und ich zähle nur 5 geschützte Launcher (Stellplätze der Abschusseinrichtung). In dem Buch werden auch nur 5 Launcher angegeben. Auch bei HAWK gab es laut dem Buch nur 5 Abschussstellungen, was aber unüblich war.
Die Stellung wurde Mitte 1994 von den Niederländern aufgegeben. Die Soldaten gingen zurück auf den Fliegerhorst De Peel in den Niederlanden.
Die Stellung lag einige Zeit brach, ab 1997 nutzte die Bundeswehr, hier u. a. die Heeresflieger, diese Liegenschaft. Sie wird heute noch als Außenlandeplatz vom Internationalen Hubschrauberausbildungszentrum genutzt.
Zu dieser Stellung habe ich bei meinen Nachfragen gehört, dass hier die Niederländer Atomraketen hatten, so hätte es in einer Zeitung gestanden. (Steigerung der Zeitungsauflage?)
Auch von einem Sprengstoffanschlag im Jahr 1995 in dieser Liegenschaft wird in dem Buch berichtet. Das Klärwerk wurde gesprengt und die ehem Tankstelle, die aber nur stark beschädigt wurde.

Das Buch befasst sich aber noch mit weiteren interessanten Themen vom Bückeberge, von Feldbahnen, die zu den Sandsteinbrüchen und nach Oberkirchen fuhren, von Stollen für den Bergbau und für die Wassergewinnung sowie von weiteren bemerkenswerten Örtlichkeiten.

Grüße
HW

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