Dethlinger Teich

Rüstungsindustrie, Waffen- und Munitionsproduktion, Munitionsanstalten, Tanklager, Depots, U-Verlagerungen etc.
Benutzeravatar
bettika
Forenuser
Beiträge: 1973
Registriert: 15.07.2010 22:19
Ort/Region: Flensburg

Dethlinger Teich

Beitrag von bettika » 15.11.2019 17:56

Hallo,
der Dethlinger Teich , der seit Jahrzehnten in Fokus möglicher Kampfstoffvergrabungen steht, wurde endlich für Untersuchungen geöffnet.
Am 28.10.2019 wurde die 100.Granate, vermutlich ausschließlich Kampfstoffgranaten, geborgen.
Sie sollen vor ihrer Beseitigung noch auf ihre Inhaltsstoffe untersuchte werden. Ergebnisse habe ich noch nicht gefunden.
https://www.heidekreis.de/home/verwaltu ... nster.aspx
https://www.ndr.de/nachrichten/niedersa ... ch124.html
Die Teichöffnung ist Teil der Gefährdungsabschätzung.

Edit am 2.11.19 waren es schon 180 Granaten
In der kommenden Woche sollen die ersten Funde in Munster untersucht werden
https://www.kreiszeitung.de/lokales/nie ... 69263.html

Grüsse
Beate
„Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnern kann, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.“ George Santayana

HarmWulf
Forenuser
Beiträge: 55
Registriert: 15.01.2014 13:53
Ort/Region: Bothel

Re: Dethlinger Teich

Beitrag von HarmWulf » 26.01.2020 12:03

Moin,

sicherlich ein "Top-Thema" in Sachen Erkundung und Sanierung von Kampfstoffaltlasten. Die bisherigen Funde sprechen für sich. Offenbar befindet sich neben Wehrmachts- auch Beutemunition im Fundspektrum (rötlicher Anstrich der Granathüllen war gemäß H.Dv. 435/5 bei der Wehrmacht nicht üblich).
In direkter Nachbarschaft des Dethlinger Teiches befinden sich noch andere (als solche auch bekannte und erfasste) Verdachtsstandorte:

- drei Absetzbecken der Kesselwagenreinigung. Diese und ihr in den Dethlinger Teich führender Überlauf sind auf LuBis von 1944 deutlich zu sehen. Die von der Reichsbahn gestellten Kesselwagen waren gereinigt zurück zu liefern! Die Absetzbecken sind heute noch im angrenzenden Baumbestand lokalisierbar. Per Kesselwagen angeliefert wurden Lost und Phosgen. Gereinigt wurde sicherlich nicht nur mit Wasser!

- die "Brandbombenfüllstelle" etwa 300m westlich. Heute völlig unscheinbar im Gelände. Vermutlich wurden Brand- und KS-Bomben hier ab Kesselwagen gefüllt. Die L.HMa. besaß nach Quellenangaben auch eine mobile (auf Eisenbahnwaggon) Fülleinrichtung.

- die Füllstelle in der L.HMa. selbst, etwa 400m nordöstlich. Auch hier wurde vermutlich nur ab Kesselwagen oder per Bahn angeliefertem Behälter gefüllt. Lagergebäude wie in der "HVS Munster" sind nicht belegt.
Nur wer die Geschichte kennt, kann die Gegenwart verstehen

Benutzeravatar
MikeG
Administrator
Beiträge: 8755
Registriert: 07.05.2002 14:38
Ort/Region: Bispingen
Kontaktdaten:

Re: Dethlinger Teich

Beitrag von MikeG » 27.01.2020 13:46

Moin!

Danke für's Update.

Ich bin meinerseits immer etwas erstaunt über das von Bevölkerung und vor allem Medien geäußerte Erstaunen über die Varianz und Menge der Funde. Eigentlich haben ja alle, die mit der Thematik am Standort vertraut sind, doch geahnt bzw. grob gewusst, was da kommen mag. Die Öffentlichkeit hat das nur eben nicht "auf dem Schirm". Und wenn und falls das Thema "Dethlinger Teich" irgendwann mal glücklich und sauber beendet sein sollte, gäbe es da neben den genannten Stellen im direkten Umfeld ja auch noch die spannende und mindestens (...) ebenso aufwändige Aufgabe, sich um die "Roten Flächen" rund um R6, das "Luftwaffen-Gelände", die Sarin-Fabrik & Co zu kümmern.

Das ist wirklich mal ein nachhaltiges Erbe :(

Mike

HarmWulf
Forenuser
Beiträge: 55
Registriert: 15.01.2014 13:53
Ort/Region: Bothel

Re: Dethlinger Teich

Beitrag von HarmWulf » 30.01.2020 18:06

Moin Mike,
das nachhaltige Erbe ist auch mit nachhaltigen Fragen versehen:

der Dethlinger Teich war bereits vor 1945 schon die Müllkippe der umliegenden, mit Kampstoffen arbeitenden Betriebe. Ab 1945 setzte sich diese "Tradition" fort.
- die LW führte auf dem Gelände ihrer E-Stelle umfangreiche Versuche durch. Dafür gab es dort ein Füllgebäude. Selbiges habe ich nach den Plänen von Hamerla auf das Gelände der GEKA (oder ist es das der WIS?) verorten können. Trotzdem das gesamte Gelände mehr als gesichert ist, wurde dieses Areal nochmal mit einem Zaum umgeben (auf GE deutlich erkennbar). Auch führten LW und Heer auf dem gelände der HVS Versuche mit Gelbringmunition (2cm-Bordwaffenmunition sowie Gewehrgranten mit Lostfüllung) durch. Blindgänger an den entsprechenden Versuchsstandorten sind nicht ausgeschlossen. Ebenso wurden, nach Hamerla, Beschußversuche mit 10l-Sprühbüchsen 37 (Gelbring und/oder Gelbring II) in den Hatzseen durchgeführt. Die Reste davon liegen vermutlich noch heute auf dem Seegrund. Wurde der Standort des KS-Tanks auf dem Gelände des ehemaligen Einsatzhafens Kohlenbissen erfasst bzw. wie ist dessen Verbleib dokumentiert?

Gruß

Olli
Nur wer die Geschichte kennt, kann die Gegenwart verstehen

HarmWulf
Forenuser
Beiträge: 55
Registriert: 15.01.2014 13:53
Ort/Region: Bothel

Re: Dethlinger Teich

Beitrag von HarmWulf » 30.01.2020 18:59

....
sind die durch Sprühversuche der LW genutzten Areale bekannt? Was wurde dort versprüht? Wie wurde die E-Stelle der LW logistisch bedient? Wie gelangten KS zu deren Füllgebäude und wie wurden sie gelagert? Füllmethoden? => eine Menge an Fragen, deren Klärung, zumindest der Öffentlichkeit, nicht möglich ist.

- Sprengstofffüllanlge der H.Ma. Munster(Lager) - auch diese ehemalige Liegenschaft befindet sich auf dem Gebiet des TrÜp und somit außerhalb öffentlichen Interesses! Hier sind nicht unerhebliche Mengen an TNT im Schmelzverfahren in Haubitzgranaten laboriert worden. Noch 1939 wurden dort anfallende TNT-Stäube mittels Wasser entsorgt - eine entsprechende Kläranlage ist auf den LuBis nicht zu erkennen. Die Größe der Anlage läßt vermuten, dass dort auch Munition delaboriert wurde, zwei Sprenggruben sind erkennbar.

- Das "Beutelager" bei Brehloh: die Briten haben 1945 8000t KS-Munition in "Ilster" vorgefunden. Diese Munition wurde laut Quellenangaben komplett im Meer versenkt. Die hier durch die Wehrmacht gesammelte Munition wurde vermutlich untersucht und in der HVS erprobt. Was ist mit evtl. undichten oder zweifelhaften Munitionskörpern, von beiden Seiten, geschehen?

Gruß

Olli
Nur wer die Geschichte kennt, kann die Gegenwart verstehen

HarmWulf
Forenuser
Beiträge: 55
Registriert: 15.01.2014 13:53
Ort/Region: Bothel

Re: Dethlinger Teich

Beitrag von HarmWulf » 30.01.2020 19:27

...
es hat auf dem Gelände des Einsatzhafens Kohlenbissen einen KS-Tank für die Betankung von Flugzeugen zwecks Erprobung von Sprühgeräten bzw. -verfahren gegeben. Was ist aus diesem geworden? Ist der Standort lokalisiert und begutachtet worden? Vermutlich hat er in Nähe der Bahngleise gelegen und was wurde befüllt? Hatte er evtl. mehrere Zellen für verschiedene (flüssige) KS?

Gruß

Olli
Nur wer die Geschichte kennt, kann die Gegenwart verstehen

HarmWulf
Forenuser
Beiträge: 55
Registriert: 15.01.2014 13:53
Ort/Region: Bothel

Re: Dethlinger Teich

Beitrag von HarmWulf » 26.02.2020 13:05

Moin,
nachdem der jeder Sensation anhaftende bzw. vorausgehende Hype verflogen ist, sinkt auch die Frequenz der öffentlichen Updates zum Thema. Leider. Die mittlerweile sicherlich erreichte Anzahl von 2000 geborgenen Kampfstoffgranaten gestattet erste Fragen nach Typ und Inhalt dieser Munition. Interessant die Tatsache, dass Granaten bereits im Gemisch mit dem Bunkerschutt von 1952 gefunden wurden - alle ohne Führungsringe sowie frei von jeglichen Sprengstoffen und Bezünderung. Ein Schelm, wer böses dabei denkt... .Sollte nicht die Verfüllung des Teiches u. A. der Buntmetallgewinnung Einhalt gebieten? Nun ja, es mögen sich Betonschutt und Granaten auch erst im Zuge der Verfüllung des Detlinger Teiches in selbigem vermischt haben, zumal ja sicher nicht das gesamte Ufer gleichmäßig angefahren werden konnte. Auch die aktuelle Sondierung bedient sich einer Zuwegung, die bereits vor 1945 existierte. Interessant bleibt die Frage, was ausser den bisherigen Artilleriegranaten noch ans Tageslicht kommen wird.

Gruß

Olli
Nur wer die Geschichte kennt, kann die Gegenwart verstehen

Benutzeravatar
Djensi
Forenuser
Beiträge: 2099
Registriert: 28.08.2003 22:25
Ort/Region: Hamburg

Re: Dethlinger Teich

Beitrag von Djensi » 27.02.2020 15:51

Moin Olli,

27. Februar 2020: Die Gesamtzahl der geborgenen Kampfstoffgranaten hat sich auf 2.552 Stück erhöht.

Die Quelle hast Du oben ja verlinkt ;)

Benutzeravatar
MikeG
Administrator
Beiträge: 8755
Registriert: 07.05.2002 14:38
Ort/Region: Bispingen
Kontaktdaten:

Re: Dethlinger Teich

Beitrag von MikeG » 03.03.2020 21:18

Moin!

https://www.wz-net.de/lokales/dethlinge ... 99-21.html

Ich bin mir sicher, dass die vor Ort Beteiligten mit Akribie dabei sind. Wenn ich davon ausgehe, dass die bislang aus einschlägigen Quellen zum Dethlinger Teich bekannten Informationen grob richtig sind, dann ist das bisher Gefundene aber wohl eher nur ein sehr, sehr kleiner Bruchteil des Problems - und der Arbeit, die da noch wartet. Ich kann nur hoffen, dass der Bund nicht irgendwann den Geldhahn zudreht, einen Zaun drumherum stellt, die Altlast als "weitestgehend beräumt" und "keine unmittelbare Gefahr für die Öffentlichkeit" erklärt und die Aktendeckel bis zur nächsten Generation wieder schließt. Das käme mir gar nicht sooo unbekannt vor. :-(

Mike

Benutzeravatar
Bart
Moderator
Beiträge: 708
Registriert: 02.08.2002 11:32
Ort/Region: Wedel

Re: Dethlinger Teich

Beitrag von Bart » 26.05.2020 10:54

Moin!

Gestern lief im NDR "die nordreportage" - Die Kampfmittelbeseitiger zu sehen in der Mediathek.

Unter anderem auch über die Dethlinger Teiche

Jens

Antworten

Zurück zu „Zweiter Weltkrieg - Rüstungsindustrie / Logistik“