Ausspann - Gasthäuser in Schleswig-Holstein

Verkehrsgeschichte - Straßen, Autobahnen und sonstige Straßenverkehrs-Bauwerke
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erlenmeier
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Ausspann - Gasthäuser in Schleswig-Holstein

Beitrag von erlenmeier » 25.12.2018 12:37

Ausspann-Gasthäuser gab es entlang der gesamten Kieler Chaussee von Altona bis Kiel. Der Abstand lag meist im Durchschnitt bei 10Km. Gebaut wurden sie überwiegend im 19. Jhdt, zur Zeit der ersten großen Wirtschaftsblüte der beiden Städte.

Hauptzweck der Einrichtungen war es, die Pferde und die Kutscher zu versorgen.
- Die Pferde bekamen Heu und Hafer,
- die Fuhrleute Korn, Rum, Bier und Grog.
Es gab auch Übernachtungsmöglichkeiten. Meist sollen die Männer im Stroh bei ihren Pferden oder auf dem Wagen geschlafen haben.

Das baulich besondere an den Gebäuden ist der große Pferdestall mit der Durchfahrt. Weil die abgestellten Wagen im großen Stall nicht gewendet werden konnten, hatten die Dielen zwei gr. Holz-Flügeltore.
Dadurch sind sie auch eindeutig von den Chaussee-Häusern zu unterscheiden, die andere Aufgaben hatten.

Im unteren Bild der ehemalige Ausspann in Hamburg-Burgwedel an der Stadtgrenze zu Holstein. (Holsteiner Chaussee 428, 22457 Hamburg).
Links ist das ehemalige Tor zur Durchfahrt zu erkennen. Heute insgesamt Hotelbetrieb.
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Ausspann - Gasthäuser in Schleswig-Holstein

Beitrag von erlenmeier » 26.12.2018 11:12

Zwischen Quickborn und Bad Bramstedt liegt der Miniort Bilsen.
An der Holsteiner Chaussee gibt es heute noch die Überreste des Ausspanns.
In den unteren beiden Bildern auch wieder die Durchfahrt als Anbau zu sehen.
Op Platt het dat: rin-rut (rein-raus)
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Ausspann - Gasthäuser in Schleswig-Holstein

Beitrag von erlenmeier » 26.12.2018 11:49

Als kleiner Junge oft mit dem Fahrrad an dem ab den 60er-Jahren verlassenen Gebäude Richtung Norden vorbei gefahren, kann ich mich noch gut an den Meilenstein und dann das folgende Gasthaus erinnern.
Auch in den unteren Bildern kann man wieder die Durchfahrt für die Fuhrleute erkennen.
In diesem 3ten Post ist auch zu sehen, dass es sich immer um recht stattliche Häuser handelte.Es war ab 1840 bis in die 1970er-Jahre eben die Haupt-Handelsstraße im Norden und reichte mit ihren späteren (1950 bis 1975) LKW- und Busverbindungen bis weit nach Dänemark hinein.

Diese Gasthäuser dienten neben der Versorgung der Pferdefuhrwerke für den Warenhandel auch der Beköstigung und Unterbringung von Handlungsreisenden und wohlhabenden Kaufleuten. Da war schon ein gewisses Niveau im Ganzen erforderlich.
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Ausspann - Gasthäuser in Schleswig-Holstein

Beitrag von erlenmeier » 26.12.2018 12:07

Aus Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Dresden, 1793. Bd. 1, S.651: "Im gemeinen Leben, ein Wirthshaus, wo jemand sein Zugvieh ausspannen und daselbst herbergen kann; im Gegensatze der eigentlichen Schenken. "
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Beitrag von Godeke » 26.12.2018 13:45

Hallo :-) ,

ein spannendes Thema, man sieht sie heute noch, wenn man über die Dörfer fährt und den ursprünglich Zweck der Anlage kennt. Allerdings werden es im lauf der Jahre immer weniger. Nicht wenige mußten weichen, weil bei einem Straßenbau die 'Durchfahrt' zu dicht an der Straße lag. In Dänemark, zumindestens in Jütland, wurde das gleiche Beherbergungsprinzip unter der Bezeichnung 'Kro' betrieben, was übersetzt ja dem deutschen 'Krug' entspricht, z.B. der 'Jägerkrug' oder der 'Deckerkrug' fallen mir aus der Kindheit spontan ein.

Wie so was 1972 aussah, kann man sich hier mal im Film ansehen:



Ein kleines Detail habe ich noch gefunden: in vielen Fällen wurden die 'Durchfahrten' im Zweiten Weltkrieg mit sog. 'Kommandos' von Kriegsgefangenen belegt, die vornehmlich in der Landwirtschaft arbeiten mußten. Andere ländliche Unterbringungsorte waren Scheunen oder einzelnen Baracken. Alle Details dazu findet man in einer Untersuchung von Rolf Schwarz: Die Lager: Suche und Ergebnis. In: HOCH, G./SCHWARZ, R.: Verschleppt zur Sklavenarbeit. Alveslohe und Rendsburg 1988 (keine ISBN-Angabe), S. 149 ff.
...und jetzt noch mal schnell zu www.thw-lueneburg.de , der aktuellen Seite mit News aus der wunderbaren Welt des Helfens!

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Ausspann - Gasthäuser in Schleswig-Holstein

Beitrag von erlenmeier » 28.12.2018 11:38

Zu Kleinstädten östlich und westlich der Holsteiner Chaussee zweigten schon bald in der Mitte des 19. Jahrhunderts befestigte Nebenstrecken ab. Auch hier waren Pferdefuhrwerke mit Warenladungen, Handlungsreisenden und wohlhabenden Reisenden unterwegs.
Die Reichen fuhren nach Rugenbergen (Bönningstedt) und vergnügten sich dort in einem der beiden großen Ausflugslokale. Ab ca. 1910 sieht man dann auch die ersten "Pfeffersäcke" aus Hamburg, die mit Autos (Motordroschken)unterwegs sind.

Eine der Nebenstrecken zweigt in Bönningstedt Richtung Ellerbek, Rellingen, Pinneberg ....Elmshorn ab.

Der im folgenden Bild abgebildete ehem. Ausspann in Ellerbek deutet schon von seiner anspruchsvollen Architektur darauf hin, dass hier die Kutscher im Stall und die Hamburger Kaufleute im Hotelzimmer übernachteten. Das Gebäude im Jugendstil stammt aus 1900 und hatte ursprünglich den Namen "Zur Friedenseiche". Auch hier betrieb der Eigentümer dieses neben Ausspann, Ausschank und Zimmervermietung als Ausflugslokal. D.h., dass ein großer, parkartiger Garten mit Terrasse dazu gehörte und meist auch Tanzmusik gespielt wurde.
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Käptn Blaubär
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Beitrag von Käptn Blaubär » 28.12.2018 15:07

Moin!

Auch ein sehr schönes Thema!
Einige der historischen Gasthäuser werden ja bis heute noch als Landgasthof betrieben und bieten nicht selten eine sehr nette Unterkunft und eine gute Küche.

Ein Literaturtipp dazu, speziell zu Schleswig-Holstein:

Monika Frohriep: Vom Postwagen zur Eisenbahn. Kleine Verkehrsgeschichte Schleswig-Holsteins im 19. Jahrhundert.
http://d-nb.info/952301318

Im Kapitel "Gasthöfe, Fremdenzimmer und Logierbesuch" werden einige sehr anschauliche Berichte von Reisenden des 19. Jahrhunderts zitiert, leider ohne weitere Quellenangaben. Hier mal ein Auszug (Zitat aus dem o.g. Buch):

"Für wohlhabende Vergnügungsreisende des frühen 19. Jahrhunderts war es nicht selten ein Schock, wenn Gewohnheiten von zu Hause und im Gasthaus Vorgefundenes allzuweit auseinanderklafften. Eigenes Bettzeug im Gepäck war eine Vorsichtsmaßnahme, um sich notfalls vor Schmutz und Ungeziefer zu schützen. Der Gymnasialdirektor Stille hatte auf dem Weg von Hamburg nach Bordesholm schlechtes Wetter und dazu noch einen Schaden am Wagen. Weiter als bis nach "Schaafhausen" kam er an jenem Tag nicht. "Ich trat mit einer Laune in die Wirthsstube, die ich keinem Könige wünsche, wenn er ein Todesurteil unterschreiben soll. - Ein Schweinehändler, ein reisender Schneidergesell, und ein Bürger aus Kiel mit Frau und Kindern, die zum Besuche ihrer Verwandten in Hamburg gewesen seyn wollten, füllten nebst dem Wirthe und der Wirthinn die Stube aus, und ergossen sich in lauten Klagen über das abscheuliche Wetter; die Letzteren jedoch nur der Heuerndte wegen, denn unser Geschick hatten sie nicht sehr zu beklagen, da es ihnen Gäste zuführte. Ein Getränk, Kaffee genannt, und die Zurüstungen zu einigen Eierkuchen, schützten mich vor der Hand gegen Verdursten und Verhungern; ja, mehr als ich hoffen durfte, wurde mir zu Theile, ein eigenes Zimmer. Ein Schauder überlief mich zwar, als ich hineintrat, und mir eine Luft entgegenkam, von der ich nicht gleich zu sagen wußte, mit welcher Gasart sie am stärksten geschwängert sey. Mit Hülfe eines tüchtigen Zugwindes durch Fenster und Thür, wurde Rath dagegen geschafft, und ich trat, die Nachtmütze auf dem Kopfe, die Oellampe in der Hand, meine Papiere unter dem Arme, hinein."

Viele Grüße
Michael
Das Leben ist kurz, behauptet man.
Ansichtssache, sage ich. Die einen sind kurz, die anderen sind lang, und manche sind mittel.
Außerdem hatte ich noch dreizehneinhalb andere davon.
(Walter Moers, Die 13 ½ Leben des Käpt´n Blaubär)

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Beitrag von Djensi » 02.01.2019 12:36

Moin,

in der Tat ein spannendes Thema. Die Krüge und Ausspänne hielten vor allem auch Vorspannpferde bereit, um an topografisch schwierigen Stellen Vorspanndienste für Frachtwagen zu leisten. Das war auf den sog. Nebenlandstraßen unverzichtbar, die im Gegensatz zu den "modernen" Chausseen im 19 Jhdt. noch weitgehend ohne Ausgleich der Geländetopografie folgten.

Grüße

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Ausspann--Holsteiner Chaussee

Beitrag von erlenmeier » 04.01.2019 22:39

Burghard von Hennings u. a. listen in Ihrem Buch: Die Chaussee Altona-Kiel--Die erste Kunststraße in Schleswig-Holstein in Beiträge zur Denkmalpflege in Schleswig-Holstein, Band 4, die Gasthäuser und Auspannhöfe detailliert auf.

im folgenden ungeordnet:
- Ausspann des Hotels Catharineburg in Molfsee,
- Der Bärenkrug in Molfsee,
- Neuer Haidkrug in Bordesholm,
- Gasthof Einfelder Schanze (Schanze am See)in Einfeld,
- in Rothehahn/Sprenge/Rumohr 2 Wirtshäuser,u.a. Gasthof Rothenhahn,
- Kiel-Gaarden mit Hamburger Baum,
- in Hasloh der Gasthof Schadendorf,
- Gasthof Winzeldorf (Einf. d. Verf.)
- Zur Post in Wiemersdorf,
- In Bilsen Zum Deutschen Haus,später Grüner Wald,
- Lüdemanns Gasthof in Burgwedel.

Nun wäre das ja mal ein Projekt herauszufinden, welche Gebäude davon noch existieren.
Gute Bilder wären hoch interessant...oder?
Nur wer die Vergangenheit kennt, kann auch Gegenwart und Zukunft bewältigen.

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Beitrag von deku » 05.01.2019 13:17

Wow! Ein hochinteressanter Faden hier.

In Thomas Manns Buddenbrooks wird zweimal die Fahrt zur Upperclass-Sommerfrische beschrieben, einmal ein Tagesausflug der Buddenbrooks zu einem wie man heute sagen würde "Bierarten"/Ausflugslokal - interessant hierbei die Details wie Kosten, Personal etc.

Zum Ausspannhaus selber noch ein kleiner Fund: GoogleBooks
Tutto nel mondo è burla, l’uom è nato burlone. (Boito/Verdi, Falstaf)

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