Verteilerkreis Wiesbaden

Verkehrsgeschichte - Straßen, Autobahnen und sonstige Straßenverkehrs-Bauwerke
uechtel
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Beitrag von uechtel » 22.12.2017 14:28

Ich hab mich jetzt nochmal ein wenig mit den alten Karten auseinandergesetzt. Im Groben können wir vier Phasen unterscheiden:

1. Bis 191x
Karte von 1819
Karte von 1893
Karte von 1911
Das ist die Zeit vor dem Bau der Umgehungsstraße. Der Verkehr ist mitten durch den Ort (die heutige Wandersmannstraße bzw., so wie´s da eingezeichnet ist, auch durch die Buschungsstraße und Hünefeldstraße) gelaufen und dort, wo heute die große Kreuzung (Berliner Straße / Wandersmannstraße / Egerstraße) ist, hat dann die Chaussee nach Wiesbaden begonnen. Die Landstraßen nach Kastel (heute Barbarossastraße) und Richtung Domäne Mechtildshausen / Hochheim (die heutige Rennbahnstraße) waren damals natürlich noch durchgängig. Die Ecke Wandersmannstraße / Barbarossastraße / Lilienthalstraße war damals sozusagen Haupt-Verkehrsknotenpunkt. Außerdem gab es auch noch eine Landstraße nach Biebrich, die heute leider komplett verschwunden ist. (ich vermute mal, die dürfte in Biebrich bei der Wuth´schen Brauerei herausgekommen sein). Das Erbenheimer Gebiet, auf dem heute die Autobahn verläuft, war ansonsten anscheinend noch völlig unerschlossen.

2. 192x bis 195x
Da haben wir zum einen die Luftbildaufnahme aus 1929 (siehe weiter vorn im Thread), sowie die
Karte von 1951
Jetzt mit Ortsumgehung. Aus Frankfurt kommend zweigt die neue Umgehungsstraße vorm Ortseingang Wiesbaden schräg nah links ab und verläuft dann geradlinig bis kurz hinter die heutige Rennbahnstraße (damals per Brücke mit seitlichen Auf- bzw. Abfahrten darüber geführt). Dort macht sie einen Bogen nach rechts und verläuft ab da grob gesagt entlang des Verlaufs der heutigen Berliner Straße über zwei durch einen weiteren Bogen verbundene gerade Abschnitte, um sich dann in Ortsmitte ab besagter Kreuzung als Chaussee nach Wiesbaden fortzusetzen. Bis auf die Brücke bleibt die Rennbahnstraße unverändert, auch Krautgartenstraße und Barbarossastraße kreuzen die neue Umgehungsstraße einfach nur.

3. 1974
Straßenkarte von 1974
Leider nicht so wirklich genau und maßstabsgerecht. Die Autobahn verläuft jetzt auf der Trasse der Frankfurter Chaussee und dem ersten Abschnitt der Umgehungsstraße und führt dann ab Rennbahnstraße weiter durch das Wäschbachtal Richtung Wiesbaden. Zu meinem Erstaunen sieht es da so aus, als ob man aber zwischen Ortsmitte und Autobahn nicht einfach nur den bestehenden Rest der Umgehungsstraße genutzt hat, sondern dass diese stattdessen auch so verlegt worden ist, dass sie nun nicht mehr auf der Kreuzung Berliner Straße / Wandersmannstraße / Egerstraße, sondern stattdessen etwas weiter drin im Ort an der Kreuzung Wandersmannstraße / Wäschbachstraße herausgekommen ist. Umgekehrt verläuft die Fortsetzung der aus Wiesbaden kommenden Berliner Straße jetzt ab Kreuzung Wandersmannstraße / Egerstraße im Bogen nach Süden entlang der heutigen Straße Zum Friedhof, die den Teil einer weiteren großen Autobahnusfahrt bildet (interessanterweise ohne vernünftige Anbindung des Autobahnverkehrs aus Richtung Wiesbaden, hier fehlt irgendwie noch ein zweiter Teil des "Kreisels"). Die Straße nach Kastel, die Rennbahnstraße und die Krautgartenstraße sind jetzt natürlich durch die Autobahn unterbrochen, die Straße nach Biebrich ist außerdem wegen der Kiesgrube offenbar auch bereits stillgelegt. Ein kleiner Abschnitt von ihr scheint als Autobahnauffahrt (von Erbenheim auf die Autobahn Richtung Wiesbaden) noch genutzt worden zu sein.

4. Heutiger Verlauf
Statt der beiden Autobahnausfahrten im Ortsbereich Erbenheim gibt es nun etwas weiter westlich vom Ort die neue Ausfahrt auf die B455, die im Bogen an Erbenheim vorbeiführt. Relikte der alten Ausfahrten kann man heute noch von Süden (Abfahrt Fort Bieler) nach Erbenheim benutzen.

Ich habe mal versucht, alle Varianten in google maps mal übereinander zu legen:
https://drive.google.com/open?id=1VQOJm ... sp=sharing
https://www.google.de/maps/@50.0557256, ... Nsr-?hl=de

Was mich vor allem überrascht, ist der Verlauf der Fortsetzung der Berliner Straße ab Ortsmitte Erbenheim. Ich bin immer davon ausgegangen, dass die ursprüngliche Ortsduchfahrt dort über die Wäschbachstraße gefuhrt hätte. Diese Straße besteht noch aus alten Betonplatten und vom Verlauf hatte ich angenommen, dass sie ungefährt zum heutigen Kreisel geführt hätte, von wo es dann Abzweigungen zur Autobahnauffahrt (heute Straße zum Friedhof) und zur Barbarossastraße gegeben hätte. Deswegen hatte ich auch angenommen, dass auch die ursprüngliche Umgehungsstraße (aus den 1920er Jahren) über diese Trasse verlaufen wäre. Deswegen bin ich nun sehr verwundert, dass diese Umgehungsstraße damals praktisch schon dem Verlauf der heutigen Berliner Straße gefolgt ist, aber dass man dann in der Variante 1974 davon abgewichen ist, um dann sozusagen zwei Trassen in diesem Bereich so nah beieinander mehr oder weniger parallel zu führen (die Auffahrt nach Süden als Verlängerung der Berliner Straße aus Wiesbaden und die Auffahrt nach Osten als Verlängerung der Wandersmannstraße). Und dann heute praktisch zur ursprünglichen Variante weider zurückgekehrt ist, also die Wäschbachstraße totgelegt hat und die Trasse der alten Schnellstraße als Verlängerung der Berliner Straße wieder aktiviert hat (mit dem Abzweig am Kreisverkehr).

Schwer das in Worte zu fassen, ich hoffe, ihr kommt mit damit klar, wenn ihr dabei auf die Karten schaut.


Über diesen Verlauf der Umgehungsstraße habe ich mich ehrlich gesagt ziemlich gewundert, weil ich immer davon ausgegangen bin, dass vor der Verlängerung der Berliner Straße eine ältere Trasse entlang der heutigen Wäschbachstraße geführt hat (dort befinden sich heute noch Betonplatten)

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Beitrag von BUZ » 23.12.2017 09:15

sehr interessant ist auch die geplante Trasse der Chaussee nach Frankfurt im Stadtgebiet Wiesbaden.
Vom Hauptbahnhof kerzengrade südwestlich am Südfriedhof vorbei Richtung Elisabethenhöhe.
Der Parkplatz vom REAL Markt auf der Mainzerstrasse ist mittig auf der Trasse und man erkennt dort heute noch perfekt die ursprüngliche Strasse!
Die Strasse endete aber am Südfriedhof.... ich glaube Klausstrasse am ESWE-Ghetto, wurde also nie weitergeführt, stattdessen wurde beim Bau der A66 Anfang der 60er die großzügige AS "Mainzer Strasse" mit der heute baufälligen Salzbachtalbrücke gebaut.

Die Strasse von Erbenheim nach Biebrich war der Erbenheimer Weg und fiel dem Tagebau vom Dyckerhoff zum Opfer.
Der heutige Ferdinand-Knettenbrech-Weg hiess vor 20 Jahren noch " Am Erbenheimer Weg" und endete ursprünglich an der Wuthschen Brauerei.
Gruß
BUZ

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Beitrag von uechtel » 23.12.2017 10:10

In diesem Zusammenhang, wenn man sich die Karten anschaut, erkennt man, dass die Eisenbahntrasse (Ländchesbahn) früher (vor dem Bau des neuen Hauptbahnhofs) auch weiter östlich, näher am Südfriedhof vorbei, verlaufen ist. Von der Lage der Straße her könnte ich mir gut vorstellen, dass die heutige Kriemhilden-Straße diesem Verlauf folgt. D.h. auch diese Strecke könnte dann über den Parkplatz vom Real verlaufen sein.

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Beitrag von BUZ » 25.12.2017 08:11

da kannst Du Recht haben.... der Bahnhof der Ludwigsbahn war dort, wo heute die Rhein-Main-Hallen stehen, die Trasse diagonal durch den heutigen Betriebshof der ESWE-Verkehr und weiter am alten Gaswerk durch die Reisinger-Anlage bis zur Rheinstrasse

Möglicherweise wurde die ursprüngliche Bahntrasse in der Planung als Fernstrasse nach Frankfurt vorgesehen!
Gruß
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Beitrag von Cremer » 25.12.2017 12:05

Auch der Anschluss der Bahn von Dotzheim zum Hauptbahnhof wurde nach dem Neubau des Bahnhofs verändert. (Karte 1893 zu 1911) Führt jetzt länger gerade aus am Moodbach mit neuem Bahnhof Waldstr. ehe die Trasse dann in den Gleisvorfeldbereich einschwenkt.
MfG Euer Fernmelder
Erich Fellgiebel 1935:Nachrichtentruppen sind kostbare, schwer zu ersetzende Mittel der Führung.

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Beitrag von uechtel » 26.12.2017 20:59

Nochmal wieder zurück zu den Erbenheimer Ausfahrten. Ich hatte heute wieder mal ein Gespräch mit einem Alteingesessenen. Auch der hat wieder vom "riesigen Kreisel" fabuliert, den es da mal gegeben haben soll. So weit er sich erinnern kann, war das wohl noch vor dem Bau der A66, also als die alte Umgehungsstraße dann noch direkt in die heutige Berliner Straße eingemündet ist. Die Position dieses Kreisels soll dann an der Ausfahrt zur Boelckestraße gewesen sein, und zar dort, wo dann nach dem Autobahnbau dieser "Halbring" von Ausfahrten gewesen ist. Es soll aber keine Unterführung gegeben haben, sondern tatsächlich nur einen sehr großen oberirdischen Kreisverkehr. Der soll sogar in der Presse groß berichtet worden sein, als größter seiner Art in Deutschland. Zeitpunkt ergo irgendwann so in den 1960er Jahren. Heißt also weitersuchen, vielleicht findet sich ja nochmal was.

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Beitrag von BUZ » 26.12.2017 22:14

auf der Karte von 1974 ist doch wunderbar der Rest vom Kreisverkehr zu sehen: an der AS Erbenheim.... dieser Halbring

Noch heute kannst Du diesen Teil nutzen, als Verbindung von der Wäschbachstrasse zum Friedhof
Teilweise sollte noch Kopfsteinpflaster vorhanden sein!
Gruß
BUZ

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Beitrag von uechtel » 26.12.2017 23:16

Verstehe ich nicht ganz, weil heute geht es dort ja durch eine Unterführung. Der Kreisel soll aber - zumindest nach der heutigen Aussage - oberirdisch gewesen sein.

Außerdem, wenn der Kreisel noch vor dem Bau der Autobahn da war, dann wäre der Verlauf der alten Umgehungsstraße ja gar nicht bis zu der Stelle, wo dann die Autobahnausfahrt war, sondern die ist ja schon vorher - ungefähr auf Höhe der Konradinstraße - rechts abgegangen.

Irgendwas kann da auf alle Fälle nicht passen. Ist halt vielleicht auch schwierig für die alten Leute, sich nach so langer Zeit noch an Details zu erinnern.

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Beitrag von uechtel » 26.12.2017 23:20

Ein anderes Beispiel dafür, er sagt, er sei als Kind von einem roten Bagger so begeistert gewesen und hätte zugeschaut, wie dieser Bagger die Scheune abgerissen hat, der in der Ortsmitte praktisch quer über die Berliner Straße gebaut gewesen sei (also in der Flucht Egerstraße - Wandersmannstraße). Auch das verstehe ich nicht, denn das würde bedeuten, dass die Umgehungsstraße erst zu seinen Lebzeiten (Geburtsjahr 1933) gebaut worden wäre. Dem widerspricht dann aber die Luftbildaufnahme zu Anfang dieses Threads, die aus 1929 stammen soll, und auf der die Umgehungsstraße ja schon zu sehen ist.

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Re: Verteilerkreis Wiesbaden

Beitrag von eulenspiegel » 05.08.2019 15:00

uechtel hat geschrieben: 26.12.2017 23:16 Verstehe ich nicht ganz, weil heute geht es dort ja durch eine Unterführung. Der Kreisel soll aber - zumindest nach der heutigen Aussage - oberirdisch gewesen sein.
Der Vater einer Ex-Freundin, Jahrgang 1950, in Wiesbaden aufgewachsen, hat mir auch mal von diesem großen oberirdischen Kreisel erzählt. In der Mitte gab es eine von allen Seiten zugängliche Tankstelle.
Kreisel und Tankstelle verschwanden (wurden abgerissen), als die B40 bzw. A66 an Erbenheim vorbei weitergebaut wurde. Die Strecke wurde quasi darüber geführt.
Lt. seiner Aussage hat er sich genau dort befunden, wo dann später, als die B40 weitergebaut wurde, die Anschlussstelle Erbenheim mit den Unterführungen gebaut wurde, was natürlich Sinn macht, da so die vorhandenen Straßen als Zubringer weiter genutzt werden konnten. Der Kreisel wurde als quasi unter die Autobahn verlegt.

Natürlich habe ich im Net nach einem Foto gesucht, es scheint keines zu geben; allerdings gab es etwas weiter östlich, bei Sulzheim, eine ganz ähnliche Anlage:
http://motorbloeckchen.com/wp-content/u ... fnahme.jpg
Der Erbenheimer Kreisel samt Tankstelle dürfte sehr ähnlich ausgesehen haben. Auch hier wurde die Tankstelle abgerissen, als die B40 ausgebaut wurde.

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