"Langer Max"

Militärische Objekte des Ersten Weltkriegs, der Kaiserzeit etc.
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zulufox
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Beitrag von zulufox » 18.09.2012 09:28

Godeke hat geschrieben:Hallo :-) ,

mal eine 'dumme' Frage von einem, der keine Ahnung hat: warum gab es solche Stellungen? Wenn man die Erläuterungstafeln sieht, dann wurde das Eisenbahngeschütz da reingefahren, war ja aber trotzdem offen. Ist das nicht ein sehr großer Aufwand, der das Geschütz außerdem ja räumlich festlegt auf diese Stellung? Ich dachte immer, die hätten irgendwo vom 'öffentlichen Schienennetz' aus geschossen und dann öfter mal den Standort gewechselt?
Hallo Godeke,

schau mal hier http://de.wikipedia.org/wiki/38-cm-SK-L/45 nach: Dieses Geschütz kam sowohl als Eisenbahngeschütz als auch als Bettungsgeschütz zum Einsatz. Die ausbetonierten Stellungen sind die Seitenrichtvorrichtungen für die Bettungsgeschütze. Das Prinzip ist auf der Skizze gut zu erkennen: Die Rohrwiege (oder Lafette) ist auf einem Pivot drehbar gelagert und liegt auf der rückwärtigen Seite auf dem ringförmigen "Drehkranz" auf. Dadurch kann das Geschütz in einem ziemlich großen Seitenrichtbereich gedreht werden.

Als Eisenbahngeschütz benötigt es für die Seitenrichtung eine Seitenrichtkurve der Gleise, auf denen es steht, und muss für eine Richtungsänderung erst durch eine Lokomotive gezogen werden.

MfG
Zf :holy:
Demosthenes (384 - 322 v. Chr. Athen)
"Nichts ist leichter als Selbstbetrug, denn was ein Mensch wahrhaben möchte, hält er auch für wahr."

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Red Baron
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Beitrag von Red Baron » 18.09.2012 13:31

Fertige und betonierte Stellungen besaßen ihren Vorteil in der geringeren Entdeckbarkeit durch feindliche Aufklärung. Die betonierte Stellung läßt sich in jedem Wald anlegen und aufgrund ihrer geringeren Räumlichkeit besser tarnen. Das war bei einer Gleiskurve und dem Gleisanschluß sachgemäß viel schwieriger.
Zum anderen war eine stabile und feste Bettung für ein präzises Schießen sehr wichtig. Das schwere Steilfeuer (z.B. 30,5cm Kartaune, 42cm M-Gerät) litt ständig unter dem Einsacken während des Schießens. Dabei konnte sich das Geschütz seitlich neigen, weil der Boden dort eben weicher war. Ein geneigtes Geschütz schießt aber nicht mehr präzise.
Häufige Stellungswechsel gab es bei der schweren Artillerie sowieso nicht, da der Aufwand für das Instellunggehen viel zu aufwändig war. Schon das Ändern des Seitenrichtfeldes beim 42cm Mörser in gleicher Stellung dauerte etwa sechs Stunden.

Gruss

Andreas

Saska
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Beitrag von Saska » 18.09.2012 15:31

Hallo Zusammen

Eine weitere Erklärung für die Wahl einer ortsfesten Aufstellung dieser schweren Geschütze liegt darin, dass es sich dabei eigentlich um Schiffsgeschütze der Marine handelte, welche aufgrund des Bedarfs des Heeres an weitreichender Artillerie von der Marine an das Heer abgegeben wurden. Zeitgleich hatte man bereits durch den vorherigen Einsatz von ortsfesten Schiffsgeschützen an Land vor dem Ersten Weltkrieg innerhalb der deutschen Küstenbefestigungen etliche Erfahrungen gesammelt, siehe z.B. die 30,5-cm Batterie auf der Hochseefestung Helgoland in ihren beiden Doppeltürmen. Somit lag es nahe auf dieses Konzept erneut zurückzugreifen.

Die Entwicklung der deutschen Eisenbahngeschütze ist etwas jünger und kam eigentlich erst während des Ersten Weltkrieges auf bzw. zur vollen Entwicklung. Sprich man hatte lange Zeit während des Ersten Weltkrieges in Deutschland gar keine oder fast keine Eisenbahngeschütze.

Auch dieser Weg begann mit der Abgabe von Schiffsgeschützen. So kamen beispielsweise Geschütze der Mittelartillerie der alten kaiserlichen Linienschiffe in die Bestände des Heeres. Diese sollten durch das Einlegen in eine Feldlafette als bewegliche schwere Artillerie fungieren, stellten sich aber schnell auf den Schlachtfeldern als viel zu schwerfällig heraus. Somit entschied man sich diese Geschütze auf Niederbordwagen der Eisenbahn samt ihrer Feldlafette aufzustellen und schuf so erste behelfsmässige Eisenbahngeschütze, siehe z.B. die 17-cm "Samuel" E-Geschütze. Projekte mit größeren Kalibern waren zwar zu diesem Zeitpunkt bereits in Deutschland gestartet aber deren Ergebnisse noch nicht ausreichend verfügbar. Bis dies soweit war, fiel dann die Wahl auf die ortsfeste Variante.

Grüße Saska

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Red Baron
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Beitrag von Red Baron » 19.09.2012 07:41

Vor dem 1. Weltkrieg gab es tatsächlich keine Eisenbahngeschütze. Die Entwicklung der E-Geschütze begann bei den Franzosen. Da man auf französischer Seite bei schwerer Artillerie dem Deutschen Reich unterlegen war, nutzte man dort überzählige schwere Marinerohre, um einen Ausgleich herzustellen. Die Vorläufer der E-Geschütze waren die sogenannten affuts trucs, Geschütze in Bettungsschießgerüsten.
Auf der deutschen Seite kam man aufgrund von Materialmangel bald in eine ähnliche Situation, welche die Verwendung von nicht benötigten Marinerohren notwendig machen ließ. Dabei ging es zunächst um die entsprechende Mobilität dieser schweren Rohre und ihre Bettungsschießgerüste. Die Eisenbahn wurde zunächst nur benutzt, um das Geschütz in Stellung zu fahren und abzusetzen. Erst das vermehrte Auftauchen französischer E-Geschütze Ende 1915 ließen im Deutschen Reich gleiche Entwicklungen zu. Während der Kämpfe an der Somme 1916 forderte das A.O.K. von Gallwitz bei der OHL den Bau von E,Geschützen. Bemerkenswerterweise oblag die Entwicklung der E-Geschütze beim Reichsmarineamt. Da man bereits sich mit solchen Entwicklungen beschäftigt hatte, konnte man bereits im Dezember 1916 das erste 24cm E-Geschütz bei Krupp in Meppen testen.

Die H.Dv. 200/k vom Juni 1939 beschreibt übrigens detailliert die Bedingungen und den Einsatz der E-Artillerie. Die Anforderungen an Stellung, Gleisuntergrund, Gleisradius und Tarnung sind immens.


Gruss

Andreas

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Markus
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Beitrag von Markus » 20.09.2012 08:56

:thanx:
Danke Euch für die ausführlichen Erläuterungen!
Militärgeschichtliche Exkursionen und Recherchen / Maas - Argonnen - Champagne / Preußischer und französischer Festungsbau

OWW
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Beitrag von OWW » 20.09.2012 18:50

Moin,

wer nun richtig interessiert ist, kann (fast alles) zu einer solchen Batterie in der
IBA-Information 48 vom April 2012 nachlesen. Dort wird die 38cm Batterie Zillisheim im Oberelsass auf 66 Seiten vorgestellt, inkl. Erfolg oder Mißerfolg der Tarnmassnahmen, Erfolg der Beschiessung von Belfort, französische Gegenmassnahmen, den heutigen Zustand usw.

Gruß
Oliver

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Zillisheim

Beitrag von Saska » 21.09.2012 07:19

Und wer schöne Fotos über den jetzigen Zustand und einen gut gemachten Übersichtsplan der Batterie sehen will, der findet dies unter folgendem Link:

http://www.lieux-insolites.fr/alsace/canon/canon.htm

Ebenfalls finden sich sehr schöne historische Fotos allgemein zum Thema der damaligen überschweren Geschützbatterien an der Westfront sowie hochinteressante Schnittzeichnungen der Schießgerüste unter dem nachfolgenden Link. Der bietet, wenn auch in französsicher Sprache am Ende sogar eine komplette Übersichtsliste aller schweren Batterien damals:

http://html2.free.fr/canons/canmax.htm

Grüße Saska

Roland
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38cm Max von Zillisheim

Beitrag von Roland » 22.09.2012 12:19

OWW hat geschrieben:Moin,

wer nun richtig interessiert ist, kann (fast alles) zu einer solchen Batterie in der
IBA-Information 48 vom April 2012 nachlesen. Dort wird die 38cm Batterie Zillisheim im Oberelsass auf 66 Seiten vorgestellt, inkl. Erfolg oder Mißerfolg der Tarnmassnahmen, Erfolg der Beschiessung von Belfort, französische Gegenmassnahmen, den heutigen Zustand usw.

Gruß
Oliver
Guten Tag Oliver,
kannst du mir sagen wer der Schreiber ist von diesem IBA Heft 48?
Wo Kann man das Bestellen?
Christian Schmidt in München hat diese Hefte nicht mehr.

Besten Dank und viele Grüsse
Roland

Roland
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38cm Max von Zillisheim

Beitrag von Roland » 22.09.2012 12:27

OWW hat geschrieben:Moin,

wer nun richtig interessiert ist, kann (fast alles) zu einer solchen Batterie in der
IBA-Information 48 vom April 2012 nachlesen. Dort wird die 38cm Batterie Zillisheim im Oberelsass auf 66 Seiten vorgestellt, inkl. Erfolg oder Mißerfolg der Tarnmassnahmen, Erfolg der Beschiessung von Belfort, französische Gegenmassnahmen, den heutigen Zustand usw.

Gruß
Oliver
Guten Tag Oliver,
kannst du mir sagen wer der Schreiber ist von diesem IBA Heft 48?
Wo Kann man das Bestellen?
Christian Schmidt in München hat diese Hefte nicht mehr.

Besten Dank und viele Grüsse
Roland

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bettika
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Beitrag von bettika » 22.09.2012 12:34

Hallo Roland,
schon mal hier versucht? http://www.iba-informationen.de/Hauptseite1.htm

Grüsse
bettika
„Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnern kann, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.“ George Santayana

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