Materialfluss (Logistik) in der Rüstung: Verkehrsobjekte und -wege (Schiene, Wasser, Land)

Rüstungsindustrie, Waffen- und Munitionsproduktion, Munitionsanstalten, Tanklager, Depots, U-Verlagerungen etc.
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-zAc- (†)
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Materialfluss (Logistik) in der Rüstung: Verkehrsobjekte und

Beitrag von -zAc- (†) » 22.12.2010 18:15

Hallo zusammen,

vor dem Hintergrund, das Rüstungsgüter nicht nur an bestimmten Ort in Industriebetrieben gefertigt wurden, sondern auch den Weg zu ihrem Bestimmungsziel finden mussten bzw. transportiert oder zeitweilig zwischengelagert wurden, ergab sich ein definierter Bedarf von Verkehrswegen und/oder damit verbundenen Bauten (Objekte). Diese Objekte mussten in der Lage sein, bestimmte Kapazitäten aufzunehmen, umzuschlagen oder zu bewegen, um den Materialfluss der Rüstungagüter (Waffen, Munition, Kraftstoff, Material, Verpflegung) sicherzustellen.

Mit einem Objekt ist nicht unbedingt jede Landstraße, jeder Feldweg, jeder beschiffbare Fluß oder irgendeine einspurige Gleisführung in einer x-beliebigen Gegend gemeint und nennenswert.

Vielmehr sind Verkehrsobjekte zur Sicherstellung eines reibungslosen Ablaufs von der Herstellung bis zur Bestimmung gemeint. Hierbei sollten diese Objekte eine strategische oder herausragende operativ/taktische Bedeutung aufweisen können. Eisenbahnknotenpunkte, Kanal- oder Flussabschnitte, Schleusen, Eisenbahn- Straßen- oder Kanalbrücken, besondere Bahnhofs- und Hafenanlagen, Pipelines, eben Einrichtungen, die im Zusammenhang mit der Gewährleistung des Materialflusses standen.

Und davon gab es meiner Ansicht nach viele und zu völlig unterschiedlichen Zwecken.

Zur besseren Veranschaulichung füge ich eine Skizze, leider nur in englisch, bei, aus der sich die logistischen Verschlingungen des Materialflusses (vom Hersteller bis zum jeweiligen Bestimmungsort) im Rüstungsbereich erahnen lassen. Q: Handbook-on-German-Military-Forces-1945, US-Forces

Beste Grüße
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Zuletzt geändert von -zAc- (†) am 22.12.2010 21:06, insgesamt 2-mal geändert.
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-zAc- (†)
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Mittellandkanal und Ubootbau

Beitrag von -zAc- (†) » 22.12.2010 18:47

Hallo zusammen,

als in der zweiten Hälfte 1944 der britische Geheimdienst herausgefunden hatte, dass Anfang 1945 die Deutsche Rüstung den Ubootbau (Modell XXI) auf über 20 Einheiten im Monat (gegenüber 6 bis 7 Einheiten vorher)durch ein neues Fertigungsverfahren steigern wollte und klar wurde, dass diese Maßnahme den Krieg durch schwer kontrollierbare Störungen der eigenen Nachschubwege u.U. erheblich verlängern könnte, musste die militärische Führung der Alliierten reagieren. Man wusste, dass dieses Fertigungsverfahren eine dezentrale Herstellung von Segmenten vorsah, die dann einer verbunkerten Endmontage zugeführt werden sollte. Siehe auch

https://www.geschichtsspuren.de/artikel ... farge.html

Die Zuführungswege mussten so beschaffen sein, die relativ großen und schweren Segmente transportieren zu können. Hier bot sich der Wasserweg zum Transport an.

Aus dem Ruhrgebiet kommende Güter müssten, um nach Bremen-Farge zu gelangen, auf dem Mittellandkanal transportiert werden, so die Annahme der Alliierten.

Es wurde beschlossen, an einer strategisch günstigen Stelle den Kanal zwecks nachhaltiger Unbrauchbarkeit zu bombardieren. Dazu wurde der Ort Gravenhorst bei Hörstel ausgewählt.

In den Nächten des 22. November 1944 und 1. Januar 1945 erfolgte die völlige Zerstörung durch die RAF.
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petzolde
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Beitrag von petzolde » 22.12.2010 23:43

Um diesen Kanal-Nachschubweg zu unterbrechen,hätte es noch andere Stellen zum Bombardieren gegeben am Dortmund-Ems-Kanal (DEK):
a)Lippe-Überführung bei Datteln
b)daran anschließend: Kanal-Hochlage bei Olfen
c)Kanal-Hochlage südlich Münster-Hiltrup
d)Schleuse Münster
e)Ems-Überführung nördlich von Münster
f)Schleusenabstieg Bevergern (am Abzweig des Mittellanskanals,bei Hörstel).
Und am Mittellandkanal:
g)Überführungen und Schleusen in Minden.

Bombardierungen an den genannten Stellen hätten nicht nur das Kanalbett unbrauchbar gemacht, wie bei Hörstel, sondern durch Leerlaufen und Überflutungen auch noch weitere und nachhaltigere Schäden produziert.
Was sprach für die Bombardierung gerade bei Gravenhorst?
Gute Erreichbarkeit von Britain?
Fehlende Abwehr?
gruß EP

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Djensi
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Beitrag von Djensi » 23.12.2010 09:04

Moin,

sicher bin ich nicht der Stratege vor dem Herrn, aber an dieser Stelle wurde das Kanalbett zerstört und der Kanal ist leergelaufen, mind. zwei Straßenverkehrswege zerstört und alles in einer überschaubaren Fläche. Die Stelle nimmt somit eine Schlüsselposition ein und etwaige Wiederherstellungsarbeiten könnten später effektiv gestört werden.

Grüße
Djensi

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kuhlmac
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Beitrag von kuhlmac » 23.12.2010 10:02

Djensi hat geschrieben:Moin,

sicher bin ich nicht der Stratege vor dem Herrn, aber an dieser Stelle wurde das Kanalbett zerstört und der Kanal ist leergelaufen, mind. zwei Straßenverkehrswege zerstört und alles in einer überschaubaren Fläche. Die Stelle nimmt somit eine Schlüsselposition ein und etwaige Wiederherstellungsarbeiten könnten später effektiv gestört werden.

Grüße
Djensi
Ich gebe dir absolut recht, dass das eine Schlüsselposition ist, direkt am Anfang des MLK und nur knapp 40 km (also nur wenigste Flugminuten) von der Reichsgrenze weg.

Dazu noch Straßenbrücken und kurz im Norden eine Bahnbrücke, damals ja besonders relevant. Je weiter man nach Süden kommt, desto mehr näherte man sich ja dem Ruhrgebiet und im Osten Ibbenbüren und Osnabrück und immer intensiverer Flak. Insoweit sicher ungestörter. Und die Nähe zur Grenze und damit GB hat sicher auch was. Und wer hätte ausgerechnet da mit einem Angriff gerechnet?

Der leerlaufende Kanal und die wirtschaftlichen Probleme im letzten Kriegsjahr, zusammen mit der kalten Jahreszeit (Eis! sieht man ja auch auf dem 2. Foto) machen da eine kurzfristige Wiederherstellung fast unmöglich.
Das dachte man zwar auch von der Möhne, aber hier ist das sicher schon schwieriger gewesen.

hollihh
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Beitrag von hollihh » 23.12.2010 19:20

Moin,

die Frage "Warum Gravenhorst?" hatte ich mir auch zuerst gestellt - wenn man Tante Google aber mal bemüht, kann man lesen, das es bei den Angriffen nicht nur um den MLK sondern auch um die in unmittelbarer Nähe gelegene Abzweigung aus dem DEK ging.

Interessante Bilder, obwohl eseinige Mühe gemacht hat, diese genau zuzuordnen...

Gruß

Holli

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zulufox
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Dortmund-Ems-Kanal

Beitrag von zulufox » 23.12.2010 20:53

Hallo Leute,

es gab ja nicht nur diesen einen Angriff auf Gravenhorsst, es gab mehrere, aber auch andere Kanalabschnitte wurden angegriffen.
Eines der ausgesuchten Ziele waren die Dämme des Dortmund-Ems-Kanals bei Ladbergen. Hier ragten beide Dämme mehrere Meter über die Umgebung, ein Treffer im Damm führte als zum Leerlaufen des Kanals.
Der erste Angriff auf diesen Streckenabschnitt erfolgte am 14./15. September 1943, den 8 Lancaster der 617th Squadron fliegen sollten, dabei sollten 12.000 lbs-Bomben (keine "Tallboy) geworfen werden. Wegen schlechten Wetter im Zielgebiet wurde der Anflug abgebrochen.
Am 23./24. September 1944 griffen 136 Lancaster und 5 Mosquitoes den Abschnitt an. Dabei wurden beide Dämme durch Treffer von 12.000 lbs "Tallboy", geworfen durch Flugzeuge der 617th Squadron zerstört.
Auch am 21./22. November 1944 wurde der Abschnitt erneut angegriffen und der gerade reparierte Damm wiederum zerstört.
Kleiner Nebeneffekt: Durch das auslaufende Wasser wurde der Feldflugplatz Greven so unter Wasser gesetzt, dass Stab und I./Jagdgeschwader 26 ihn am 24. November räumen mussten. Die Flugzeuge wurden dazu über Wege und Straßen zur nächsten Startmöglichkeit geschleppt.

An den Daten des ersten Angriffs kann man schon erkennen, dass die Zielauswahl etwas mit der Bedeutung der Wasserwege für das Transportwesen im Deutschen Reich zu tun hatte und weniger mit dem Transport der U-Boot-Sektionen.

MfG
Zf :holy:

Quelle für die Angriffsdaten:
Middlebrook, Martin; Everitt, Chris
The Bomber Command War Diaries An operational Reference Book 1939 - 1945
Penguin Books Ltd. Harmondsworth; 1. Auflage 1985, ISBN: 0670801372
Demosthenes (384 - 322 v. Chr. Athen)
"Nichts ist leichter als Selbstbetrug, denn was ein Mensch wahrhaben möchte, hält er auch für wahr."

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bettika
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Re: Materialfluss (Logistik) in der Rüstung: Verkehrsobjekte

Beitrag von bettika » 25.12.2010 21:36

[zAc-"]Hallo zusammen,

vor dem Hintergrund, das Rüstungsgüter nicht nur an bestimmten Ort in Industriebetrieben gefertigt wurden, sondern auch den Weg zu ihrem Bestimmungsziel finden mussten bzw. transportiert oder zeitweilig zwischengelagert wurden, ergab sich ein definierter Bedarf von Verkehrswegen und/oder damit verbundenen Bauten (Objekte). Diese Objekte mussten in der Lage sein, bestimmte Kapazitäten aufzunehmen, umzuschlagen oder zu bewegen, um den Materialfluss der Rüstungagüter (Waffen, Munition, Kraftstoff, Material, Verpflegung) sicherzustellen.
Hallo ,
die Art der vorhandene Verkehrswege waren damit bestimmend bei der Auswahl der Standorte
der Baulichen Anlagen für Rüstungsgüter.
Als Beispiel die Anforderung für die Tanklager der Luftwaffe:
Quelle:] DER REICHSMINISTER DER LUFTFAHRT UND OBERBEFEHLSHABER DER LUFTWAFFE - AMTSGRUPPE BAU(19.10.1939): Schreiben (Az. 63 h 36 LTL LD 7 III B Nr. 13396/39 g.) betreffend Richtlinien für die Planung von Lufttanklagern (mit Anlage: Richtlinien für die Errichtung von Lufttanklagern). (BA-BLi WF 02/7002)

Die Lufttanklager (LTL) hatten ein Fassungsvermögen von 20 Millionen Litern Flugzeug-Treibstoff.
Der max. Tagesumschlag lag bei 250 Eisenbahnkesselwagen (EKW):
• Bis zu 125 ankommende Wagen konnten entleert und ebenfalls 125 leere Wagen gefüllt werden. Bei einem Fassungsvermögen je Wagen von 15 bis 20 t lag der maximale Tagesumschlag bei ca. 5.000 t Treibstoff.
Bedingt durch die Umschlagskapazität eines LTLs war ein günstiger Anschluss an öffentliche Verkehrswege erforderlich.
Es war zu beachten:
• dass ein Anschluss an ausbaufähige Bahnhöfe von Nebenbahnen mit günstiger Verbindung zu den Hauptbahnenmöglich war,
• dass die in Frage kommenden Landstraßen möglichst breit und fest waren und ggf. den Anschluss an die A utobahn ermöglichten,
• dass die in Betracht kommenden Wasserstraßen, während der ganzen eisfreien Jahreszeit, auch
bei Normal-
Niedrigwasser, mit normalen Tankleichtern befahrbar waren und den Ausbau eines Hafens sowie die wirtschaftliche
Ausführung einer Rohrleitung zum Tanklager erlaubten.Der Anschluss eines LTLs sollte zugleich an alle drei Verkehrswege möglich, mindestens aber sollten sie zur Eisenbahnund Landstraße günstig gelegen sein.

Für den Umschlag von täglich 250 EKW besaß ein LTL einen Übergabebahnhof, der aus mindestens 3 Gleisenvon je 350 m nutzbarer Länge bestand: ein Gleis für ankommende Züge, ein Gleis für abgehende Züge sowie ein
Überholgleis. Die durchschnittliche Länge des Aufstellbahnhofes betrug ca. 500 m
Grüsse
Bettika

Büttner
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Re: Materialfluss (Logistik) in der Rüstung: Verkehrsobjekte

Beitrag von Büttner » 28.12.2010 17:26

bettika hat geschrieben:
[zAc-"]
Für den Umschlag von täglich 250 EKW besaß ein LTL einen Übergabebahnhof, der aus mindestens 3 Gleisenvon je 350 m nutzbarer Länge bestand: ein Gleis für ankommende Züge, ein Gleis für abgehende Züge sowie ein
Überholgleis. Die durchschnittliche Länge des Aufstellbahnhofes betrug ca. 500 m
Grüsse
Bettika
Heh, interessant - Danke für die Info! Ich gehe mal davon das diese Infrastruktur zwingend notwendig sein muss und mind. das dann auch in der beschriebenen Form auch vorhanden war?

Hier ein mögliches Beispiel:
http://maps.google.de/maps?hl=de&ie=UTF ... 5&t=h&z=15

roxel

Beitrag von roxel » 28.12.2010 21:38

Mal ergänzend zum Beitrag von bettika:

Der Anschluß eines LTLs sollte zugleich an alle drei Verkehrswege möglich, mindestens aber sollten sie zur Eisenbahn und Landstraße günstig gelegen sein.

Jedes Lufttanklager umfaßte 27 Behälter von je 750 m³, die in drei Gruppen zu je 9 Behältern angeordnet waren. Den Mittelpunkt dieser Gruppe bildete der kommandostand (Ventilgebäude) von dem aus der gesamt Füllbetrieb der Treibstoffe gesteuert wurde.

Ferner waren vorhanden:
- eine Eisenbahnfüllstelle mit 8 Zapfstellen zwischen 2 Gleisen mit 80 m gerader Gleislänge (Abstand der Gleisachsen 5,20 m).
- eine Energiestation mit Trafo und Notstromaggregat.

Der Abstand des Kommandostandes (Gebäudemitte) zur Eisenbahnfüllstelle betrug ca. 27,5 m. Im Normalfall lagen die 9 Lagertanks sowie die Energiestation auf einem Kreisbogen um den Kommandostand, so daß die von dort zu den Behältern bzw. Pumpstationen führenden Rohrleitungen gleich lang waren.

...

Quelle: DER REICHSMINISTER DER LUFTFAHRT UND OBERBEFEHLSHABER DER LUFTWAFFE - AMTSGRUPPE BAU(19.10.1939): Schreiben (Az. 63 h 36 LTL LD 7 III B Nr. 13396/39 g.) betreffend Richtlinien für die Planung von Lufttanklagern (mit Anlage: Richtlinien für die Errichtung von Lufttanklagern). (BA-BLi WF 02/7002)

Gruß
Michael

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