Westwallzigeuner

Westwall, Atlantikwall, Neckar-Enz-Stellung, Ligne Maginot und andere Befestigungslinien und -anlagen
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EricZ
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Westwallzigeuner

Beitrag von EricZ » 16.10.2007 11:28

Moin,

kann jemand etwas mit dem Begriff Westwallzigeuner anfangen?
Habe vor einigen Tagen einen Bericht über Deutschland während der Kriegszeit im Fernsehen gesehen, in dem darüber berichtet wurde, daß mit Beginn des Krieges die östlich des Westwall lebenden Einwohner ihre Heimat verlassen mußten.
Konkret ging es hier um einen Bereich in der Pfalz, der aber im Bericht nicht weiter (welche Ortschaft usw.) benannt wurde.

Mir stellen sich die Fragen, ob es für diese Umsiedlung eine gesetzliche Grundlage gab, und ob diese Maßnahmen an der ganzen westlichen Staatsgrenze umgesetzt wurden, z.B. auch im Bereich des Niederrheins.

Weiß jemand ein bißchen mehr?
Danke für jede Antwort! :)

Viele Grüße, Eric
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petzolde
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Beitrag von petzolde » 16.10.2007 13:44

Vor einigen Tagen blätterte ich in einem Buchladen in Andernach in einem Jahrbuch eines Heimatvereins (ö.ä.). Dort wurde über die Zwangsumsiedlung der Bewohner an der deutschen Westgrenze zu Frankreich berichtet. Man befürchtete Ende 1939 einen Entlastungsangriff Frankreichs, und daher wurden Einwohner grenznaher Orte (Entfernung unbekannt) zwangsweise und ohne lange Vorbereitung ins Reich-Hinterland, zB auch in den Raum Koblenz, gebracht, und privat einquartiert.
Nach dem erfolgreichen Beginn des Frankreich-Überfalls durften diese Leute zurück. Das wurde wohl auch erzwungen, denn die Leute störten eigentlich, weil man das Rheinland und die Pfalz - und die dortigen Quartiere - zum weiteren Truppenaufmarsch gen Frankreich brauchte.
Der Begriff "Westwallzigeuner" paßt demnach dazu, obwohl ich ihn in der Publikation nicht gesehen habe.
Fall Interesse besteht, kann ich in Kürze dem nachgehen, wenn ich wieder im Raum Koblenz zu tun habe.
gruß EP

Biedermann (†)

Beitrag von Biedermann (†) » 16.10.2007 21:07

Kann man auch mal nach googeln.
Dann findet man z. B. dies hier:
(Weblink)

Der Schülerwettbewerb Deutsche Geschichte um den Preis des Bundespräsidenten zählt zu den bekanntesten Projekten der Hamburger Körber-Stiftung.
Prämierte Schülerbeiträge aus dem Wettbewerb 1982/83:
Alltag im Nationalsozialismus – Die Kriegsjahre in Deutschland

Karlsruhe
Klasse 10a (31 Verfasser)
(Buch 50 / 0135)
Westwallzigeuner und Räumungswitwer
(22 S. Darst. und 12 S. Dok.)
10. Klasse, Bismarckgymnasium, 7500 Karlsruhe 1.
Tutor: Günther Treiber, 7500 Karlsruhe 41.
Die Schüler berichten über die Räumung der Stadt Karlsruhe, die Anfang September 1939 zur “roten Zone” erklärt worden war, über das Leben der von den Einheimischen als “Westwallzigeuner” bezeichneten Karlsruher in den Aufnahmegebieten, das Leben in Karlsruhe während der Evakuierung sowie über Entschädigungen und Unterstützungen für die “Rückgeführten”.
Quellen: Lokalgeschichtliche Darstellungen. Interviews mit Zeitzeugen; Akten des Generallandesarchivs (u. a. NSDAP-Bericht über die Räumung, 1940).

Grüße
Ingo

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EricZ
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Beitrag von EricZ » 17.10.2007 10:49

Moin,

Danke Eckhard, danke Ingo für eure Beiträge!

Im Netz gefunden habe ich natürlich die wenigen, verschiedenen Seite... ;)
Festgestellt habe ich dabei, daß der Begriff der Westwallzigeuner danach möglicherweise nur im Südwesten verwendet wurde.

Für mich war aber der weitere Aspekt, da der Westwall im Norden ja im Raum Kleve am Niederhein (nicht die K. in Schleswig-Holstein), ob auch in dem Bereich nördlich Baden-Würtemberg, Rheinland-Pfalz solche Maßnahmen durchgeführt wurden, z.B. im Vorfeld des Westfeldzuges 1940.

Evakuierungsmaßnahmen im Bereich Kleve wurden nach dem 17.09.1944 beispielsweise durchgeführt. Dies ist aber ein anderes Thema. :holy: :holy:

Grüße, Eric
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zulufox
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Literaturempfehlung

Beitrag von zulufox » 17.10.2007 18:43

Hallo Eric,

zu dem Thema noch eine Literaturempfehlung:

Nosbüsch, Johannes
Damit es nicht vergessen wird ... Pfälzer Land im Zweiten Weltkrieg Schauplatz Südpfalz
Pfälzische Verlagsanstalt GmbH, Landau/Pfalz, 9. Auflage 1997; ISBN: 3 – 87629 – 025 – 2

Auf den Seiten 85 - 93 das 5. Kapitel: Die "Freimachung" der Roten Zone
und auf den Seiten152 - 164 das 9. Kapitel: Heimkehr aus der Evakuierung.

MfG
Zf :holy:

P.S.: Noch ein weiteres Kapitel für dich: Seiten 292 - 303: Landaus "Schwarzer Freitag" (16.März 1945)

Gast

Beitrag von Gast » 08.03.2008 17:47

Hallo,

etwas zum Konzept rote Zone/grüne Zone 1939 findet man unter:

http://www.memotransfront.uni-saarland. ... ept%20Rote

Momentan sind wir in unserem Ort dabei, die Erlebnisse der Evakuierten "aufzuschreiben", nicht ganz einfach, da die Zeitzeugen nicht mehr die Jüngsten sind.

Falls es ähnliche Initiativen an anderen Orten gibt, würden wir uns über einen Hinweis freuen.

Viele Grüße aus der roten Zone

VG

Lotte Hong
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Re: Westwallzigeuner

Beitrag von Lotte Hong » 28.01.2020 07:04

Hallo Eric,

Ich bin in Ettenheim im Ortenaukreis aufgewachsen und aus meiner Familie ist mir der Ausdruck bekannt.
Viele Dörfer, die näher am Rhein liegen, wurden zeitweise zwangsevakuiert, unter anderem Nonnenweier. Die Bewohner mussten nach Dörlinbach.
Die aufnehmenden Gemeinden fanden das natürlich erstmal schlecht u dort entstand der Begriff als abwertende Bezeichnung.
In meiner Jugend war es noch häufig so, das Zigeuner in vielen Situationen als Schimpfwort verwendet wurde. Immer für Leute, die nicht richtig arbeiten, womöglich "Krumme Dinger" drehen und einfach generell als "nid ganz suufer" galten.

Mein Cousin ist sehr geschichtsinteressiert und empfahl Ortschroniken, um mehr zu erfahren.

Ich war auf den Begriff gestoßen, als ich zur Antiatomkraft Bewegung in Whyl gelese habe. (siehe bei Jens Ivo Engels https://freidok.uni-freiburg.de/data/4826)

Viele Grüße

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