NATO-Flugplatz Birkhof

Fliegerhorste, Militärflugplätze, Ausweich- und Notlandeplätze und zugehörige Anlagen
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Bert
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NATO-Flugplatz Birkhof

Beitrag von Bert » 11.01.2007 22:35

Hallo zusammen,

das Bundesarchiv listet Unterlagen zu einem "NATO-Flugplatz Birkhof" (siehe http://www.bundesarchiv.de/foxpublic/7E ... _oben.html)
Die Dokumente reichen von 1957 bis 1967.

Das einzige Birkhof finde ich in BaWü, ca 14 km NNW von Sigmaringen. Das passt auch wunderbar zum ebenfalls dort genannten "Heilerziehungsheim Mariaberg". Mariaberg liegt ca. 7 km nordöstlich von Birkhof. Bestätigt wird das auch durch eine Postkarte "Heilerziehungsheim Mariaberg b. Reutlingen", die bei eBay erhältlich ist (siehe http://cgi.ebay.de/ws/eBayISAPI.dll?Vie ... 0012954715).

Nun befindet sich dort kein Flugplatz (und offenbar gab es auch vor 1945 dort keinen Fliegerhorst). Auf GE ist auch sonst nicht viel zu sehen. Bin ich auf der richtigen Spur? Hat jemand eine Ahnung, was aus den Planungen geworden ist? Was hat ein Flugplatz mit einem "Heilerziehungsheim" zu tun?

Suche im Forum und bei Google bisher erfolglos.

Rick, vielleicht du?

Danke + Grüße
Bert
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zulufox
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Beitrag von zulufox » 12.01.2007 12:24

Hallo Bert,

ich habe gerade mal hier:

Kropf, Klaus
Jet-Geschwader im Aufbruch
Erste Jets der Bundeswehr in Luftwaffe und Marine

VDM Heinz Nickel, Zweibrücken; 1. Auflage 2003
ISBN 3 - 86619 - 001 - 8

geblättert und auf Seite 15 ein interessantes Zitat aus dem Tagesprotokoll des Inspekteurs der Luftwaffe vom 31. März 1960 gefunden:

"Aufstellungstermine und Standorte
- ...
- Jagdgeschwader 76; Gammertingen 01. Januar 1963"


Damit sind wir genau bei dem o.a. angegebenen Birkhof (72419 Neufra Birkhof).
Die Planung zur Aufstellung der Jagdgeschwader 75 und 76 wurde wohl schon Ende 1960 aufgegeben, damit entfiel dann auch die Notwendigkeit zum Bau des Fliegerhorstes.

MfG
Zf :holy:

hollihh
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Beitrag von hollihh » 12.01.2007 13:06

Moin,


wir hatten doch in diesen beiträgen schon einmal das Problem mit den "fehlenden" JaboGeschwader 37 :

viewtopic.php?t=9195&postdays=0&postorder=asc&&start=0

Hast Du in dem besagten Buch einen Hinweis dazu ??

Gruß

Holli

Rick (†)

Beitrag von Rick (†) » 12.01.2007 15:22

Hallo Bert,
die Bände in Freiburg habe ich "zufällig" schon alle durchgeackert. Dort findet sich aber keine Geschwadernummer. Es war jedoch ursprünglich die Stationierung eines Jagdbombergeschwaders mit zwei Staffeln F-104G zum 01.07.60 geplant, anfänglich vielleicht F-84F (mit denen auch 1958 Testflüge in der Gegend ausgeführt wurden, um die Belastung der örtlichen Feinmechanikindustrie durch Schall- und andere Wellen zu messen). Die Koordinaten für den Startbahnbezugspunkt (ca. 500 m östlich Birkhof) hätten sein sollen: 48°13'02'' N - 09°11'48'' O; die Landebahn in früher Planung 135/315, später 003/183. Die Planung scheiterte am hartnäckigen Widerstand des Fürsten Friedrich von Hohenzollern, dem die Domäne Birkhof gehörte; an einer Grundwasserquelle, die durch eine Umleitung von Bodenseewasser hätte ersetzt werden müssen; und schließlich daran, dass man sich bei den geologischen Vorarbeiten etwas verschätzt hatte und für mehrere Millionen Mark Erdverschiebungen hätte vornehmen müssen. Im Februar 1963 wurde das Projekt fallengelassen und am 29.04.64 erfolgte die Aufhebung der entsprechenden Zuweisung.
Grüße von der B27
Rick

Bert
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Beitrag von Bert » 12.01.2007 15:29

Zulofox und Rick, das ging ja schnell! Vielen Dank!

Rick, darf ich dich dazu bei Gelegenheit auf www.mil-airfields zitieren? Hast du zufällig Pläne o.ä.?

Grüße
Bert
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Rick (†)

Beitrag von Rick (†) » 12.01.2007 15:55

Hallo Bert,
Du kannst einfach die Akten zitieren (falls Du mich für einen glaubwürdigen Aktenleser hältst...). Und nein, leider gab es keine Pläne. Die hätte ich aus Heimatkundegründen selbst gerne kopiert. Da das Laufzeitende der Akten schon recht früh war, vermute ich, dass noch ein Teil der Unterlagen bei den zuständigen Dienststellen zurückgehalten wurde und vielleicht später einmal veröffentlicht wird. Der Flugplatz lief übrigens bei der NATO unter "Gammertingen", und diese Bezeichnung wurde offiziell bei der Luftwaffe trotz Intervention des Landes B-W zugunsten "Birkhof" beibehalten. Nachdem ich inzwischen noch einmal gründlicher meine Notizen durchgelesen habe, kann ich noch hinzufügen, dass im April 1961 vorgeschlagen wurde, den künftigen Platz trotz schon drohender Streichung auszubauen und "im Frieden nur mit einem G.91-Verband zu belegen." Übrigens hätten ja auch in Mengen G.91 (und zuvor wahrscheinlich F-104G) stationiert werden sollen. Beide Flugplatzvorhaben wurden ca. Feb./März 1963 aus finanziellen Gründen endgültig aufgegeben: "Ein NATO-Flugplatz in Baden-Württemberg ist nicht mehr geplant." Hingegen blieb die Forderung nach einem oder mehreren Flugplätzen für kleinere Düsenflugzeuge (Schlachtflugzeuge) mit Startbahnen von ca. 1.500 m Länge (Graspiste; Birkhof sollte 2990 m Beton haben) und Zeltplatz/Barackenlager bestehen. Zum Schluss kann ich noch den Namen der "Gallusquelle" hinzufügen, die dem Flugplatzbau zum Opfer gefallen wäre.
Grüße (nicht von, aber entlang der B27)
Rick

CliffMcLane
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NATO-Flugplatz Birkhof

Beitrag von CliffMcLane » 13.01.2007 06:15

Hallo Kollegen,

ich habe mal Lemke, Krüger, Rebhan, Schmidt: Die Luftwaffe 1950 bis 1970, München 2006 geplündert. Dort finden sich folgende Hinweise:

(a) zum JG 75 (weil das oben von zulufox erwähnt wurde): Ab 01.10.60 als viertes JG in Leipheim aufgestellt, ausgerüstet mit F-86K. Als Endstandort war Neuburg/Donau vorgesehen. Zitat: "Da das ursprünglich geplante JG 74 nicht aufgestellt wurde, war eine personelle Aufstockung ... nicht mehr erforderlich, vielmehr war das für dieses Geschwader vorgesehene Personal nun dem JG 75 zur Verfügung zu stellen. Zunehmend wurde der Luftwaffenführung klar, dass man Personal und Material nur für vier JG aufbringen konnte. Das JG 75 wurde nach seinem Umzug nach Neuburg im April 1961 in JG 74 umbenannt" (a.a.O. S. 581).

(b) zum Standort Gammertingen: Auf S. 572 nur der summarische Hinweis, dass G. "nicht gebaut bzw. nicht weiter ausgebaut wurde". Später heißt es, zusätzlich zum AG 53 in Leipheim seien ursprünglich fünf weitere G-91-Geschwader geplant gewesen, nämlich AG 54 (Oldenburg), JaboG 41 (Wittmundhafen), JaboG 42 (Giebelstadt), JaboG 43 (Varrelbusch) und JaboG 44 in Gammertingen. Zitat: "Doch Personalmangel, fehlende infrastrukturelle Voraussetzungen und finanzielle Engpässe im Verteidigungsministerium führten zur Änderung der Planung." (a.a.O. S. 618f; dies nach Tagesprotokoll InspLw 24.04.61). Auf einer Karte vom 31.12.66 (= BA-MA, BL 1/1633 bzw. a.a.O. S.778) fungiert Gammertingen noch als "weiterer in Frage kommender Standort".

Das Buch ist übrigens sehr zu empfehlen. Zum Beispiel lernt man daraus, dass der Nike-Flugabwehr-Gürtel (ich weiß schon, anderes Thema) schon deshalb höchstwahrscheinlich nicht wirklich funktioniert hätte, weil sehr bald die Munition (= die Raketen) ausgegangen wäre(n).

Grüße

CML

Rick (†)

Beitrag von Rick (†) » 13.01.2007 10:12

Großartig wie immer, CML,
hatte schon anderweitig nach Angaben zu Gammertingen in dem Buch gefragt, aber noch keine Rückmeldung bekommen. Jedenfalls war für Gammertingen zunächst ein F-104G-JaboG (und kein JG) und später ein G.91-(le)JaboG vorgesehen, das klingt glaubwürdig. In Freiburg habe ich übrigens mal eine Notiz mit NIKE-Nummern gefunden, danach waren die Bestände in der Tat eher dünn. Eine Beschaffungszahl wurde aber, glaube ich, nie irgendwo erwähnt. In dem neuen Buch auch nicht?
Grüße nach Potsdam
Rick

CliffMcLane
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NATO-Flugplatz Birkhof

Beitrag von CliffMcLane » 14.01.2007 05:07

Hallo Rick,

das ist jetzt mal kurz off topic, aber sei's drum. Zitat: "Die Luftwaffe beschaffte als Erstausstattung insgesamt 60 Ajax und 40 Hercules pro Bataillon und für den laufenden Verbrauch nochmals 300 Hercules. Die Ajax sollten durch den Einsatz bei Übungen nach und nach abgebaut, die Hercules-Bestände dagegen laufend erneuert werden. Für jede Batterie waren damit 25 Raketen vorgesehen, d.h. für jede Startlafette durchschnittlich drei Raketen. Mit dieser Bevorratung hätte man gerade einmal den eigenen Atomangriffsverbänden bei einem Großkrieg nach dem theoretischen Maximalmodell der Massive Retaliation die nötigen Zeitfenster verschaffen können. ... In Zeiten der Flexible Response jedoch stellte sich die Problematik des 'Verheizens' ... in erheblich verschärfter Form. Wenn eine Einheit nur drei Mal schießen kann, ist sie nach weniger als 60 Minuten kampfunfähig. ... Zudem musste man damit rechnen, ... dass der Gegner erst einmal konventionell bestückte Verbände älteren Datums losschicken würde, um nach dem Feuerende der NATO-Luftverteidigung dann noch alle Optionen, konventionell und nuklear, nutzen zu können." Dies alles nach Lemke, Krüger, Rebhan, Schmidt 2006, S. 252f.

Grüße aus Berlin ;)
CML

Rick (†)

Beitrag von Rick (†) » 14.01.2007 08:31

Also Top-Priorität auf der Beschaffungsliste:
Lemke, Krüger, Rebhan, Schmidt: Die Luftwaffe 1950 bis 1970, München 2006
Soviel Werbung muss sein :) .
Rick

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