Scheinflugplätze: tabellarische Auflistung nach Auswertung von Unterlagen

Luftverteidigung durch Flak und andere Fliegerabwehr, Scheinwerferstellungen, Scheinanlagen und ähnliche Objekte
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guthardt
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Interessante Arbeit

Beitrag von guthardt » 30.06.2015 21:13

Tolle Arbeit und sicher auch nicht mal eben zu machen.
Respekt.

Der eine oder andere Fehler hat sich dabei doch eingeschlichen, soll auch keine Kritik sein.

Die Position der Anlage bei Rendsburg/Hohn beginnt in der Liste mit 51°; müsste 54° sein.

;)

Marcel Hogenhuis
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Scheinflughafen Bracht

Beitrag von Marcel Hogenhuis » 01.07.2015 14:57

Hallo Leute,

Im Bezug auf 'Scheinflughafen Bracht' noch folgendes. Der genannte Amerikanische Quelle erwähnt tatsächtlich ein Scheinflughafen (SF) bei Bracht bei Kaldenkirchen. Wenn es diese SF tatsächtlich dort gegeben hat, wäre an ein direkte Zusammenhang mit dem Venloer Fliegerhorst zu denken. Aber...
1) ein Scheinflughafen mitten in ein grosses Waldgebiet ist unwarscheinlich da (gewollte) Bombenabwürfe schnell zu Waldbrände führen wurden. Meist wurden SF's in offenes Gelände eingerichtet damit so wenig möglich Schaden entstand.
2) solche Bombenabwürfe im Wald (mit Brand zufolge) hätte auch das Treibstoffdepot Bracht leicht gefährden können.

Eine Erklärung dass mann glaubte in Bracht ein SF zu erkennen, kann damit begründet werden dass eine Andreaskreuzformige Lauf von einige Waldwege teilweise abgerodet waren und der offene, kreuzformige Geländeteil für ein SF angesehen worden ist.
Entgegen eine SF dort spricht auch, dass niemals Spuren gefunden wurden von ein befestigte Beobachtungsstand um die Besatzung des SF's Schutz zu bieten. Herkömliche SF's hatten oft eine Bunker für diesem Zweck.

Zusammenfassend: so lange keine substanzielle Hinweisen auftauchen die ein SF im Brachter Wald glaubhaft machen, bin ich ziemlich Sicher dass ein SF dort ein Irrtum ist.

Gruss, Marcel

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zulufox
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Beitrag von zulufox » 01.07.2015 15:17

Hi,

Airfield schedule Gemany Volume II - North-West states in Appendix II DUMMY AIRFIELDS:

BRACHT/KALDENKIRCHEN
51°15'40" N 06°08'40" E
2 1/2 miles S.W. of BRACHT, 4 1/2 miles S.S.W. of KALDENKIRCHEN, 7 1/2 miles S. of VENLO A/D on the Dutch frontier.
The dummy consists of two "runways" in the form of a St. Andrews Cross in the middle of the BRACHT Woods.


Ich vermute mal sehr stark, dass der Mittelpunkt des Sankt Andreas Kreuzes heute bei 51°15'48" N 06°09'04" E zu finden ist. Interessant auch die breite "Teer?"-Fläche entlang des Nordost-Schenkels :-)

MfG
Zf :holy:
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g.aders
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Beitrag von g.aders » 06.07.2015 20:39

Hallo,

auf dem Bonner Venusberg muss es auch eine Scheinanlage gegeben habe , eine "fire site" - sie wird in Bonner Akten über Luftangriffe erwähnt.

Beste Grüße
Gebhard Aders

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trince
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Beitrag von trince » 07.07.2015 18:34

Hallo Zulufox

bei der Teerfläche handelt es sich um einen Verladebahnhof mit mit Betonrampen, der erst in den Jahren der Munitionsdepotnutzung durch die BAOR gebaut wurde.

Es wurde ein weiterer Verladebahnhof bei den Koordinaten N 51° 14.899440 E 6° 7.131 gebaut.

Hat also nichts mit den Scheinflughäfen zu tun.

Gruß
Trince (Oliver)
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EricZ
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Beitrag von EricZ » 10.07.2015 08:57

Moin,

Gestern Abend bin ich durch Schandelo (Niederlande) gekommen, und habe den hier im Forum bereits zuvor erwähnten Bunker des Bedienpersonals des Scheinflughafens Schandelo fotografiert. Leider kommt man nicht nah an den Standort ran.

Vielleicht kann jemand ja bessere Bilder beisteuern :?

Gruß, Eric
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nordfriese
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Beitrag von nordfriese » 10.07.2015 22:16

Moin!

In "Sokrates - Reichsluftverteidigung im Stader Land" listet der Autor fünf
Scheinflugplätze im Stader Bereich. Genannt werden die Orte Hahle, Deinste
und Mulsum, sowie auf den Elbinseln Drommel und Hahnöfersand. Hahnöfersand
entsprich von der Position her in etwa der, von den Alliierten erkannten,
Anlage Hamburg-Borstel. Ob Herr Bohlmann in seinem Buch die "offiziellen"
Ortsnamen nutzt, kann ich jedoch nicht sagen.

Beim Scheinflugplatz "Nordholz/Holssel" dürfte es sich um den Scheinflug-
platz Midlum handeln. http://www.cuxpedia.de/index.php/Scheinflugplatz_Midlum

Die Positionen von "Flensburg/Wallsbüll" und "Treia" passen.


Hier noch ein paar "Orginalbezeichnungen" mit den "richtigen" Ortsbezeich-
nungen seitens des Flughafen-Bereichskommando Lübeck-Blankensee. Ich habe
sie einmal alphabetisch nach Guidos Liste abgearbeitet.

Die Bezeichnung von "Hamburg-Garstedt" lautete "Boot BL 6", Garstedt. "BL"
steht hier anscheinend für das zuständige Flugplatzkommando (?). Es könnte
sich evtl. um den hier angesprochen Scheinflugplatz handeln:
http://www.schnelsenarchiv.de/17a3flak- ... ellung.htm (ganz unten)

In/Bei Hohn gab es "Boot BL 4", Hohn. Dies könnte "Hohn/Tetenhusen" sein.
Ich meine jedoch einmal irgendwo gelesen zu haben, dass auch der nicht
zu 100% fertiggestellte Flpl Hohn eine gewisse Zeit lang als Scheinflug-
platz genutzt worden ist!?
Guido, überprüf' doch nochmal die Koordinate von "Rendsburg/Hohn". Der
Ostwert ist fast gleich mit "Hohn/Tetenhusen", aber der Nordwert scheint
einen Fehler zu beinhalten. Wenn man, wie @guthardt schon geschrieben hat,
aus der "51" eine "54" macht, dann passt es immer noch nicht. Das ist dann
WNW von Schleswig-Jagel.

Lentföhrden wird mit "Boot BL 5", Lentföhrden angegeben. Siehe auch hier:
http://www.luftfahrtspuren.de/kaki.htm (nach dem ersten Luftbild)

"Lübeck/Schlagsdorf" hiess "Boot BL 2" und wird ortsmassig mit Utecht an-
gegeben. "Lübeck/Thandorf" ist anscheinend eine weitere Bezeichnung der
Alliierten. Die Koordinaten sind ja nur "ein paar Meter auseinander".

Der Scheinflugplatz "Neumünster/Klein Kummerfeld" wurde im März '45 zu
einem Feldflugplatz umgebaut. Als Scheinflugplatz hatte er vorher die
Bezeichnung "Boot BL 3", Klein Kummerfeld. Die Koordinate ist 54° 1'32.00"N
10° 4'55.00"E. Quelle: http://www.flugplaetze-der-luftwaffe.de/?p=65

Bei dem Scheinflugplatz "Uetersen/Holm" könnte es sich um die Anlage
"Hof 32, Hetlingen" handeln, dessen Position @OWW hier schon einmal
etwas erwähnt hat (Seite 1 und 2):
https://www.geschichtsspuren.de/forum/s ... =hetlingen

Wer jetzt mitgezählt hat, der wird evtl. "Boot BL 1" vermissen. Die
Anlage war bei Wendisch-Lieps. Der Ort war östlich von Büchen/Bröthen
und wurde aufgrund der Grenzziehung komplett abgerissen. Als Position
kämen nach meinen Informationen zwei Plätze in Frage. Etwa zwei Kilo-
meter hinter Bröthen, in Fahrtrichtung Fortkrug/Langenlehsten, soll
es südlich der Strasse einen Bombenabwurfplatz gegeben haben. Die Kom-
bination Bombenabwurfplatz/Scheinflugplatz gab es ja auch z.B. in Metel.
Die zweite Möglichkeit wäre die spätere Landefläche bei Fortkrug, die
sich nach meinen Informationen unmittelbar südöstlich von Langenlehsten
befunden haben soll.

Soweit zu den gelisteten Positionen im groben Schleswig-Holsteinischen
Bereich...

Gruss aus NF!
Rolf
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EricZ
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Beitrag von EricZ » 11.07.2015 14:35

:thumbup:

Klasse Rolf!

Schade das die Unterlagen des für den nördlichen Bereich des Rheinlands zuständigen Bereichs-Kommando Düsseldorf bzw. des übergeordneten Luftgau-Kommando VI keine Unterlagen zu diesem Thema zu finden sind - oder weiß jemand mehr?

Spannend finde ich, die unterschiedlichen Bezeichnungen der Scheinflugplätze, die scheinbar nicht reichseinheitlich erfolgt ist.

"Boot BL+Nummer" in Schleswig-Holstein
"Bucht+Stadtname" am Niederrhein


Gruß, Eric
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nordfriese
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Beitrag von nordfriese » 12.07.2015 00:28

Moin Eric!

Über die Scheinanlagen, die im Kriegstagebuch von Blankensee erwähnt
werden, habe ich damals hier schon einmal etwas zusammengeschrieben:
https://www.geschichtsspuren.de/forum/v ... 3&start=30
27.04.2012 04:45

Inzwischen hat sich ja herausgestellt, dass die "Boote" allesamt
Scheinflugplätze waren, aber es gab ja noch die "Kioske" und die
"Höfe".

Bis auf Wendisch-Lieps wurden alle "Boote" von Guido gelistet. Die
"Boote", egal wo sie positioniert waren, haben alle das "BL"-Kürzel
(von Wendisch-Lieps bis hoch nach Hohn). Also war wohl Blankensee
für sie "direkt" zuständig.

Die "Kioske" haben im Unterschied dazu, hinter ihrer Bezeichnungen
das jeweilige Kürzel des zuständigen Flugplatzkommandos ("BL", "FU"
(Fuhlsbüttel), "Ü" (Uetersen) etc.) und eine Nummer.

Die "Höfe" haben lediglich eine Nummer.

Sollten die Oberen der Flughafen-Bereichskommandos in deinem Bereich
auch Inspektionen der S-Anlagen durchgeführt haben, könnten diese
ebenfalls in deren KTBs vermerkt sein. Sofern die KTBs den Krieg
überstanden haben...

Gruss aus NF!
Rolf
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niemandsland
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Beitrag von niemandsland » 12.07.2015 17:45

Hallo Rolf,

vielleicht lässt sich via Luftbild klären um was für Anlagen es sich gehandelt hat? (Kiosk/Hof)
Ich vermute das Kioske Industrie-S-Anlagen waren, und Höfe vielleicht wirklich das wofür der Name steht?! Im Moment aber erstmal nur ne Portion Spekulatius. Wenn ich mich richtig erinnere, dann steht in dem Buch von den drei Autoren über Ütersen, HOF (32?) und dann ist da tatsächlich ein kleineres Gehöft bestehend aus Holzgerippe mit S-Matten abgetarnt, ein Bauernhof. Was ja in Ostfriesland und überhaupt im Norden in ländlichen Gebieten immer mal wieder zu finden ist.

Ganz hilfreich könnten hier vielleicht auch die Entfernungen sein, sofern die entsprechende S-Anlage einen direkten Bezug zu einem realen Ziel hatte. Leider wurden auch S-Anlagen ohne Bezug errichtet. So das dieser Ansatz vielleicht doch im nix endet. :-)

In dem "Erfahrungsbericht über Scheinanlagen im Bereich des LGK XI" von Major Wilhelms, Kommandeur der LS-Abteilung z.b.V. XI, heißt es zur Entfernung zwischen "Schutzobjekt" und S-Anlage:
Während anfänglich (S-)Anlagen 3 bis 5 km vom Schutzobjekt entfernt errichtet und bei Städten und Großstädten wegen der Randbesiedelung noch größere Entfernungen gewählt wurden, musste infolge der vervollkommneten Ortungsgeräte und der damit verbundenen Treffgenauigkeit der Gegner dazu übergegangen werden, [...] möglichst dicht, bis auf 1 km Abstand, an die Schutzobjekte heranzugehen, [...] und sich fast ausschließlich auf Großbrandanlagen zu spezialisieren, [...].

In den "Bau- und Betriebsgrundsätzen für Scheinanlagen" von November 1942 heißt es unter:

II. Wahl des Standortes,
7. S-anlagen sind in der Hauptflugrichtung des Gegners vor die Schutzobjekte zu legen. [...]
8. Die Entfernung der Anlage zum Schutzobjekt richtet sich in erster Linie nach dessen Flächenausdehnung und soll betragen:

a) etwa 2-4 km bei kleinen bis mittleren Schutzobjekten mit einigen hundert Meter Länge und Breite.
b) etwa 4-6 km bei mittleren bis großen Schutzobjekten mit 1 km länge und breite.
c) etwa 6-10 km bei großen Schutzobjekten und Schutzgebieten.

Die Entfernungsangaben gelten von Rand zu Rand und sind als ungefähre Richtlinie anzusehen.

Unter III. Ausbau und technische Einrichtung, A. Nachahmung des Schutzobjetes heißt es dann:
29. Im allgemeinen genügt es, wenn S-Anlagen etwa 2/3 der Größenausdehnung des Schutzobjektes besitzen... [...].

In der L.Dv. zu Scheinanlagen heißt es:
8. Die Errichtung der [...] S-Anlagen richtet sich nach der Größe des Schutzobjektes.
Zum Schutze besonders umfangreicher und wichtiger Objekte können auch mehrere S-Anlagen errichtet werden und zu einer oder mehreren Gruppen zusammengefasst werden. Soweit mehrere Gruppen notwendig sind, bilden diese einen S-Anlagenbereich.
13. Wirkung von Scheinanlagen: "S-Anlagen allgemeiner Art _ohne_ Beziehung zu bestimmten Schutzobjekten _mit der Zweckbestimmung_, bei Störflügen und Streuangriffen dem Gegner angriffswürdige Ziele vorzutäuschen und ihn zum Bombenabwurf zu reizen.
24. Die S-Anlagen, -Gruppen und -Bereiche werden unterstellt:
Die S-Flugplätze werden in jedem Falle dem Kommandanten des Fl.H.Bereichs oder dem von diesem beauftragten Fl.H.Kommandanten unterstellt; gleichgültig, ob in flakgeschützten oder nicht flakgeschützten Räumen gelegen.

Hampe schreibt nach Kriegsende (Scheinanlage, S. 559): "So war es oft schwierig, den richtigen Platz für eine Scheinanlage zu finden, zumal Gegenden mit vielen angriffswürdigen Zielen natürlich auch entsprechend dicht besiedelt waren. Im allgemeinen wurde ein Sicherheitsabstand von mindestens 1 km nach allen Seiten eingehalten. Wenn möglich wurden Scheinanlagen in der Nähe oder zumindest im Wirkungsbereich von Flakstellungen oder in der Nachbarschaft von Fliegerhorsten errichtet, [...].

Zum Sicherheitsabstand heißt es noch im November 1942: Dörfer ~2km Sicherheitsabstand und einzelne Gehöfte (bzw. Häuser) ~1km Sicherheitsabstand in alle Richtungen.

Soweit mal der Blick in die historischen und überlieferten Dokumente und sonstiges Schriftgut zum Thema Scheinanlagen und Abstand zu den jeweiligen Schutzobjekten und Sicherheitsabständen.

Schönes Rest- Wochenende.

Gruß aus Hannover-Ahlem
Guido Janthor

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