Munitionsbelastete Grundstücke

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Cobra

Munitionsbelastete Grundstücke

Beitrag von Cobra » 06.12.2005 12:11

Hallo Kollegen,

bitte mal wieder um eure geschätzte Mithilfe.

Sicherlich habt ihr von der Problematik munitionsbelasteter Grundstücke, die durch den Bund (BVA/BIMA) an Privatleute verkauft werden, im TV oder der Presse gehört oder gelesen.

Bislang sind uns folgende Fälle bekannt:

Wremen, ehem. Haubitzenstellung
MUNA Rehden (LK Diepholz)
MUNA Hambühren (LK Celle)
Schießstand Hakedahl (Detmold)
MUNA Espelkamp (diese nimmt eine Sonderstellung ein, da hier keine Munition offen liegt, wohl aber relevante Bereiche, die unserer Ansicht nach untersucht werden müssten, als Bauland durch die Stadt verkauft und bebaut werden)

Wer kennt ähnliche Fälle?
Wichtig dabei ist, dass die Grundstücke in ungeräumten Zustand veräußert worden sind.
Die Verantwortung (und damit auch die Kosten) versucht der Bund dem Käufer zuzuschieben.

Víelen Dank im Voraus


Cobra

petzolde
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Beitrag von petzolde » 06.12.2005 22:22

Habe mit etlichen Fällen beruflich zu tun gehabt. Aber es war immer so: Wenn bei Erdarbeiten Munition gefunden wurde, wurde Baustopp angeordnet, Kampfmittelräumdienst angerufen, der Bereich mit Flatterband abgesperrt, und - weil das Gelände i.d.R. noch eingezäunt war - bis zum Eintreffen des Kampfmittelräumdienstes Pause gemacht, notfalls Feierabend. Bei frei zugänglichen Grundstücken müßte man sich ansonsten noch über die Verkehrssicherungspflicht Gedanken machen.
Die Kosten für die Munitionsräumung blieben beim Bund, zT auch bei Kommunen, wenn sie Zwischenbesitzer waren.

gruß EP

PS: Bei Problemen schicke mir PN

Pettersson
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Munitionsbelastete Grundstücke

Beitrag von Pettersson » 06.12.2005 23:06

Hi,

also wenn ich das richtig verstanden habe geht es hier speziell um vom Bund verkaufte Grundstücke, bei denen er sich um die Munitionsentsorgung drücken will und so dem ahnungslosen Käufer diese aufdrückt.

Die Flakbatterie Wremen ging gross durch Presse und Fernsehen. Der Käufer macht dicke Backen und soll für die Entsorgung aufkommen.

Es geht nicht um allgemeine Funde bei Bauvorhaben sondern um ein gezieltes sich aus der Verantwortung ziehen des Bundes in einzelnen Fällen.

Gruß,
Torsten

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MikeG
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Beitrag von MikeG » 06.12.2005 23:51

Vorsicht – ob da seitens des Bundes oder eines Beauftragten des Bundes ein Vorsatz vorliegt, wissen wir nicht – und es wäre im Zweifelsfall wahrscheinlich auch nur schwer nachweisbar. Wenn es nachweisbar wäre, daß der Verkäufer (wer das auch immer ist – in den angesprochenen Fällen der Bund, vertreten durch die BFinV – wissentlich ein belastetes Gelände als unbelastet verkauft hat, dann wäre fälschlicherweise eine Eigenschaft zugesichert worden, die nicht zutrifft. Mit Anschuldigungen, ob gegen die Bundesrepublik oder sonst wen, sollte man jedenfalls vorsichtig sein, wenn man keine Beweise hat. Das ist eigentlich nicht anders als in der Geschichtsforschung ....

Interessanter ist, daß die BRD als Rechtsnachfolger des Deutschen Reichs eigentlich für die Untersuchung und Räumung zuständig und verantwortlich wäre. Bisher wurde das in der Praxis auch meist so gehandhabt, daß reichseigene Munition auf Kosten der BRD geräumt wurde, dasselbe gilt für als Folgeschäden eingetretene Boden- bzw. Umweltlasten. In letzter Zeit versucht der Bund aber offenbar, diese „Reichs-Altlast“ loszuwerden und sie auf den Eigentümer umzulasten. Dazu gab es bereits mehrere Gerichtsverfahren – die Urteile liegen mir aber leider noch nicht vor.

Heikles Thema – vor allem, weil wir (fast) alle keine Rechtsexperten sind.


Mike

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munitionsbelastete Grunstücke

Beitrag von Pettersson » 07.12.2005 11:19

Hi Mike,

hast natürlich recht, ich wollte mit meinem Beitrag auch nicht den Bund pauschal des Vorsatzes beschuldigen sondern nur klarstellen um was es den Eröffner des Threads wohl anscheinend geht, da die erste Antwort in eine andere Richtung ging.

Ich denke übrigens, dass jeder der sich ein Grundstück kauft sich über die Historie des Grundstückes schlau machen sollte.
Das habe ich selbst für unser Baugrundstück gemacht und habe da dort eine Landmaschinenhandel seine Hallen hatte den Boden untersuchen lassen nur um sicher zu sein.

Ansonsten wie du schon sagst ein heikles Thema.

Gruß in den Norden,
Torsten

Forscher1

Beitrag von Forscher1 » 07.12.2005 12:02

Da mein Haus auch auf einem ehemaligen Truppenübungsplatz aus der Kaiser- und Reichszeit steht, habe ich noch heute ab und zu mit den Relikten zu tun. Nichts schlimmes mehr, aber erst im Jahr 2003 habe ich 10 Granathülsen ausgebuddelt. Das kurriose dazu habe ich erst im Aktenordner über mein Haus nachlesen können. Der Vorbesitzer, der das Haus 1938 mit als erster auf diesem Gelände baute, war der Munitionswart des Platzes gewesen. Leere Granathülsen hat er mit Beton ausgegossen und Eisenstangen reingestecket und als Fundament für seine Stallungen ( 2 Hühnerställe, 1 Hundezwinger, 3 Kaninchenställe) genutzt. Das Haus wurde 1994 an meine Schwiegereltern verkauft, die bauten es um und ich zog mit meiner Frau 2002 ein. Um den Garten hat sich bis dahin niemand gekümmert. Der war bis ich aufräumte Wildnis pur. Teile der Stallungen waren noch zu finden und vor allem die "Fundamente".
Bis 1994 lebte also der Ur-Besitzer unverändert hier. Inzwischen ist hier eine riesige Siedlung entstanden, aber die Geschichte ist und bleibt nunmal Truppenübungsplatz bis 1935.

curio
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Beitrag von curio » 07.12.2005 16:03

Da kann ich ja nun endlich auch mal was beisteuern...

Ich wollte vor einger Zeit mal ein Stueck ehemaligen TÜP der GSSD in der Lausitz kaufen. Prima Hochwildrevier, alter Baumbestand, 'nur' auessere Schutzzone.

Im Exposé wurde 'oberflaechlich geraeumt' angegeben.

Die sehr nette Dame von der Vermarktungsgesellschaft hat auf Nachfrage aber wie selbstverstaendlich bekannt dass da natuerlich 'im Untergrund durchaus noch was sein koennte' was dann mein Problem waere. Und das die GSSD ja leider den Ruf haben auch sonst so allerlei wild zu entsorgen war ihr auch nicht unbekannt, daraufhin sei der Grund aber nicht geprueft worden.

Fazit: Der Bund respektive seine Geschaeftstraeger binden einem die Probleme nicht direkt auf die Nase aber sie machen auch keine wissentlich falschen Angaben. Passt zum Eindruck des 'Versuchs der Abwaelzung'.

Endgueltig abgekommen bin ich von dem Vorhaben uebrigens als ich auch noch die vier damals noch landesbediensteten Forstarbeiter uebernehmen sollte.

Gruss
Stefan

Cobra

Beitrag von Cobra » 07.12.2005 20:20

Hallo Kollegen,

erst einmal ein dickes Danke für eure Antworten.
Diese sagen mir, dass das Thema doch nicht so ganz unbekannt ist.

Der Fall Wremen ist leider kein Einzelfall.
Es war der Verkäuferin auch nachweislich bekannt, dass auf dem Grundstück Munition lagerte.
Allerding sagte man dem Käufer dies bei Vertagsabschluss nicht.
"Es könne wohl noch die eine, oder andere Granate gefunden werden, aber die würde der KMD nach einem Anruf abholen".
Tatsächlich wurden aber ca. 1.500 Raketensprenggranaten 8,6 cm gefunden, nebst sonstiger (Klein-)Munition.
Dann stellte der KBD auf Anweisung des Landes die Räumung ein.
Interessant auch das Verhalten der zuständigen Gefahrenabwehrbehörden Kreis und Gemeinde, die sehr wohl (und nachweislich) vor dem Verkauf des Grundstückes von der Munition wussten und auch im Jahr 2003 mittels fotodokumentarischer Beseisssicherung und Video zum sofortigen Handeln aufgefordert worden sind.
"Alles harmlos, nur Schrott" so die erste Stellungnahme.
Dann, nachdem eine Reporterin (die zufälligerweise auch Ratsmitglied der Gemeinde ist!!??), fesgestellt hat, "dass da ja Munition liegt" war diese urplötzlich brandgefährlich, im wahrsten Sinne des Wortes.
Es ist eindeutig (auch die Beweislage), dass die zuständigen Behörden einfach geschlampt haben und der Bund als Verkäuferin sehr wohl von der Belastung wusste.

So, dies nur mal eben zm Fall "Wremen".
Derzeit steht ein Gerichtstermin aus, das zuständige OVG hat sich bereits eindeutig zu dem Fall geäußert.

Dieser Fall ist leider gängige Staatspraxis.
Über die Folgen, z.B. wenn die noch sprengfähige Munition in falsche Hände galangt, mag sich jeder so seine Gedanken machen.
Beispiel "Dresdener Kofferbombe", oder der vereitelte Anschlag in München.
Auch eine Selbstzündung ist nach über 60 Jahren doch auch möglich, wie ihr sicherlich wisst.

Die anderen Fälle lasse ich hier aussen vor, sonst wird der Rahmen des Forums gesprengt.

Gruß

Cobra

Gast

Beitrag von Gast » 08.12.2005 22:21

Wenn ein Grundstücksverkäufer - egal ob Bund oder sonstwer - einen Mangel, den er kennt, verschweigt, dann haftet er dafür. Und wenn er dann nicht freiwillig dafür aufkommt, dann wird eine Klage sicherlich Erfolg haben.

Anders schaut es hingegen aus (und um den Fall scheint es mir hier zu gehen), wenn im Kaufvertrag vereinbart ist, dass der Käufer für alle seine Mehraufwendungen aufgrund möglicherweise vorhandener künstlicher Bodenmängel aufkommt. Wenn das so vereinbart wurde, dann gilt das so. Hat man sich in den Vertragsverhandlungen auf ein solches Verhandlungsergebnis geeinigt, so kann aber in der Regel davon ausgegangen werden, dass dies sich dann auch in der Kaufpreishöhe bemerkbar macht. Wer dabei dann als Käufer freilich nur das Schnäppchen wittert und sich dann wundert, wenn auch wirklich was im Boden drin ist, der ist dann in meinen Augen selbst Schuld.

Und wenn der Verkäufer alle Haftung abwälzen will, aber zu keinen Preiszugeständnissen im Gegenzug bereit ist, mei, dann schließt man einen solchen Vertrag halt nicht ab.

Soweit meine Meinung dazu aus der Sicht von jemandem, der täglich im Grundstücksverkehr tätig ist.

bfh

Beitrag von bfh » 10.12.2005 00:00

Wildwechsel hat geschrieben: Und wenn der Verkäufer alle Haftung abwälzen will, aber zu keinen Preiszugeständnissen im Gegenzug bereit ist, mei, dann schließt man einen solchen Vertrag halt nicht ab.

Soweit meine Meinung dazu aus der Sicht von jemandem, der täglich
im Grundstücksverkehr tätig ist.
Hast Du schon mal mit der Bundesvermögensverwaltung bzw. der Nachfolgeorganisation Bima wegen eines Grundstückkaufs "verhandelt" und deren Verträge gelesen?

Die Bodenuntersuchung darf man auf eigene Kosten machen, Preisnachlaß bei Altlasten gibt es keinen und für mindestens 10 Jahre nach Kauf kann die Bundesrepublik eine mögliche Wertsteigerung des Grundstückes in Rechung stellen. Die Umweltämter verwenden in diesem Zusammenhang gelegentlich Formulierungen, die man eventuell auch so deuten könnte, das sie unmittelbar nach dem Eigentumsübergang an eine Privatperson bzw. Gewerbebetrieb eine Entsorgungsanordnung ausspechen könnten. D.h. der Käufer müßte die Entsorgung zahlen und anschließend zusätzlich die so entstandene Wertsteigerung anteilig an den Bund abführen. Ob das rechtlich so OK ist, kann ich jedoch nicht beurteilen.

Einer unserer Sponsoren hat deshalb vom Bund ein Grundstück nicht erworben und sich anderweitig umgesehen. Er hat es also so gemacht wie, Du empfohlen hast. (Inzwischen hat er von deutschen Behörden und Bürokratie die Nase gestrichen voll und verzichtet auf weitere Investitionen in Deutschland.)

Viele Grüße
Günter

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