Großbelastungskörper / Fundament in Berlin

Nichtmilitärische Zweck- und Repräsentationsbauten und -Projekte des Nationalsozialismus 1933-1945
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derlub
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Beitrag von derlub » 15.09.2009 19:01

Hallo.
Der Beitrag ist wieder offen, da die etwas zu hitzige Diskussion der Beteiligten erfreulicherweise per PN zu einem friedlichen Ende kam. :-)
Von jetzt an bitte wieder in einem gemäßigten Ton.
Danke,
Christoph

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redsea
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Beitrag von redsea » 15.09.2009 19:15

Bobbele hat geschrieben:Jetzt habe ich aber auch noch ein, zwei Fragen zum Objekt selber. Diese Aussichtsplattform sieht mir aus , wie eine Stahlkostruktion, verkleidet mit verzinkten Zaunelementen, die hauptsächlich für besonders zu sichernde Bereiche, wie Militärgelände verwendet werden. Oder irre ich mich da?
Hallo Boris,

die verzinkten "Zaunelemente" dienen wohl als Absturzsicherung wie auch als Schutz vor ungefugtem Betreten. Welche Gedanken dahinter stecken, sie in dieser Form von dicht aneinander positionierten Rohren oder Stäben auszuführen, vermag ich nicht zu erkennen. Das wird wohl etwas tiefsinnigere Hintergründe haben oder man fand es einfach nur schick.

Viele Grüße

redsea

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Krakau
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Beitrag von Krakau » 15.09.2009 21:24

Moin!

Ich hoffe Ihr versteht mich nicht falsch, möchte ja ggf. etwas dazulernen:

Das ein Seminarraum entsteht vermag ich durchaus nachzuvollziehen, aber für mich hätte es zum Erfahren der gigantomanischen Dimension der NS-Planungen nicht noch eines Aussichtturmes neben dem Betonklotz bedurft. Die allgemein bekannten NS-Architekturmodelle mit dem Brandenburger Tor (mini zwischendrinn) sind in meinen Augen schon eindrucksvoll genug.

Klar, dass der Turm dann laut Planung auch eine ganz besondere Funktion zur Erweiterung des Erfahrungshorizontes (Nullmarke) haben muss. Diese einmalige Funktion halte ich jedoch für an den Haaren herbeigezogen.

Abgesehen von den Kosten anderer Sanierungsmaßnahmen in Berlin sind die 228.750,- € (Sanierung des Klotzes) astronomisch. Diese enormen Kosten erklären sich für mich nur so, dass der Klotz entweder so bröselig war, dass man ihn hätte besser abreissen sollen - oder irgendeine Baufirma wurde auf Kosten des Steuerzahlers finanziell saniert.

Wie ich zu dieser Behauptung komme:
1 m³ Fertigbeton kostet heute je nach Qualität und Menge zwischen 50,- und 100,- €.
Das hier im Thread angegebene Volumen des Klotzes beträgt rund 4850 m³
228.750,- € nur für die Betonsanierung / 4850 m³ = ca. 47,- € pro m³

Da hätte man den Klotz doch beinahe neu gießen können... ;)

Das der Klotz erhalten wird kann ich aus Gründen der Geschichte und der Städebaulichen Planungen durchaus verstehen. Das er aber ein Mahnmal darstellt sehe ich in keiner Weise (vielleicht aus Unwissenheit - oder fehlt es an Öffentlichkeitsarbeit ?).

Darf man die Frage stellen, ob eine Absperrung um den Klotz (damit keinem ein Krümel Beton auf die Rübe fällt) zusammen mit dem Seminarraum und etwas Grünflächengestaltung nicht ausgereicht hätte?

Ich hoffe das ist jetzt nicht zu polemisch ausgefallen
Gruß
Thomas

Florian Schulz
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Beitrag von Florian Schulz » 15.09.2009 22:10

Krakau hat geschrieben:Die allgemein bekannten NS-Architekturmodelle mit dem Brandenburger Tor (mini zwischendrinn) sind in meinen Augen schon eindrucksvoll genug.
Ich war bei dieser Ausstellung noch nicht, aber ist diese nicht bloß temporär? Oder ist die Ausstellung "Mythos Gemania" eine Dauerveranstaltung?
Krakau hat geschrieben:Klar, dass der Turm dann laut Planung auch eine ganz besondere Funktion zur Erweiterung des Erfahrungshorizontes (Nullmarke) haben muss. Diese einmalige Funktion halte ich jedoch für an den Haaren herbeigezogen.
Ich verstehe nicht ganz, warum die Funktion an den Haaren herbeigezogen sein soll. Es wurde mir so vom Ausstellungsführer erzählt.
Krakau hat geschrieben:Abgesehen von den Kosten anderer Sanierungsmaßnahmen in Berlin sind die 228.750,- € (Sanierung des Klotzes) astronomisch.
Wieso? Die Denkmäler, die ich aufgeführt habe sind noch weitaus teurer. Die von mir gefundenen und aufgeführten Kosten bestehen doch nicht zum Großteil aus Spesen der Bauarbeiter. Nach dieser Logik würde es ja bedeuten, dass z. B. die eigentliche Sanierung der Siegessäule noch weit unter der Grenze der Sanierung des Klotzes gelegen haben muss (damit es deiner Meinung nach gerechtfertigt wäre), aber wo kommen dann die resttlichen zwei-drei Millionen Euros her?
Krakau hat geschrieben:Diese enormen Kosten erklären sich für mich nur so, dass der Klotz entweder so bröselig war, dass man ihn hätte besser abreissen sollen - oder irgendeine Baufirma wurde auf Kosten des Steuerzahlers finanziell saniert.

Wie ich zu dieser Behauptung komme:
1 m³ Fertigbeton kostet heute je nach Qualität und Menge zwischen 50,- und 100,- €.
Das hier im Thread angegebene Volumen des Klotzes beträgt rund 4850 m³
228.750,- € nur für die Betonsanierung / 4850 m³ = ca. 47,- € pro m³
Da fehlen aber die vorherigen Bauwerksanalysen, Ausarbeitung der Konzepte und Bezahlung der Planer, Bezahlung der Baufirmen, Öffentlichkeitsarbeit etc.
Ich denke, dass die angegebene Summe durchaus realistisch ist.
Krakau hat geschrieben:Da hätte man den Klotz doch beinahe neu gießen können... ;)
Naja, dann wäre aber die Authetizität verloren gegangen. Und dann rechtfertige der Bevölkerung mal, warum er komplett neugeossen werden muss :)
Krakau hat geschrieben:Das der Klotz erhalten wird kann ich aus Gründen der Geschichte und der Städebaulichen Planungen durchaus verstehen. Das er aber ein Mahnmal darstellt sehe ich in keiner Weise (vielleicht aus Unwissenheit - oder fehlt es an Öffentlichkeitsarbeit ?).
Wie bereits an anderer Stelle von mir geschrieben: Es ist das einzige sichtbare oberirdische Relikt der Nord-Süd-Achse resp. der Germaia-Planungen. Warum sollte dieser wie ich denke durchaus wichtige Grund nicht ausreichend sein?
Krakau hat geschrieben:Darf man die Frage stellen, ob eine Absperrung um den Klotz (damit keinem ein Krümel Beton auf die Rübe fällt) zusammen mit dem Seminarraum und etwas Grünflächengestaltung nicht ausgereicht hätte?
Nach vielem Nachdenken denke ich auch, dass es durchaus gereicht hätte. Ein Versuch der Deutung der Beweggründe: Der Klotz ist als Bauwerk an sich sehr unspektakulär. Nur eine Etage - sofern man diese Bezeichnung überhaupt benutzen kann - alle Untergeschosse sind aufgrund der zu kleinen Öffnung im Boden nicht begehbar. Der Kopf des Pilzes besteht zu 100% aus Stahlbeton. Wie "verkauft" man einen schlichten Betonturm angemessen, wenn er selber nur sehr spärlich ansehnlich ist? Ich denke, dass man mit dem zusätzlichen Turm dem ganzen Areal einen gewissen Pepp geben wollte.

Viele Grüße

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Krakau
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Beitrag von Krakau » 16.09.2009 15:57

Moin!

Danke für Deine ausführlichen Antworten !
Florian Schulz hat geschrieben: Ich war bei dieser Ausstellung noch nicht, aber ist diese nicht bloß temporär? Oder ist die Ausstellung "Mythos Gemania" eine Dauerveranstaltung?
Die Ausstellung hatte ich nun gar nicht im Hinterkopf, sondern ich dachte in erster Linie an die Bilder wie sie z.B. in WP zu sehen sind. http://de.wikipedia.org/wiki/Welthauptstadt_Germania
Florian Schulz hat geschrieben: Ich verstehe nicht ganz, warum die Funktion an den Haaren herbeigezogen sein soll.
Wie Du selbst schreibst, muss der Turm nicht unbedingt da stehen, damit er aber trotzdem seine Daseinsberechtigung hat (das Gelände aufwerten reicht wohl kaum als einzige Begründung aus) muss etwas entsprechendes "wichtigeres" gefunden werden. Für mich ist und bleibt der Zweck des Turmbaues "konstruiert" - es sei denn jemand hat eine bessere, einleuchtendere Erklärung für mich parat.
Florian Schulz hat geschrieben: Die Denkmäler, die ich aufgeführt habe sind noch weitaus teurer. Die von mir gefundenen und aufgeführten Kosten bestehen doch nicht zum Großteil aus Spesen der Bauarbeiter.
Richtig, andere Denkmäler sind erheblich teurer - die bestehen aber auch nicht nur aus Stahlbeton, sondern z.B. aus behauenem Naturstein.

Restaurierung von Bausubstanz ist nicht billig - darum ist die nicht ganz kleine Summe (schenken wir diese Summe doch mal Mike für das LP Forum :holy: ) beim Belastungskörper absolut gesehen doch "preiswerter" als bei den anderen Bauwerken.

Doch meine ich, auch die relative Komponente sollte man nicht ganz außer acht lassen. Das versuchte ich mit der Rechnung "Restaurierungskosten pro Kubikmeter" zu verdeutlichen, immerhin wurde ja auch nicht "jeder" Kubikmeter restauriert, sondern wohl eher die "äußere" Schicht. Das da noch andere Kosten eine Rolle spielen (Planung, Gerüst, Gutachten usw.) ist eindeutig. Ab und an sollte man sich fragen, ob ein derartiges Denkmal es wirklich wert ist.
Florian Schulz hat geschrieben: Es ist das einzige sichtbare oberirdische Relikt der Nord-Süd-Achse resp. der Germaia-Planungen.
An diesem Mahnmal wird der Größenwahn der Pläne Hitlers und seines Generalbauinspektor Albert Speer direkt erfahrbar.
WP schreibt dazu:
Ein Denkmal erinnert an die Vergangenheit.

Ein Mahnmal ist eine Spezialform des Denkmals, das durch seine öffentliche Präsenz mahnend an ein historisches Ereignis erinnern soll. Mahnmale sollen im Betrachter Betroffenheit erzeugen und das Erinnern über die Generationen hinweg tradieren.
An welches Ereignes soll mahnend erinnert werden? Bei wem erzeugt dieser Betonklotz Betroffenheit?

Wenn man sich die weltweite städtebauliche Entwicklung der letzten Jahre und Jahrzehnte mal so anschaut - sehr weit ab waren Hitler und Speer damals nicht mit ihren Ideen...

Es bleibt also bei der Tatsache: der Schwerbelastungskörper ist ein Technisches Denkmal ja, aber Mahnmal wohl kaum.

Grüße
Thomas

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Beitrag von murxxer » 18.09.2009 21:43

Hallo,
ein Beispiel wie man einen "Naziklotz" nutzen kann habe ich am T.d.o.D am 13.9.im ehem. Reichsbahnausbesserungswerk Revaler Str..in Bln-Friedrichshain gesehen:
Achim
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Beitrag von redsea » 18.09.2009 23:24

Hallo Achim,

na das ist doch mal eine tolle und vor allem völlig unpolitische und wertfreie Nutzungsmöglichkeit, die sicher auch keinen Kostenvergleich zum stählernen "Informationsturm" scheut. ;)

Spontan fiele mir hierzu der Slogan: "Geschichte hautnah erleben" ein.

Auch bei uns nutzt man Relikte aus dieser Zeit u.a. als Kletterwand. Z.B. das ehem. Heeresverpflegungsamt Bielefeld.

Viele Grüße

redsea
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Spacehawk
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Beitrag von Spacehawk » 19.09.2009 11:24

redsea hat geschrieben:Hallo Achim,

na das ist doch mal eine tolle und vor allem völlig unpolitische und wertfreie Nutzungsmöglichkeit, die sicher auch keinen Kostenvergleich zum stählernen "Informationsturm" scheut. ;)

Spontan fiele mir hierzu der Slogan: "Geschichte hautnah erleben" ein.

Auch bei uns nutzt man Relikte aus dieser Zeit u.a. als Kletterwand. Z.B. das ehem. Heeresverpflegungsamt Bielefeld.

Viele Grüße

redsea
Ist das an der Meisenstraße bei der GAB ???

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redsea
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Beitrag von redsea » 19.09.2009 11:48

Spacehawk hat geschrieben:Ist das an der Meisenstraße bei der GAB ???
Ja, es ist das Objekt an der Meisenstrasse in dem auch die GAB Räume angemietet hat. Später wurde es von den Briten genutzt (Rochdale Barracks). Siehe auch mein Beitrag hier und bei BAOR hier.

Viele Grüße

redsea

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mucimuc
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Beitrag von mucimuc » 20.09.2009 17:32

Grüß Euch,

also, eine "unpolitische" Neunutzung von irgendeinem Kasernengebäude o. ä. finde ich ja völlig normal, im Prinzip sind das ja nur irgendwelche Häuser, aus Sicht des nicht irgendwie speziell interessierten Betrachters.

Diesen SBK aber zeichnet doch was ganz anderes aus: Die Gigantomanie der Erbauer, der Krümel eines nie verwirklichten Projektes, das an Weltfremdheit nicht zu überbieten war. Ich meine, gerade darum kommt dem vergleichsweise kümmerlichen Rest dieses Wahnsinns doch eine erhebliche Bedeutung zu-was auch hier natürlich ein Mindesmaß an Interesse für geschichtliche Zusammenhänge voraussetzt, klar.

Jetzt stelle man sich aber Fremde vor, für die die damalige deutsche Geschichte in FREMDER dunkler Vergangenheit liegt. Dann stelle man sich auch vor, was für teils banale Orte oder Dinge woanders als "national historic..." bezeichnet werden, mit Shop, Großparkplatz und Tamtam außenherum. Als solches kann man das bißchen Stahlgitter und Baracke nun wirklich nicht bezeichnen, so sehr man sich auch echauffieren will. Dann versetze man sich in die Lage eines Besuchers irgendwo aus der Welt, der in eines der reichsten Länder der Welt kommt, das aus einer menschenverachtenden Zeit den Weg zurück in die restliche Welt geschafft hat. Und dann findet dieser fremde Besucher als Relikte dieser Zeit solche einmaligen Orte unbeachtet und nebensächlich vor. Die Erklärung dafür lautet: Dieses Land kann keinen Betonbrocken halbwegs sanieren und daneben ein Türmchen aus einfachsten Materialien errichten, das ist zu teuer. Da lacht sich doch die halbe Welt kaputt, die andere Hälfte langt sich an den Kopf.

Weiß nicht recht, das empfinde ich als etwas lächerlich. Das Ding ist ja weder vergoldet worden, noch hat man Rosenbeete darum angelegt. Nicht nur in solchen Sachen finden m. E. ein nicht sachliches Gegeneinanderausspielen ganz anderer Interessen statt, die jedoch nur miteinander Sinn machen. Ich halte es für ziemliches Bildniveau, politischen Aussagen enthalte ich mich da mal, egal was auch projektiert wird, in imaginäre Kindergartenplätze umzurechnen. Hinter solchem Getöse steckt immer der meist absichtlich geschürte Irrtum, daß anstatt solcher Ausgaben tatsächlich das Gewünschte gebaut und bezahlt würde, was natürlich völliger Blödsinn ist. Daß wir hier von völlig verschiedenen Töpfen ein und desselben Gemeinwesens sprechen, wird dabei regelmäßig negiert. Ein Gemeinwesen funktioniert aber nur aus der Mischung aller seiner Teilbereiche.
Der sogenannte Wutbürger ist durch und durch Demokrat. Außer man gibt ihm nicht Recht.

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