Lost Rennfahrer

Verkehrsgeschichte - Straßen, Autobahnen und sonstige Straßenverkehrs-Bauwerke
pkbremen

Beitrag von pkbremen » 18.02.2005 16:29

Tach zusammen!

In meinem Archiv habe ich Fotos gefunden, auf denen Kurt Baum, Hainspitz, mit seinem BMW-Eigenbau zu sehen ist (der gleiche Wagen, wie auf dem Bild). Leider ist der Konkurrent nicht drauf.

Sachsenring, 25.9.1949 - Rennen 9, Lauf b, Rennwagen bis 2 Liter (F. II), Nr. 62 Baum

2. Erfurter Zementbahn-Rennen 6. März 1950, Demo-Lauf und Fahrerlager

Sternberg-Rennen, Zella-Mehlis-Oberhof, 18. Juni 1950, Rennen 10, Formel II bis 2000 cm³

Sachsenring, 27. August 1950, Rennen 7, F II, Nr. 102

2. Dessauer Motorrad- und Autorennen, 1. Okt. 1950, Rennen 10, Sportwagen Klasse E und F II, Nr. 120

Keine Strecke mit Straßenbahnschienen. Hatten Dessau und Zella-Mehlis eine Tram?

petzolde
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Beitrag von petzolde » 19.02.2005 00:19

Dessau scheidet aus, weil Regelspur.
Tram in Zella-Mehlis ist mir nicht bekannt.
Bleiben mit Schmalspur-Tram:
Halle
Zwickau
Erfurt - aber wo ist dort die Zementbahn?
Ist auf dem Foto im Hintergrund eine (Eisenbahn-)Überführung zu sehen???
gruß EP

brun
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Beitrag von brun » 19.02.2005 12:46

@pkbremen

Wäre es irgendwie möglich deine Bilder hier rein zu stellen? Würde mich sehr freuen :)

uechtel

Beitrag von uechtel » 20.02.2005 01:27

Hallo brun, danke für den Tip, da bin ich!

Und für alle anderen zur Erklärung, ich bin nämlich wohl der Auslöser für diesen Thread.

Deswegen erst mal eine kurze Vorstellung, wie mein Benutzerprofil verrät, beschäftige ich mich sehr intensiv mit dem Motorsport im Nachkriegsdeutschland, also die Zeit, bevor die großen Hersteller eingestiegen sind.

An dieser Stelle muß ich brun auch gleich erst mal widersprechen
Es gab sogar schon 1949 wieder Autorennen im Osten, nämlich am Sachsenring und in Dessau. Da waren die viel früher wieder dran als im Westen, zum Teil auch weil das neue Regime es damals noch für wichtige Veranstaltungen hielt (technischen Vortschritt zeigen usw).
Das ist zwar im Grunde richtig und man hat den Motorsport dann sogar auch staatlich gefördert (u.a. durch einen Rennstall in Staatseigentum, für den Edgar Barth 1953 sogar am Grand Prix von Deutschland auf dem Nürburgring teilgenommen hat - der einzige Teilnehmer von jenseits des Eisernen Vorhangs bei einem Weltmeisterschaftslauf überhaupt bis zur Öffnung 1990) und es gab ab 1952 sogar eine 14-tägig erscheinende Zeitschrift ("Illustrierter Motorsport"), aber dennoch ist der Motorsport im Westen schon viel früher wieder gestartet, nämlich bereits 1946 mit dem Bergrennen am Ruhestein und dem ersten Rundstreckenrennen auf dem Autobahnkurs in Karlsruhe.

Was diese zeit für mich so besonders interessant macht, sind die da verwendeten Fahrzeuge. Bei der Mehrzahl von ihnen hat es sich entweder um aufgemöbelte Vorkriegsrennwagen gehandelt, oder um sogenannte "Eigenbauten". Diese sind, wie der Name schon sagt, von den Fahrern selbst aus allem möglichen zusammengebaut worden - Wehrmachtskübel und selbst Schwimmwagen als Basis waren keine Seltenheit - und boten natürlich ein sehr buntes Bild auf den Rennstrecken. Außerdem sind die stolzen Besitzer die Kisten natürlich auch jahrelang gefahren, dazwischen immer wieder auch mal repariert oder "verbessert", so daß jedes Fahrzeug eine eigene kleine Historie besitzt.

Zum Motorsport gibt´s ja im Internet mittlerweile eine Reihe Foren, über die ich z.B. auch brun kennengelernt habe. Und was einige von euch vielleicht überrascht, in diesen Foren drehen sich eine Menge von Threads ums Identifizieren von Bildern und es ist manchmal ganz erstaunlich anhand welcher Details man sich da manchmal Schritt für Schritt vorwärts hangeln muß. Es ist nämlich keineswegs alles so lückenlos dokumentiert, wie man vielleicht annehmen möchte, gerade was diese Zeit angeht.

Da sind Bild oft die einzige Möglichkeit, um zu belegen, daß ein bestimmter Fahrer oder ein bestimmtes Auto an einem Rennen teilgenommen haben.

Oft hat man aber auch nur einen Eintrag im Rennprogramm und weiß gar nicht, wie das entsprechende Auto überhaupt ausgesehen hat. Da helfen dann zumeist nur Quervergleiche mit anderen bereits bekannten Aufnahmen und aus diesem Grund baue ich mir seit ca. 5 Jahren so nach und nach eine Art Bilddatenbank auf, anhand der ich dann die Renngeschichte der Fahrzeuge rekonstruieren kann.

Deswegen ist es mir wichtig, jedes Bild möglichst genau zu identifizieren. Von daher freut es mich, daß ihr euch hier an "meinem" Bild versucht, es stammt aus einem Artikel im Magazin des Wartburg-Fanclubs (den ich als Scan geschickt bekommen habe, deswegen sorry wegen der Bildqualität), aber leider steht nicht dabei, wann und wo es aufgenommen worden ist.

So, genug der Vorrede, nun zum Bild: Ich bin mir mittlerweile auch sicher, daß es aus 1950 stammt, denn 1953 fuhr das linke Fahrzeug (in der damaligen Fachpresse "der weiße Traum" genannt) die ganze Saison hindurch mit einer dicken Starnummer "107" quer über der Haube:

http://img140.exs.cx/img140/2889/wojcie ... w532bm.jpg

Das hier stammt übrigens vom Sachsenring, aufgenommen am 23.8.1953. Wenige Minuten später hatte der Fahrer Karl Wojciechowski damit einen ziemlich üblen Crash, der wohl seine Karriere genauso wie die des Autos dann beendet hat.

http://img54.exs.cx/img54/8422/wojciech ... wsachs.jpg

uechtel

Beitrag von uechtel » 20.02.2005 01:31

brun hat geschrieben:@pkbremen

Wäre es irgendwie möglich deine Bilder hier rein zu stellen? Würde mich sehr freuen :)
Und mich erst...

brun
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Beitrag von brun » 20.02.2005 08:32

Ha Uechtel, schön dass man sich hier wieder trifft :) Und ich lasse mich sofort gern von dir verbessern :mrgreen:

pkbremen

Beitrag von pkbremen » 20.02.2005 18:15

Ein Freund fand raus:

Ort und Zeit des Fotos ist Wittenberg am 31. Juli 1949: ein Demonstrationslauf der beiden einzigen bis dahin in der Sowietzone existierenden Formel II Rennwagen auf BMW-Basis anlässlich des 2. Rundstreckenrennens für Motorräder in Wittenberg. Rechts ist der ( ziemlich zusammengeschusterte ) BMW-Eigenbau von Kurt Baum aus Hainspitz, der zu diesem Zeitpunkt noch keinen 328-Motor eingebaut hette!
Links ist der wunderschöne Intertyp von Helmuth Weber aus Jena auf BMW-Basis, der auf der Leipziger Frühjahrsmesse 1950 vom "Illustrierten Radsport Express" zum "Weißen Traum" erklärt wurde, ein Spitznamen, den der Wagen für den Rest seiner Laufbahn behalten sollte.
Weber war eigentlich Bauingenieur von Beruf und ab Juni 1949 erster Vorsitzender der neu gegründeten MSK ( Motor Sport Kommission ) der Ostzone mit Sitz in Jena. Ein zweites Standbein
hatte er sich mit dem "Sport- und Rennfahrzeugbau Ing. Helmuth Weber, Jena" geschaffen, dessen einziges Produkt allerdings der "Weiße Traum" bleiben sollte. Die Karosserie des Wagens inklusive Entwurf stammte von Ing. Georg Hufnagel aus Eisenach, der später auch für die Entwürfe der DAMW-Rennwagen aus Berlin-Johannisthal verantwortlich war. Erster Renneinsatz des Wagens, über den damals völlig utopische Leistungsdaten von 140 PS bei 6800 U/min und eine Spitze von 240 km/h kolportiert wurden, war allerdings erst das Sternberg-Rennen von Zella-Mehlis nach Oberhof am 18. Juni 1950 - ohne besondere Platzierung. Bei der Demo-Fahrt in Wittenberg war der Wagen mit Sicherheit noch nicht "rennfertig", weil Ihm noch wichtige Tuning-Teile von Schleicher aus München fehlten, deren Beschaffung ja nur im Tausch und auf ziemlich dunkelen Wegen möglich war. Hilfestellung hierzu kam unter anderem von Paul Greifzu aus Suhl, der zur gleichen Zeit an einem BMW-Monoposto arbeitete, der allerdings der erfolgreichste Formel II Rennwagen der DDR werden sollte.
Auffällig in dem Foto ist noch die deutlich höhere Sitzposition von Weber gegenüber Baum, beide benutzten ja prinzipiell das gleiche BMW-Chassis: Weber hatte - grundsätzlich richtig denkend - die beiden Benzitanks des Wagens etwa im Bereich des Gesamtschwerpunktes, nämlich unter dem Fahrersitz eingebaut, was natürlich zu dieser ungünstigen Sitzposition führte. Bis zum ersten Renneinsatz wurden die Tanks allerding wieder ins Heck verlegt.
Bereits 1952 musste Weber den "Weißen Traum" wegen finanzieller Schwierigkeiten verkaufen und neuer Besitzer wurde der Kfz.-Schlosser Karl Wojziekowski aus Wittenberg, der den Wagen schließlich auf dem Sachsenring am 23.Aug. 1953 zu Schrott fuhr. Wojziekowski musste damals für mehrere Monate ins Krankenhaus und verlegte sich danach auf etwas weniger gefährliche Motorboot-Rennen, was Baum übrigens nach GreifzuŽs tödlichem Unfall in Dessau 1952 ebenfalls machte ( beide in der 1,5 Ltr. Klasse mit Kurzhub-BMW 328 Motoren ! )

uechtel

Beitrag von uechtel » 20.02.2005 22:08

Ah super! Ja, Wittenberg macht Sinn, Baum ist dort ja auch schon im Vorjahr zu Demonstrationsrunden eingeladen worden.

Ich muß auch zugeben, der "weiße Traum" war für seine Zeit ein ausgemacht schöner Rennwagen, nur konnte er leider eben leistungsmäßig doch nicht ganz mithalten. Das muß man aber vor dem Hintergrund der sicher nicht einfachen Umstände in der damaligen DDR sehen, da muß schon eine Menge Enthusiasmus dazugehört haben, um überhaupt so ein Auto auf die Räder zu stellen.

Vielen vielen Dank, das war eine große Hilfe. Und gleich mit so viel zusätzlicher Hintergrundinformation, da erkennt man gleich den Experten. Die "Silberpfeile aus Bremen" hab ich natürlich in meinem Buchregal, ein toll gelungenes Buch über beinahe vergessene Rennwagen und ich freue mich schon auf die angekündigte Fortsetzung.

Bei deinen Ausführungen ist mir allerdings eine Stelle aufgefallen:
Rechts ist der ( ziemlich zusammengeschusterte ) BMW-Eigenbau von Kurt Baum aus Hainspitz, der zu diesem Zeitpunkt noch keinen 328-Motor eingebaut hette!
Das ist mir allerdings neu! Zumal vorne auf dem Kühler bereits der Schriftzug "Baum - BMW" angebracht ist. Was hatte der denn dann unter der Haube?

brun
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Beitrag von brun » 20.02.2005 22:57

Na das ist ja krass, soviele Infos hier. Richtig klasse.

Aber nurmalso nebenher: gab's in Wittenberg denn eine Strassenbahn? Nie gewusst!

petzolde
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Beitrag von petzolde » 21.02.2005 00:05

Laut
www.sufk-koeln.de
ist die Straßenbahn in Wittenberg schon 1921 stillgelegt worden. Ungewöhnlich, daß auf dem Foto die Oberleitung noch hängt, d.h. 30 Jahre nach Stillegung, und trotz Materialknappheit im WK2, wo man alles gesammelt hatte, was Kupfer... war.
Die Aussagen "in Wittenberg" und "am Sachsenring" aufgenommen, passen so nicht aufeinander.
gruß EP

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