Postlinie Stralsund-Bug-Ystad 1683-1897

Verkehrsgeschichte - Wasserwege, Häfen und zugehörige Bauwerke
Antworten
Benutzeravatar
Eddy
Forenuser
Beiträge: 96
Registriert: 18.09.2015 20:40
Ort/Region: Dranske / Rügen

Postlinie Stralsund-Bug-Ystad 1683-1897

Beitrag von Eddy » 16.10.2015 15:08

:lightup:
Nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) erhielt die Großmacht Schweden nach dem Friedensvertrag von Osnabrück und Münster 1648 große Teile Norddeutschlands zugesprochen. Dazu gehörten die Odermündung mit Stettin, ganz Vorpommern mit der Insel Rügen, die Stadt Wismar mit der Insel Poel sowie die Bistümer Verden und Bremen, aber nicht die Stadt Bremen. Zu diesen neuen Gebieten bedurfte es einer schnellen und zuverlässigen Verbindung zwischen diesen und dem Königreich. Über Dänemark wäre hier der schnellste Weg gewesen aber dieses Land war der Erzfeind des Königreiches Schweden. So kam es durch immer wieder aufflammende, kriegerische Auseinandersetzungen mit Dänemark, Polen, Brandenburg und Russland zu erheblichen Störungen im Postverkehr zwischen Pommern und Schonen. Seit 1664 setzten die Schweden kleine Segler der Kriegsflotte als Kurierschiffe ein. Sie befuhren die Linie Stralsund – Ystad. 1673 unternahm Schweden ernsthafte Anstrengungen, die Seepost zu stabilisieren. Es wurden zwei kleine zweimastige Segelschiffe, die „Måsen“ und „Posthornet“. Diese Schiffe und zwei Kriegsschiffe unternahmen 1673 und 1674 Gelegenheitsfahrten bei Bedarf. Es gab weder feste Abfahrts- und noch Ankunftszeiten. Bei ungünstigem Wetter wurde auch der Darß oder Usedom angelaufen. Durch einen neuen Krieg wurde die Postlinie wieder eingestellt. 1676 verlor Schweden die Herrschaft auf der Ostsee für einige Zeit. Trotzdem fuhren monatlich Fischerboote zwischen Wittow und Ystad, aus Sicherheitsgründen aber nur nachts. Als die Brandenburger Rügen besetzten, war es auch mit diesen Fahrten vorbei.
Dann kam aber der Frieden von St. Germain 1679, wo der Große Kurfürst von Brandenburg auf Schwedisch-Pommern verzichten musste und der Weg für die Postlinie war wieder frei.
Nun begann die Suche nach der besten Möglichkeit, eine ständige Postverbindung, die auch Personen und Güter transportieren sollte, aufzubauen. Stralsund sollte auf deutscher Seite die wichtige Stadt sein, die die Postschiffe anlaufen sollten. Die landseitige Anbindung an Überlandstraßen und –wege war hier gegeben. Doch die flache und komplizierte Nordansteuerung bereitete den Besatzungen immer wieder große Schwierigkeiten. Wind, Niedrigwasser und Eis führten hier oft zu Verspätungen, Unfällen und gar zum Nichterreichen der Stadt Stralsund. Als mögliche Anlaufpunkte kamen Barhöft, nördlich von Stralsund, die Insel Hiddensee, die Halbinseln Wittow, Jasmund und Mönchgut sowie die Insel Usedom in Frage. Man entschied sich für die Halbinsel Wittow, besser für die südliche Spitze der Halbinsel Bug. Seeseitig war die Lage des Ortes günstig aber für den Weitertransport von Personen, Post und Gütern nicht so. Es gab zwei Möglichkeiten, einmal mit kleinen, flachgehenden Booten über den Wasserweg zwischen Rügen und Hiddensee nach Stralsund zu kommen oder zum Anderen mit einem Boot vom Bug nach Dwarsdorf über den Rassower Strom überzusetzen und dann auf dem Landweg über Gingst nach Altefähr zu gelangen und hier mit der Fähre nach Stralsund überzusetzen. In Dwarsdorf wurde eigens dafür ein sogenannter „Postbauer“ mit seinem Boot verpflichtet. Als dritter, aber längster Reiseweg blieb die Landstrecke vom Bug über die Schaabe, über Jasmund, die Schmale Heide, über Bergen nach Altefähr mit der Kutsche.
Nun musste die Anlaufstelle am Südbug eingerichtet werden, ein Anlegesteg, ein Posthaus, in dem die Schiffer und Passagiere Unterkunft und Verpflegung erhalten konnten. Eine Wohnung und Arbeitsstube für den Postbeamten musste aber auch berücksichtigt werden. So begann man 1683 mit dem Bau der Anlage, die dann 1684 fertig gestellt war. Auch hier spricht man von "Schwedenschanze", da das Posthaus mit einer Schanze umgeben war und in allen vier Richtungen eine Kanone eingerichtet war.
Eddy
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.
"Tradition pflegen heißt nicht Asche aufbewahren sondern eine Flamme am Leben erhalten."rn

Benutzeravatar
Eddy
Forenuser
Beiträge: 96
Registriert: 18.09.2015 20:40
Ort/Region: Dranske / Rügen

Beitrag von Eddy » 16.10.2015 15:14

... und ehe ich morgen für eine Woche in Urlaub verschwinde noch die Erweiterungen des Posthauses.

Da aber die Schiffe immer größer wurden und damit auch die Anzahl der Reisenden, reichte die Größe des Posthauses bald nicht mehr aus und es erfolgte 1696 ein weiterer Umbau, dem 1747 eine letzte große Erweiterung folgte.

Über Seeschlachten vor der Halbinsel Bug und auch über die technische Entwicklung der Postlinie, die ja erst 1897 durch die "Königslinie Sassnitz - Trelleborg" abgelöst wurde, schreibe ich nach meiner Rückkehr Stück für Stück.
Bis denne
Eddy
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.
"Tradition pflegen heißt nicht Asche aufbewahren sondern eine Flamme am Leben erhalten."rn

Benutzeravatar
Eddy
Forenuser
Beiträge: 96
Registriert: 18.09.2015 20:40
Ort/Region: Dranske / Rügen

Beitrag von Eddy » 26.10.2015 19:10

Nun weiter mit der Geschichte der Postlinie.

Die ersten Fahrten auf der Linie Stralsund – Ystad wurden durch Kurierboote unternommen, weil das schwierige Fahrwasser zwischen Rügen und Hiddensee den größeren Schiffen immer wieder Probleme bereitete. Entweder Niedrigwasser oder im Winter Eis, verzögerten die Reisezeit mitunter erheblich oder verhinderten sie ganz. Die schwedische Admiralität setzte deshalb ab 1664 auf kleine Kurierschiffe wie zum Beispiel „Kleiner Jäger“ (Lille Jägaren).
Einige Jahre später verkehrten schon vier Schiffe auf der Linie, ihre Bedeutung nahm zu. Aber erst 1683 wurde der offizielle Liniendienst aufgenommen. Nun verkehrten solche Schiffe wie „Posthornet“ und „Postryttaren“, ab 1694 die Postyachten „Fama“ und „Resande Man“, die immerhin Lasten bis 360 Tonnen tragen konnten. Diese Schiffe waren ca. 20 m lange gedeckte Schiffe, in deren Kajüten bis 10 Personen und in einem Vorraum weiter 10 Personen unterkamen. Achtern war ein Laderaum für ca. 10 Pferde und mehrere Wagen.
Der Linienverkehr sah vor, dass jeden Montagabend abgelegt und Dienstag gegen 10 Uhr in Ystad anlegt wurde, Voraussetzung das Wetter spielte günstig mit. Die Rückfahrt erfolgte Donnerstag, sodass am Freitag gegen 10 Uhr das Posthaus Wittow erreicht wurde. Bei widrigen Wetterbedingungen konnte man auch schon einmal zwei Wochen unterwegs sein. Meist wurde in solchen Situationen garnicht erst ausgelaufen und die Reisenden mussten Tage beim Posthaus warten. Hier war man aber durch Unterbringungsmöglichkeiten auf derartige Situationen eingestellt.
Von 1703 liegt eine Preisliste vor:
1 Herr oder 1 Frau = 2 Taler, 36 Schillinge
1 Pferd oder 1 Ochse = 2,12 Taler
1 Diener oder 1 Mädchen = 2,12 Taler
1 Kutsche = 4 Taler
1 Tonne Güter = 16 Schillinge

Einem Schiff wollen wir aber hier noch eine besondere Beachtung schenken, dem Postsegler „HIORTEN“. Erste Absprachen zu deren Bau wurden bereits 1690 getroffen. Charles Sheldon, der Schiffbaumeister der schwedischen Admiralität entwarf das Schiff und veranschlagte sagenhafte 1.600 Silbertaler für deren Bau. Der Vertrag wurde am 21. März 1691 abgeschlossen und mit dem Bau unverzüglich begonnen, wahrscheinlich in der Cofferdiwerft in der Festungsstadt Carls Crona.
Die Dringlichkeit eines neuen Schiffes wurde durch ein starkes Unwetter im Januar 1691 unterstrichen. Der schwere Sturm zerstörte die Anlegebrücke in Ystad und die daran fest gemachte „Postryttaren“ erlitt ebenfalls großen Schaden. Auf Wittow wütete der Sturm ebenso und setzte die gesamte Halbinsel unter Wasser. Die Bewohner und Gäste des Posthauses mussten zwei Tage ohne Trinkwasser auskommen, das Fahrwasser zum Anleger des Posthauses versandete dabei sehr stark, die hier liegenden Yachten „Posthornet“ und „Delphin“ kamen mit geringen Schäden davon. April 1692 lief das neue Schiff in Karlskrona vom Stapel. Nach der Ausrüstung des Schiffes übernahm Kapitän Paul Jacobsen Kruus das Kommando und die Jungfernfahrt von Karlskrona nach Ystad mit 15 Passagieren wurde vollzogen. Das Schiff segelte innerhalb der Ostsee viele Male, doch der „Hirsch“ (Hiorten) war sehr langsam und entsprach nicht den gewünschten Eigenschaften der Postlinie. Im Dezember 1692 ging das Schiff deshalb zurück in die Werft. Nach mehreren Umbauten nahm die „Hiorten“ im Mai 1693 den Postverkehr auf, der dann durch das Schiff bis 1703 gefahren wurde.

1994 / 1995 wurde durch schwedische Freizeithistoriker der Plan gefasst, die „Hiorten“ nachzubauen. 1998 ist es soweit, die neue alte Segelyacht befährt wieder die Ostsee. Bei vielen Traditionstreffen der Segler ist das Schiff dabei.
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.
"Tradition pflegen heißt nicht Asche aufbewahren sondern eine Flamme am Leben erhalten."rn

Benutzeravatar
Eddy
Forenuser
Beiträge: 96
Registriert: 18.09.2015 20:40
Ort/Region: Dranske / Rügen

Beitrag von Eddy » 26.10.2015 19:42

Nach dem Abzug der Schweden aus Pommern, wurde die Postlinie weiter betrieben und gewann immer mehr internationale Bedeutung.
1817 richtet die königliche Regierung eine Seefahrtseinrichtung für das Fahrwasser Bug ein. Damit erhöht sich die Sicherheit in diesem Seegebiet.

„Bekanntmachung der Königlichen Regierung, betr. die zur Sicherung der Einfahrt in den am Posthause auf der Halbinsel Wittow gelegenen Nothhafen getroffenen Einrichtungen
Zur Sicherung der Einfahrt in den am Posthause auf der Halbinsel Wittow gelegenen Nothhafen, durch das sogenannte Bessiner Fahrwasser und zur Erleichterung der Benutzung dieses Hafens sind von Uns verbesserte Einrichtungen angeordnet worden, welche namentlich in folgenden Bezeichnungen des Ganzen in Frage seienden Fahrwassers bestehen:
1. Zwischen der Halbinsel Wittow und der Insel Hiddensee, und zwar auf der hier befindlichen Sandbank, die Plaate genannt, ist die größte Tiefe des Wassers durch eine dahin verlegte, weiß angestrichene Tonne angemerkt, und können Fahrzeuge zu beiden Seiten der Tonne passieren.
2. Eine andere, schwarz angestrichene Tonne ist am sogenannten Buger oder an der Spitze des von Wittower Seite anschließenden Riffs so gestellt, daß sie beim Einsegeln an der Backbord-Seite des Schiffes liegen bleiben muß.
3. In dem weiter zusammengedrängten Fahrwasser nach dem Posthaus zu, ist, an einem hervorspringenden Haken, Riff genannt, ein Prick mit Armen so gesetzt, daß selbiger ebenfalls an der Backbord-Seite des einseglnden Fahrzeuges bleibt.
4. Ein zweiter Prick, nebst angehefteter rother und weißer Flagge ist noch weiter im engen Fahrwasser nahe am Ankerplatz auf einem hier befindlichen Schiffswrack dergestalt befestigt, daß man in einer Schiffslänge zu beiden Seiten des Pricks durchfahren kann.
Dem Schifffahrt treibenden Publikum wird dieses hierdurch nachrichtlich bekannt gemacht.
Stralsund, den 19. November 1817
Königliche Preußische Regierung


1822 wird das erste Dampfschiff auf der Linie Ystad-Bug eingesetzt, es war die „Constitutionen“, 1825 folgte der „Preußische Adler“.
Die Linie Stralsund – Ystad wird bis 1897 befahren, am 29. April tippt der Dampfer „Oskar“ letztmalig die Flagge am Posthaus Wittow. Von nun an verkehren die Schiffe zwischen Sassnitz und Malmö, später Trelleborg.

Eine lange Geschichte, die im Wesentlichen den Bug und das kleine Fischerdorf Dranske berührte, geht damit zu Ende.
Eddy
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.
"Tradition pflegen heißt nicht Asche aufbewahren sondern eine Flamme am Leben erhalten."rn

Benutzeravatar
Fieldmouse
Forenuser
Beiträge: 1032
Registriert: 06.08.2004 08:19
Ort/Region: Teutoburger Wald

Beitrag von Fieldmouse » 27.10.2015 20:57

Hallo Eddy,
würde mich ja mal interessieren, wo genau das Posthaus Wittow lag,
vielleicht nutzt Du die GeoTag-Funktion ?
Den Posthafen habe ich schon, aber das Posthaus ?
Im Übrigen sehr interessanter Thread !
Fm.

Otto
Forenuser
Beiträge: 53
Registriert: 05.01.2005 23:13
Ort/Region: 06120 - HAL

Beitrag von Otto » 28.10.2015 11:54

auf die Schnelle:

Kartengrundlage: Insel Rügen, 1:100 000, um 1920; Ausschnitt Südbug (farbig).
und
Kartengrundlage: Meßtischblatt 1445 (4cm); Reichsamt für Landesaufnahme 1925; Ausschnitt Südbug (s/w).

Sonnige Grüße
Gerd
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.
... Wenn Menschen schweigen redet der Stein ...
http://www.unterirdisch-forum.de

Benutzeravatar
Eddy
Forenuser
Beiträge: 96
Registriert: 18.09.2015 20:40
Ort/Region: Dranske / Rügen

Beitrag von Eddy » 28.10.2015 14:30

Es ist nicht ganz so einfach aber ich denke ich habe ihn getroffen. Die Kartenausschnitte sind nicht ganz eindeutig weil das Land heute viel anders aussieht. Der Bug wächst schließlich jährlich um etwa 0,75 bis 1,00 m.
Eddy

PS: Fotos vom heutigen Standort stelle ich noch ein, war 2010 mit einem amerikanischen Journalisten dort.
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.
"Tradition pflegen heißt nicht Asche aufbewahren sondern eine Flamme am Leben erhalten."rn

Benutzeravatar
Eddy
Forenuser
Beiträge: 96
Registriert: 18.09.2015 20:40
Ort/Region: Dranske / Rügen

Beitrag von Eddy » 30.10.2015 12:57

Der amerikanische Journalist war im Auftrag einer schwedischen Philatelisten-Zeitung unterwegs und sollte eine Geschichte zur Postlinie schreiben. Dazu wollte er sich diesen ehemaligen Standort des Posthauses und des Posthafens vor Ort ansehen.
Hier einige meine Fotos vom Standort.
Eddy :-)
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.
"Tradition pflegen heißt nicht Asche aufbewahren sondern eine Flamme am Leben erhalten."rn

Antworten