Die DDR und ihre Devisen: Notwendigkeit und Beschaffung

Zivile und sonstige Bauten mit geschichtlichem Hintergrund und deutlichem Bezug zu den Fachthemen, die jedoch nicht eindeutig zuzuordnen sind
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erlenmeier
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Nurdachhaus-Siedlungen made in GDR

Beitrag von erlenmeier » 04.10.2018 15:16

Bei booking.com unter Lautenthal-Ferienhäuser am Waldschlösschen werden die übrig gebliebenen Nurdachhäuser made in GDR zu Miete angeboten.
Nur wer die Vergangenheit kennt, kann auch Gegenwart und Zukunft bewältigen.

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zulufox
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Beitrag von zulufox » 04.10.2018 16:25

Hallo,

eine weitere Nurdach-Ferienhaussiedlung gibt es hier: http://www.feriendorf-sonnenberg.com/

Wer die Häuser errichtet hat??? K.A. :(

MfG
Zf :holy:
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Ollie
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Bauvorhaben der DDR in Westdeutschland

Beitrag von Ollie » 05.10.2018 11:25

Hallo,
zufällig bin ich bei der Recherche zu einem anderen Thema auf die verlinkte Seite gestoßen https://www.stasi-mediathek.de/suche/.
Hier kann man unter anderem Dokumente der Stasi zu Bauvorhaben im Westen einsehen, z.B. bauten DDR - Betriebe Wohnhäuser in Bad Segeberg
https://www.stasi-mediathek.de/medien/b ... blatt/181/
und es gab auch ein Bauvorhaben mit dem Namen "Treffpunkt Rotebühlplatz" in Stuttgart.
https://www.stasi-mediathek.de/medien/k ... /blatt/20/
Das sind nur einige der auf der og. verlinkten Seite vorhandenen Informationen zu Bauvorhaben im Westen, es gibt dort noch viel mehr zum Thema.


Grüße aus BÄRlin,
Ollie
"Traditionspflege bedeutet nicht, in der Asche herumzustochern, sondern die Flamme weiterzugeben
(Ricarda Huch)

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erlenmeier
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Beitrag von erlenmeier » 06.10.2018 19:47

Moin Olli,

ich würde mich freuen, wenn Du die Baustellen/Orte/ Art des Baus einmal in Kurzform auflistest. Du schriebst ja, dass in der Mediathek verschiene Projekte dokumentiert sind.

Danke!!! sagt hans
Nur wer die Vergangenheit kennt, kann auch Gegenwart und Zukunft bewältigen.

isch
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Beitrag von isch » 06.10.2018 20:32

Hallo,

bin ganz überrascht das es das geben sollte. Bin ein wenig fündig geworden.
Bad Segeberg war wohl das Referenzprojekt, 1000 weitere sollten noch folgen.
https://www.stasi-mediathek.de/medien/k ... n/blatt/1/

1988 wurde dann in Stuttgart am Treffpunkt Rotebühlplatz mitgebaut. Interessant bei diesen Bericht ist das die Bauarbeiter aus Westberlin abgezogen werden. Schwerpunkt Westberlin??
https://www.stasi-mediathek.de/medien/b ... z/blatt/1/

Eigentlich kaum zu glauben, Baustoffe gab es hier nur auf Zuteilung aber im Gegenzug alles Exportieren, gelernt hatten die damals wirklich nichts, ich erinnere mal an die Erdöl- und Erdgastrassen wo auch alles aus der DDR ausgeführt werden mußte das war ja auch fast ein finanzielles Fiasko.

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kuhlmac
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Beitrag von kuhlmac » 07.10.2018 17:02

Hallo, Hans,
die Geschichte mit Stuttgart ist spannend, das wusste ich noch nicht.
Link dazu:
https://www.mz-web.de/mitteldeutschland ... en-1180964

Ich kann aus eigener Anschauung nur von einem Bau der TAKRAF in Hamm berichten, im Kanalhafen wurde eine Containerbrücke gebaut.


Was mich bei deiner Zusammenstellung irritiert: Verkehrsrechte auf der Bahn in West-Berlin.
6
Fahrt auf den Transit-Eisenbahnstrecken nach West-Berlin mit der Deutschen Reichsbahn
Hier wird verrechnet zwischen Deutscher Bundesbahn und Deutscher Reichsbahn (DR). In Folge kann die DR Weststrecken befahren, ohne mit DM zu bezahlen.
Fahrt auf der Transitstrecke mit der Dt. Reichsbahn war doch ohnin möglich, hab ich auch viele Jahre lang erlebt. Meinst du die gute alte Dt. Bundesbahn? Denn auch die Strecken in WB waren ja durch die DR verwaltet, einer der Gründe die Verkehrsrechte der DR auf der S-Bahn in West-Berlin bis 1984.
Vgl. in Kurzform dazu den tagesspiegel (mit weiteren Links):
https://www.tagesspiegel.de/berlin/west ... 36092.html

Grüße
Christian
"Wir essen jetzt Opa!" Satzzeichen retten Leben!

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erlenmeier
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Beitrag von erlenmeier » 07.10.2018 19:40

Zahlungen der Deutschen Reichsbahn an die Deutsche Bundesbahn.

Ich stelle mir das so vor, dass
- Güterzüge der DR durch die BRD fuhren und
- es gab ja auch Linien-Personenverkehr nach Berlin, Rostock, Dresden, Leipzig usw. Ich kann mich selbst noch daran erinnern um 1985 in DR-Personenwagen von Potsdam nach Hannover gefahren zu sein.

Wegen S-Bahn bis in die 70er/80er-Jahre in DR = DDR-Hand.
Das ist mir klar, dass auch darüber DMärker nach Ost-Berlin flossen.

Bautrupps in Bad Segeberg, Stuttgart, West-Berlin und scheinbar noch viele andere Projekte. Dieser Umfang war mir auch vor ein paar Tagen so nicht bekannt.

Alles höchst kompliziert! und doch so einfach? Eher eine vertrackte Ausgangsposition von Anfang an, oder?

Ein paar Km vom kapitalistischen Westen mit den fast unbegrenzten Möglichkeiten und der so hoch gepriesenen Freiheit....tja, darüber werde ich abschliessend noch mal ein Fazit schreiben.
Oder vielleicht unter dem Thema: Was wäre gewesen, wenn.....? Mal sehn.

Auf jeden Fall kommt nun der letzte Devisen-Beitrag zu KoKo, Schalck-Golodkowski und deren teils illegale Machenschaften.

Noch vielen Dank an kuhlmac, ollie, isch, frontstadtkind, zulufox und kuhlmac, die das ganze Projekt mit guten und wichtigen Ergänzungen, Fragen und Korrekturen begleitet haben.

Mir selbst hat das alles einige neue Erkenntnisse gebracht. Wenn man die 7 Teile gelesen hat denkt man doch abschliessend: "3 Jahre hätte ich der DDR-Wirtschaft noch max. gegeben. Dann wäre auch mit illegalen/kriminellen Tricks nichts mehr zu retten gewesen".

Gruß von Hans
Zuletzt geändert von erlenmeier am 07.10.2018 20:06, insgesamt 2-mal geändert.
Nur wer die Vergangenheit kennt, kann auch Gegenwart und Zukunft bewältigen.

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Beitrag von erlenmeier » 07.10.2018 19:48

Exkurs 3: Das Devisenimperium Koko

Die Berliner Zeitung berichtet am 22.11.1989: “Die kommerzielle Koordinierung des DDR_Devisenbeschaffers Schalck-Golodkowski unterstand direkt der SED. Das eigentlich zuständige Aussenministerium (Amin) hatte keinerlei Einfluss auf dessen Machenschaften.“

Schon 1957 begann Schalck-Golodkowski (SG) seine Karriere im Amin. Er sammelte umfassende Erfahrungen im innerdeutschen und dem übrigen Aussenhandel und damit schon einige mehr oder weniger legale Tricks der Devisenbeschaffung.

Zwischen 1962 und 1966 gewann er dann als erster Sekretär der SED-Kreisleitung im Amin vertiefte Einblicke in die Handelsbeschränkungen und anderen Schwierigkeiten des In- und Exporthandels. Diese Erkenntnisse bildeten die Grundlage für seine Dissertation, die er 1970 unter dem Titel „Zur Bekämpfung der imperialistischen Störtätigkeit auf dem Gebiet des Aussenhandels“ vorlegte. Betreut wurde die Schrift von Erich Mielke als Doktorvater.

Beim Ministerium für Staatssicherheit (MfS) beschäftigt, war er im Rang eines Oberst sog. OibE sprich Offizier im besonderen Einsatz.
Seine Arbeitsmethode kann man kurz umschreiben mit „das kapitalistische Polit- und Wirtschaftssystem in allen Bereichen zur Beschaffung von Waren, Devisen und Erkenntnissen zum Wohle der DDR nutzen, egal ob legal, illegal oder kriminell“.

Schon 1966 übernahm SG die Leitung des Arbeitsbereiches Koko, an deren Gründung er schon 1964 beteiligt war. Koko fasste die Handelsfirmen Genex, Intershop, Transinter und Zentral-Kommerz organisatorisch zusammen. Am Sitz der Zentrale in der Wallstraße 17-22 in Berlin Mitte befanden sich das Büro des Staatssekretärs, die Hauptabteilungen I, II und III und die Abt. Handelspolitik und Tourismus.

Anfangs noch dem Aussenministerium unterstellt, kam jedoch ab 1976 Koko direkt in den Entscheidungsbereich der ZK-Abteilung Wirtschaft von Günter Mittag und wurde damit eine eigenständige Institution, die weder dem Ministerium noch der Volkskammer Rechenschaft schuldig war. Die Erlöse aus den Koko-Handelsaktivitäten gingen direkt an die SED und das MfS, die damit Operationen durchführten, die bis dato so nicht möglich waren. Das „Imperium“ unter SG war nur den Staatsratsmitgliedern Honnecker und Mittag sowie dem MfS-Leiter Mielke Rechenschaft schuldig.

Um im Ausland, insbesondere in der BRD, effektiv Devisen zu vereinnahmen, waren bis 1982 u.a. anderem folgende Firmen gegründet worden:

- Antikhandel Pirna
- ASIMEX
- BERAG
- BIEG (150 Mitarbeiter (MA))
- Camet
- Delta
- F.C. Gerlach
- Forgber
- Forum (248 MA)
- Genex
- IMES-GmbH
- ITA
- Interport
- INTRAC ( 510 MA)
- KuA
- Letex
- Philatelie Wermsdorf
- Transinter (370 MA)

Insgesamt waren weltweit zwischen 150 und 220 DDR-Firmen im Schafspelz weltweit für die Devisenbeschaffung im Einsatz.

Generell sollten mit allen möglichen „offiziellen“ (legalen) und „inoffiziellen“ (illegalen) Mitteln Devisen beschafft werden.


Eng angelehnt an die Ideen der Doktorarbeit SG´s hatten die Firmen die folgenden Aufgaben

- Generell sollten mit allen möglichen „offiziellen“ (legalen) und „inoffiziellen“ ( illegalen) Mitteln Devisen beschafft werden.

- Waffenhandel: z.B. wurden gleichzeitig an die Kriegsfeinde Irak und Iran Waffen geliefert, teilweise ausgedientes Volksarmee-Material, gelegentlich auch Neuware.

- Beschaffungen von Luxusgütern für die Bewohner der Elitesiedlung Wandlitz. Ein VW-Bus fuhr regelmäßig nach West-Berlin, ausgestattet mit 10.000 bis 30.000 DM Bargeld.

- Direkte oder indirekte Finanzierung von befreundeten Auslands-Gruppierungen wie die DKP in der BRD und Staaten in Afrika und Mittel-/Südamerika, die um einen sozialistischen Wirtschaftsaufbau kämpften.

- Umgehung des Cocom-Embargos, Beschaffung von Computertechnologie und anderem High-Tec.

- Import von knappen Rohstoffen, Edelmetallen, Produkte für die Landwirtschaft durch die Firma Intrac. Selbst die Rohstoff-Notreserven der DDR wurden, wenn nötig, für kurzfristige Verkäufe missbraucht.

- Ausführung von Hochbauprojekten in verschiedenen Städten der BRD durch Bautrupps aus der DDR vom Bau eines kompl. Einkaufszentrums bis hin zu den Elektroinstallationen in Neubau-Vorhaben.

- Verkauf von Briefmarkensammlungen.

- Kunstgegenstände und Antiquitäten, die die Koko in Kooperation mit dem MfS oft durch ungesetzliche Massnahmen requirierte. Privatsammlern wurde Steuerbetrug vorgeworfen, sie wurden inhaftiert und die Bilder, Kunstfiguren, Porzellan usw.- in das westliche Ausland zum Verkauf angeboten. Auch Exponate aus Kunst-Museen gingen halblegal den Weg in den Westen.

- Kurzfristige Versorgungsengpässe wurden über die Koko-Guthaben durch Warenkäufe überbrückt. 1989 wurden dafür z.B. 3,8 Mrd. DM eingesetzt.

- Einsätze des MfS, insbesondere Auslandsspionage, finanzierte SG´s Koko.

- Mit dem Konto Nr. 1628 bei der Deutschen Handelsbank-AG, dem sog. „Generalsekretärskonto“ stellte SG Erich Honnecker 1989 2,3 Mrd. zur Verfügung. Täglich mussten 100 Mio DM disponibel sein.

- U.a. stammten die o.g. Mittel aus Gewinnen der Firma Forum GmbH, die 1989 640 Mio DM, u.a. aus dem Intershop-Handel, überwies. Die West-Berliner Import- und Exportgesellschaft BIEG generierte mit ihrem Handel 170 Mio DM.

- Selbst Baumaterial für die Restaurierung historischer Gebäude und Wohnviertel verkaufte die Koko an die BRD. Für den Export von alten Pflastersteinen wurden Dorfstraßen demontiert.

- Insgesamt beschäftigte Koko ca. 3.000 Mitarbeiter, allein ca. 170 in der Berliner Zentrale. Ein Großteil davon hatte MfS-Ränge oder stand dort unter „IM-Vertrag“.

- Das Ministerium für Staatssicherheit war für die Besetzung sämtlicher Planstellen verantwortlich.

- Die Koko war für die Gründung und den laufenden Betrieben von Firmen im NSW zuständig, sorgte für die notwendigen Handelskontakte und den Geldtransfer.

- Sie errichtete Holdings, Stiftungen, Bankkonten, ja sogar eine eigene Bank in Luxemburg.

- Gewinne wurden im NSW gut verzinst auf Abruf deponiert.


- Zu den kriminellen Handlungen der Koko zählen u.a. Steuerbetrug, indem der umsatzfrei innerdeutsche Handel auch für den Handel mit Drittländern genutzt unter Koko-Firmen ablief oder weit überhöhte Handelspreise in Rechnung gestellt wurde. In Folge kam es dann auch zu höheren Steuerrückzahlungen.

- Häufig stand der Warenhandel nur auf dem Papier ohne dass ein Karton von Ost nach West bewegt worden war.


- Waren aus Billiglohnländern bekamen in der DDR ein neues Herkunftsschild mit dem Text „Made in GDR“, wurden dann in den Westen exportiert und erbrachten hohe Gewinne.

- Mit Hilfe der Staatsspedition Deutrans konnten wegen fehlenden Zollkontrollen häufig Waren in beide Richtungen transportiert werden.Koko-Mitarbeiter nahmen nach dem Be- bzw. Entladen der Konterbande die Neu-Plombierung der Laderäume vor.

SG flüchtete gleich nach dem Mauerfall nach Westdeutschland.
Seitdem ist der Verbleib von erheblichen Devisensummen und einer Goldmenge, die zwischen 12 und 20 Tonnen beziffert wird, ungeklärt.

Nur wer die Vergangenheit kennt, kann auch Gegenwart und Zukunft bewältigen.

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Beitrag von erlenmeier » 08.10.2018 11:15

kuhlmac hat geschrieben:Hallo, Hans,
die Geschichte mit Stuttgart ist spannend, das wusste ich noch nicht.
Link dazu:
https://www.mz-web.de/mitteldeutschland ... en-1180964

Ich kann aus eigener Anschauung nur von einem Bau der TAKRAF in Hamm berichten, im Kanalhafen wurde eine Containerbrücke gebaut.


Was mich bei deiner Zusammenstellung irritiert: Verkehrsrechte auf der Bahn in West-Berlin.
6
Fahrt auf den Transit-Eisenbahnstrecken nach West-Berlin mit der Deutschen Reichsbahn
Hier wird verrechnet zwischen Deutscher Bundesbahn und Deutscher Reichsbahn (DR). In Folge kann die DR Weststrecken befahren, ohne mit DM zu bezahlen.
Fahrt auf der Transitstrecke mit der Dt. Reichsbahn war doch ohnin möglich, hab ich auch viele Jahre lang erlebt. Meinst du die gute alte Dt. Bundesbahn? Denn auch die Strecken in WB waren ja durch die DR verwaltet, einer der Gründe die Verkehrsrechte der DR auf der S-Bahn in West-Berlin bis 1984.
Vgl. in Kurzform dazu den tagesspiegel (mit weiteren Links):
https://www.tagesspiegel.de/berlin/west ... 36092.html

Grüße
Christian

schrieb Christian Kuhlmac,

und nun habe ich gestern Abend den Zeitungsbericht aus der Mitteldeutschen Zeitung (MZ) vom 10.01.2014 über die Bau-Aktivitäten der DDR im Westen gelesen. Er gibt eine gute Zusammenfassung über diese Art der Devisengewinnung.



Ende der 1980er-Jahre sollen demnach DDR-Bauarbeiter auf rund 30 Baustellen in Westdeutschland beschäftigt gewesen sein. Eines der Großprojekte war in Stuttgarts City das "Rothebühlzentrum". Die KoKo-Aussenstelle, Fa. Limex, hatte diesen Auftrag vom Generalunternehmer (GU) Müller-Altvater erhalten. Die Arb. aus dem Osten waren "nur" für den Rohbau zuständig.
In 14 Monaten erwirtschafteten 87 Bauarb. ca. 3,5 Mio DM. Der Generalunternehmer hatte den Gesamtpreis unter Zugrundelegung von West-Tariflöhnen akzeptiert, die Arbeiter erhielten dagegen neben ihrem üblichen Monatslohn in Höhe von ca. 1000 DDR-M einen "Auswärtszuschlag" in Höhe von 20DM pro Tag. Limex kassierte pro Arbeitsstunde 40DM. Daraus errechnete die MZ einen Reingewinn von 300DM pro Arbeitstag und Mann. Den Gesamtgewinn kann man sich bei 14 Monaten Bauzeit schnell errechnen.

Warum war nun der GU am Vertrag mit Limex interessiert? Kurz: Ersparte den AG-Anteil an den Sozialabgabe, grob 10% der Lohnsumme.

Nach der Statistik des Statistischen Bundesamtes haben im Jahre 1988 bis zu 2000 Arbeiter 26 Mio DM "herein geholt". Von Baustellen in West-Berlin kamen noch einmal 11 Mio DM dazu.

Die Interessierten sollten den o.g. Zeitungsbericht unbedingt komplett lesen. Darin wird die Auswahl des Baustellen-Personals, die Regeln im Baustellencamp und die Überwachung durch die Staatssicherheit ausführlich beschrieben.

Ich wollte ja nun eigentlich ein paar Tage Devisen-Urlaub machen, aber.....das Thema hat mich derart gepackt, dass ich zum abschliessenden Abschluss am Ende des Finales noch einmal einen Science Fiction hinterherschicken möchte.

Was wäre aus der DDR geworden, wenn.................
Erscheint BALD
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Beitrag von erlenmeier » 08.10.2018 22:45

Exkurs 4: Wie hätte sich die DDR entwickelt, wenn.......

- die UdSSR die Grenze zum Westen schon 1948 hermetisch geschlossen hätte,

-in der späteren DDR nur Radios mit Ost-Empfang hergestellt worden wären. D.h. Frequenzen ausserhalb der zugeteilten Wellenbereichen verwendet worden wären (Grenzwelle zwischen MW und KW),

-keine Besuchsreisen zugelassen wären,

-kein sog. Interzonen-, später Innerdeutscher Handel praktiziert worden wäre,

-die Neubauern (Parole Junkerland in Bauernhand) mit den neuen Produktionsgenossenschaften (LPG) konkurriert hätten,

-die Wirtschaft versucht hätte, mit den heimischen Rohstoffen plus Zulieferungen aus den RGW-Staaten auszukommen,

-Neubauwohnungen und die Sanierung von Altbauten auf der Basis vorhandener Rohstoffe (Holz, Sand, Zement) im herkömmlichen Stil gebaut worden wären,

-Ulbricht und Honecker nicht den Drang gezeigt hätten, den Westen in Bezug auf Technologie, Konsum/Lebensstandard einzuholen/überholen zu wollen,

-die zu der Zeit schon erprobte Windenergie einen großen Beitrag zur Energieversorgung geliefert hätte,

-eine rel. kleine Schiffahrts-Flotte für den Transport innerhalb der Baltic-RGW-Staaten genügt hätte,

-anstelle der PKW-Motorisierung für alle lediglich der öffentliche Verkehr per Auto, Bus und LKW entwickelt worden wäre,

-das Eisenbahnnetz schrittweise optimiert worden wäre, um schnell und bequem zum Arbeitsplatz und in die Freizeitgebiete zu fahren,

-die Bevölkerung eine sehr gute Versorgung mit Lebensmitteln und Alltags-Gebrauchsgegenständen erhalten hätte, weil ja der Export hochwertiger Waren in den Westen nicht stattgefunden hätte,

-der Staat auf eine aufwändige Luftfahrt-Flotte verzichtet hätte,

Ich bin sicher, dass dem Leser noch weitere Ideen kommen, aber.....hätte die SU als großer Bruder, Besatzungsmacht und Zwangs-Vorbild das o.g. alles akzeptiert?????

Hätte sich der Nachbarstaat tatsächlich so hermetisch gegen West-Einflüsse abschotten können?

Hätten sich die Parteioberen und Regierungsmitglieder privat auch mit dem bescheideneren Lebensstandard zufrieden gegeben??


So oft habe ich das Wort „hätte“ in meinem gesamten Leben noch nicht benutzt. Aber´s sollte halt ein Science Fiction werden

sagt Hans.....und geht in den hoffentlich wohlverdienten DEVISEN-URLAUB.
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