Offene Fragen zur Funkmessstellung „Mistkäfer“ in Erlau

Funkmess-, Funkpeil-, Funkleit- und Funkstörtechnik des 2. Weltkriegs
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Spooky
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Und wieder weitere offene Fragen zur Funkmessstellung „Mistkäfer“ in Erlau

Beitrag von Spooky » 02.07.2019 22:58

Ein freundliches „Hallo“ in die Rude!

Was die Funkmess-Stellung Mistkäfer in Erlau und den Zeitraum ihrer Existenz betrifft, so muss ich an dieser Stelle konkret noch einmal nachhaken.

Auf der Website www.lexikon-der-wehrmacht.de/Gliederung ... ent234.htm wird darüber informiert, dass die Stellung im Oktober 1943 aus Bestandteilen des Ln.Rgt. 214/224 neu aufgestellt und am 2. September 1944 in 11. II. /Ln.Rgt. 231 umbenannt wurde (siehe Screenshot). Wann die Stellung aufgelöst wurde, ist nicht bekannt. Letztere Frage kann allerdings einfach beantwortet werden: Mit dem Vormarsch der alliierten Streitkräfte im April 1945 wurde der Gefechtsstand quasi von selbst aufgegeben. Ich komme ganz am Ende noch einmal darauf zurück.

MISTKÄFER_AUFSTELLUNG_2.jpg

In Karl Otto Hoffmann´s Buch „Die Geschichte der Luftnachrichtentruppe“ ist vermerkt, dass es bereits am 1. November 1942 einen Zugführer namens Karl Sauermann in der Stellung „Mistkäfer“ gab (siehe Kopie aus dem Buch).

MISTKÄFER_AUFSTELLUNG_1.jpg

Nun recherchiert ein anderer Hobby-Forscher gegenwärtig zur Historie von Lauenhain bei Mittweida. Lauenhain befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft zur ehemaligen Mistkäfer. Zeitzeugen berichteten dem Hobby-Forscher, dass ihren Erinnerungen nach die Luftnachrichten-Stellung bereits 1940 existierte. Ich konnte während meiner eigenen Recherche lediglich Dokumente ausfindig machen, die bis in das Jahr 1943 zurückreichen. Dabei handelt es sich unter anderem auch um eine Karte vom August 1943, auf der die Erlauer Stellung als „in Planung oder in Erkundung“ eingezeichnet ist.




Meine Fragen:

1. Wie kann es sein, dass auf einer Karte von 1943 die Stellung Mistkäfer als „in Planung oder in Erkundung“ eingezeichnet ist, aber Karl Otto Hoffmann in seinem Buch erwähnt, dass es bereits am 1. November 1942 einen Zugführer namens Karl Sauermann in der Stellung gab? Oder interpretiere ich hier etwas falsch?

2. Besitzt irgendwer weiteres Kartenmaterial aus dem hervorgeht, dass die Stellung tatsächlich schon 1940 existierte? Wie realistisch ist das überhaupt?

3. Auf der Website Lexikon der Wehrmacht ist zu lesen, dass die Stellung im Oktober 1943 aus Bestandteilen des Ln.Rgt. 214/224 "neu aufgestellt" wurde. "Neu aufgestellt" hört sich für mich so an, als hätte es da tatsächlich zuvor schon eine Anlage gegeben. Wir würdet ihr das interpretieren? Gibt es vergleichbare Stellungen, bei denen dies der Fall war?

4. In der Beschreibung in Hoffmann´s Buch sind die Abkürzungen OL-D, L-D und ganz rechts K abgedruckt. Leider habe ich dazu keine Erklärung mehr. Kann mir jemand verraten, was die Abkürzungen bedeuten?[/size]




Ergänzung: Was geschah mit der Stellung und den technischen Anlagen?

Einige von dem erwähnten Hobby-Forscher befragte Zeitzeugen erinnerten sich daran, dass die beiden Radargeräte (und vermutlich weitere technische Anlagen) des Mistkäfers von den Deutschen selbst vor dem Eintreffen der Alliierten gesprengt wurde. Tatsächlich ist auf einem Luftbild vom 11. April 1945 (!) der Gefechtsstand (T-Hütte) komplett und auf einem Luftbild vom 16. April 1945 (?) zerstört zu sehen. Die beiden Würzburg-Riesen scheinen aber noch physisch intakt zu sein. Leider lässt sich dies nur vermuten, da auf dem Luftbild schlecht zu erkennen.



Ich hoffe ich konnte hier und da zu neuen Erkenntnissen beitragen, auch wenn immer noch vieles mit einem Fragezeichen versehen werden muss. Für die Beantwortung meiner Fragen und die Bitte für sachdienliche Hinweise bedanke ich mich bereits im Voraus. :-)

Freundliche Grüße
Spooky
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nordfriese
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Re: Offene Fragen zur Funkmessstellung „Mistkäfer“ in Erlau

Beitrag von nordfriese » 06.07.2019 16:34

Moin!

zur Frage 4 aus dem Hoffmann (II/1):

OL = Oberleutnant
L = Leutnant

"'Weitere Erläuterungen zur Offizierstellenbesetzung:
Dienstaltersliste ... D [=] Kriegsoffiziere
Alle Offiziere, die keine Truppenoffiziere waren und auch nicht mehr zu Reserveoffizieren ernannt
werden konnten oder nicht mehr in entsprechende Listen überführt waren.
Allgemein war die Entscheidung über Ernennungen zu Truppenoffizieren und Reserveoffizieren fur
die Zeit nach dem Kriege vorbehalten."

Kriegsauszeichnungen:
K = Kriegsverdienstkreuz m. Schw. 2. Kl.

Gruss aus NF!
Rolf
"Whatever you do, don't mention the war." (Basil Fawlty)

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Re: Offene Fragen zur Funkmessstellung „Mistkäfer“ in Erlau

Beitrag von niemandsland » 09.07.2019 16:12

Moin,

was mir bei den von Dir verwendeten bzw. aufgeführten Quellen auffällt, ist, das Du gerne Fremdmaterial in Web und/oder Buchform nutzt. Das setzt aber voraus, das die Damen und Herren auch ordentlich gearbeitet haben. Nun, ich möchte niemandem etwas unterstellen.. aber ich würde (so mach ich das schon länger) Bücher und Webseiten erstmal nur zur ersten Orientierung nutzen.
So das ich überhaupt erstmal einen Ansatz oder einen groben Überblick für die Suche habe. Anschließend würde ich damit die "entsprechenden Verdächtigen" sprich die Archive abklopfen und schauen, was sich dort findet.

Das sich in diesen Quellen eine gewisse Diskrepanz zwischen den überlieferten Daten einschleicht, kann einfach diverse Ursachen haben. Hier kommt es dann darauf an, wo das Material her kommt, welches zu dem Ergebnis bzw. zur Information vor gelegen hat.

Probiere Deine Forschung mehr auf überliefertes Aktenmaterial zu stützen, als auf bereits ausgewertes und möglicherweise auch bereits interpretiertes "Wissen".

Ich wünsche Dir weiterhin viel Erfolg bei Deinen Nachforschungen (!).

Lass uns auch weiterhin daran teilhaben.

Gruß aus Hannover
Guido Janthor
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Re: Offene Fragen zur Funkmessstellung „Mistkäfer“ in Erlau

Beitrag von Spooky » 09.07.2019 21:39

Hallo Nordfriese,
hallo Guido ,

zunächst einmal recht herzlich Dank für die Beantwortung einer meiner Fragen und die Anmerkungen hinsichtlich Recherchearbeit. Ich nehme den Hinweise gern an. Natürlich nutze ich zuerst bereits veröffentlichtes Material, weil das zu Beginn als Grundlage am einfachsten ist. Aber ich nutze das nicht ausschließlich. Die Suche in überregionalen Archiven ist sinnvoll, wenngleich auch aufwendig und zeitintensiv. Zeit, die mir leider aktuell nicht zur Verfügung steht. Aus diesem hoffe ich u. a. auf das fundierte Wissen von Forschern hier im Forum. Parallel dazu unterhielt ich mich mit Zeitzeugen vor Ort, stehe in Kontakt mit anderen Hobby-Forschern und tausche mich mit Historikern aus. Leider ist es aber manchmal so, dass zu bestimmten Funkmess-Stellungen einfach keine weiteren Informationen vorliegen, weil die Aktenlage schwierig ist und vieles an Material verloren ging (Aussage aus dem Bundesarchiv).

Ich hoffe, dass sich für die anderen Fragen auch noch Antworten finden und das sie noch lösbar sind. Bis hierher, vielen Dank!

Mit freundlichen Grüßen
Ralf

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Re: Offene Fragen zur Funkmessstellung „Mistkäfer“ in Erlau

Beitrag von Cremer » 11.07.2019 11:57

Hallo Spooky,
Ich interpretiere "Neu aufgestellt" dahi gehend, dass man eine bestehende Einheit geteilt hat und damit den abgesplitteten Teil "neu aufgestellt" hat.
Man gewinnt durch Teilung aus einer in zwei Einheiten unter Hinzuführung von neuen frischen Soldaten. Die alten Soldaten lernen die neuen an.
Das Datum gibt an, seit wann dieser das "Rangdienstalter" hat, nicht die Stellung. (Siehe einpaar Seiten weiter vorne bei Hoffmann)
MfG Euer Fernmelder
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Re: Offene Fragen zur Funkmessstellung „Mistkäfer“ in Erlau

Beitrag von zulufox » 11.07.2019 19:59

niemandsland hat geschrieben: 09.07.2019 16:12 Probiere Deine Forschung mehr auf überliefertes Aktenmaterial zu stützen, als auf bereits ausgewertes und möglicherweise auch bereits interpretiertes "Wissen".
Hallo,

ich weise ja auch immer wieder auf die Inaugenscheinnahme zeitgenössischer Dokumente hin, aber auch da können sich nach meiner Erfahrung schon einmal Fehler einschleichen.

Ein schönes Beispiel ergibt sich aus einem Artikel von Marius Emmerling in der aktuell im Handel befindlichen Zeitschrift JET & PROP 3/19 auf den Seiten 16-23. Der Artikel hat den Titel: Flugzeugverlustmeldungen der Luftwaffe zu Beginn des Krieges 1939.

Auf der Seite 17 ist eine Tabelle mit den Standorten der Nah-Aufklärerstaffeln (H) abgedruckt. Zumindest ein Teil der Angaben in der Tabelle findet sich auch im Findbuch zu RL 10.

Die Tabelle enthält die Angabe, dass der Standort der 2.(H)/12 in/bei Rüdesheim gewesen sei. Vergleicht man nun aber die Lage der Orte Rüdesheim am Rhein und Rüdesheim an der Nahe (bei beiden Orten dürfte ein benutzbarer Feldflugplatz kaum möglich gewesen sein) mit der Angabe, welcher Armee die Staffel zugeordnet war, dann findet man, dass das Generalkommando VI. Armeekorps zunächst in Trier und dann in der Südeifel lag. Dort gab es einen Feldflugplatz beim Ort Büdesheim.

Soweit zur ungeprüften Übernahme aus Originaldokumenten.

Vergleicht man nun noch die Angaben in der Tabelle mit den Angaben hier:

Griehl, Manfred; Dressel, Joachim
Die deutschen Kampfflugzeuge im Einsatz 1936 - 1945
Podzun-Pallas-Verlag, Friedberg, 1990; ISBN: 3 – 7909 – 0398 – 1

dann fallen erstaunliche Unterschiede auf.

Soweit mein kurzer Exkurs zur ungeprüften Verwendung von Daten in Veröffentlichungen und in Originaldokumenten, der keine Kritik ist, sondern ein Hinweis zum Umgang auch mit Originaldokumenten.

MfG
Zf :holy:
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"Nichts ist leichter als Selbstbetrug, denn was ein Mensch wahrhaben möchte, hält er auch für wahr."

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Re: Offene Fragen zur Funkmessstellung „Mistkäfer“ in Erlau

Beitrag von niemandsland » 12.07.2019 09:58

@ ZF

Ein sehr sehr schönes Beispiel das Du da hast. Der Unsicherheitsfaktor Mensch, der nie frei von Fehlern ist. Ich stelle mir bei derartigen Beispielen immer vor, das hier zwei Personen gearbeitet haben. Vielleicht auf Basis von Notizen/Telegramen. Der eine liest vor, der andere notiert. Und da Rüdesheim ein klitzekleinwenig bekannter wird, wird aus Bündes- eben Rüdesheim. ;-) Wirklich ein sehr schönes Beispiel. Auch dafür, das man eben sehr wohl noch einmal überprüfen muss, ob das wirklich alles zutreffend ist.
Gut, kann man sich oft sparen... aber eben nicht IMMER! Danke dafür!

Gruß aus Hannover
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Re: Offene Fragen zur Funkmessstellung „Mistkäfer“ in Erlau

Beitrag von ju55dk » 12.07.2019 21:28

Im Übersicht über Nachtjagdstellungen August 1943 ist der Stellung nicht genannt. Also liegt der Hoffmann hier falsch. Er hat wohl 1942 statt 1943 Geschrieben.
Junker

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Re: Offene Fragen zur Funkmessstellung „Mistkäfer“ in Erlau

Beitrag von Spooky » 18.07.2019 11:13

Vielen Dank für die bisherigen Informationen und hilfreichen Einschätzungen.

MfG, Ralf

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Re: Offene Fragen zur Funkmessstellung „Mistkäfer“ in Erlau

Beitrag von Spooky » 26.02.2021 20:27

Liebe Mitstreiter,

ich möchte in diesem Jahr meine Recherchen zur Stellung "Mistkäfer" abschließen, da ich an einem Punkt angelangt bin, der die Frage aufwirft, ob die Zeit und Kraft es noch wert sind, weiterzumachen. Vieles wird unbekannt bleiben. Dazu zählt auch die Frage, was sich außer dem Gefechtsstand, den zwei Würzburg-Riesen und der Freya-Antenne noch alles im Areal der Funkmess-Stellung 2. Ordnung befand? Um das herausfinden zu können, bräuchte man ggf. ein Luftbild. Genau dieses habe ich über Umwege von einem Luftfahrt-Historiker erhalten (siehe unten, nur zu Ansicht). Ich hoffe ihr könnt alles gut auf dem Bild erkennen - andernfalls bitte bei mir anfordern.

Es zeigt die Stellung "Mistkäfer" und technische Anlagen auf den umliegenden Feldern Mitte April 1945, als die US-Truppen bereits vorrückten. Wo sich die beiden Würzburg-Riesen befanden, ist bekannt, denn es existieren noch heute die beiden Betonsockel. Doch was hat es mit den anderen Installationen auf sich? Was sehen wir noch alles auf dem Luftbild? Über konstruktive Ideen wäre ich euch sehr dankbar, auch wenn es aufgrund des geringen Schattenwurfes schwierig ist, etwas zu identifizieren. Ich habe mir erlaubt, die Installationen mit Nummern zu versehen, damit die Zuordnung einfacher ist. Bei Nr. 1 und 2 handelt es sich um die Standorte der beiden ehemaligen Würzburg-Riesen. Man beachte bitte auch die Bombentrichter, die während eines Bombardements im Dezember 1944 entstanden.

Bis dahin, bleibt alle gesund!
Ralf
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