Kasernenabriß Weißenburgstr.

Militärische Objekte des Ersten Weltkriegs, der Kaiserzeit etc.
Antworten
petzolde
Forenuser
Beiträge: 2103
Registriert: 05.09.2004 14:03
Ort/Region: Münster

Kasernenabriß Weißenburgstr.

Beitrag von petzolde » 01.01.2008 23:10

Kurz vor Weihnachten haben Bagger mit dem Abbruch des Hauptgebäudes der ehemaligen Kaserne in der Weißenburgstraße begonnen; in etwa 2 Wochen wird alles abgetragen sein.
Mit dem Bau der damals "Neue Train-Kaserne" genannten Anlage wurde 1913 begonnen; im dritten Reich hieß sie Hindenburg-Kaserne. Nach dem WK2 gab es keine militärische Nutzung mehr, und demnach auch keinen Namen mehr. Man nannte sie schlicht "Weißenburgkaserne".
Vor einem Jahr wurde ein Mannschaftsgebäude abgerissen, nun trifft es das Hauptgebäude. Das Gebäude änderte in fast 100 Jahren sein Äußeres kaum. Nutzer ist seit über 20 Jahren die Johanniter-Unfallhilfe. Das Gebäude diente um 1990 zeitweise der Unterbringung von Asylanten. Vor ca. 10 Jahren erfolgte eine recht aufwendige Innen-Komplettsanierung, um Zivis unterzubringen und zu schulen. Man folgt jetzt dem Trend der Zeit und baut hier demnächst ein Altenwohnheim...
gruß EP

Benutzeravatar
katschützer
Forenuser
Beiträge: 1363
Registriert: 28.03.2004 16:35
Ort/Region: Bundesweit

Beitrag von katschützer » 02.01.2008 13:37

Das ist wirklich schade, gerade bei Kasernen der Kaiserzeit. Zieht denn da nicht der Denkmalschutz? Bei einigen Gebäuden unserer Eiderkaserne ist das so, mit der Begründung, sie seien ja über 80 Jahre alt. Oder gilt diese Altersgrenze nur bedingt?

MfG
Bei strenger Pflicht
Getreu und schlicht

Biedermann (†)

Beitrag von Biedermann (†) » 02.01.2008 13:53

Zunächst mal ist Denkmalschutz Ländersache, so daß es auf das Denkmalschutzgesetz des jeweiligen Bundeslandes ankommt.
Auch ohne die jezt alle durchgsehen zu haben, behaupte ich mal frech daß das reine Alter eines Bauwerkes in keinem Landesdenkmalschutzgesetz ein Kriterium für die Unterschutzstellung ist.

Ausschlaggebend ist vielmehr die Bedeutung des Bauwerkes. Das bremische Denkmalschutzamt beschreibt dies so: "Kulturdenkmäler sind wichtige Sachzeugnisse, deren Bewahrung und Pflege im öffentlichen Interesse liegt, da sie identitätsstiftende Teile unserer von Menschenhand gestalteten und historisch gewachsenen Umwelt sind."

Grüße
Ingo

Benutzeravatar
Kai
Forenuser
Beiträge: 135
Registriert: 02.09.2005 17:59
Ort/Region: Osnabrück/Münster

Beitrag von Kai » 03.02.2008 18:30

Das ist ja unglaublich.Ich hatte zu der "Kaserne" 2005 schon mal ein Topic eröffnet.Ich hatte sie seinerzeit entdeckt weil ich damals in Münster um die Ecke gewohnt hab.Die Gebäude waren wirklich in erstklassigem Zustand.

In Aurich ist letztes Jahr nach jahrelangem Tauziehen auch ein altes Kasernengebäude(Grauer Esel,einigen evtl.aus den Medien bekannt) abgerissen worden obwohl es unter Denkmalschutz stand.Kurz vorher war der Dachstuhl komplett ausgebrannt.

Hier ein Video vom Abriss:


http://www.ostfriesentv.de/on-tv_player.php5?id=92

Biedermann (†)

Beitrag von Biedermann (†) » 03.02.2008 21:19

Kai hat geschrieben:In Aurich ist letztes Jahr nach jahrelangem Tauziehen auch ein altes Kasernengebäude(Grauer Esel,einigen evtl.aus den Medien bekannt) abgerissen worden obwohl es unter Denkmalschutz stand.Kurz vorher war der Dachstuhl komplett ausgebrannt.
Denkmalschutz ist kein absoluter Schutz, siehe Abriss U-Boot-Bunker Kilian in Kiel oder Pegelturm Brunsbüttel. Wenn den Leuten gar nichts mehr einfällt, dann ist plötzliche Baufälligkeit immer eine gute Lösung für einen Abriss aus Gründen der Sicherheit.
Und Strafen sind für einen Investor ja auch kalkulierbar. In Hamburg kostet es maximal 500.000 Euro, ein Denkmal aus dem Weg zu räumen. Das kann sich durchaus lohnen.

Grüße
Ingo

Dora9
Forenuser
Beiträge: 47
Registriert: 25.04.2006 20:01
Ort/Region: Mössingen

Beitrag von Dora9 » 04.02.2008 20:25

Das reine Alter von Bauten und Gegenständen hat auch in anderen Bundesländern wenig mit dem Denkmalschutz zu tun. Hier greifen andere Gründe, wie bereits erwähnt wurde.

Bei Kasernen ist es für einen Laien teilweise schwer zu verstehen, was schützenswert ist und was abgerissen werden darf.

Ein geschütztes Beispiel aus der Kaiserzeit ist die ehem. Grenadierkaserne in Karlsruhe, erbaut von 1893 bis 1897. Im Mannschaftsgebäude III befindet sich heute die Denkmalpflege des Regierungsbezirks Karlsruhe (vormals Landesdenkmalamt Baden-Württemberg Außenstelle Karlsruhe). Soweit ich weiß ist hier die gesamte Kasernen-Anlage geschützt und behutsam den Bedürfnissen einer modernen Verwaltung angepasst worden.

Ein weitaus neueres Beispiel ist das Mehrzweckgebäude Küche I der ehem. Eberhard-Finckh-Kaserne in Engstingen. Diese Kaserne wurde 1957 als erste Bundeswehr-Kaserne in Baden-Württemberg errichtet. Das Offizierskasino und die Küche I wurden als Kulturdenkmal eingetragen, sehr zum Missfallen der Gemeinde. Der Streit endete vor dem Verwaltungsgericht, das aber letztes Jahr den Denkmalschützern Recht gab. Nach Aussage des zuständigen Gebietskonservators würde man heute die gesamte Kasernenanlage als Kulturdenkmal eintragen, was im Nachhinein aber schlecht möglich ist, da durch den Gewerbepark Haid bereits einiges verändert und abgerissen wurde.

Zu beiden Beispielen noch die Literaturhinweise:

Iris Fromm-Kaupp, Nach Diesntschluss darf der Soldat Bürger sein. Das Mehrzweckgebäude "Küche I" der ehemaligen Eberhard-Finckh-Kaserne in Engstingen. Denkmalpflege in Baden-Württemberg, 33, 2004,S. 121-122.

Clemens Kieser/Johannes Wilhelm, "Einfache, aber sorgfältig erprobte Formen". Die Grenadierkaserne in Karlsruhe: Neue Adresse der Denkmalpflege in Nordbaden. Denkmalpflege in Baden-Württemberg, 32, 2003, S. 222-230.

Was die Strafen für die Zerstörung von Kulturdenkmälern betrifft noch ein kleiner Hinweis:

viewtopic.php?t=8324

Die Strafe für den Bauträger lag bei dem oben zitierten Beispiel (Konstanz) im fünfstelligen Bereich. Bei einer Gesamtinvestition die im Millionenbereich liegt, braucht man bei solchen "Strafen" nicht mal in die Portokasse greifen, solche Summen hat ein Bauträger in der Hosentasche.

Grüße aus dem Süden

Dora9 / Steffen
Nostalgie ist die Fähigkeit, darüber zu trauern, daß es nicht mehr so ist, wie es früher nicht gewesen ist.

Manfred Rommel

Antworten