Gefangen im arktischen Eis. Wettertrupp ”Haudegen” die letzte deutsche Arktisstation des Zweiten Weltkrieges.

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Saska
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Gefangen im arktischen Eis. Wettertrupp ”Haudegen” die letzt

Beitrag von Saska » 29.09.2012 20:49

Dege Wilhelm:
Gefangen im arktischen Eis. Wettertrupp ”Haudegen” die letzte deutsche Arktisstation des Zweiten Weltkrieges.

Deutsches Schifffahrtsmuseum Bremerhaven und Convent Verlag GmbH, Hamburg 2006. Format 15 x 22,5 cm, 424 Seiten, 32 Fotos sowie 21 Karten und Skizzen, gebunden mit Schutzumschlag. ISBN – 10: 393461394 – 2. Preis: 29,90 €

Bezug: Neben weiteren, auch ueber www.amazon.de

Um es gleich vorweg zu nehmen, bei dieser Veröffentlichung handelt es sich NICHT um ein Buch über den Festungsbau oder den Atlantikwall im Norden Europas. Wer also nur an derartigen Informationen interessiert ist, der sollte spätestens jetzt diese Buchempfehlung nicht weiterlesen und dem Titel keine weitere Beachtung schenken.

Wer aber an Hintergrundinformationen zu den allgemein wenig bekannten Einsätzen von deutschen Wetterstationen der Kriegsmarine oder Luftwaffe in der Arktis interessiert ist, wer sich für die mitunter dramatische Geschichte der Polarforschung selbst begeistert, oder wer einfach einmal etwas anderes aus der Sparte der militärhistorischen Bücher lesen möchte, dem kann dieses Buch empfohlen werden.

Im September 1944 wurde nördlich des 80. Breitengrades, im nordwestlichen Teil von Spitzbergen, unter größter Geheimhaltung die deutsche Wetterstation „Haudegen“ errichtet. Völlig autark auf sich selbst gestellt, ohne eigene Schiffsfahrzeuge (aus Gründen der Vereisung und Tarnung) und lediglich durch Funkkontakt mit dem Festland verbunden, soll „Haudegen“ wichtige Wetterdaten für militärische Operationen in Nordwesteuropa, sowie für die Bekämpfung der alliierten Geleitzüge erarbeiten. Um einem alliierten Angriff von See her zu entgehen, wurde der Funkverkehr erst mit dem Zeitpunkt des Vereisens des Polarmeeres begonnen. Der Plan sah vor, Haudegen einschneien, überwintern und ein Jahr seinen Dienst im Arktischen Eis verrichten zu lassen. Die Station lief dabei ständig Gefahr, durch ein Kommando der im südlichen Teil Spitzbergens stationierten Alliierten entdeckt und ausgehoben zu werden. Dazu kamen neben den lebensfeindlichen Klimabedingungen, noch die nicht geringe Gefahr von Angriffen durch Eisbären und die allgemein gefürchteten Auswirkungen der Polarnacht selbst. Während die erfolgreiche Geheimhaltung einerseits zum erfolgreichen Einsatz von „Haudegen“ führte, resultierte sich allerdings daraus auch anderseits eine folgenschwere Situation. Kurz vor der deutschen Kapitulation im Mai 1945 wurde bei den zuständigen Stellen noch kurzerhand alles Material was auf Haudegen hinweisen könnte vernichtet. Die unbekannte deutsche Wetterstation wurde schlichtweg vergessen. Es sollte bis September 1945 dauern, bis die Männer von „Haudegen“ erst nach mehrfachen ungläubigen Anfragen bezüglich ihrer Position und Existenz abgeholt wurden. Die sich bereits mit einer zweiten Überwinterung bis März 1946 konfrontierte Mannschaft der Wetterstation, war schließlich am 3. September 1945 die letzte deutsche Einheit, die sich den Alliierten ergab.

Das ursprünglich 1954 von Wilhem Dege, dem Leiter der Wetterstation „Haudegen“ verfasste Buch wurde als erweiterte Neuauflage veröffentlicht. Unter Mitarbeit von Deges Sohn Eckart Dege, sowie dem kanadischen Historiker William Barr wurden neben einigen Erweiterungen im Hauptteil um die Geschichte von „Haudegen“, vor allem eine erklärende Einleitung zur Thematik des „Wetterkrieges“, sowie abschließende Anhänge mit weiteren Informationen zum Krieg auf Spitzbergen und dem Nachkriegsschicksal der Haudegen eingefügt. Zweifellos hebt sich in diesen Anhängen deutlich der Bericht Eckart Deges über die Station „Haudegen“ nach 40 Jahren hervor. Darin wird eine 1986 erfolgte Expedition des Militärgeschichtlichen Museums Oslo zusammen mit dem Sohn Deges zu den Resten der Wetterstation des Vaters auf Spitzbergen beschrieben. Das dabei aufgefundene Versteck des Kriegtagebuchs der Station, sowie eines weiteren Tagebuchs Wilhelm Deges ermöglichten letztendlich die entstandene Neuauflage des Buches zur Geschichte der Wetterstation „Haudegen“ auf Spitzbergen.

Fraglos behandelt das Buch in seiner Thematik die Geschichte einer Wetterstation während des Zweiten Weltkrieges auf Spitzbergen. Dennoch wird spätestens nach dem Studium der Einleitung des Buches, mit seinen aufklärenden Details zum Thema deutscher Wetterstationen der Kriegsmarine und der Luftwaffe in der Europäischen Arktis eines recht schnell klar. Die von allen Waffengattungen der deutschen Armee zur Verteidigung eingerichteten Stützpunkte am Nordmeer, endeten eben nicht unbedingt immer am Atlantikwall. Auch wenn es sich hierbei in keinster Weise um betonierte Bunkeranlagen oder Geschützstände handelte, wurde eben auch hier, am Ende der Welt alles nur mögliche unternommen um sich nicht einfach von Ort und Stelle vertreiben zu lassen. Mit unter legte man selbst komplette Kavernen im Eis für Mannschaften und Gerät an, um sich feindlicher Sicht und Beschuss zu entziehen (Wetterstation „Schatzgräber“ im Franz-Josef-Land Archipel).

Das Buch kann als Mixtur aus historischem Sachbuch, abenteuerlichem Erlebnisroman und wissenschaftlichen Bericht zur Erforschung Spitzbergens gesehen werden. Dabei kommt vor allem die sehr persönliche Schilderung des einjährigen Aufenthaltes des Wettertrupps, zum Tragen. Die auf diese Weise geschilderten Erlebnisse, Ängste sowie
Schwierigkeitsbewältigungen, aber auch die Einzelschicksale nach Kriegsende, verleihen der Veröffentlichung vielmehr den Stil eines abenteuerlichen Tagebuchs, als dem eines militärisch, sterilen Tatsachenreports.

Saska
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bettika
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Beitrag von bettika » 01.10.2012 21:57

Hallo Saska,
vielen Dank für die ausführliche und informative Renzension :thumbup:
Grüsse
bettika
„Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnern kann, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.“ George Santayana

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