US Honest John Raketen eher unbrauchbar gewesen?

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Rex Danny
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Beitrag von Rex Danny » 18.03.2018 02:21

Mich würde ja mal interessieren, wann der fliegende Raketenwerfer welche Kirchturmspitze in welchen Kindergarten befördert hat........... ;)

Ich habe davon noch nie etwas gehört, wohl aber von Artilleriekurzschüssen mit Einschlägen innerhalb Munsters, aber diese abenteuerliche Geschichte.......... :mrgreen:

Dem vorherigen Post zufolge müsste dann ja das Werferfahrzeug vor dem Altar gelandet sein?

Von welcher Schießbahn aus wurden die Honest John verschossen und wo sollten sie einschlagen? Artillerieschießen fanden/ finden nur auf Munster-Süd statt. Demnach müsste es eine der dortigen Bahnen gewesen sein.

Ich bin schon gespannt auf die Antwort............ ;)

cw658
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US Honest John Raketen eher unbrauchbar gewesen?

Beitrag von cw658 » 18.03.2018 03:54

das war etwa zwei Jahre vor meiner Dienstzeit und ich war ab 1977 dort.
Der Spiess hat uns das damals erzählt, "damit wir nicht auch so einen Bock schiessen würden"
Da hat damals die ganze Kaserne noch von geredet.
Du kannst aber bitte nicht nach über 40 Jahren von mir verlangen das ich weiß, welche Werfer von welcher Feuerstellung über die Stadt oder dran vorbei geschossen haben.
Ich war Vermesser und die waren bei allem immer außen vor und diejenigen, die kaum Schlaf auf Manövern hatten - ich hatte vom Scharfen Schuss mit wenigen Ausnahmen garnichts.
Meine Welt waren Richtkreis und Theodolith und das bei Tag und Nacht.
Ich glaube, das jeder diese Geschichte in Kellinghusen kannte und wer macht sich freiwillig zum Gespött der Kameraden.
Ich hatte jedenfalls keinen Grund, unseren Vorgesetzten das nicht zu glauben.
Ich bin sogar der Meinung, das es dazu Zeitungsausschnitte gab.

Das einzige, was mir an Feuerstellungen in Erinnerung geblieben ist, ist die Feuerstellung T(ango), weil wir die jedesmal in Munster mindestens 3x vermessen "durften".

Ich meine aber, das die HJ, die aufgrund dieses Vorfalls kaum noch scharfe Schüsse hatten, in einer anderen Feuerstellung gestanden haben, wohl auch wegen der ungenauen Treffsicherheit.

Aber wenn ich das Internet zu diesem Thema im Nachhinein befrage, dann hat anscheinend nur die Marine keine Aktien in Sachen Kirchturm.

Tut mir leid, aber die Sache war damals noch fast "taufrisch" und jeder unserer Vorgesetzten hat uns da was von erzählen können. Und was passiert dann: Man glaubt es (Ich habe es auch für bare Münze genommen).
Gruß
Christoph

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TimoL
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Beitrag von TimoL » 18.03.2018 15:22

Die Sache/ der Vorfall kann allein schon aus physikalischen Gründen nicht stimmen, bzw. nicht so wie hier geschildert passiert sein weil

1. nicht genügend Schubkraft vorhanden ist,
2. die Nutzlast zu schwer ist,
3. die Nutzlast an dem Trägersystem falsch angeordnet/ verteilt ist.

In der Dokumentarserie "MythBusters – Die Wissensjäger" ist man mehrere Male genau diesem Mythos von "außer kontrolle geratenen Raketen" nachgegangen, darunter auch ob ein mit Raketen bestügtes Fahrzeug so ohne weiteres, also so wie hier beschrieben, abheben kann.

Ergebnis: "Mythos zerstört!"

Damit das Trägerfahrzeug mit samt Honest John abheben kann, bedarf es u.a. einer entsprechenden Rampe zum "abheben".

Von den anderen Faktoren wie z.B. der Startgeschwindigkeit usw. mal ganz zu schweigen...
"Die einen kennen mich, die anderen können mich!"
- Konrad Adenauer (1876-1967), erster Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland 1949-1963 -

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cw658
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US Honest John Raketen eher unbrauchbar gewesen?

Beitrag von cw658 » 18.03.2018 15:40

Die Truppe damals hat es geglaubt, zumal wir alle nachhaltig von der brachialen Urgewalt des Raketenstarts beeindruckt waren.
Was ich von diesen ganzen Mythbusters und anderen Fernsehdokus, die immer alles wissen (wollen) halte, das sage ich hier mal nicht.
Ist mir eigentlich auch egal, die Zeit bei der Raketenartillerie ist als Erlebnis bei mir eindrucksvoll "hängengeblieben" und ich sehe auch im Nachhinein keine Veranlaasung, das ganze für mich persönlich in Frage zu stellen.
Aber das ist ja auch jedem selbst überlassen.
Ich dachte mir nur als "Fast"- Zeitzeuge schreibe ich mal etwas dazu - es ist ja immerhin schon etwa 40 Jahre her.
Gruß
Christoph

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Rex Danny
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Beitrag von Rex Danny » 18.03.2018 18:04

Ich hatte ja oben schon geschrieben, daß ich gespannt auf die Antwort sei. Und nun nenne ich auch mal den Grund, warum ich so gespannt war.

In Munster gibt es 3 Kirchen, die als mögliche Einschlagsorte infrage kommen würden. Es sind:

1.
Die katholische St. Michaels-Kirche, gleichzeitig auch Sitz des katholischen Standortpfarrers Munster, jedoch ohne Kindergarten in der Nähe.

2.
Die evangelische St. Urbani-Kirche, ebenfalls ohne Kindergarten in der Nähe.

3.
Die evangelische St. Stephanus-Kirche, gleichzeitig Sitz des evangelischen Standortpfarrers Munster, mit unmittelbar auf dem Gelände liegendem Kindergarten.

Da es sich also tatsächlich dann nur um die St. Stephanus-Kirche gehandelt haben kann wegen des angeschlossenen Kindergartens, hätte ich von diesem Vorfall Kenntnis haben müssen, da ich ein Ur-Munsteraner bin und bis 1976 nur ca. 150 Meter von der St. Stephanus-Kirche entfernt gewohnt habe. Und ich kann versichern, daß die Kirche niemals ihre Kirchturmspitze verloren hat und auch nie ein Geschoß zu dieser Zeit in den Militärkindergarten eingeschlagen ist. In diesen Kindergarten bin ich übrigens selber gegangen. Ach ja, und ein an einer Rakete hängender Lkw ist auch nie vor dem Altar der Kirche gelandet.

Im Netz habe ich bei der Suche auch nur einen Vorfall mit einer durch einen Artillerietreffer verlorenen Kirchturmspitze gefunden. Dieser hatte sich im April 1945 in Wildeshausen zugetragen, als die Alexander-Kirche durch britischen Artilleriebeschuß ihre Turmspitze verlor. Gebt mal bei Google die Worte "Munster Kirchturm beschossen" ein.

Es ist aber immer wieder schön zu erleben, wie sich solche Geschichten entwickeln und durch Leute, die überhaupt nicht dabei waren, dann weitergetragen werden und sich anschließend die Geschichte verselbständigt.

Es hat Fehlschüsse in Munster gegeben, die allesamt außer Sachschäden glimpflich abgelaufen sind. Diese kann ich jetzt nicht einzeln einem Datum zuordnen, für den angeblichen Raketentreffer und der Kirchturmspitze kann ich aber mit Bestimmheit sagen, daß es sich hierbei um absoluten Quatsch handelt.

Grüße


Rex Danny

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Beitrag von Krakau » 18.03.2018 20:24

TimoL hat geschrieben:Die Sache/ der Vorfall kann allein schon aus physikalischen Gründen nicht stimmen, bzw. nicht so wie hier geschildert passiert sein weil

1. nicht genügend Schubkraft vorhanden ist,
Moin!

Das stimmt so leider nicht. Die Schubkraft reicht gut aus um das Geschoss samt Träger LKW senkrecht und vermutlich auch unter 45° in den Himmel zu befördern.

Sicherlich nicht sehr weit und hoch, aber solange es die Befestigungsbolzen aushalten geht die Post ab... ;)

Rakete: MGR-1A nuklear Startgewicht: 2.640 kg (26 kN Gewichtskraft)

Raketenmotor X-202: durschnittliche Schubkraft 401 kN über eine Brenndauer von 5,2 Sekunden

LKW M-139C: 8.586 kg Leergewicht

Gesamtgewicht LKW + Rakete: 11.226 kg * 9,81 m/s2 = 110 kN Gewichtskraft

Aber ebend nach 5 Sekunden war alles vorbei.

Gruß Thomas

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Beitrag von Rex Danny » 02.05.2018 16:11

Beim Lesen einer Chronik über das Beobachtungsbataillon 113 habe ich den Hinweis auf einen Artilleriefehlschuß in Munster am 22.11.1988 gefunden. Der Schuß landete in Munster (keine genaue Ortsangabe) und es gab keinen Personenschaden (vermutlich nur Sachschaden oder gar nichts).

Es geht leider nicht hervor, welche Einheit damals den Fehlschuß produziert hatte. Da aber zu dieser Zeit im Divisionsverbund geübt wurde, kämen als Verursacher nur die Panzerartilleriebataillone 315, 325 oder 335 sowie das Feldartilleriebataillon 111 oder das Raketenartilleriebataillon 112 in Frage.

Bevor nun aufgrund der Nennung des Raketenartilleriebataillons 112 wieder die These der Honest John aufkommen sollte, gleich der Hinweis, daß die 3./ und 4./ 112 ihre Honest John im Jahre 1971 und die 2./ 112 im Jahr 1980 abgegeben haben und auf LARS umgerüstet wurden.

Grüße


Rex Danny

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Fehlschuß

Beitrag von trince » 04.05.2018 16:39

An einen Artilleriefehlschuss in Munster kann ich mich auch vage Ende der 80er erinnern.

Ging damals relativ breit durch die Presse.

Habe eine Anfrage der Grünen Bundestag bezüglich dieses Themas gefunden. http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/11/037/1103788.pdf

In der http://www.garnisonschronik-delmenhorst ... l-113.html findet man
Leider geht am 22.11.1988 ein Fehlschuss der Artillerie in die Stadt Munster hinein und beendet abrupt alle Schieß- und damit Aufklärungsvorhaben. Zum Glück gibt es keinen Personenschaden.
was der Auskunft in der "Kleinen Anfrage" im Bundestages ja widerspricht.

In der Auskunft findet man hinten weiter eine Aufstellung mit Fehlschüssen auf dem TrÜbPl Munster-Süd.

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US Honest John Raketen eher unbrauchbar gewesen?

Beitrag von cw658 » 04.05.2018 17:03

Vielleicht sollte ich nochmal dazu schreiben, das ich von 1977 bis '79 in Kellinghusen bei den '62'ern stationiert war.
Die entsprechende Geschichte ist also bereits vor 1980 passiert - kann somit also nichts mit der ursprünglichen "Geschichte" zu tun haben.
Wird wohl auch schwierig werden, dazu überhaupt noch etwas frei zugängiges irgendwo außer in Archiven zu finden...
Gruß
Christoph

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Beitrag von Rex Danny » 09.05.2018 17:03

Die Antworten zur Grünen-Anfrage sind doch identisch mit dem Auszug aus der Bataillonschronik.

Auf die Frage 1a) wird geantwortet, daß aus der Außenfeuerstellung 20 aufgrund der doppelten Treibladung der Fehlschuß im Stadtgebiet Munster landete und es zu erheblichem Sachschaden an einem Wohnhaus und leichteren Schäden an weiteren Wohnhäusern kam.

Auf die Frage 1f) nach der Anzahl der Fehlschüsse im Zeitraum 1980 bis Anfragedatum Ende 1988 wird als letzter Fehlschuß der 22.11.1988 mit Munitionstyp 203mm Üb, der Außenfeuerstellung 20, dem Zielpunkt Leckerberg, dem Aufschlagort Munster, Hindenburgallee (nicht Hindenberg-Allee) und Sachschaden aufgeführt.

Nachdem ich nun den Aufschlagort Hindenburgallee gelesen habe, kann ich mich auch wieder einigermaßen erinnern. Wenn ich mich recht entsinne, war u.a. auch das Grundstück/ Gebäude eines alliierten Verbindungsoffiziers betroffen. Unweit der Einschlagstelle wohnte auch ein früherer Klassenkamerad von mir und die Polizei war zu dieser Zeit nur knapp 300 Meter entfernt im Gebäude Hindenburgallee/ Klappgarten untergebracht.

Und anhand der verschossenen Granate im Kaliber 203mm Üb dürfte der Verursacher somit bei der 4./ bzw. 5./ Feldartilleriebataillon 111 zu suchen sein, die mit der M110A2 203mm ausgerüstet waren.

Grüße


Rex Danny

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