Spannungsebene 60 kV im Stromnetz

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Toliman
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Spannungsebene 60 kV im Stromnetz

Beitrag von Toliman » 07.10.2020 03:13

Früher war in Deutschland die Spannungsebene 60 kV (oder ein ähnlicher Wert) im Stromnetz weit verbreitet, heute gibt es derartige Leitungen nur noch in Schleswig-Holstein, in Niedersachsen (Verbindung Bergen-Oldau und Verbindung Schlüsselburg-Wasserkraftwerk Landesbergen mit Stichleitung zum Wärmekraftwerk Landesbergen), im Saarland und im Netz von K + S bei Philippsthal.
Wann sind in den übrigen Gebieten Deutschlands die 60 kV-Leitungen auf 110 kV oder 20 kV umgebaut worden? Gab es in der einstigen DDR zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung noch 60 kV-Leitungen? Wird der Wert 60 kV noch in manchen städtischen Erdkabelnetzen verwendet?

ElexTro
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Re: Spannungsebene 60 kV im Stromnetz

Beitrag von ElexTro » 10.10.2020 02:50

Hallo,
Das saarländische STEAG-Netz hat meines Wissens 65 kV und ist an das französische Netz mit 63 kV angebunden. Kommt wohl noch aus der Zeit vor 1957, als das Saarland und damit auch die saarländischen Bergwerke, für deren Versorgung das Netz ursprünglich gedacht war, wirtschaftlich an Frankreich angebunden waren. Nach Ende des Steinkohlenbergbaus hat man nun tatsächlich zwei parallele Hochspannungsnetze - das der VSE mit 110 kV und das der STEAG mit 65 kV.

Am Umspannwerk Lehrte gab es früher eine 60-KV-Anlage mit einer Leitung zum Wasserkraftwerk Oldau. Ist irgendwann zwischen 2000 und 2006 verschwunden.

Hatte Stuttgart nicht mal ein 60-kV-Netz? Ich meine, das Umspannwerk in Weilimdorf war früher eine 220-/60-kV-Anlage, Seewiesen in Feuerbach ebenso. Ansonsten fällt mir spontan noch Kassel ein mit dem Umspannwerk Sandershausen, aber ich weiß nicht, ob es noch auf dieser Spannungsebene in Betrieb ist.

Aasmann
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Re: Spannungsebene 60 kV im Stromnetz

Beitrag von Aasmann » 30.01.2021 17:45

Wieso hat das französische Netz 63 kV, aber das saarländische 65 kV, wenn doch beide zusammen geschlossen waren?

Vor dem Kraftwerk in Harbke stehen noch zwei unbenutzte Masten des alten 60-kV-Netzes und nordwestlich vom Bahnhof in Köthen steht ein einzelner Mast für eine einkreisige Leitung.

An die Leitung Lehrte-Oldau kann ich mich noch erinnern, das waren flache Donaumasten ähnlich denen der Leitung nach Uelzen, allerdings mit Kettenisolatoren. Leider habe ich kein Foto.

Nach der Wende gab es in Ostdeutschland noch viele Leitungen um 60 kV, die z.t. mit recht einzigartigen Bauformen ausgeführt waren. Von diesen Deltamasten, bei welchem die zu einer einlzenen Erdseilspitze zusammen geführt wurden, gab es dort früher ein paar. https://images.mapillary.com/f0uSTMFvEW ... b-2048.jpg Leider sind die meisten davon inzwischen abgebaut und auch das alte 110-kV-Netz um Zschornewitz und Trattendorf ist wohl inzwischen vollständig erneuert worden.

Auf Wikimedia Commons gibt es ein paar Fotos von alten Leitungen aus der Vorkriegszeit in Ostdeutschland und Polen, einfach mal durchklicken.
https://commons.wikimedia.org/wiki/Cate ... _Thuringia
https://commons.wikimedia.org/wiki/Cate ... _in_Poland

ElexTro
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Re: Spannungsebene 60 kV im Stromnetz

Beitrag von ElexTro » 21.02.2021 02:14

Ich vermute, 63 kV und 65 kV bilden zwar die selbe Netzebene, werden in beiden Ländern aber nur anders benannt, gilt übrigens auch für die Höchstspannungsebene (220 KV in D sind 225 kV in F, 380 kV in D sind 400 kV in F).

Ja, in der DDR gab es einige Skurrilitäten, besonders in Sachsen - landesweites 110-kV-Netz, aber die Region um Döbeln, Meißen, Oschatz aber 60 kV. Mittelspannung waren früher 15 kV und 30 kV, letztere oft auf interessanten Deltamasten verlegt. Im Buch "Strom Spannung Spannend" vom VDE Bezirksverband Chemnitz ist alles sehr schön und sehr detailliert aufgeführt, auch mit vielen Bildquellen. Von Oberlungwitz nach Schwarzenberg führte z.B. eine 30-kV-Leitung auf Deltamasten, deren Gabelung über der Traverse wieder zu einer Spitze zusammengeführt wurde und somit nur ein Erdseil hatte. Alles noch aus der Vorkriegszeit, die DDR brachte dann ihren "Einheitsmasten", den bekannten "Hammerkopf", hervor.

Das Netz um Harbke, Magdeburg, Dessau, Köthen etc. (ESAG, Elektrizitätswerk Sachsen-Anhalt) war meines Wissens nach 50 kV, aber größtenteils schon für 110 kV isoliert und hatte umgekehrte Tannenbaummasten, d.h. die Traversen wurden von oben nach unten kleiner statt größer. Die beiden Masten am ehem. Harbker Umspannwerk sind in Google Maps gut zu erkennen, aber wo ist der Mast in Köthen? Nordwestlich des Bahnhofs liegt zwar die ehemalige Residenz einer prominenten TV-Familie (hust), aber kein einsamer Mast...

Die Oldau-Leitung war übrigens schon für 110 kV isoliert, lt. der 25-Jahr-Festschrift der PreußenElektra.

Übrigens, auch wenn es leider ein kleiner Exkurs ist: Erinnerst du dich zufällig noch an die 220-kV-Leitung, die mal von Lehrte über Braunschweig weiter bis nach Helmstedt/Harbke führte? Wann verschwand die eigentlich?

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Re: Spannungsebene 60 kV im Stromnetz

Beitrag von Aasmann » 19.03.2021 17:36

Der Abschnitt Lehrte-Braunschweig existiert noch (Auf den gleichen Masten wie die Leitung Lehrte-Kassel), an die Fortführung nach Helmstedt kann ich mich nicht mehr erinnern. Allerdings weiss ich noch, dass um Helmstedt herum früher mal Reichssammelschienen-Masten standen.

Der Mast in Köthen ist sichtbar, wenn man mit der Bahn von Köthen Richtung Magdeburg fährt und kurz vor dem Stadtrand nach links (Westen) blickt.

Diese DDR-Hammerköpfe wurden vereinzelt auch in anderen Ostblockstaaten gebaut. Wurden die quasi als Reparationsleistung von der DDR exportiert oder sind diese Leitungen noch ein Vorkriegsprodukt?
https://www.google.com/maps/@50.7524285 ... 384!8i8192
https://www.google.com/maps/@55.1011822 ... 312!8i6656

Die Leitung Hirschfelde-Dresden bietet übrigens ein recht ästhetisches Fotomotiv: https://www.google.com/maps/@51.138869, ... 312!8i6656

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Re: Spannungsebene 60 kV im Stromnetz

Beitrag von ElexTro » 19.03.2021 20:26

Meinst du in Köthen den Masten auf dem Gelände der DAW SE
bei (https://www.google.com/maps/@51.7603102 ... a=!3m1!1e3)? Könnte durchaus ein Originalmast der ESAG sein. Ich nehme aber an, die Leitung wurde schon zur DDR-Zeit abmontiert, da unmittelbar nördlich eine 110-kV-Leitung auf DDR-Hammerköpfen verläuft.

Die Masten der Memelkreuzung zwischen Kaliningrad und Litauen könnten durchaus eine Reparationsleistung sein (beides war ja frühere Sowjetunion), wobei die wegführenden Donaumasten vom Baustil her mich an die 1930er Jahre erinnern, evtl. auch 1920er? Abschnitte der 1928 gebauten Leitung Trattendorf-Bunzlau, die heute in Polen liegen, existieren noch auf Originalmasten, die diesen ganz ähnlich aussehen. Die Einebenenmast-Leitung in Polen könnte auch noch aus der Vorkriegszeit stammen, wobei ich weiß, dass die DDR-Masten (oder sehr ähnlich aussehende) desöfteren in Tschechien für 110-kV-Leitungen benutzt wurden, wenn andere Leitungen unterquert werden sollten.

Hirschfelde-Niederwartha hat heute leider keine Portalmasten mehr - zumindest im Bereich über die A13 am Dreieck Dresden-Nord und bei Bautzen an der A4 stehen moderne Einebenenmasten nach DDR-Bauart (ja, diese Bauform wird immer noch verwendet, scheint sich bewährt zu haben).

Weißt du noch, wohin die Reichssammelschienen-Mast-Leitung bei Helmstedt führte? Die Verbindung nach Magdeburg dürfte schon Mitte der 1950er Jahre verschwunden sein, danach gab es in der DDR eine Leitung auf umgedrehten Donaumasten und anderer Bauform, die aber auch seit etwa 2016 nicht mehr besteht.

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Re: Spannungsebene 60 kV im Stromnetz

Beitrag von Aasmann » 22.03.2021 22:42

Ja, dort etwa müsste der stehen, obwohl ich ihn auf dem Satellitenbild nicht mehr erkenne. Evtl wurde er inzwischen demontiert.

Diese Hammerköpfe waren in Vorkriegszeiten wohl schon recht verbreitet. Allerdings hatten die damals noch eine kleine Spitze auf dem Mastsockel.
https://fotopolska.eu/1496055,foto.html

Ich habe vage in Erinnerung, dass die 220kV-Leitung von Helmstedt aus Richtung Süden zu dem Tagebau Schöningen bzw. einem der Kraftwerke dort verlief.

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Re: Spannungsebene 60 kV im Stromnetz

Beitrag von ElexTro » 23.03.2021 17:07

Macht Sinn, das müsste das Kraftwerk Offleben gewesen sein, Buschhaus ging ja erst Mitte der 1980er Jahre in Betrieb und sicherlich gleich auf der 380-kV-Ebene. Harbke war mit Sicherheit nicht ans westdeutsche Netz angeschlossen, da auf DDR-Gebiet liegend. Nur die Leitung von Braunschweig weiter nach Helmstedt müsste es zu diesem Zeitpunkt noch gegeben haben. Offleben wurde laut Wikipedia 2002 stillgelegt, aber da waren die 220-kV-Leitungen mit Sicherheit schon alle weg, zumindest habe ich das so in Erinnerung.

In Teilen Meck-Pomms stehen auch noch alte Hammerköpfe, vermutlich aus den 1930er Jahren. Der Masttyp dürfte jedenfalls älter als die DDR sein. Die 1926 gebaute Badenwerk-Leitung quer über den Schwarzwald hat vereinzelt auch ähnliche Masten.

Zurück zum 60-kV-Netz: Das dürfte es in Hannover und Umgebung im großen Maßstab sicher bis in die 1980er Jahre gegeben haben. Das Peiner Stahlwerk hatte laut älteren Google-Earth-Aufnahmen ein 110-kV- und ein 60-kV-Umspannwerk.

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Re: Spannungsebene 60 kV im Stromnetz

Beitrag von Aasmann » 25.03.2021 20:43

Die Meck-Pomm-Hammerköpfe lassen sich übrigens recht leicht von den späteren aus der DDR unterscheiden: 1. Diese haben Portalmasten als Abspannmasten, 2. Die Erdseile sind zwischen den inneren beiden Leiterseilen befestigt. Das war wohl (neben Deltamasten) die Standardbauweise der dortigen Energiewerke. Ein kurzer Abschnitt einer 110-kV-Leitung nördlich des Umspannwerkes Gleidingen nach Braunschweig verläuft interessanterweise auch auf diesen Masten, um weiter östlich dann auf den üblichen Nachkriegs-Donaumasten fortgesetzt zu werden.

Das alte 60-kV-Netz bei Hannover ist heute völlig weg, das waren wohl Tannenbaummasten:
https://commons.wikimedia.org/wiki/File ... 668156.jpg
Laut Wikipedia war eine von Umspannwerk Lehrte Richtung Anderten führende Leitung mit 55kV betrieben, diese führte quer durch den Ort Ahlten und war über ein kleines Umspannwerk an eine neue 220-kV-Leitung angebunden. Diese 55-kV-Leitung war aber für 110kV isoliert, soweit ich mich erinnere. Auf dem Bild (der zierliche Mast in der Mitte) erkennt man es nicht wirklich.
https://commons.wikimedia.org/wiki/File ... 668157.jpg

Wo kann man diese älteren Google-Earth-Aufnahmen abrufen?

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Re: Spannungsebene 60 kV im Stromnetz

Beitrag von ElexTro » 27.03.2021 19:34

Die Wikipedia-Liste der Leitungen vom UW Lehrte war veraltet und voller Fehler. Ich habe sie vor einigen Monaten aktualisiert, wie auch nahezu den kompletten Artikel. In der Broschüre "Denkschrift anläßlich ihres 25 jährigen Bestehens 1927 – 1952" sind die Verbindungen zur UA alle aufgeführt. 55 kV gab es nie, in der ersten Ausbaustufe von 1929, die zusammen mit der Leitung nach Borken gebaut wurde, gab es nur eine 60-kV- und eine 110-kV-Schaltanlage. Die 110 kV waren provisorisch an die Leitungen nach Borken und später nach Harbke (ab 1935) angebunden, bis 1939 kamen noch eine Leitung nach Hallendorf (Salzgitter AG) und nach Bierde (Anschluss ans RWE) dazu, die um 1940 dann auf 220 kV umgestellt wurden, als die entsprechende Anlage in Lehrte dazu kam. 110 kV gab es nach Lüneburg über Uelzen und 60 kV nach Oldau und zum bestehenden Netz nach Rethen - wahrscheinlich ist das die zierliche Donaumastleitung in der Mitte auf dem Foto. Zudem existierten zwei 60-kV-Kabel ins Stadtgebiet nach Misburg und Ahlem.

War die 60-kV-Leitung nach Rethen dieselbe, die mitten durch Ahlten hindurch und dann über den Kronsberg führte?

Ältere Google-Earth-Aufnahmen gibt es über die "Zeitreise"-Funktion (Uhr mit grünem Pfeil). Die ältesten Aufnahmen für Lehrte sind aber von 2006, da waren z.B. die Kronsbergleitungen schon komplett verschwunden.

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