Lost Autobahnanschlussstelle

Verkehrsgeschichte - Straßen, Autobahnen und sonstige Straßenverkehrs-Bauwerke
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andreas_jott

Lost Autobahnanschlussstelle

Beitrag von andreas_jott » 06.07.2008 13:03

Hallo zusammen,

in den letzten Jahren werden auch an Autobahnen, die schon längere Zeit bestehen, immer häufiger neue Anschlussstellen gebaut. Da ist es schon seltener, dass Auf- bzw. Abfahrten dicht gemacht werden und „lost“ sind. Ein Beispiel für eine "lost" Anschlussstelle gibt es hier im Köln-Bonner Raum.

An der Autobahn A3 in Höhe von Siegburg bzw. Hennef existierte bis in die 1990er Jahre eine Autobahn-Anschlussstelle, die heute für den öffentlichen Verkehr gesperrt ist und teilweise abgebaut und renaturiert wurde.

Die Anschlussstelle an der Kreuzung mit der damaligen Reichsstraße 8 wurde 1936/1937 gebaut bzw. fertig gestellt. Die Teilstrecke Köln-Hennef der Reichsautobahn Köln-Frankfurt wurde 1937 bis zu dieser Anschlussstelle eröffnet, die südlich anschließende Teilstrecke Hennef-Siebengebirge ein Jahr später.
Die Anschlussstelle wechselte scheinbar öfters den Namen. Im Continental-Atlas „Deutschland“ von 1960 wird sie mit "Bonn / Siegburg / Hennef" bezeichnet, im IRO-Atlas von ca. 1963 mit "Siegburg / Hennef", in ADAC-Autobahnkarten von 1983 mit "Bonn / Siegburg".
Als 1988 der Bau der Autobahn A560, vom Autobahnkreuz St. Augustin kommend, die A3 erreichte, wurde nur wenige hundert Meter südlich der Anschlussstelle "Bonn / Siegburg" der Autobahnknoten A3 / A560 mit der Bezeichnung "Autobahnkreuz Bonn / Siegburg" dem Verkehr übergeben und die Anschlussstelle hieß, um Verwechslungen zu vermeiden, wieder "Siegburg / Hennef" (ADAC-Atlas 1990). In einer undatierten Autobahnkarte des ADAC aus der ersten Hälfte der 1990er Jahre hieß sie dann nur noch "Frankfurter Str." und wurde bald darauf für den öffentlichen Verkehr geschlossen.

Heute ist der östliche Teil der Anschlussstelle, der die Richtungsfahrbahn Köln an die B8 anbindet, immer noch gut erhalten und funktionstüchtig, da die hier beheimatete Autobahnmeisterei St. Augustin sie als Dienstauf- und -abfahrt nutzt. Für den öffentlichen Verkehr ist sie durch Verbotsschilder gesperrt.

Der westliche Teil, also die Anschlussstelle an der Richtungsfahrbahn Frankfurt, existiert nur noch teilweise. Passiert man die ehemalige Abfahrt auf der A3, so erinnern nur noch sehr verblasste Fahrbahnmarkierungen an den Beginn der ehemaligen Verzögerungsspur. Im Aus- und Einfahrtbereich selbst wurden Lärmschutzwälle und -wände gebaut und verhindern den Einblick in die ehemalige Abfahrt.
An der B8 ist der Kreuzungsbereich und etwa 150 Meter Fahrbahn in Richtung Abfahrt / Auffahrt erhalten. Dieser Teil wird heute von Anwohnern und Gewerbebetrieben als Parkplatz benutzt. Der Rest der Rampe bis zu den Lärmschutzwällen wurde von der Teerdecke und teilweise auch von den darunter liegendem Schotter-/Kiesbett befreit. Die Fahrbahnen von Abfahrt und Auffahrt und die darin liegende "Insel" mit der typischen Baumbepflanzung sind aber weiterhin gut zu erkennen. Die Rampe selbst wurde (bisher noch) nicht abgetragen.

Eine Besonderheit stellt die kleine Unterführung "Am Heiligenhäuschen" dar, die unter der Rampe der ehemaligen Anschlussstelle hindurchführt. Sie liegt auf der Trasse eines ehemaligen Feldweges und wurde mit der Anschlussstelle 1936 gebaut, um eine geplante Siedlung (heute „An der Autobahn“) – möglicherweise Häuser für Angestellte und Arbeiter der Autobahnmeisterei – an die westlich gelegenen Wohngebiete von St. Augustin-Buisdorf anzuschließen.

Hier der Link zu Google Maps: http://maps.google.de/maps?f=d&hl=de&ge ... 9&t=h&z=17

Gruß
Andreas J.

P.S. Die Fotos stammen alle vom 17.5.2008
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kuhlmac
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Beitrag von kuhlmac » 07.07.2008 12:31

Hallo, Andreas!

Klasse Sache. Da freut man sich. Schöner Fund, deine Mühe hat sich gelohnt,

Vor allem die Unterführung "Am Heilligenhäuschen" ist, inkl. Geländer, noch "Original-RAB". :thumbup:
Sehr schön. Und natürlich auch schöne Fotos.

Aber irgendwie wurde mir nicht deutlich, warum diese Brücke existiert, denn auf beiden Seiten ist in der Verlängerung nach Süden doch die Frankfurter Straße angebunden. Das leuchtet mir, ehrlich gesagt, nicht ganz ein. Allerdings war bei der RAB damals vieles unlogisch.... :?
Eine Erklärung ist ggf. ein bestehendes Wegerecht, das Landwirten gelassen wurde (das war öfter der Fall), dann ist die Durchfahrt aber sehr eng bemessen und nur mit niedrigen Anhängern oder einem Pferdezug zu befahren.
Vielleicht kann man irgendwo mehr erfahren?

Beste Grüße

Chr.

andreas_jott

Beitrag von andreas_jott » 07.07.2008 22:49

Hallo Kuhlmac,

ich habe mir die Frage nach dem Sinn dieser Unterführung auch gestellt. Wie Du schon sagst, die Frankfurter Straße ist ganz in der Nähe und die Unterführung ist schmal und niedrig und kaum geeignet für landwirtschaftlichen Verkehr.
Ich habe auch beim Landesbetrieb Straßenbau NRW angefragt, und von dort bekam ich die Antwort:
"Die Unterführung am Heiligenhäuschen wurde mit der Anschlussstelle erbaut - also 1936. Es sich offensichtlich um einen Fußweg, der auch unter der Autobahn in die Richtung Stoßdorf [nach Osten, Anmerkung von mir] führte." Allerdings gibt es keine Hinweise, dass unter der eigentlichen Autobahntrasse noch unter der östlichen Rampe jemals eine Unterführung gebaut wurde. Vor Ort habe ich keine Spuren gefunden. Zudem ist einige hundert Meter weiter nördlich eine - heute noch vorhandene und genutzte - Unterführung eines Feldweges zu finden. Ein Wegerecht als Erklärung scheidet also eher aus.

Meine Theorie, wenn auch eine gewagte und vorerst nicht belegbare: Es könnte sich um eine Art "Notausgang" handeln. Zum Zeitpunkt des Autobahnbaues wurde die Siedlung in der Parzelle innerhalb der Autobahnanschlusstelle geplant. Diese Gebiet ist an drei Seiten von mehr oder weniger hohen Rampen und Trassen umgeben und hat nur eine ebenerdige Ausfahrt Richtung Frankfurter Straße. Was würde passieren, wenn eines der Häuser am Eingang der Siedlung in Brand geriet? Z. B. durch Unfall (nahe Autobahnbrücke), häusliche Unachtsamkeit oder womöglich durch Kriegseinwirkung (die Kriegsvorbereitungen sind schließlich schon im Gang)? Die Bewohner der rückwärtigen Häuser hätten sich kaum vor Rauch, Qualm und möglicher Ausbreitung eines Feuers zurückziehen können, außer eben durch diese Unterführung.

Vielleicht kennt ja jemand hier im Forum eine ähnliche bauliche Situation oder ist mit Stadt-, Straßen- oder Katastrophenschutzplanung vertraut und kann diese Theorie bekräftigen oder widerlegen. Ich kann meinerseits aber nochmal versuchen, einen Kontakt herzustellen, um die Geschichte hinter dieser Planung zu erhellen.

Viele Grüße
Andreas J.

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Beitrag von petzolde » 07.07.2008 23:15

Die "Notausgang-Theorie" ist unter heutigen Aspekten plausibel, aber damals?
Denkbar wäre ein altes Wegerecht, was man durch diesen Tunnel - zumindest für Fußgänger - aufrecht erhalten konnte.

Und weil ein "Heiligenhäuschen" o.ä. erwähnt wurde: War es vielleicht ein Pilgerweg, Kreuzweg o.ä., der parallel zur A3 verlief, und deswegen die Ausfahrt mit eigener Unterführung unterqueren mußte? Die Querung der A3 hätte dann zusammen mit der B8 erfolgen können. Immerhin gibt es nur 2 km östlich (vor der Wahnbachtalsperre) einen Ort Seligenthal, mit Kloster, Rochuskapelle, Mönchshecke, Franziskanerweg...

Unterführungen in dieser Dimension werden auch heute noch unter Neubaustraßen (Schnellstraßen) gebaut, wenn dort regelmäßiger Viehtrieb zu erwarten ist. Schließlich kann man die Hofstelle nicht von den Weiden abschneiden.
gruß EP

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Beitrag von kuhlmac » 08.07.2008 09:17

Unterführungen in dieser Dimension werden auch heute noch unter Neubaustraßen (Schnellstraßen) gebaut, wenn dort regelmäßiger Viehtrieb zu erwarten ist. Schließlich kann man die Hofstelle nicht von den Weiden abschneiden.
Moin
Das erscheint mir auch am plausibelsten bzw wahrscheinlich. Gerade in dieser Zeit sind an den RAB viele Streckenplanungen nur mit den Planern vom Reichsnährstand / Ortsbauernführer usw. gemacht worden. Als ich hier in den lokalen Akten geforscht habe, ist dahingehend einiges vorhanden gewesen,
Die Landwirte hatte eigentlich immer was zu meckern... :lol: Und Viehtrieb war damals noch viel häufiger. Also: ich halte das für plausibel, lasse mich aber gerne aus den Akten eines besseren belehren.

Andreas, warst du schon mal im Stadtarchiv dort? Das müsste eigentlich in den kommunalen Akten sein; die Gemeinden sind damals immer involviert gewesen.

Beste Grüße

Christian

andreas_jott

Beitrag von andreas_jott » 08.07.2008 22:44

Hallo petzolde und kuhlmac,

ich muss zugeben, dass die Viehtrift-Theorie noch am wahrscheinlichsten klingt. Daran hatte ich überhaupt nicht gedacht. Sollten die Parzellen innerhalb der Abfahrt- / Auffahrtrampe wirklich als Viehweide gedient haben, dann hätten die Bauern ihre Kühe nach der Fertigstellung der Autobahn über die Frankfurter Straße zurück zum heimischen Stall führen müssen - nicht besonders sicher.

Ich werde mich mal um das St. Augustiner Stadtarchiv kümmern, das geht aber erst, wenn ich Urlaub habe. Bei einer ersten Online-Recherche habe ich heute noch nichts gefunden, das klappt sicher besser persönlich vor Ort.

Gruß
Andreas J.

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Beitrag von petzolde » 08.07.2008 23:58

Wäre interesaant, wenn es im Stadtarchiv o.ä. dazu noch etwas gäbe.

Aus hiesiger Sicht hätte ich noch eine Erklärung: In Münster (und mittlerweile auch andernsorts) gibt es auch für Radwege mitunter solche Mini-Unterführungen, allerdings aus jüngerer Zeit. Für das Siegburg der 30er dürfte das aber wohl ausscheiden.
gruß EP

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Beitrag von kuhlmac » 09.07.2008 13:36

andreas_jott hat geschrieben: Ich werde mich mal um das St. Augustiner Stadtarchiv kümmern, das geht aber erst, wenn ich Urlaub habe. Bei einer ersten Online-Recherche habe ich heute noch nichts gefunden, das klappt sicher besser persönlich vor Ort.
Mannomann.. ich habe mir gerade die Online-Bestände des Archivs St. Augustin angesehen. Sachen gibts da...
vor allem auch unerschlossenes.

Und einen Heimatgeschichts-Arbeitskreis gibt es auch. (und wenn ich nicht mehr weiterweiss... dann frage ich den Arbeitskreis ;) :lol: )
http://www.sankt-augustin.de/home/page_sta_4884.html

Übrigens, Andreas, du hast eine PN. ;)

Gruß

Christian

andreas_jott

Beitrag von andreas_jott » 09.07.2008 22:32

Hallo,

genau das Stadtarchiv meinte ich. Aber online war in den Findbüchern nicht auf Anhieb was zu finden. Mag aber daran liegen, dass die Bestände ab Ende der 1920er Jahre in vielen Bereichen noch nicht erschlossen bzw. digital erfasst sind.

Wie ist das eigentlich bei anderen, hier im Forum behandelten Abschnitten der Autobahnen aus der Vorkriegszeit bzw. bei Bauvorleistungen? Finden sich da Quellen in den Gemeinde- und Stadtarchiven?

Gruß
Andreas J.

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