Fertighaus-Projekt auf Ex-Gelände der Weserflug in Lemwerder

Fabriken, Kraftwerke, Zechen ...
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erlenmeier
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Fertighaus-Projekt auf Ex-Gelände der Weserflug in Lemwerder

Beitrag von erlenmeier » 08.02.2017 19:20

Teil 1
Die Vorgeschichte


Das von der britischen Besatzungsmacht beschlagnahmte Gelände der Weser-Flugzeugebau-GmbH in Lemwerder sollte nach dem Ende des 2.WK komplett geräumt werden. D.h. die techn. Einrichtungen demontiert und als Reparation abtransportiert und danach die Gebäude komplett gesprengt werden.

Doch bis auf den Abriss weniger Einzel-Gebäude passierte erstmal nichts Bedeutendes.

Im Frühjahr 1948 ging das gesamte Gelände an die Staatliche Erfassungsgesellschaft (STEG), die die noch stehenden Hallen der US-Armee als Lager für Militärgüter zur Verfügung stellte. Dadurch blieb erstmal alles wie gehabt.

Im Sommer 1949 kam dann aber der Befehl der britischen Militärverwaltung, das ehemalige Werftgelände bis spätestens zum 15. Nov. d.J. zu räumen. Ziel war, das Gelände komplett zu entmilitarisieren, um eine künftige Rüstungsproduktion an dem Standort zu verhindern.

Die STEG hatte aber andere Pläne. Man wollte die noch vorhanden Gebäude nach Möglichkeit erhalten und nutzen. In Zusammenarbeit mit der Bremer Wirtschaft-Wiederaufbaugesellschaft stellte man bei der Niedersächsichen Landesregierung und bei der Militärbehörde den Antrag, auf dem Fabrikareal eine Fabrik für den Bau von Fertighäusern zu errichten. Zweiter Beweggrund der Betreiber war die zu der Zeit noch drastische Wohnungsnot in Bremen und Niedersachsen.
Nach der Genehmigung des Vorhabens war Ex-Weserflug in Lemwerder also wieder erst einmal gerettet.

Teil 2
Das Konzept der Hausbaufabrik
und deren schnelles Ende
folgt
Nur wer die Vergangenheit kennt, kann auch Gegenwart und Zukunft bewältigen.

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erlenmeier
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Fertighaus-Projekt auf Ex-Gelände der Weserflug in Lemwerder // Teil 2

Beitrag von erlenmeier » 11.02.2017 11:56

Teil 2
Das Konzept der Hausbaufabrik
und deren schnelles Ende


Das Startkapital der STEG betrug 200 000DM, wovon 50 TDM vom Land Bremen gezahlt wurden. Weitere 150 TDM stellten Bremen und Niedersachsen als Darlehen zur Verfügung.

Das Interesse beider Bundesländer hatte 2 Ursachen. Zum einen der enorme Wohnungsbedarf wg. Kriegszerstörungen und Flüchtlingsunterbringung, zum anderen ohne Zweifel der Erhalt der Werksgebäude in Lemwerder. Warum hier sprengen und anschliessend an anderem Ort wieder Gewerbe- und Industriegebäude neu aufbauen?

Am 6. Jan. 1950 wurden bei einer Sitzung von STEG und Vertretern der Bauverwaltungen beider Bundesländer 3 Varianten für die Produktion von Wohnungen erarbeitet

Variante 1: Pro Monat sollte das Werl 1250 Häuser liefern, dafür wurden 15 Mio DM als Startkapital veranschlagt,

Variante 2: 560 Wohneinheiten pro Monat bei 8 Mio DM Startkapital,

Variante 3: Beginn der Produktion mit 65 Wohnungen bei einem Kapital von 750 TDM mit dem weiteren Ziel, die Produktion bei steigender Nachfrage zu erhöhen.

Produktionsbeginn sollte 1951, spätestens Mitte 1952 sein.

Das Baumaterial wollte man aus den umliegenden Gebieten überwiegend mit Binnenschiffen heranschaffen. Wesersand und Zement vom Werk "Norddeutsche Hütte" waren für die Herstellung der Fertigbauteile in Porenbetontechnologie vorgesehen. Der Preis einer Hauseinheit konnte dadurch wesentlich niedriger als in konventioneller Bauweise kalkuliert werden.

Ein Konstruktionsstab der GmbH fertigte in den kommenden Wochen Pläne für Ein- und Zweifamilienhäuser an. Die Haustypen wurden in Deutschland und im Ausland angeboten, auch durch Beteiligung an öffentlichen Ausschreibungen.

Ein dann erstelltes Einfamilien-Musterhaus erregte viel Aufsehen und wurde von vielen Interessierten besichtigt. Aber es kam nicht zu den erhofften Bestellungen.
Die Stadtverwaltungen setzten die vorhandenen Haushaltsmittels in der Zeit überwiegend für den Wiederaufbau zerstörter Gebäude ein. Der Neubau im größeren Stil begann erst Mitte der 50er-Jahre.
Ein weiterer Hinderungsgrund kann auch die Abneigung gegen die industrielle Wohnungsbauweise sein. Siehe dazu die Beiträge zum Thema "Finnenhäuser" in diesem Forum. Die NS-Machthaber in den Jahren davor hatten eine Abneigung gegen den Fertighausbau. Man bevorzugte die herkömmliche Stein-auf-Stein-Methode, um das Handwerk zu unterstützen, lehnte die neuen Baumethoden ab, die in den USA entwickelt worden waren. Der derzeit einflussreiche Heimatbund hatte ja auch die alt-deutschen Traditionen in Bezug auf Architektur und Bauweise in seiner Satzung.

Anfang 1951 löste man dann die Fertighausbau GmbH auf. Das Musterhaus wurde an einen Ing. der der Gesellschaft vergeben. Dieser sollte die Abwicklung der Firma leiten und sich um die weitere Verwendung des Alt-Werkes kümmern.

Quelle:
F.-H. Wenz: Chronik des Lemwerder Flugzeugwerkes 1935 - 1963; Stedinger Verlag, Lemwerder; 1995.
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erlenmeier
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Fertighaus-Projekt auf Ex-Gelände der Weserflug in Lemwerder // Teil 3

Beitrag von erlenmeier » 11.02.2017 18:32

Teil 3
Was wurde aus den Ideen der Lemwerderaner?

F.- Herbert Wenz schreibt in dem o.g. Buch, dass die Pläne und Rechte der Fabrik in Lemwerder an ein Hamburger Unternehmen abgegeben wurden.

Was wurde dann nachweislich in diesen und den folgenden Jahren in diesem Bereich der Bauwirtschaft realisiert?
1. 1948 stellte MAN ein Stahl-Fertighaus serienmäßig her,
2. 1949 wurde auf einer Ausstellung in Reutlingen ein Haus der Fa. Platz vorgestellt, Produktion ist nicht bekannt,
3. Ab 1950 stellte die Holzbaufirma Platz in Travemünde Fertighäuser her,
4. 1959 begann OKAL in Lauenstein mit der Serienfertigung von Häusern in Rahmenbauweise.

Quelle:
Prof. Dr. Ing. Vangerow-Kühn: Die Fertighaus-Bauindustrie als Modell für rationalisierung durch Industrialisierung im Bauen; Bad Ems,1984.
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