Berlin (West) - Polizei im Kriegsfall

Militärische Objekte und Anlagen ab 1945
Benutzeravatar
René
Forenuser
Beiträge: 205
Registriert: 27.05.2003 21:58
Ort/Region: Berlin

Berlin (West) - Polizei im Kriegsfall

Beitrag von René » 31.12.2014 11:22

Hallo in die Runde :)

Bis 1994 gab es bei der Berliner Polizei die "Einsatzstufen" Anton (Streifendienst), Bertha (Großlagen) und Caesar (Verteidigungsfall). Zur Standardausrüstung gehörten Stahlhelm und Gasmaske in grau und die Ausbildung am Nato-Sturmgewehr G3.
Zu den Aufgaben der Polizei in der "entmilitarisierten Sonderzone West-Berlin", in der nicht ein Deutscher Soldat stehen durfte, hätte im Spannungsfall die Absicherung der Zugänge öffentlicher Zivilschutzanlagen gedient.

Ist jemandem bekannt, ob es in anderen Städten ebenfalls diese Einsatzstufe gab? Oder war das nur ein Sonderfall, weil Berlin eben keine sonstigen deutschen bewaffneten Kräfte aufzuweisen hatte?

René (dessen Bruder 1992 die Ausbildung bei der Polizei erfolgreich abschloss und mal seinen Helm mit nach hause brachte)
Man kann das Leben nicht verlängern, nicht verbreitern- aber vertiefen :-)

Benutzeravatar
TimoL
Forenuser
Beiträge: 844
Registriert: 13.05.2002 13:24
Ort/Region: Gorleben (demnächst)

Beitrag von TimoL » 31.12.2014 13:42

Japp, ich kann's für Schleswig-Holstein zumindest für die Kreise Segeberg und Stormarn bestätigen :-)
"Die einen kennen mich, die anderen können mich!"
- Konrad Adenauer (1876-1967), erster Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland 1949-1963 -

Gorleben is more than a nuclear waste disposal site, it's a lifestyle!

Benutzeravatar
jeanpierre
Forenuser
Beiträge: 19
Registriert: 24.08.2009 16:59
Ort/Region: Lübeck-Travemünde
Kontaktdaten:

BGS

Beitrag von jeanpierre » 04.01.2015 12:11

Auch der Bundesgrenzschutz (BGS) verfügte bis Anfang der Neunziger Jahre über einen Kombattanten-Status und wurde anschließend in Bundespolizei umbenannt.
Heute kehren sich die Befugnisse um: Klassische Heimatschutzaufgaben nehmen nur noch die neuaufgestellten RSU-Einheiten wahr, die deshalb wohl auch unter bestimmten Umständen mit Polizeibefugnissen versehen werden.
Das Leben ist voller Leid, Krankheit, Schmerz – und zu kurz ist es übrigens auch...
Woody Allen

Benutzeravatar
René
Forenuser
Beiträge: 205
Registriert: 27.05.2003 21:58
Ort/Region: Berlin

Beitrag von René » 04.01.2015 16:27

Vielen Dank schon einmal für die Antworten. Ich werde mal in den Archiven wühlen, was es darüber zu finden gibt.
Man kann das Leben nicht verlängern, nicht verbreitern- aber vertiefen :-)

Benutzeravatar
turul
Forenuser
Beiträge: 281
Registriert: 10.04.2009 17:47
Ort/Region: Landkreis Hof

Re: BGS

Beitrag von turul » 04.01.2015 17:33

jeanpierre hat geschrieben:Auch der Bundesgrenzschutz (BGS) verfügte bis Anfang der Neunziger Jahre über einen Kombattanten-Status und wurde anschließend in Bundespolizei umbenannt.
Kleine Anmerkung:
Das Wörtchen "Auch" erweckt den Eindruck, als wenn die Polizeien der Länder "auch" den Kombattantenstatus hatten. Das ist aber falsch. Die Länderpolizeien hatten KEINEN Kombattantenstatus, lediglich der BGS hatte "mit Beginn eines bewaffneten Konflikts" den Kombattantenstatus. Siehe z.B. BGS-Gesetz in der Fassung von 1972, § 64:
“Mit dem Beginn eines bewaffneten Konfliktes sind die Grenzschutzkommandos, die Verbände und Einheiten des Bundesgrenzschutzes sowie die Grenzschutzschule Teile der bewaffneten Macht der Bundesrepublik Deutschland.“
(Siehe dazu BGBl. 1972, Teil I, Nr. 107, S. 1834 ff, hier S. 1845).

Das hätte im Einsatzfall bei Sicherungsaufgaben zu grotesken Situationen geführt. Die Länder-Polizei hätte sofort auf jede Tätigkeit verzichten müssen, sobald sich ein "Störer" als kombattanter Gegner zu erkennen gibt. Dazu genügte nach aktuellem Kriegsvölkerrecht, daß die Tarnung, z.B. durch Zivilkleidung, mit Beginn des Angriffs aufgegeben wird ( ... sind die Kombattanten verpflichtet, sich von der Zivilbevölkerung zu unterscheiden, solange sie sich an einem Angriff beteiligen... - Art. 44 Abs. 3 des I. Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen, vom 10. Juni 1977, BGBl. 1990 II S. 1551) Diese – vielleicht politisch gewollte, aber zu Lasten der Soldaten und Polizeibeamten vor Ort gehende - Hilflosigkeit wurde sogar in den Vorschriften festgeschrieben. Die HDv 100/500 – Das Heer in der militärischen Landesverteidung (Bonn 1981) schrieb dazu in Anlage 7, Rechtliche Gesichtspunkte beim Schutz von Räumen und Objekten, Nr. 24: "Sie (die Streitkräfte) besitzen von der Verfassung her im Zusammenhang mit dem Raumschutz keine präventiven Befugnisse gegen zivile Störer (einschließlich nicht enttarnter verdeckt kämpfender Gegner)." Nr. 26: "Wenn sich militärische Streifen von Angehörigen der Polizei .... begleiten lassen, ist zu berücksichtigen, daß Polizeikräfte der Länder keinen Kombattantenstatus haben. Die militärische Streife hat infolgedessen ggf. den Rückzug der Polizei zu decken."

Benutzeravatar
karl143
Forenuser
Beiträge: 105
Registriert: 14.01.2008 14:42
Ort/Region: Liebenau Weser
Kontaktdaten:

BGS Gesetz

Beitrag von karl143 » 05.01.2015 00:12

Die o. a. Fassung stammte vom 18.08.1972. Das Gesetz trat am 01. April 1973 in Kraft.
BGBl I 1972 Nr. 107 vom 26. Sept. 1972. Seite 1 834
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.
http://grenzstreife.de - Der Bundesgrenzschutz in Braunschweig

Thunderhorse
Forenuser
Beiträge: 348
Registriert: 21.07.2006 13:41
Ort/Region: Bayern

Beitrag von Thunderhorse » 08.01.2015 12:31

Kombattantenstatus BGS

Bundesgesetzblatt Nr. 30 vom 15.07.1965.
Gesetz zur Änderung des Gesetz über den Bundesgrenzschutz und die Einrichtung von Bundesgrenzschutzbehörden.
11. Juli 1965

11.07.1965
Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über den Bundesgrenzschutz und die Einrichtung von Bundesgrenzschutzbehörden
aus Nr. 30 vom 15.07.1965, Seite 603

§ 2b

geändert:
18.08.1972
Gesetz über den Bundesgrenzschutz (Bundesgrenzschutzgesetz - BGSG)
aus Nr. 107 vom 26.09.1972, Seite 1834

§ 64

Bundesgrenzschutzneuregelungsgesetz
vom v. 19.10.1994 (BGBl. I S. 2978)
wurden der Kombattantenstatus des BGS abgeschafft.
MfG. TH

Benutzeravatar
Frontstadtkind
Forenuser
Beiträge: 150
Registriert: 22.02.2010 19:57
Ort/Region: Köln

Beitrag von Frontstadtkind » 09.01.2015 07:47

Zu den Aufgaben der Polizei in der "entmilitarisierten Sonderzone West-Berlin", in der nicht ein Deutscher Soldat stehen durfte, hätte im Spannungsfall die Absicherung der Zugänge öffentlicher Zivilschutzanlagen gedient.
Der alliierte Sonderstatus Berlins mit allem drum und dran galt für das gesamte, so genannte "Groß-Berlin" (mit Ost-Berlin), nicht etwa nur für West-Berlin.

Auch die Berliner Polizei stand damit unter der Hoheit und Aufsicht der Alliierten und unter dem Vorbehalt von deren Rechten und z.B. der Polpräs wurde nur mit alliierter Zustimmung ernannt. Die MP war der deutschen Polizei übergeordnet.

Thunderhorse
Forenuser
Beiträge: 348
Registriert: 21.07.2006 13:41
Ort/Region: Bayern

Beitrag von Thunderhorse » 11.01.2015 13:49

Frontstadtkind hat geschrieben:
Zu den Aufgaben der Polizei in der "entmilitarisierten Sonderzone West-Berlin", in der nicht ein Deutscher Soldat stehen durfte, hätte im Spannungsfall die Absicherung der Zugänge öffentlicher Zivilschutzanlagen gedient.
Der alliierte Sonderstatus Berlins mit allem drum und dran galt für das gesamte, so genannte "Groß-Berlin" (mit Ost-Berlin), nicht etwa nur für West-Berlin.

Auch die Berliner Polizei stand damit unter der Hoheit und Aufsicht der Alliierten und unter dem Vorbehalt von deren Rechten und z.B. der Polpräs wurde nur mit alliierter Zustimmung ernannt. Die MP war der deutschen Polizei übergeordnet.
Hier hilft ein Blick in die BK/O (58) 3 vom 14. März 1958.

Überwachung der Berliner Polizei

Abs. III, Ziffer 3
Die Ernennung, Suspendierung oder Absetzung des Polizeipräsidenten, des Vizepräsidenten, von Gruppenkommandueren oder örtlichen Direktionskommandeuren sowei jede Beförderung zu einem dem Oberrat übergeordneten Rang müssen der Alliierten Komandantura im voraus mitgeteilt werden; sie ist berechtigt, die vorgesehene Maßnahme innerhalb von 21 Tagen auszusetzten.

Ziffer 9
Die Alliierte Komandantura und die Sektorenkommandanten behalten sich das Recht vor, der Polizei direkte Anweisungen zu erteilen. Die Alliierte Komandantura behält sich das Recht vor, die unumschränkte und direkte Kontrolle der Polizei zu übernehmen, wenn sie es im Interesse der Sicherheit Berlins für notwendig hält.
MfG. TH

Benutzeravatar
Frontstadtkind
Forenuser
Beiträge: 150
Registriert: 22.02.2010 19:57
Ort/Region: Köln

Beitrag von Frontstadtkind » 11.01.2015 17:49

Ja danke. Ich meinte es auf Ebene der Sektorenkommandanten. Da wäre wohl kein Polizeipräsidenten-Kandidat "versuchsweise" ernannt worden, der nicht schon vorher grünes Licht von den West-Alliierten bekommen hätte. Immerhin hatten die ständige Verbindungsoffiziere im Rathaus Schöneberg, die durchaus im Bilde waren.

Wie es in Ost-Berlin intern mit den Sowjets und der VP lief, weiß ich nicht genauer. Aber auch die Ostler haben alliiertes Recht genauestens beachtet. Zum Beispiel bei der Bahn, im Transitverkehr oder im Flugverkehr.

Antworten