Hamburg Altenwerder - ein Dorf verschwindet
Ein Dorf verschwindet - und das am Rande einer deutschen Großstadt zum Ende des zwanzigsten Jahrhunderts. - Das kleine Dorf Altenwerder existierte schon lange, bereits Ende des 14. Jahrhunderts wurde es erwähnt. An der Süderelbe gelegen, lebten die meisten Bewohner vom Fischfang oder Landwirtschaft. Im Jahre 1937 wurde Altenwerder in die Stadt Hamburg eingemeindet, genauer in das Ortsamt Süderelbe. Während des Krieges mußte der kleine Ort einige Bombenangriffe über sich ergehen lassen, da der Hafen (so. z.B. auch der U-Boot-Bunker ELBE II) nicht weit entfernt war. Bis 1973 war die Einwohnerzahl bereits auf rund 2000 angestiegen. Soweit hört sich das an wie eine ganz normale (zugegebenermaßen kurzgefasste) Dorfchronik.
Das wäre sicherlich auch der Fall gewesen, hätte man in Hamburg nicht schon in den 1920er Jahren über eine Erweiterung des Hafens nachgedacht. Das Thema wurde erst nach dem Krieg wieder aufgegriffen und 1961 wurde schließlich das erste Gesetz hierzu beschlossen. 1973 wurde den Anwohnern dann das Projekt "Hafenerweiterung" angekündigt. Dies bedeutete nichts anderes, als daß das gesamte, etwa 14 Quadratkilometer große Ortsgebiet dem Erdboden gleichgemacht werden würde. Das Gesetz von 1961 schränkte die Verfügungsgewalt der Grundstückseigentümer ein - wer nicht zustimmte, dem drohte die Enteignung durch die Stadt.
Bis zum Ende der siebziger Jahre hatten bereits mehr als 200 Anwohner die Gemeinde verlassen. Die Häuser wurden von der Stadt sofort danach abgerissen, damit nicht jemand auf die Idee käme, sich in Altenwerder niederzulassen. Am 20. Januar 1982 wurde das Ende des Ortes durch das zweite Hafenerweiterungsgesetz endgültig beschlossen. Einige Anwohner, unterstützt durch die Grün-Alternative Liste, klagten und bekamen zunächst Recht - allerdings zu spät. Die Entwicklung war längst nicht mehr aufzuhalten. Die letzten Bewohner Altenwerders verließen ihren Heimatort dann 1997.
Heute steht nur noch die Kirche St. Gertrud und der dazugehörige Friedhof mit einem kleinen Nebengebäude, alles umgeben von einem schmalen grünen Gürtel. Wer genau hinsieht, erkennt noch sehr gut, wo einst Häuser und Höfe standen, die Obstgärten der Grundstücke sind nicht zu übersehen.
Die Straße vor der Kirche, der Altenwerder Querweg, ist kaum noch 300 Meter lang, sie endet links und rechts im Nichts der aufgespülten Wüste, die in wenigen Jahren Containerterminal sein wird. Der Grünstreifen mit Kirche und Friedhof wird bestehen bleiben und dann sicher nicht weniger skurril wirken als heute. Das Gotteshaus wird heute gerne von Brautpaaren gewählt, schließlich ist dieser Platz ja nicht alltäglich.
Eine Seite mit wunderbaren Vorher/Nachher-Fotos zum Thema gibt es bei Axel Jaß. Wie die Karte von Altenwerder aktuell aussieht, kann man sich im Netz ansehen: Einfach zu stadtplan.net auf den Plan von Hamburg gehen und die Straße Altenwerder Kirchweg anzeigen lassen.
Quellen:
- versch. Zeitungsartikel
- Hamburg 1945 - Katalog zur Ausstellung der Handelskammer Hamburg
- Zeitzeugenbefragungen