Das französische Armeemunitionsdepot No. 58 in Offenburg-Waltersweier

Das hier beschriebene, ehemalige französische Depot befindet sich bei Offenburg-Waltersweier im Gottswald. Die Stadt Offenburg liegt in der Ortenau östlich der A5 zwischen Karlsruhe und Freiburg. Das gesamte Depot unterteilte sich in zwei getrennte Depoteinheiten, die ca. 200m voneinander entfernt liegen. In diesem Bericht wird nur das südliche Depot beschrieben, es ist das deutlich größere.

 

Historie

Am 15. April 1945 marschierten die Franzosen in Offenburg ein, 1955 wurden aus den Besatzern militärische Verbündete im Rahmen des westlichen Verteidigungssystems.

In einem Schreiben des französischen Militärs vom 24.05.1960 wurde die Absicht erwähnt, 7.000 m² Lagerplätze in Offenburg-Waltersweier herzurichten. Das Gelände des Nachschublagers ("C.R. de Waltersweier") stand zu diesem Zeitpunkt noch unter Requisition. Am 08.08.1960 wurde dieses Bauvorhaben von den deutschen Behörden anerkannt. Am 13.10.1961 wurde mit den Bauarbeiten begonnen. Am 11.10.1968 machten die französischen Streitkräfte den Vorschlag, Minen und Explosivstoffe aus bisher dreizehn Depots in Baden-Württemberg in die folgenden drei Munitionsdepots umzulagern und diese entsprechend auszubauen:

  • Kuppenheim mit 800t Munitionsaufnahmekapazität
  • Neuenburg-Grißheim mit ebenfalls 800t Mun.-Aufnahmekapazität
  • Offenburg-Waltersweier mit 2000t Mun.-Aufnahmekapazität

PlanDie Erweiterung des Munitionsdepots auf eine Kapazität von 5.000 t wurde am 12.12.1968 mit dem WBK erörtert. Der Ausbau von Waltersweier sollte etwa DM 7 Mio. kosten. Am 20.01.1969 wurde der offizielle Änderungsantrag für das Depot gestellt. Er sah unter anderem vor:

  • Ein Munitionslagerplatz mit 50 erdgedeckten Lagerbunkern Typ STRADLEY mit einer Grundfläche von jeweils 186 m²
  • Eine Abfertigungs- und Umschlagzone mit 4 erdgedeckten Lagerbunkern Typ STRADLEY mit einer Grundfläche von jeweils 93 m²
  • diverse kleine Bürogebäude vom Typ LBG Bundeswehr
  • Eine Instandhaltungs- und Wartungszone mit diversen Werkhallen
  • Ein Verwaltungsbereich und Quartiere mit einem Mehrzweckgebäude für Verwaltung und Truppenquartier und einem Wachgebäude (Militär- und Zivilwache).

Ebenfalls beantragt war eine Unterstellmöglichkeit für ein Notstromaggregat, 500m² Garagen, ein Fahrzeug-Waschplatz, ein Hundezwinger und ein Kraftstoffbunker für 2.000 Liter. Die Unterkünfte bzw. Aufenthaltsräume waren für 1 Offz./4 Uffz./30 Mannschaftsdienstgrade ausgelegt. Ein Wartebereich für ca. zwanzig Lkw war ebenfalls vorgesehen. Die Durchführung der Erweiterung sowie der Aufbau des inneren Bunkerareals wurde 1969/70 vollzogen.

Lagerinhalte

Waffensystem PLUTONAm 28.04.1970 nahmen die französischen Streitkräfte eine schriftliche Klarstellung zum Status der verschiedenen Munitionsdepots in der Umgebung von Offenburg vor. Gemäß dieser Stellungsnahme handelte es sich um ein Armeemunitionsdepot mit einer Kapazität von 5.000 t. Der Lagerinhalt des Depots wurde von den französischen Militärs als konventionelle Munition deklariert. Die Tatsache, dass es sich um das größte Lager der Franzosen in Baden-Württemberg handelte und dass in angeblichen Nacht- und Nebelaktionen größere LKW-Verbände Frachtgut verlegten, lieferte den Nährboden für zahllose Spekulationen, dass hier angeblich binäre C-Waffen stationär und temporär sogar A-Waffen gelagert worden wären. Die interessantesten Aussagen stammen mit Sicherheit von damaligen diensthabenden Offizieren gegenüber deutschen Zeitzeugen. Sie lassen den Rückschluss zu, dass es in dem Lager zumindest zeitweise mehr gab als nur konventionelle Munition. Weiterhin lässt die Art der Sicherung des inneren Bunkerareals vermuten, dass A-Waffen dort niemals stationär gelagert wurden. Die Bewachungseinrichtungen entsprechen nicht denjenigen zeitgenössischer Depots für A-Waffen der NATO in Deutschland. Zudem behauptet Frankreich, nach Austritt aus der NATO keine A-Waffen außerhalb von Frankreich mehr gelagert zu haben. Die nächstliegende Einheit mit PLUTON-Raketen, das 32e Régiment d'Artillerie, war in Oberhofen, sechzig Kilometer nördlich von Offenburg auf französischer Seite des Rheins stationiert. In Anbetracht der Reichweite der PLUTON-Raketen steht zu vermuten, dass im V-Fall der NATO diese Einheit durchaus nach Osten hätte verlegt werden sollen und dann dem Depot in Offenburg mit Sicherheit eine andere Lagerrolle zugekommen wäre. Eine offizielle Bestätigung für diese Vermutungen gab es allerdings nie.

Stationierte Einheiten

In der Stadt selbst gab es drei Kasernenareale: das Quartier Wagram (ehem. Lager Holderstock), das Quartier Mansard, und das Quartier Montalegre. Als kämpfende Einheiten waren von 1960 bis 1968 ständig ein Panzergrenadierbataillon und ein Artillerieregiment stationiert. Hierbei handelte es sich um das 43e Régiment Blindé d'Infanterie de Marine (RBIMa), ausgestattet mit Panzern vom Typ AMX 13, sowie das 11e Régiment Artillerie (RA) mit zwanzig AMX 13 automoteurs. 1968-1978 befanden sich vor Ort das 43e Régiment d'Infanterie de Marine (RIMa) (umbenannt aus vormals 43 e RBIMa) mit VTT AMX und das 11e Regiment Artillerie. 1978 -1993 war das 42e Régiment d'Infanterie (RI) auf VTT AMX 13, dann VCI AMX 10P (verlegt von Wittlich), welches das 43e RIMa ersetzte, stationiert sowie das 11e Regiment Artillerie auf vierundzwanzig AMX 30 automoteurs AUF1 de 155mm. 1993 wurden das 42e RI und 11e RA verlegt und die Garnison Offenburg geschlossen.

Gemäß der Bewaffnung der anwesenden Truppen kann man davon ausgehen, dass Granaten und Treibladungen für die Kaliber 75mm, 90mm und 155mm in ausreichender Menge im Depot lagerten. Darüber hinaus wird von Beständen der Panzerabwehrrakete HOT berichtet.

Aufbau der Liegenschaft

Das Depot unterteilte sich in ein äußeres, großes und ein inneres, separat abgesichertes, deutlich kleineres Areal.

Munitionsdepot Offenburg/Waltersweier

In dem äußeren Areal befanden sich Lagerschuppen, aufgebaut als einfache Backsteinschuppen mit Wellblechdach ohne Isolierung. Meist sind diese mit je zwei doppelflügeligen Metalltüren mit Zylinderschloss gesichert. Fenster sind keine vorhanden, nur vergitterte Lüftungsöffnungen erlauben eine gewisse Ventilation. Zudem gibt es zwei noch erkennbare, offene Erdwall-Lagerstätten mit ca. 3 m hohen U-förmigen Sandwällen ohne Überdachung, die zur Strasse hin offen sind. Die Basislage bzw. der Fuß der Sandwälle scheint aus mit Sand verfüllten alten Munitionskisten begrenzt bzw. aufgebaut. Hier befanden sich weiterhin die Wartungshallen, die Tankstelle, Fahrzeughallen und zwei Löschwasserzisternen oder Tiefbrunnen.

Das innere, zusätzlich abgesicherte Areal liegt in der Nordwest-Ecke des Depots direkt an dessen äußerer Grenze. Hierin befinden sich alle Munitionslagerhäuser ("Bunker"). Laut dem genannten Erweiterungsantrag wurden MunLH vom Typ STRADLEY bestellt. In der Ära, in welcher der Änderungsantrag erfolgte, war für Europa der Typ FRELOC STRADLEY 33-15-13 üblich. Die Abmessungen sprechen für diesen Typ, allerdings sind der Querschnitt innen und die Lage des Tores abweichend von der üblichen Bauweise. Bei den hier ausgeführten Munitionslagerhäusern ist der Querschnitt innen rechteckig (im Gegensatz zu der gewölbten Decke beim FRELOC STRADLEY Type) und die Toröffnungen sind nach rechts bündig an die rechte Bunkerwand verschoben (Blickrichtung auf den Eingang) und nicht wie bei dem Typ üblich mittig angebracht. Alle einunddreißig Bunker bzw. Munitionslagerhäuser (die Abmessungen betragen üblicherweise 7,6m x 4,27m x 24,4m (BxHxL)) des Depots befinden sich ausnahmslos im inneren Areal. Das Bodenniveau der Bunker liegt auf Terrainniveau der Umgebung, d.h. die Bunker konnten je nach Größe des Tores von den Teerstrassen aus direkt befahren werden. Alle einunddreißig Munitionsbunker haben zwanzig Zentimeter starke, einflügelige, hängende Schiebetore. Die hintere Reihe der Bunker im inneren Areal hat Tore der Abmessungen 3m (Breite) x 2m (Höhe), der Rest hat Tore der Abmessungen 4m (Breite) x 2m (Höhe). (Dies widerspricht ebenfalls den üblichen FRELOC STRADLEY-Ausführungen mit entweder ca. 3 x 3m oder 3,6 x 3,6 m Torabmessung). An der Torseite links und rechts der Tür sowie am hinteren Ende des Bunkers auf dem Dach befinden sich Lüftungsstutzen. Schaltkästen für elektrische Sicherungs- und Öffnungseinrichtungen sind rechts des Tores angebracht und noch vorhanden. Derzeit können die Tore über Kettenzüge geöffnet werden, alle Tore sind aber verschlossen.

Munitionsdepot Offenburg/WaltersweierMunitionsdepot Offenburg/WaltersweierMunitionsdepot Offenburg/Waltersweier

Jeder der Bunker (geht man von dem Typ FRELOC STRADLEY aus) ist für 225 t Munition zugelassen, das ergibt eine theoretische Lagerkapazität von 6.975t Munition. Die Bunker sind nach bestimmten Vorgaben, betreffend Abstand und Lage zueinander angeordnet und sollten die eingelagerte Munition vor Einwirkungen von außen schützen - so auch bei Explosion des benachbarten Bunkers. Eine Detonation der Munition innerhalb eines Bunkers hätte durch diesen selbst nur gedämpft, aber nicht aufgefangen werden können.

Die Zubringerstraße von dem im Wald gelegen Depot zur nächsten Landstrasse, der L98, war nur als befestigter Waldweg ohne Überbreite ausgeführt, wohingegen zwischen dem alten und neuen Lagerzugang außerhalb des Lagers entlang des Sicherungszaunes eine überbreite Teerstrasse eingerichtet wurde. Im Lagerinneren führte die geteerte Strasse weiter bis ins innere Areal, sonstige Wege waren nicht asphaltiert, sondern lediglich ähnlich eines Waldwegs befestigt. Die Zufahrten zu den Munitionshäusern waren durchgängig geteert.

Munitionsdepot Offenburg/WaltersweierMunitionsdepot Offenburg/WaltersweierMunitionsdepot Offenburg/Waltersweier

Das äußere Areal, vorher eine Wiesenlandschaft, wurde mit Bau des Depots in den sechziger Jahren intensiv mit Baumbewuchs begrünt. An einigen Stellen im Depot ist aufgrund der Baumanordnung noch gut erkennbar, dass hier gezielt aufgeforstet wurde (Tarnung). Ein Bereich außerhalb des inneren Bunkerareals ist im Depot (wie auf der Karte eingezeichnet) Freifläche, die Nutzung und der Hintergrund hierfür sind bisher unklar. Zwölf Jahre nach Schließung des Depots ist die konkrete Begrünung im inneren Areal nur noch schwer nachvollziehbar, das innere Areal hatte aber offensichtlich keinen Baumbewuchs.

Sicherungseinrichtungen

Es existierten zwei permanente Zugänge zum Depot und damit zum äußeren Areal. Der Haupt-Depotzugang war mit einem schwenkbaren Drahttor, Schlagbaum und zum Tor hin geschlossenem Wachposten-Unterstand mit Dach aus Beton und Schießscharte gesichert. Daneben befanden sich Wachgebäude, Hundezwinger und Mannschaftsunterkunft.

Der äußere Zaun hatte einen Pkw-Patrouillenweg (unbefestigter Waldweg) ohne Bewuchs auf der Zauninnenseite (d.h. im Lagerinneren). Der Maschendrahtzaun war ca. 2m hoch, mit Unterkriechschutz ausgestattet und am oberen Ende zusätzlich mit einem etwa einen Meter hohen, nach außen geneigten S-Drahtbereich gesichert. Vorrichtungen zur Beleuchtung des Sicherheitsbereiches am Zaun aus der aktiven Zeit des Lagers sind noch heute vorhanden. Auch die Wegbreite eines bewuchslosen Patrouillenweges vor dem Zaun (also außerhalb des Areals ist noch immer erkennbar.

Munitionsdepot Offenburg/Waltersweier

Der zusätzliche Sicherungszaun, der das innere Areal umschloss, war ebenfalls mit einem Pkw-Patrouillenweg auf der Zauninnenseite versehen, der zum Teil auf den befestigten Bunkerzufahrten, zum Teil auf ungefestigten Streifen wie am äußeren Zaun verlief. Der Zaun war identisch zur äußeren Umzänung aufgebaut. Vorrichtungen zur Beleuchtung des Sicherheitsbereiches am Zaun aus der aktiven Zeit des Lagers sind auch hier noch erkennbar.

Angeblich befand sich im Bereich des inneren Areals ein dem äußeren Zaun weiter vorgelagerter Zaun ohne weitere Sicherungseinrichtungen, der neugierige Spaziergänger zurückhalten sollte. Um das innere Areal befand sich angeblich des weiteren eine geschlossene Doppelzaunlinie, in der permanent Hunde frei liefen. Diese Einrichtungen sind heute aber nicht mehr zu erkennen.

Der Zugang zum inneren Areal erfolgte über ein schwenkbares Drahttor, daneben befand sich ein einfacher Mini-Container mit Fenster und Tür als Wachpostenunterstand. Eine besondere Sicherung des Postenhäuschens (z.B. Beschussfestigkeit) ist nicht erkennbar.

Die Bunkertore wurden üblicherweise wie folgt geöffnet: Eine runde Stahlklappe im Bunkertor musste mit einem Doppelbart-Sicherheitsschlüssel geöffnet werden, zusätzlich könnte an dieser Klappe ein Vorhängeschloss angebracht sein. Hinter der schwenkbaren Klappe im Bunkertor befand sich ein Stahlriegel. Durch Umklappen des Riegels wurde das Tor freigegeben und konnte über den Kettenzug geöffnet werden. Elektrische Alarmsicherungen waren ebenfalls angebracht. Wachtürme oder befestigte Unterstände im Randbereich des Geländes - wie sie bei Sonderwaffenlagern häufig anzutreffen waren - gab es in diesem Depot nicht.

Quellen
- Bernhard Denne, persönliche Beobachtungen, Interviews und Gespräche mit Zeitzeugen aus der Region (2005/2006)
- Technical Paper APPROVED PROTECTIVE CONSTRUCTION Version 2.0, Department of Defense Explosives Safety Board June 2004
- BA-MA, BW 1 / 54650
- BA-MA, BW 1 / 121099
- BA-MA, BW 1 / 121093
- BA-MA, BW 1 / 54651
- Soldat & Technik 9/1969
- USAREUR regulation 385-64, USAREUR Explosives Safety Program, 26 July 2000
- US. Army Corps of Engineers, Engineering and design, Explosives Storage magazines, 31 August 1995, Pamphlet No. 1110-345-102
- Whole Building Design Guide, Ammunition and Explosive Storage Magazines by Transystems Corporation

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