Geheimes Norwegen - Torpedobatterie Herdla
Nördlich von Bergen/Norwegen liegt die Gemeinde Askøy, zu der auch die 1,6 km² große Insel Herdla gehört. Heute ist der Großteil der Insel Natur- und Vogelschutzgebiet, während des Zweiten Weltkrieges diente die Insel der deutschen Luftwaffe als Stützpunkt und war der wichtigste Flugplatz zwischen Stavanger und Trondheim. Daneben entstanden auf Herdla auch Befestigungsanlagen des Atlantikwalls, darunter eine Torpedobatterie, die später von der norwegischen Armee unter strengster Geheimhaltung modernisiert wurde und bis heute fast unverändert erhalten ist.
Bergen diente der deutschen Besatzungsmacht während des Zweiten Weltkrieges als wichtiger Uboot-Hafen, der auch über einen eigenen Uboot-Bunker mit dem Tarnnamen „BRUNO“ verfügte. Nicht zuletzt zum Schutz dieses wichtigen Hafens waren die rund 3.000 auf Herdla stationierten Soldaten und Flugzeuge strategisch von großer Bedeutung. Die Insel, auf der schon seit etwa 1900 ein Festungsbauwerk bestand, wurde von der Wehrmacht zur Festung erklärt, alle Bewohner mussten das Eiland verlassen, während mehrere Tausend sowjetische Kriegsgefangene auf Herdla untergebracht und als Zwangsarbeiter zum Bau des Flughafens eingesetzt wurden.
Um dem Feind den Zugang zum Bergener Hafen durch die Fjorde von See her zu erschweren, wurden an der Küste und auf den Inseln rund um die Stadt zahlreiche Verteidigungsanlagen mit schweren Geschützen unterschiedlicher Kaliber und einige befestigte Torpedobatterien errichtet. Auch auf Herdla wurden weitere, vom Flugplatz unabhängige Befestigungsanlagen gebaut. Etwas abseits des Flugplatzes an der Nordwestecke der Insel entstanden so bis Ende 1944 u.a. eine Batterie mit vier 10,5cm-Geschützen, zwei weitere, teilweise verbunkerte 10,5cm-Stellungen (Vf271/R671), zwei Tobruk-Stände, zwei Panzerkuppeln Pz38, mehrere Flakstellungen und zahlreiche andere Bauwerke, darunter auch die Torpedobatterie Hjelte (MAA 504, 3 x 53cm).
Nach Kriegsende kehrten die Anwohner auf ihre Insel zurück, Anfang der 1960er Jahre lebten bereits über fünftausend Menschen auf Herdla. Etwa zur gleichen Zeit erweckte die norwegische Armee die Torpedobatterie aus ihrem „Dornröschenschlaf“ und modernisierte die Anlage für die Nutzung in einem möglichen, dritten Weltkrieg zur Verteidigung gegen seeseitige Angriffe des Warschauer Paktes. Hierzu wurden zwei Bunker, darunter die eigentliche Torpedobatterie, verändert und technisch auf den neuesten Stand gebracht. Der Abschuss der beiden Torpedos erfolgte weiterhin, ähnlich wie z.B. bei Schnellbooten üblich, oberhalb der Wasserlinie. 1990 erfolgte eine erneute Modernisierung der Batterie, bei der die seeseitige Wand des Torpedoraums wegen der damit verbundenen höheren Schutzwirkung nun komplett verschlossen wurde. Der Torpedoabschuss erfolgte nun unterhalb der Wasserlinie, die restlichen Funktionsbereiche waren in einem getrennten Schutzbauwerk untergebracht.
Der Abschussbereich besteht aus einer beinahe kreuzförmigen Anlage, in dessen seeseitigem Hauptteil der eigentliche Torpedo-Abschussraum liegt. In den beiden Seitenflügeln befinden sich die Technik- und Unterkunftsräume, während eine Schleuse gegenüber dem Torpedoraum in einen unverbunkerten Werkstattbereich führt. Als Anbauten finden sich Notausgänge und kleinere Funktionsräume.
Ausgestattet war die Anlage zuletzt mit einem modernisierten, deutschen Torpedo und zwei modernen Torpedos vom Typ TP-613. Dieses über ein Kabel ferngelenkte und mit einem herkömmlichen 240kg-Sprengkopf ausgerüstete Waffensystem hat eine Reichweite von 5,5 bis 12 Seemeilen, abhängig von der Marschgeschwindigkeit (25-60 Knoten).
Der Feuerleit-, Kommunikations- und Kommandobereich befindet sich auf der gegenüberliegenden Seite der Zufahrtsstraße und ist ebenfalls über einen unverbunkerten Vorraum zugänglich. Ein groß dimensioniertes Rolltor erlaubt hier auch für einzelne LKW eine zumindest sicht- und splittergeschützte Be- und Entladung. Über eine Personenschleuse gelangt man von hier in den kleinen, schlauchförmigen Techniktrakt und weiter in den großen Hauptraum. Die Funktions- Unterkunfts- und Arbeitsbereiche des militärischen Personals wurden in einzelnen, funktionsbezogenen 20-Fuß-Containern untergebracht, die im großen Hauptraum in zwei Reihen erschütterungssicher aufgestellt wurden. Ein großer Druckabschluss ohne Schleusenfunktion erlaubt das Auswechseln der Container durch den Vorraum. Auch hier führen natürlich Notausstiege ins Freie.
Im Außenbereich oberhalb der Anlage befinden sich mehrere gut getarnte Notausgänge, verschiedene Außenbauwerke für Be- und Entlüftung sowie drei relativ kleine und gut in die Landschaft integrierte Radarantennen. Bemerkenswertestes und gleichzeitig am aufwändigsten getarntes Außenteil der Torpedobatterie ist eine ferngesteuert ausfahrbare Kamerakuppel, die als großer Felsblock getarnt wurde.
Zum Zeitpunkt der letzten Modernisierung war der Kalte Krieg schon zu Ende, die Bedrohungslage hatte sich bereits komplett verändert und die gerade modernisierte Torpedobatterie schon damals eigentlich überflüssig. Dennoch wurde die Verteidigungsanlage weiter in Stand gehalten und beübt. Erst 1995 erfolgte eine teilweise Aufgabe des Geländes. Ende der 1990er Jahre stellte die Armee die Anlage schließlich ganz außer Dienst, die Geheimhaltung blieb aber zunächst unverändert bestehen.
Erst 2013 konnte das Herdla Museum mit Besucherführungen in der Anlage beginnen, die zwar unter Denkmalschutz steht, formal aber immer noch von der Armee verwaltet wird. Der Grund hierfür dürfte eine auf dem Gelände befindliche Messanlage für die akustische Vermessung von Schiffen, U-Booten und Marinesondergeräten sein, die im Rahmen eines trilateralen Abkommens zwischen Deutschland, den Niederlanden und Norwegen errichtet wurde und gemeinsam betrieben und genutzt wird.
Panorama-Galerie
Vor dem Zugang des Abschussbereiches
Vorraum/Werkstatt des Abschussbereiches
In der Schleuse des Abschussbereiches
Dekontaminationsdusche des Abschussbereiches
Zentraler Verbindungsflur im Abschussbereich
Torpedoraum, vorderer Bereich
Torpedoraum, hinterer (seeseitiger) Bereich
Unterkunftsflügel im Abschussbereich
Notausstieg des Unterkunftsflügels
Zielerfassungs-Container im Kommandobereich
Lagezentrum/Befehlscontainer im Kommandobereich
Quellen:
- Herdla Museum - http://www.museumvest.no/index.php?action=static&id=63
- Wikipedia - http://de.wikipedia.org/wiki/Herdla
- “Rüstung und Rüstungserprobung in der deutschen Marinegeschichte unter besonderer Berücksichtigung der Torpedoversuchsanstalt ( TVA )„, Dissertation Rüstung und Rüstungserprobung in der deutschen Marinegeschichte unter besonderer Berücksichtigung der Torpedoversuchsanstalt, Uni Kiel 2006
- "Tyske kystfort i Norge", Jan Egil Fjørtoft
- Batteries et fortifications côtières en Norvege - Journal de voyage, Band 1, 1995, Jean-Bernard Wahl
- A la Recherche du Mur de l'Atlantique en Norvège" Band 1, Jean-Bernard Wahl
Tags: Atlantikwall, Festung, U-Boot, Norwegen