Flugzeugbau im Hamburger Hafen

Die Blohm & Voss Werft in Hamburg Steinwerder: Wo bis 1933 tonnenschwere Stahlbauteile zu Schiffen zusammengefügt wurden, sollten künftig aus Holz, Stahlrohren und Aluminiumblechen mit Materialstärken von wenigen Millimetern auch Flugzeuge entstehen. 

 

Die Wilhelm Gustloff 1936 im Bau bei Blohm & VossDie Ha 139 V1 kurz vor dem Erstflug am 09.10.1936

Im Juni 1933 hatten Rudolf und Walther Blohm die Hamburger Flugzeugbau GmbH als Tochtergesellschaft in das Handelsregister eintragen lassen. Wie viele andere Unternehmen wollte auch Blohm & Voss von der Aufrüstung der Luftwaffe profitieren. Aber zunächst sollten mögliche Risiken des neuen Geschäftszweiges von der Werft ferngehalten werden. So wurde die Tochtergesellschaft „Hamburger Flugzeugbau GmbH“ gegründet. Der Beginn war nicht einfach, denn eine Anfrage vom 15.08.1933 an den Reichsminister der Luftfahrt blieb zunächst ohne Erfolg:

„Der Reichsminister der Luftfahrt hat uns auf unseren Antrag von Anfang Juli des Jahres mitgeteilt , das er bereit sei, unsere Firma zu den Ausschreibungen heranzuziehen und das von uns in Bau genommene Flugzeug zu prüfen. ( Anmerkung: die Ha 135 )
Es sei ihm aber vorläufig nicht möglich, uns Lizenzaufträge zu erteilen.“ [1]

Im April 1934 konnte die erste fertiggestellte Ha135 in Hamburg Fuhlsbüttel eingeflogen werden.

Die Ha 135 V1 mit der Werknummer 101 bei der Erprobung in Hamburg Fuhlsbüttel

Das Flugzeug wurde von Reinholt Mewes, im Juli 1933 konstruiert, bevor der spätere Chefkonstrukteur Richard Vogt, Ende Oktober 1933 zum Hamburger Flugzeugbau gekommen war. Mewes, der mit einer Gruppe von Fachleuten von Heinkel zum Hamburger Flugzeugbau kam, wechselte mit dieser Gruppe schon wenig später zu Fieseler, um dort mit der Fi 97 eines der teilnehmenden Flugzeuge des Europa Rundfluges von 1934 zu bauen.[2]
Am 26.05.1934 notierte Rudolf Blohm zur Ha 135 in seinen Aufzeichnungen:

„Die Herren Udet und Stöhr waren am Dienstag längere Zeit auf der Werft. Hr. Stöhr hat am Dienstag unser Flugzeug geflogen und Hr. Udet am Mittwochvormittag. Beide Herren haben sich sehr anerkennend über das Flugzeug ausgesprochen.

Lizenzbau für die Luftwaffe

Im Februar 1934 liefen die Vorbereitungen für den ersten Auftrag durch das Reichsluftfahrtministerium (RLM), der Lizenzbau von Ju 52 Leitwerken.
Von Junkers erhielt der Hamburger Flugzeugbau Kostenschätzungen für den Produktionsaufwand der Ju 52 Leitwerke, um in Verhandlungen mit dem RLM Festpreise aushandeln zu können.
Auf dem Blohm & Voss Werftgelände in Steinwerder wurden im Februar 1934 bereits das alte vierstöckige Holzbearbeitungsgebäude (Tischlerei) der Schiffsinnenausstattung für den Flugzeugbau hergerichtet und fortan auch als Fz II (Flugzeugwerkstatt II) bezeichnet.
Im Monatsbericht Februar 1934 ist zum Fz II vermerkt:

„Die von Junkers gelieferten Spezialmaschinen sind aufgestellt und in Betrieb genommen.
Das große Veredelungsbad ist angeschlossen und arbeitet störungsfrei. Mit dem Aufbau der Vorrichtungen im 2. Stock ist begonnen. Die Arbeiten an der Mustermaschine (Anmerkung: Ha 135) können infolgedessen weitergeführt werden.“

Darüber hinaus wurde auch die alte Osthalle auf dem Steinwerder Blohm & Voss Gelände als Flugzeugwerkstatt für den Zusammenbau von Baugruppen hergerichtet und als Fz III bezeichnet. Der Monatsbericht vermerkt:

„Auf dem geschütteten Fundament der Osthalle sind die Großvorrichtungen für das Rumpfende und die Höhenflosse ( Anmerkung: Für die Ju 52 ) aufgestellt und vergossen worden. Personal: Der Betrieb umfasst 100 Mann, außerdem sind noch 45 Leute zum Anlernen in Dessau. Die Schulung von ungelernten Leuten zu Hilfsarbeitern wird gleichzeitig hier theoretisch und praktisch in Nietkursen durchgeführt.“ [3]

Das Fz II Gebäude rechts hinter dem Schiffskran und das Fz III Gebäude rechts hinter den Schiffen auf der Blohm & Voss Werft in Hamburg Steinwerder

Gleichzeitig zu den Lizenzbauten sollten auch die Eigenentwicklungen des neuen Chefkonstrukteurs Richard Vogt in Steinwerder gebaut werden.
Am Nachmittag des 23.08.1934 wurde die erste Konstruktion von Richard Vogt, die Ha 136, auf dem Flugplatz Hamburg Fuhlsbüttel eingeflogen.
Vermerkt wurden befriedigende Flugleistungen. Anfang September kam die Ha 136 zurück zur Werft nach Steinwerder, um Leitwerksänderungen durchzuführen.
Lediglich 2 Flugzeuge vom Typ Ha 136 wurden fertiggestellt.

Die Ha 136 V1 mit der Werknummer 105

Die Suche nach einem Landflugplatz

Schon im Sommer 1934 liefen beim Hamburger Flugzeugbau in Steinwerder Planungen für einen eigenen Flugplatz, denn man hatte auf dem Flugplatz Fuhlsbüttel nur 2 kleine Flugzeughallen für die Flugerprobung der Flugzeugmuster Ha 135, Ha 136 und später auch für die Ha 137 gemietet.
Der Hamburger Flugzeugbau reichte im Juni 1934 eine Projekt-Planungsunterlage für die Fertigung von Ju 86 Bombern mit der Planung der erforderlichen Infrastruktur beim Reichsminister der Luftfahrt ein. Hierbei handelte es sich um eine Ausschreibung, seitens des RLM an diverse Konzerne.
In diesem Dokument wird auch die Planung für den künftigen Landflugplatz beim Hamburger Flugzeugbau ersichtlich:

„Der zunächst in Aussicht genommene Werks-Flugplatz befindet sich im Süden der Werft in Hamburg Steinwerder zwischen Rethe und Neuhofer-Kanal. Der Platz liegt sehr günstig zur Werft,hat Gleis- und Wasseranschlüsse und erfordert nur geringe Planierungsarbeiten.
Da aber das umliegende Industriegelände nicht auf Dauer einer Baubeschränkung unterworfen werden kann, sind für später zwei weitere Plätze in Erwägung gezogen worden.
Der Platz in Finkenwerder ist vorzüglich durch seine freie Lage und seine Nähe zum westlich gelegenen breiten Teil der Elbe geeignet, wo Flugzeuge bei jedem Wind wassern können.Gleisanschluss ist leicht zu schaffen. Für den Verkehr mit der Werft und die Arbeiterbeförderung liegt der Platz ungünstiger, als der Platz in Georgswerder, der mit der Werft eine Straßenverbindung hat, und durch die Bahnverbindungen über die Elbbrücken von der Stadt aus leichter zu erreichen ist. Wasser- und Gleisanschluss sind vorhanden. Für das Aufschleppen von Wasserflugzeugen liegt der Platz ungünstig, da die Norderelbe wohl nur ausnahmsweise zum Wassern von Flugzeugen benutzt werden kann.“ [4]

Der Hamburger Flugzeugbau versuchte mit dieser frühen Planung eines Landflugplatzes, sehr nah an Hamburg und an der Werft, in Steinwerder zu bleiben. Das RLM allerdings hatte größere Pläne und sorgte dafür, das der künftige Produktionsort erweiterungsfähig war und selbstverständlich über eine gute Bahn- und Straßenanbindung verfügte.
Aus der Planung vom Hamburger Flugzeugbau von Juni 1934 wurde nur das Entwicklungswerk Finkenwerder realisiert. Der Baubeginn in Finkenwerder, 1936 erforderte umfangreichen Aufspülarbeiten an der Elbe. Das Werk wurde erst 1939/40 fertiggestellt.

Übersicht des Hamburger Hafengebietes

Das Endmontagewerk mit Flugplatz für Aufträge vom RLM wurde aber früher benötigt, und so wurde noch 1934 der Bau des Flugplatzes Wenzendorf, 27 Km südlich von Hamburg Steinwerder beschlossen.

1935 entwickelte Richard Vogt beim Hamburger Flugzeugbau einen einsitzigen Sturzkampfbomber. Die Ha 137 war mit seinen Knickflügeln und dem daraus resultierenden kurzen Hosenbeinfahrwerk eine fortschrittliche Entwicklung, die aber auch aerodynamische Probleme im Flügelknick und am Leitwerk hatte. Das Flugzeug besaß nach der Ha 136 auch den bei Vogt typischen zentralen Rohrholm im Tragflügel. Dieser war aus Stahlblech gefertigt und wurde im Bereich des Holmmittelstücks auch als Kraftstofftank verwendet.
Die Ha 137 V1 bis V3 wurden in Hamburg Steinwerder gebaut und begannen ihre Flugerprobung noch in Hamburg Fuhlsbüttel. Mit dem Erstflug der V4 am 11.11.1935 in Wenzendorf ging die Endmontage und Flugerprobung dieses Musters nach Wenzendorf. Von der Ha 137 wurden lediglich 19 Flugzeuge gefertigt.

Eine Ha 137 im Landeanflug

Lizenzbau und Expansionspläne

Mit weiteren Lizenzaufträgen vom RLM benötigte der Hamburger Flugzeugbau ab 1935 zusätzliche Hallenflächen. Hierfür wurde außerhalb des Blohm & Voss Werftgeländes, ca. 2 km östlich am Wortdamm, 2 zusammenhängende Hallen angemietet, die im Sommer 1938 auch käuflich erworben wurden. Anfangs dienten diese Hallen mit der Bezeichnung Fz IV für den Bau von 24 Do 23 Tragflächen und später auch für 75 Rumpf- Baugruppen des Musters Ju 86.

Blohm & Voss Seeflugzeuge

1934 formulierte das RLM die Aufgabenstellung für einen Seefernaufklärer, aus der vom Hamburger Flugzeugbau die Ha 138 entwickelt wurde. Trotz eines ernüchternden Erstfluges der V1 mit einem nach oben geknickten Innenflügel wurde die folgende Bv 138 mit einem geraden Flügel, das erste in Serie gefertigte Flugzeug beim Hamburger Flugzeugbau. Von der Ha/Bv 138 wurden insgesamt 281 Flugzeuge produziert.
Die A-0 und A-1 Serie wurde im Fz IV am Worthdamm montiert. Alle folgenden Flugzeuge, mit Ausnahme der 67 beim Weser Flugzeugbau gefertigten Flugzeuge, wurden in Hamburg Finkenwerder fertiggestellt. [5]
Der Hamburger Flugzeugbau entwickelte ab Sommer 1935 die Ha 139 für die Lufthansa. Der Erstflug der Ha 139 V1 am 09.10.1936 bestätigte die Erwartungen der Lufthansa, die dieses Flugzeug für den Nordatlantik Postverkehr beim Hamburger Flugzeugbau in Auftrag gab und im Sommer 1937 übernehmen konnte.
Bei der Ha 139 handelte es sich um ein 2-Schwimmer-Postflugzeug, das angetrieben von 4 Jumo 205 Dieselmotoren eine Reichweite von ca. 3700 km hatte. Die Nutzlast betrug lediglich 480 kg, aber das Flugzeug war mit geringen Abmessungen bei einem Gewicht von 17290 kg voll katapultfähig. Die Lufthansa erhielt 3 Flugzeuge dieses Musters.

Im Februar 1935 wurde mit der Fz I Halle (Musterbau) und im April 1936 mit der Fz 0 Halle (Einflughalle) weitere Hallenflächen auf dem Südwestteil des Werftgeländes für die Flugzeugfertigung notwendig, da mit der Ha 138 und Ha 139 Wasserflugzeuge entwickelt und gebaut worden, die von diesen Gebäuden direkt auf das B&V Spezialschiff „Kranich“ mit einem Kran gehoben werden konnten. Die Flugzeuge konnten so zur Flugerprobung auf der Elbe, außerhalb vom Hamburger Stadtgebiet transportiert werden.

: Ha 138 V1 in der FlugerprobungDie Ha 139 V3 mit der Werknummer 217 im Fz III


Foto: Die Ha 139 V3 mit der Werknummer 217 im Fz III

Ab Sommer 1935 begannen auch die Entwicklungsarbeiten an der Ha 140, einem
2 Schwimmer Torpedo Flugzeug, angetrieben von zwei BMW 132 Motoren. Der Erstflug der Ha 140 fand am 30.09.1937 statt. Die Flugerprobung dieses Musters hatte in Travemünde einen folgenschweren Bruch eines Motorträgers zur Folge, der auch den vorderen rechten Schwimmer so stark beschädigte, das die Erprobung abgebrochen werden musste. Nur 3 Flugzeuge wurden fertiggestellt.

Der folgenschwere Bruch des Motorträgers und Schwimmers an der Ha 140V1

Inzwischen wurde aus der Blohm & Voss Tochtergesellschaft, Hamburger Flugzeugbau GmbH im Jahr 1938 der „Blohm & Voss Flugzeugbau“, also eine Sparte innerhalb des Blohm & Voss Unternehmens, und das Flugzeug Kürzel „Ha“ änderte sich in„Bv“

Die Nutzung der Fz-Werkstätten

Ende 1939 wurde dann auch das Entwicklungswerk in Hamburg Finkenwerder fertiggestellt und Fz 0 und Fz I konnten im August 1939 wieder an die verschiedenen Schiffsbautätigkeiten der Werft zurückgegeben werden.
Fz III und Fz IV dienten nach der Fertigstellung des Ju 52 Leitwerkprogrammes für die Fertigung von Baugruppen der Ha 138, Ha 139, Ha 140, Ha 141 und für die Herstellung von Baugruppen für die Lizenzbauten bei Blohm & Voss: Do 23, Do 17, Junkers W34, Junkers Ju 86 und im weiteren Verlauf auch für Baugruppen der Bv 222 und Bv 238.
Vom Fz IV wurden insbesondere die Baugruppen der Ha 138, Bv 222 und Bv 238 per Schiff und Lastkahn zum Werk Finkenwerder transportiert, wo ab Ende 1939 die Endmontage der Bv 138 begann.

 Schwimmer für die Ha 139 im Fz III. Siehe auch die Junkers W 34 Rümpfe im HintergrundHa 139 Montage im Fz III

Baugruppen der Landflugzeuge konnten von allen Fz Gebäuden mit der Bahn zur Endmontage ins 27 km entfernte Wenzendorf transportiert werden.

Die Ha 141 V2 wird für den Transport per Bahn nach Wenzendorf vorbereitet. Der Bahnwaggon steht in Steinwerder zwischen den Gebäuden Fz 0 und Fz I

Vom Fz II wurde bis 1945 auch die gesamte Fertigungssteuerung aller Blohm & Voss Standorte übernommen. Das Gebäude diente außerdem für die Fertigung von Kleinteilen für den Flugzeugbau und zur Produktion von Einzelteilen für die Umbauten von Bf 109 und Me 262 in Schulflugzeuge.
Ab Oktober 1943 begann hier auch die Fertigung der Vorserie für das Me 262 Leitwerk. Mit Beginn der darauf folgenden Großserie dieser Me 262 Baugruppe bei Blohm & Voss, mussten Gebäude, wie z.b. Fz III und IV zusätzlich genutzt werden. Bis zum 31.12.1944 konnten 855 Leitwerke fertiggestellt werden.
Walther Blohm vermerkte dazu am 16.12.1944:  „Leitwerksfertigung wenig unter Soll-Zahlen. Erste, durch Verkehrslage bedingte Materialengpässe drohen zu baldigen Einbruch zu führen.“

 Die Me 262 Leitwerksbaugruppe

Häufige Luftangriffe auf Hamburg und insbesondere auf den Hafen sorgten bei der Me 262 Leitwerksfertigung für eine ständige Umlagerung innerhalb der Steinwerder Werft und der Auslagerung innerhalb des Hamburger Hafens, im Hamburger Stadtgebiet und in den Außenbezirken.[6]
Alliierte Reports nach Kriegsende erwähnten, dass auf Steinwerder, keine nennenswerte Flugzeugproduktion vorgefunden wurde, da die Fz Gebäude, wie auch alle anderen Gebäude der Blohm & Voss Werft starke Gebäudeschäden hatten und alle verbliebenen Flugzeugteile außerhalb der Werft gefertigt wurden. [7]

Me 262 Leitwerksbaugruppen, gefertigt von Blohm & Voss in Hamburg, nach Kriegsende in Obertraubling

Quellen:
[1] Lizenzbau Anfrage durch B&V von 12.08.1933, Aufzeichnungen R. Blohm
[2] Jet & Prop 4/99 Die Ha 135-oder- wie die Firma Blohm & Voss zum Flugzeugbau kam, von Dipl. Ing. Karl Kössler
[3] Aufzeichnungen W. Blohm vom 03.02.1934
[4] Projektplanung Ju 86 Fertigung Hamburger Flugzeugbau 1934
[5] Jet & Prop 6/06 und 2/07 Die Bv 138 Dokumentation von Theodor Mohr und Dipl. Ing. Karl Kössler
[6] Auflockerung der B&V Fertigung vom 22.02.1945
[7] CIOS Item No. 25 German Aircraft Industries Bremen Hamburg Area
Alle Fotos Sammlung Sternberg

Tags: Hamburg, Rüstung