Der dritte Interkontinentale Flughafen in Nordrhein-Westfalen

In den Jahren 1969 bis 1973 kam es im stillen Münsterland zwischen Sendenhorst, Albersloh und Drensteinfurt zu einer ungewöhnlichen, aber wahren Geschichte… Man mag im Nachhinein gar nicht glauben, dass hier ein Milliardenprojekt geplant wurde, das am Ende erst durch die damalige britische Besatzungsmacht und durch die Bundesregierung gestoppt wurde. Überhaupt war das Münsterland in den 1960er bis 1980er Jahren als Standort mehrerer Großprojekte vorgesehen.

 

So gab es beispielsweise bereits konkrete Planungen zum Bau eines Protonenbeschleunigers in Drensteinfurt-Mersch. Hier sollte ursprünglich der Protonenbeschleuniger CERN entstehen, der heute in Genf nach den neuesten Teilchen der Materie forscht. Der 3IF sollte nicht zuletzt auch eine Art Trostpflaster für den geplatzten Bau des europäischen Protonenbeschleunigers bei Drensteinfurt sein.

Weitere gescheiterte Großprojekte in der Region

Als Entschädigung, nach dem Scheitern des Flughafenprojektes, wurde in den 1970ern der Bau einer Rennsportstrecke in den Drensteinfurter Bauerschaften Averdung und Natorp ins Auge gefasst. Und sogar der Bau eines Atomkraftwerkes in der Bauerschaft Natorp wurde seitens der Landesregierung und VEW 1978 in Erwägung gezogen. Aber auch diese Planungen verliefen im Sande.

Warum gerade hier?

Der 3IF hätte im Schnittpunkt der deutschen Flughäfen Köln/Bonn – Düsseldorf – Hannover gelegen. Das Kamener Kreuz, Schnittpunkt von A1 und A2, ist sehr nah gelegen, sodass eine gute Anbindung in Nord-Süd-Richtung und Ost-West hätte erfolgen können. Der Raum zwischen Sendenhorst, Albersloh und Drensteinfurt ist in Westfalen einer der am dünnsten besiedelten Räume. Nur relativ wenige Höfe hätten aufgegeben werden müssen. Das sahen die 60 betroffenen Höfe natürlich ganz anders. Es sind kaum merkliche Höhenunterschiede vorhanden. Dazu gibt es in diesem Bereich relativ wenige Gewässer und der Raum ist tektonisch absolut stabil.All diese positiven Aspekte spiegeln sich in dem Gutachten der Landesregierung vom 3.5.1970 wieder. In diesem wurde dem Projekt mit großem Enthusiasmus begegnet. Die negativen Aspekte, Lärmbelästigung und völlige Umgestaltung des heimatlichen Lebensraumes, scheinen den wirtschaftlichen Interessen weit untergeordnet.

Der Flughafen hätte allein in der letzten Ausbaustufe 1,1 Milliarden DM kosten sollen. Wenn man das hochrechnet, dann kommt man auf ca. zwei Mrd €. Im Vergleich: 2006 war der Pannenflughafen Berlin-Brandenburg ebenfalls mit knapp zwei Mrd. € Planung gestartet. Nicht nur die Kosten, auch die geplanten Ausmaße waren gigantisch: In der letzten Ausbaustufe hätte der Flughafen über fünf Start- und Landebahnen 40 Mio. Passagiere jährlich befördert. Da hätte sich der Münsterländer Flughafen in eine Reihe mit London Heathrow (2014: 72 Mill. Passagiere), Frankfurt a.M. (58 Mill.) einreihen können!

Der Anfang…

Das Verkehrsgutachten zum 3. Großflughafen NRW – In dem Gutachten wird der Flughafen aus allen Perspektiven betrachtet und „natürlich“ kommt man zum Ergebnis, das das Projekt verwirklicht werden soll.
Interessanterweise tauchen aber bereits hier einige Hinweise auf eine „notwendige Koordinierung“ mit den Militärflughäfen Gütersloh (Britisch), sowie Hörstel (Bundeswehr) auf. Somit ist eindeutig, dass der Hauptgrund für das „Aus“ schon in den Anfängen des Projektes bekannt war und nicht plötzlich und unerwartet kam.

So ging es los:

Nach umfangreichen Planungen wird am 13. März 1970 - „Dem schwarzen Freitag“ in Düsseldorf durch die NRW-Landesregierung die Entscheidung über den Flughafen-Standort verkündet. In der Zeitung stand darauf zu lesen: Die Bevölkerung ist ungehalten über das Schweigen der Landesregierung. Landwirte verlieren ihre Existenz.

Verbittert: Dr. Lohmann vor dem St. Josef-Stift in Sendenhorst (2015: Genau an dieser Stelle entsteht der neue Südflügel des Stifts)

Alle fragen: Wie stark wird die Belästigung durch Lärm?
Bürger fragen sich: Will ich hier überhaupt noch wohnen? Die Gemeinden fragen sich: Kann in den Schulen noch unterrichtet werden? Ist es sinnvoll, weitere Bebauungspläne auszuweisen? Die Stimmungsskala reichte von Angst, über Unbehagen bis Empörung und Wut. Aber auch wirtschaftliche Aufbruchsstimmung machte sich breit. Bei lokalen Unternehmern kam es zu Investitionsstaus. Um den Erhalt ihrer Jahrhunderte alten Höfe, schlossen sich die Landwirte in einer Interessengemeinschaft zusammen, um gemeinsam sich gegen den 3IF zu wehren.

Aber in der Bevölkerung kamen schon damals Zweifel an der Realisierbarkeit des Projektes auf. Grund war der Tiefflugverkehr der NATO-Truppen in den Zeiten des Kalten Krieges.

Airport in der letzten Ausbaustufe mit fünf Start- und Landebahnen

Die erste Planungsstufe als Regionalflughafen sollte natürlich gleich übersprungen werden. Die Fertigstellung hätte 1976 / 1980 erfolgen sollen.
Spätestens dann hätte die Straße zwischen Sendenhorst und Albersloh verlegt oder aufgehoben werden müssen.

Auf dem Weg des Scheiterns

Von 1970 bis 1972 kämpfte die SPD Landesregierung unter Ministerpräsident Kühn um das Projekt. Der Gegenwind aus der Hauptstadt Bonn wurde immer stärker. Am Ende sprach sich die Bundesregierung unter Kanzler Brandt (SPD) gegen das Projekt aus, mit dem Hinweis auf die Tiefflugschneisen der NATO. Schließlich muss auch die Landesregierung die Nicht-Realisierbarkeit des Projektes einsehen. Im Januar 1973 wird im Düsseldorfer Landtag das endgültige Aus für den 3IF bekannt gegeben. Der zuständige Minister Riemer trat zurück.

Wo sieht man heute noch Spuren?

Der Hagenholt entstand in den 1970ern südlich der Stadt Sendenhorst, da zu diesem Zeitpunkt noch die Südumgehung zur Diskussion stand. Die Südtangente hätte ideal zum 3IF weitergeführt werden können. Der 3IF kam nicht, die Südtangente, und auch die Nordtangente bis heute nicht. Weitere damals entstandene Straßenverläufe: Über den Ahlener Damm, über die Stadtgrenze, weiter am Hof Schulze Rötering vorbei – Am Ende der Straße wird diese plötzlich wesentlich breiter. Weiterhin ist die plötzliche „Verengung“ der Landstraße 811 zwischen Albersloh und Sendenhorst zu nennen. In Hoetmar zeugen drei Hochhäuser von der Aufbruchsstimmung, die sich auch in allen anderen Anreinerstädten breit machte. Der aufgegebene Hof Schmetkamp am heutigen Bürgerschützenwald (Dort sollte ein Hotel entstehen) und wahrscheinlich gibt es noch weitere Zeugnisse.

So hätte es aussehen können

An den Standort des Terminals 1 erinnert nur ein winziger Geocache.

Das Thema Tiefflugschneisen zieht sich wie ein roter Faden durch das Projekt. Bereits im 1. Verkehrsgutachten taucht der Hinweis auf. Bundesregierung und Militärs führten den Todesstoß aus diesem Grund für das Projekt aus. Ob der Flughafen die angestrebte Bedeutung hätte erlangen können, ist mehr als fraglich.

Der Leben hätte sich anders entwickelt in unserem Lebensraum, mit der S-Bahn nach Münster bis Köln, das hätte bestimmt Vorteile.

Was mit der Straße Sendenhorst-Albersloh geschehen wäre, bleibt ungeklärt. Leider hat uns der Flughafen einen Planungsstau beschert, ohne den das Projekt Umgehungsstraßen für Sendenhorst und Albersloh schon mindestens 4 Jahre weiter wäre…

Alle Bilder: Bildarchiv Heimatverein Sendenhorst e.V.
Weitere regionalgeschichtliche Beiträge von Christian Hölscher - Heimatverein Sendenhorst gibt es bei 
http://www.sendenhorstergeschichten.de/

 

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