Die Staumauer der Linachtalsperre

Bei der hier beschriebenen Staumauer handelt es sich um ein in vielerlei Hinsicht bemerkenswertes Relikt vergangener Zeiten. Zum einen ist es eine nun trockengelegte Talsperre, zum anderen ist die Ausführung dieser Staumauer in einer sehr ungewöhnlichen und in Deutschland einzigartigen Bauweise - in Beton - erfolgt. Lediglich die Staumauer im belgischenBütgenbach ähnelt der Linachtalsperre.

 

Entstehungsgeschichte

Der Gemeinderat der Stadt Vöhrenbach fasste im Jahre 1921 den Beschluss, durch den Bau einer eigenen Stromerzeugungsanlage das Vöhrenbacher Elektrizitätswerks zu entlasten. Gleichzeitig sollte die Erzeugung von eigenem, kostengünstigeren Strom der ansässigen Industrie, den Handwerksbetrieben und Haushalten wirtschaftliche Vorteile bieten. Als weitere Vorteile wurden damals die Unabhängigkeit von anderen Stromerzeugern sowie der bessere Ausgleich bei Stromschwankungen angeführt. Die Finanzierung dieser Talsperre sollte über den teilweisen Holzeinschlag und Verkauf des Stadtwaldes von Vöhrenbach erfolgen. Die Planung und gesamte Bauleitung wurde dem damaligen Karlsruher Bauingenieur Fritz Maier übertragen. Die Bauausführung erfolgte durch das Bauunternehmen Dyckerhoff & Widmann AG (Dywidag).

Linachtalsperre

Der Baubeginn erfolgte im Januar 1922. Durch die sehr widrigen Witterungsbedingungen durch anhaltenden Frost, Schnee und Regen an der Baustelle verzögerten sich die Baumaßnahmen, so dass erst ab dem Mai des gleichen Jahres die Bauarbeiten in vollem Umfang einsetzten. Durch die fortschreitende Inflation im Laufe des Jahres 1923 wurde die Gemeinde Vöhrenbach mit der Finanzierung des Bauvorhabens mit unerwarteten Problemen konfrontiert. Nur durch nun vermehrten Holzeinschlag und Verkauf des Stadtwaldes von Vöhrenbach konnten die finanziellen Mittel bereitgestellt werden, um den Weiterbau zu ermöglichen.

Schuldverschreibung der Stadt VöhrenbachBis zum Dezember 1923 waren dann die Baumaßnahmen soweit fortgeschritten, dass nach fast zweijähriger Bauzeit mit dem bereits fertig gestellten Turbinenhaus (2 Francis-Turbinen sowie 1 Pelton-Turbine), Stollen, Rohrleitungen sowie der kompletten maschinellen und elektrischen Ausstattung am 15. Dezember 1923 erstmalig Strom erzeugt werden konnte. Die Staumauer war zu diesem Zeitpunkt noch nicht fertiggestellt, deshalb konnte man nur mit dem Fließwasser der Linach eine der drei Turbinen antreiben.

Bedingt durch die Inflation wurden die weiteren Baumaßnahmen zunächst ausgesetzt. Eine Kuriosität am Rande: Die Stadt Vöhrenbach musste sich durch die Auswirkungen der Geldentwertung im Laufe des Jahres 1923 ihr eigenes (Not-)Geld drucken - als Motiv dieser Notgeldscheine wurde die Staumauer gewählt.

Ab dem 1. August 1924 wurde dann wieder in vollem Umfang an dieser Baustelle gearbeitet. Ein gutes Jahr darauf, am 7. November 1925, war der Bau der Staumauer vollendet, die Baustelle wurde aufgelöst. Am 31. Mai 1926 wurde erstmals der Vollstau der Talsperre festgestellt.

Technische Besonderheiten

Die Linachtalsperre ist aufgrund ihrer einzigartigen Konstruktion einmalig in Europa. Nebenbei ist sie die erste Stahlbetonstaumauer Deutschlands und wird mit zu den wenigen noch erhaltenen, freitragenden Talsperren Europas gezählt.

Erstmalig wurden ähnliche Staumauern in den USA gebaut. Die Besonderheit liegt in der Bauform, die genaue Bezeichnung lautet "Gewölbe-Reihenstaumauer". Diese Staumauer besteht aus dreizehn geneigten, gegliederten und zur Talseite offenen Gewölbemauern. Die Gewölbe überspannen die Abstände der Pfeiler. Diese Stützpfeiler sind durch ein System von Querriegeln und vertikal und horizontal ausgesteift. Durch diese Bauform werden die auftretenden Lasten an der Staumauer über die Pfeiler in den felsigen Untergrund geleitet. Im Gegensatz zu einer konventionellen, einfachen Gewölbestaumauer erfolgt hier also fast keine horizontale Einleitung der Wasserlast in die Talflanken. Ausschlaggebend für die Wahl dieser Bauform war, dass im Gegensatz zu einer herkömmlichen Gewichtsstaumauer, bis zu 70 Prozent an Material und somit Baukosten, gespart werden konnten.

Daten und Fakten in Kürze
Kronenlänge der Staumauer: 143m
Höhe der Staumauer über Talsohle: 25m
Spannweite der Pfeiler/Gewölbedurchmesser 10,4m
Wandstärke der Gewölbe unten 0,6m
Wandstärke der Gewölbe oben 0,5m
Abdichtung 5cm Spritzbetonschicht, zweifach abdichtender Anstrich
Fassungsvermögen bei Vollstau 1,1 Mio m³
Überflutete Fläche 110.000m²
Verbauter Beton 11.000m³
Baukosten rund 100.000 Festmeter Holz

In der Bauphase war dieses Bauprojekt die damals höchstgelegene Großbaustelle Deutschlands. Bis zu 350 Arbeiter waren dort mit den sehr arbeitsintensiven Einschalungsarbeiten und dem Einbringen des Betons beschäftigt.

Nutzung/Werdegang

Bereits kurze Zeit nach der Fertigstellung zeigten sich 1926 die ersten Undichtigkeiten in der Staumauer. In den Jahren 1937/38 mussten die ersten Reparaturarbeiten durchgeführt werden. Nach dem Krieg wurde dann wiederholt die Dichtungsschicht repariert bzw. erneuert. Im Dezember 1963 wurde dann aus Sicherheitsgründen, zum Schutz der Unterlieger, der Stauspiegel um 10 Meter abgesenkt. Dringend anstehende Sanierungsarbeiten und mangelnde Wirtschaftlichkeit bewogen den Gemeinderat der Stadt Vöhrenbach 1967 die Stromerzeugung einzustellen. Erst 1988 wurde dann der Stausee komplett abgelassen, die Staumauer damit mehr oder weniger dem Verfall preisgegeben.

derzeitiger Zustand

Seit April 1999 bemüht sich ein Förderverein um den Erhalt der Linachtalsperre. Als technisch herausragendes Denkmal des Landes Baden-Württemberg wird die Erhaltung der Staumauer mit Mitteln der Landesstiftung Baden-Württemberg unterstützt. Seit April 1996 gibt es Bestrebungen, die Linachtalsperre wieder einer Nutzung zuzuführen. In der ersten Phase wird mittels eines Ausleitung der Linach dem tieferliegenden Kraftwerk das Wasser über die alten Leitungsanlagen zugeführt.

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Das Turbinenhaus mit den Turbinen ist mittlerweile renoviert, seit 1998 wird hier wieder Strom produziert. In der zweiten Phase soll die Staumauer wieder genutzt werden. Umfangreiche Studien zur Sanierung wurden erarbeitet. In der Zeitschrift "Wasserwirtschaft" Ausgabe 6/2004 berichtet W.Seim zum aktuellen Stand der Instandsetzung. Danach sind die Bau- und Wasserrechtsanträge Ende 2003 gestellt worden. Die Reparatur soll denkmalgerecht erfolgen, um das Erscheinungsbild zu wahren. Statt der ursprünglich auf knapp 5 Mio. Euro geschätzten Kosten - weswegen man die Reparatur verworfen hatte - scheinen nun ca. 4 Mio. auszureichen. Inzwischen ist die Linachtalsperre großtenteils instandgesetzt, die restlichen Arbeiten werden im Laufe des Jahres 2007 abgeschlossen. Mit dem Wiedereinstau wurde am 16.03.2007 begonnen.

Lage / Besichtigung

Die Linachtalsperre befindet sich im Schwarzwald, südwestlich der Stadt Vöhrenbach. Die Staumauer ist in den wesentlichen Teilen auf gekennzeichneten Wegen frei zugänglich. Eine Besichtigung ist somit jederzeit möglich.

Quellen
- eigene Recherchen
- Internet-Recherche
- http://www.gedea.de/redaktion/projekte/bs_projekt.php?pid=236
- http://www.voehrenbach.de/linachkraftwerk.html
- http://www.voehrenbach.de/index1.html
- Janzing 2002, Baden unter Strom

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