Batterie Todt, Audinghen
Der von der deutschen Wehrmacht besetzte Teil Frankreichs und hier besonders die Küstenabschnitte wurden im Laufe des zweiten Weltkrieges durch den Bau von Festungswerken mit Abwehrwaffen stark befestigt. Die Artillerie spielte hierbei eine dominierende Rolle. Man nannte diese Befestigungen den Atlantikwall und das deutsche Oberkommando hielt ihn für uneinnehmbar. In Calais ist der Abstand zwischen England und Frankreich, getrennt durch den Ärmelkanal, am kürzesten. Dies war auch der Grund, warum genau hier in den neunziger Jahren genau der Europatunnel gebaut wurde. Die deutsche Wehrmacht war im 2. Weltkrieg aus denselben Gründen sehr an dieser Gegend interessiert.
Das deutsche Reich hatte bereits aus dem 1. Weltkrieg eine lange Tradition und viel Erfahrung mit dem Bau von schwerer Artillerie. Ein Beispiel dafür war die Dicke Bertha, ein 42cm-Geschütz, das sehr effektiv gegen ältere belgische und franzöische Festungen gewesen war. Die Reichweite betrug nur neun bis zwölf Kilometer und es wurde nur sparsam eingesetzt, da die Abschüsse sehr teuer waren und das Rohr nur eine recht kurze Lebensdauer von etwa 2000 Schuß hatte.
Im zweiten Weltkrieg verfügte die deutsche Wehrmacht über relativ viele schwere Geschütze. Es gab Eisenbahngeschütze wie die 28cm K5, die 38cm Siegfried und sogar 80cm-Geschütze, jedoch waren nicht alle Eisenbahngeschütze eben praktisch, weil sie nur auf einem Eisenbahngleis in Stellung gebracht werden konnten. Die Wehrmacht verfügte auch über konventionelle, schwere Geschütze, es gab sie in Kalibern von 20,3cm und 28cm, bis 40,6cm. Zum Teil handelte es sich um Langrohrgeschütze, bei den größeren Kalibern dagegen meist um Mörser. Die größten Kaliber wurden bei Krupp in Essen hergestellt.
Das artilleristisch starke Deutschland beeilte sich, die Gegend, etwa zwischen Wimeruex und Sangatte zu nutzen, denn dieser Geländeabschnitt war hoch gelegen - bis zu 150 m über dem Meeresspiegel - und damit günstig zur Kontrolle des Schiffsverkehrs.
In der Gegend von Calais/ Boulogne waren aufgestellt:
- 5 Batterien Eisenbahngeschütz mit je 2 x 28 cm Geschütz
- 1 Batterie mit 3 x 40,6 cm Geschütz (Lindemann)
- 1 Batterie mit 4 x 38 cm Geschütz (Todt)
- 1 Batterie mit 3 x 30,5 Geschütz (Friederich August)
- 1 Batterie mit 4 x 28 cm Geschütz (Grosser Kürfurst)
- 2 Batterien mit insgesamt 6 x 24 cm Geschütz (4 Fort de La Creche, 2 Oldenburg)
und weitere in verschiedene Batterien:
- 7 x 19,4 cm
- 9 x 17 cm
- 14 x 15 cm
- 3 x 14,5 cm
ergänzt durch Flak und kleinere Kaliber bis hinunter zum Maschinengewehr.
Hauptziel dieses Aufwandes war die Beherrschung des Ärmelkanals bei einer Invasion Englands. Sehr früh, unmittelbar nach der Kapitulation Frankreichs, begann man mit den Bauarbeiten. Die 28cm Eisenbahngeschütze waren als erste einsatzbereit.
Auf der anderen Seite des Kanals passierte genau das Gleiche, die Engländer bauten ebenfalls schwere Batterien auf. Der Kanal und die einige Kilometer breiten Küstenstreifen Frankreichs und Englands lagen also im Schußbereich schwerer Artillerie. Der Unterschied war, daß die Engländer ihre Kanonen in offnen Stellungen stationiert hatten, während die Deutschen sie in Bunkern und Kasematten aufstellten. Der Kanal war praktisch nicht zu befahren, ohne von der einen oder anderen Seite beschossen zu werden. Nachdem die Operation Seelöwe abgeblasen war, wurde die Beherrschung des Ärmelkanals die neue Aufgabe der Batterien. Fast jeder Geleitzug wurde angegriffen und Dover wurde schwer beschossen. Es gab viele Artillerie-Duelle zwischen den britischen und den deutschen Batterien, die sich gegenseitig beschossen.
Von den englischen Batterien gibt es nicht mehr viel zu sehen, während ein großer Teil der deutschen Bunker zwar vom Zahn der Zeit angenagt wurde, aber bis jetzt überstanden hat.
Nun aber zur 'Batterie Todt'.
"Batterie Todt" hieß beim Bau im Jahr 1940 nach "Batterie Siegfried" (Marineartillerieabteiung MAA 242). Als posthumer Ehrenbeweis wurde die Batterie nach dem tödlichen Unfall von Fritz Todt (8.2.1942), zuständig für die Kriegswirtschaft und für den Bau des Atlantikwalls, umbenannt. Die Hauptbewaffnung bestand aus vier 38cm S.K. C/34 Geschützen, aufgestellt in vier Türmen. Weitere Bunker und Gebäude formten ein kleines "Dorf". Gesichert wurde die Batterie durch vier Stück 5cm KwK, sechs Stück 75mm M/33 (Flak) und eine größere Zahl MG's. Der Leitstand befand sich 1.200 Meter nordöstlich. Hier war auch ein FuMO 214 "Seeriese" Radargerät postiert.
Solche Granaten wurden mit den 38cm-Geschützen verschossen. Das abgebildete Exemplar wurde aus der Ostsee geborgen und ist im Wrackmuseum Cuxhaven zu sehen.
Die 38cm SK. C/34 waren ursprünglich als Schiffsartillerie entworfen worden, fanden aber auch Verwendung im Atlantikwall. Die "Bismarck" und "Tirpitz" verfügten über Geschütze desselben Typs - mit dem einzigen Unterschied, daß sie auf beiden Schlachtschiffen als Doppeltürme verwendet wurden. Die maximale Schußweite betrug 54.900 Meter mit einer 495kg-Granate, und 42.000 Meter mit einer 800kg- Granate. Es gibt nur noch ein 38cm SK C/34 auf der Welt, aufgestellt in der Batterie Vara bei Kristiansand, Norwegen.
Heute sind von den vier Türmen noch drei in guter Verfassung .
Turm 1 ist seit 1971 als Museum eingerichtet. Es gibt eine ganze Menge Uniformen, Waffen und Munition zu sehen. Neben dem Museum sind verschiedene Geschütze und Fahrzeugen ausgestellt, darunter ein 28cm Leopold Eisenbahngeschütz.
Zu den Ausstellungsstücken gehört auch das unten gezeigte 28cm-Eisenbahn-Geschütz. Es wurde dem Museum 1992 als Leihgabe überlassen, das allerdings den Transport selber übernehmen mußte. Es wurde per Bahn transportiert, allerdings in Einzelteile zerlegt, da man dem Material nicht mehr ganz traute.
Turm 2 liegt in einem Wäldchen und ist nur schwierig zu betreten (weil verschlossen). Wenn man aber im Turm ist, findet man auf der Wand des Flurbodens die einzige erhaltene Schußtafel der Batterie. (Eine Schußtafel aus der Batterie Lindemann wurde bereits 1954 an der Hafenpromenade in Dover aufgebaut.)
Turm 3 ist durch eine Explosion schwer beschädigt worden. Die Geschichte besagt, daß zwei Franzosen kurz nach der Eroberung die Batterie besichtigen wollten. Sie benutzten brennende Korditstäbe zur Beleuchtung, das vertrug sich offenbar nicht mit der dort lagernden Munition und es gab eine gewaltige Explosion. Man kann in den Trümmern herumklettern und das Innere des Turms sehen. Dort findet sich allerdings außer Wasser und Müll nicht sehr viel. Erstaunlich ist aber, daß zwischen diesen Trümmern noch 1979 vierzig 38cm-Hülsen gefunden wurden!
Turm 4 ist frei zu betreten. Hier findet man Wandzeichnungen im Munitionsraum. Leider sah ich bei meinem Besuch im Jahre 2000, daß jemand es für notwendig gehalten hat, die Zeichnungen mit Graffiti zu besprühen. Ein großer Schaden, die Zeichnungen sind schließlich einmalig und haben 55 Jahre lang alle Wirren überstanden - bis ein Vandale kommt und sie für uns und die kommenden Generationen vernichtet.
Das Bild oben zeigt einen Text an einer Wand im Munitionsraum von Turm 4. Er ist Teil eines Gedichtes. Hier der vollständige Text:
Drum gab er Säbel, Schwert und Spieß dem Mann in seine Rechte;
Drum gab er ihm den kühnen Mut, den Zorn der freien Rede,
Daß er bestände bis aufs Blut, bis in den Tod die Fehde.
(Ernst Moritz Arndt)
Weitere Wandmalerei, ebenfalls im Munitionsraum. Der damalige "Künstler" wurde durch die "Deutsche Marine-Frontzeitung in der Bretagne und Normandie" inspiriert, die diese Text-/Bildkombination veröffentlicht hatte.
Das obige Bild, ebenfalls im Munitionsraum aufgenommen, zeigt Winston Churchill mit einem frohen Gesicht "Sieg" rufend, auf der anderen Seite mit ernstem Gesicht "SOS" rufend. Der Text daneben: "Wer frech ist, der muß leiden, nun mußt Du erdulden, was Du hast verschulden."
Wenn man von Turm 4 in Richtung Meer läuft, findet man noch einige kleinere Bunker wie z.B. einen Mamnschaftsraum.
Anfang September 1944, als de Alliierten bereits in Boulogne waren, feuerten die Batterien noch immer. Sie leisteten Unterstützung beim Rückzug deutscher Truppen aus Boulogne. Ständig wurden die Batterien durch alliierte Flugzeuge und die englischen Batterien angegriffen. Die Konstruktion war jedoch so stark, daß selbst Volltreffer keine größeren Schäden verursachten. Die Kommandanten der Batterien hatten die Aufgabe, die Munition zu vernichten, da eine Eroberung nicht mehr lange auf sich warten lassen würde. Deshalb feuerten die Batterien fast täglich und richteten Schäden an den Batterien auf der anderen Kanalseite an, ebenso wurden in drei Wochen 239 englische Hauser vernichtet und 1.936 beschädigt.
Am 29. September 1944 folgte ein Großangriff auf die schweren Batterien "Todt" und "Großer Kürfurst" sowie auf die 15cm-Batterie bei Cran-au Oeufs durch kanadische Truppen mit Infanterie und Panzern. Einige Flammpanzer wurden ausgeschaltet, bevor Batterie "Todt" sich am gleichen Tag ergab. An diesem Tag endete die Geschichte der deutschen Kanalgeschütze, alle Batterien wurden erobert.
In der Zeit zwischen Ostern und dem 30.September ist das Museum täglich von 09:00 bis 18:00 Uhr geöffnet. Die Adresse:
Musée du Mur de l'Atlantique
62179 Audinghen
Cap Gris-Nez
Frankreich
Telefon: 21329733 und 21359011
Quellen:
- 40-45, Toen en nu, Het kanaalgeschut, (after the battle magazine)
- Album memorial Atlantikwall, Editions Heimdal
- Besuche 1998, 2000
- Mit Dank an Egon Otten
An dieser Stelle möchten wir darauf hinweisen, daß die abgebildeten Symbole und Sprüche hier nur zu Zwecken der Geschichtsforschung wiedergegeben werden. Sie sollen auf diesen Seiten auf keinen Fall zur Verharmlosung oder Verherrlichung des Nationalsozialismus dienen und stellen in keiner Weise die Meinung des Betreibers oder Autors dar!
Tags: Atlantikwall, Festung