Der Agentenfunk der deutschen Abwehr in Hamburg

Der Teil der Abwehr, der während des Zweiten Weltkriegs für den Funkverkehr mit den Agenten im Ausland zuständig war, trug den Namen "Geheimer Funkmeldedienst des OKW - Amt Ausland" und befand sich zunächst in Stahnsdorf bei Berlin. Die Abkürzung "OKW" (Oberkommando der Wehrmacht) im Namen der Dienststelle lässt darauf schließen, daß diese übergeordnet sowohl für Heer Luftwaffe als auch Marine zuständig war. Aus Tarnungsgründen trug die Dienststelle nach außen hin den Namen "Heeresneubauamt". Neben dem Funkverkehr mit den Funkmeldestaffeln der Wehrkreise, den sog. Funkmeldeköpfen, wurde hier auch der Funkverkehr mit Agenten im Ausland betrieben.

Funkzentrale Stahnsdorf


Das obige Foto wurde während der Aufstellung eines Antennenmastes aufgenommen. In den Gebäuden auf dem Gelände befand sich die sogenannte Funkzentrale. Zur ihr gehörten sowohl Sender als auch Empfänger, und sie war bis 1936 in Betrieb.  Die gesamte Anlage war alles andere als optimal. Aufgrund der Nähe von Sender und Empfänger zueinander kämpfte man mit Übersprechproblemen, hinzu kamen Platzprobleme  und durch die stadtnahe Lage war die Funkzentrale durch Angriffe alliierter Flugzeuge stark gefährdet.

Funkzentrale Belzig


Das Foto oben zeigt den neuen, 1942 bezogenen  Standort bei Belzig/Mark, westlich von Berlin. Sowohl die alte Stellung als auch diese neue wickelte Funkverkehr im gesamten europäischen Raum ab. Die Empfangseinheit war in den abgebildeten Gebäuden untergebracht, die Sendestation befand sich etwa einen Kilometer abgesetzt an anderer Stelle. Das Bedienpersonal hatte von der Empfangsstation aus trotzdem Kontrolle über den Sender, die Morsetasten der Sender waren bei ihnen im Empfängerbereich montiert.  Sende- und Empfangsstation verfügten über jeweils mehrere Tannenbaum-Dipolgruppen-Richtantennen für verschiedene Bänder, eine Rundstrahl-Reusenantenne und einen großen "Antennenpark".

Kupferhof Wohldorf


Im " Kupferhof" in Hamburg-Wohldorf befand sich die Übersee-Funkzentrale der deutschen Abwehr, kurz "Abwehrstelle X" genannt. Von hier aus wurde Funkverkehr mit Agenten in Nord- und Südamerika, Afrika, dem Mittleren und Fernen Osten abgewickelt. Auch bei der Vorbereitung des deutschen Angriffs auf Russland ("Unternehmen Barbarossa") am 22.Juni 1941 und  den weiteren Russlandfeldzug war die Übersee-Funkzentrale beteiligt. Der Funkverkehr mit etwa vierzig Agenten in Südamerika lief laut Staritz unter dem Namen "Bolivar-Netz" über acht Funkstationen. Der Verkehr mit dem Mittleren Osten lief meist über Teheran, während die Hauptgegenstelle im Fernen Osten die "KO" (Kriegsorganisation) bei oder in Schanghai war. Die Funkoffiziere dieser Station waren meist ehemalige Seeleute deutscher Handelsschiffe, die in den japanisch kontrollierten Häfen der chinesischen Ostprovinzen festsaßen.

Während der Kriegsjahre arbeiteten etwa 120 Menschen in der Dienststelle, darunter drei Offiziere, sechs Wachtmeister, zwei Funkmeister und achtzehn Unteroffiziere. Bis 1939 waren vierzehn Empfangsplätze rund um die Uhrbesetzt, während des Krieges stieg diese Zahl auf 22 bis 25 Plätze: Etwa ein Drittel bediente Europa, während die anderen Pläötze für Übersee-Verbindungen zuständig waren. Aufgrund der großen Antennenkapazität (9 Empfangs- und zehn Sendeantennen) entwickelte sich die Hamburger Abwehrstelle zur Funk-Leitstelle der Abwehr für den Überseeverkehr.

EmpfängerraumEmpfängerraum


Die obigen Bilder zeigen einen Teil des sog. Übersee-Empfängerraums in Wohldorf. Hier waren u.a. auch Empfänger von Typ Körting KST im Einsatz. Hierbei handelte es sich um Kopien des HRO-Empfängers, allerdings mit den in Deutschland üblichen Keramik-Isolatoren und Telefunken "Stahlröhren Serie 11" ausgestattet. Aber auch originale HRO-Teile wie der Abstimmkondensator waren über portugiesische Kanäle beschafft und eingebaut worden. Bei den Empfängern Typ Siemens R IV waren die austauschbaren Spulen - anders als beim KST- oder HRO-Empfänger - oben auf dem Gehäuse angebracht. Auch hier wurde die HRO-Abstimmeinheit verwendet. Laut Zeitzeuge Staritz wurden auch Empfänger der Typen "Hammerlund Super Pro" und  "Hallicrafter Skyrider" eingesetzt. Die Empfangsstelle verfügte über vier Rhombus-, eine Reusen- und fünf Langdraht-Antennen.

SenderraumSenderraum


Die auch in Hamburg abgesetzte Sendestelle befand sich in der etwa zwei Kilometer  entfernten Diestelstraße in Ohlstedt. Auf dem Foto oben sind am Fenster zwei Sender der Firma Lorenz (Lo 150 FK 38) erkennbar, die Abkürzung "FK" stand für "Fern-Kurz". Die Kriegsmarine unterschied zwischen zwei Kurzwellenbereichen, die man nach der zu überbrückenden Entfernung bezeichnete: "Kurz" stand für den Bereich bis etwa 7 MHZ, während "Fern" den Frequenzbereich bis etwa 25 MHz bezeichnete. "Lo" stand für den Hersteller Lorenz (Telefunken hatte hier ein "T"), die "150" bezeichnete die Ausgangleistung und die "38" stand, wie in der Wehrmacht üblich, für das Jahr der Einführung. Im linken Teil desselben Raumes standen die Sender, die man aus dem Funkraum des Kreuzers Scharnhost ausgebaut hatte - die erste Ausstattung dieses Funkraums stammte noch aus dem Jahr 1932. Auch ehemalige Sender des Kreuzers Köln kamen zum Einsatz. Als Antennen standen den Sendern mehrere Rhomben-,  Reusen- und Langdraht-Antennen zur Verfügung.

In den letzten beiden Jahren vor Kriegsausbruch konzentrierte man sich in Hamburg hauptsächlich auf Großbritannien und die USA. Hier konnte die Abwehrstelle X auch ihren größten Erfolg der Vorkriegszeit verbuchen, als es ihr gelang, die Pläne des "Norden-Bombenzielgeräts" zu beschaffen. Auch in den ersten Kriegsjahren war die Abwehr bei der Unterstützung des deutschen "Blitzkriegs" aus Sicht der Wehrmacht auch tatsächlich ein erfolgreiches Instrument.

Zur  Verschlüsselung der Funksprüche  wurden einfache Schablonen-/Kreuzworträtsel- und Buchschlüssel benutzt.  Im Verkehr der Abwehrstellen untereinander, zu den Abwehrkommandos und den großen Funkzentralen kam das Vier-Walzen-Gerät ENIGMA (ohne Steckerbrett) zum Einsatz, gegen Ende des Krieges vereinzelt auch das Sechs-Walzen-Schlüsselgerät SG 41. Trotz aller Bemühungen waren die verwendeten Verfahren doch nicht sicher genug. Die Gegenseite in Großbritannien war schon im Dezember 1940 in der Lage, die handverschlüsselten Aussendungen zu dechiffrieren, ab  Dezember 1941 konnte man auch die mit der ENIGMA chiffrierten Sendungen fast komplett mitlesen.

Agenten-Funkgerät


Nach den Angaben eines Zeitzeugen arbeiteten vor und während des Westfeldzugs im Mai und Juni 1940 Agenten der deutschen Abwehr hinter den französischen Linien. Aufgrund des schnellen Vormarsches der Wehrmacht mußten sie sich nur kurze Zeit versteckt halten. Auf diese Weise verliefen natürlich die meisten ihrer Operationen erfolgreich. Auch während des Russland-Feldzugs traf dies zumindest teilweise zu. Angeblich war die Abwehr recht erfolgreich bei der Rekrutierung von Anwohnern für Spionagetätigkeiten wie etwa das "Don-Netz". Die deutschen Armeen marschierten mit hoher Geschwindigkeit tief nach Russland hinein, so daß sich die deutschen Agenten auch hier nur relativ kurz verbergen mußten. Im Winter 1941, dem bislang kältesten Winter des Jahrhunderts, wurde der deutsche Angriff aufgehalten. Dies änderte natürlich auch die Situation der Agenten und der Abwehr. Bis zum Ende des Krieges arbeitete die deutsche Abwehr weiter, ohne an  die "Erfolge" der ersten Kriegsjahre anknüpfen zu können.

Nach Kriegsende diente der Kupferhof mit den von der Wehrmacht aufgestellten Baracken noch einige Zeit als Hilfskrankenhaus. 1947/1948 ging der Kupferhof in das Eigentum der Stadt Hamburg über, der Bau wurde renoviert und als Bildungszentrum für verschiedene Organisationen und die Verwaltung eingerichtet. Noch heute dient es Bildungszwecken und trägt den Namen "Verwaltungsseminar Kupferhof e.V.".

Quellen:
- Trenkle: Funkzentralen und Funkmeldeköpfe der Abwehr
- Spionageabwehr und "Geheimer Meldedienst", Uwe Brammer
- Wohldorf und Ohlstedt, Alf Schreyer
- Some aspects of the German military "Abwehr" wireless service during the course of World War Two, Arthur O. Bauer, Stichting Centrum voor Duitse Verbindingen en aanverwante Technologieën

Tags: Funkmess, ELOKA, Hamburg