Hilfskrankenhäuser im Kalten Krieg
Die Bombenangriffe des Zweiten Weltkriegs verursachten einen wahren Ansturm auf die Krankenhäuser, welche die Zahl der Verletzten schon sehr bald nicht mehr bewältigen konnten. Zur Linderung des Problems wurden außerhalb der hauptsächlich von Angriffe betroffenen Städte Ausweich- und Hilfskrankenhäuser für die Zivilbevölkerung eingerichtet. Mit diesem Programm wurde bereits mehrere Jahre vor Kriegsausbruch parallel zur Wiederaufrüstung Deutschlands begonnen. Die Idee bestand darin, in den noch unbeschädigten Krankenhäusern nur die dringenden und nicht transportfähigen Fälle zu behandeln, alle anderen Patienten sollten in außerhalb gelegene Einrichtungen gebracht und dort versorgt werden.
Gemäß §47 Absatz 7 der Dritten Durchführungsverordnung zum Gesetz über die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens vom 30. 3. 1935 hatten die Gesundheitsämter "für den Fall von Massenunglücksfällen, Krieg oder ausgedehnter Seuchengefahr geeignete Gebäude als Behelfskrankenhäuser in Aussicht zu nehmen und für die notwendigen Einrichtungen einen jederzeit ausführbaren Plan aufzustellen". Als geeignete Objekte waren Bauten mit ausreichender Kapazität vorgesehen, darunter vor allem Schulen, Gemeinde- und Vereinshäuser, Ferienheime, Hotels, Pensionen und ähnliche Einrichtungen. Zur Versorgung der Hilfskrankenhäuser mit Medikamenten und anderem Material waren dezentral eingerichtete Sanitätsmittel-Lager vorgesehen.
Hitler selbst ordnete 1941 "auf Grund entstandener Notwendigkeiten" an, daß im Bereich besonders von Luftangriffen betroffener Städte Zusatzkrankenhäuser als Ersatz für zerstörte Anstalten gebaut werden sollten. Zuständig für die Bauplanung und -ausführung war die Organisation Todt, welche die Bauten unter höchster Dringlichkeitsstufe mit Mitteln des Reichs von deutschen Firmen errichten ließ, meist in der Form einfacher Baracken. Schon wenige Monate später veranlasste der Generalkommissar für das Sanitäts- und Gesundheitswesens Dr. Brandt die Bestimmung und Errichtung weiterer Ausweichkrankenhäuser durch Albert Speers Rüstungsbau-Dienststellen. Allein in den Bezirken Hamburg und Hannover entstanden so im Rahmen dieses "Reichsprogramms" zwölf Ausweichkrankenhäuser.
Hilfskrankenhäuser im Kalten Krieg
Nach Kriegsende verbesserte sich die Situation im Gesundheitswesen kaum. Durch die häufig schlechte Ernährungssituation besonders in den größeren Städten wurde die Bevölkerung anfällig für Krankheiten, Seuchen und Epidemien. Die Ausweich- und Hilfskrankenhäusern wurden weiterhin dringend benötigt und weiter betrieben, teilweise wurden sogar neue Hilfskliniken eingerichtet. Betrieb und Bau der Krankenhäuser oblag meist den Städten/Gemeinden, den Landkreisen oder privaten Trägern. In der Nachkriegszeit begannen die Lungenkrankheit Tuberkulose und andere Epidemien, sich auszubreiten und viele der Ausweichkrankenhäuser wurden aufgrund ihrer meist ländlichen Lage zu Lungenkliniken mit teilweise offenen Liegehallen umfunktioniert. Viele dieser Einrichtungen wurden noch bis in die sechziger Jahre hinein als Wald- oder Landkliniken betrieben.
Bereits 1957 wurde mit dem "Ersten Gesetz über Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung" wieder die Grundlage für die Errichtung bzw. Wiederinstandsetzung von baulichen Luftschutzmaßnahmen geschaffen. In § 30 des Gesetzes war zusätzlich auch schon die Arzneimittelbevorratung geregelt: "Die Länder haben dafür Sorge zu tragen, daß ausreichende Arzneimittelvorräte für Luftschutzzwecke angelegt und unterhalten werden. Der Bundesminister des Innern erlässt mit Zustimmung des Bundesrates allgemeine Verwaltungsvorschriften über Umfang und Durchführung der Arzneimittelbevorratung.".
Hilfskrankenhäuser werden manchmal fälschlicherweise auch als "Krankenhaus-Bunker" bezeichnet. Wie öffentliche Schutzräume und Hausschutzräume wurden auch Krankenhaus-Schutzräume und -Großschutzräume durch den Bund finanziell gefördert. Diese Bauten sollten primär Patienten und Personal des jeweiligen Krankenhauses Schutz bieten. Die Verwaltung, Wartung und Nutzung solcher Schutzräume oblag dem Betreiber des jeweiligen Krankenhauses. Obwohl diese Schutzbauwerke im weitesten Sinne zum Gesundheitssystem gehörten, handelt es sich doch um etwas anderes als bei den hier beschriebenen Hilfskrankenhäusern.
In den "Richtlinien für die Vorbereitung von Ausweich- und Hilfskrankenhäusern" von 1961 wurde die Planung in wenigen Sätzen zusammengefasst: "In einem Notstandsfall ist mit Evakuierungen und Umquartierungen von Teilen der Bevölkerung zu rechnen. Auch Krankenhäuser müssen aus den aufzulockernden Gemeinden in vorbereitete Baulichkeiten (Ausweichkrankenhäuser) verlegt werden. Zudem ist mit einem zusätzlichen Anfall von Verletzten und einem teilweise Ausfall von Krankenhäusern zu rechnen. Für diesen Mehrbedarf von Plätzen werden Hilfskrankenhäuser errichtet. Ausweich- und Hilfskrankenhäuser sollen mindestens 200 Betten Kapazität aufweisen. Viele Hilfskrankenhäuser werden in solchen Gebieten benötigt werden, die schon dicht besiedelt sind bzw. wo mit einem Zustrom von Evakuierten, Umquartierten und Flüchtlingen zu rechnen ist. Der Bau bzw. die Schaffung solcher Krankenhäuser erfolgt in Abstimmung mit den Landesplanungsbehörden und dem zuständigen Wehrbereich."
Im Rahmen der so genannten Notstandsgesetze entstand im November 1962 auch der "Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Aufenthalts der Zivilbevölkerung im Verteidigungsfall (Aufenthaltsregelungsgesetz)", der in zwei Paragraphen auf Ausweich- und Hilfskrankenhäuser einging:
§ 17 - Ausweichkrankenhäuser
(1) Die nach § 5 Abs. 2 zuständigen Behörden [Anm.: Diese sollten von den Landesregierungen bestimmt werden.] können anordnen, daß bei einer Verlegung auch Krankenanstalten verlegt werden. Gleiches gilt für Alters-, Jugend- und Kinderheime sowie für ähnliche Einrichtungen, in denen pflegebedürftige Personen untergebracht sind.
(2) Zur Unterbringung der in Absatz 1 Satz 1 genannten Anstalten in Ausweichkrankenhäusern und der in Absatz 1 Satz 2 genannten Anstalten haben die Länder geeignete Gebäude zu erfassen und herzurichten.
(3) Die zuständige Behörde kann den Träger oder den Inhaber der zu verlegenden Anstalt verpflichten, schon im Frieden vorbereitende Maßnahmen für die Verlegung durchzuführen.
§ 18 - Hilfskrankenhäuser
(1) Im Rahmen der zivilen Notstandsplanung haben die Länder Vorsorge zu treffen, daß die erforderliche Zahl von Hilfskrankenhäusern zur Verfügung steht. Sie haben ferner sicherzustellen, daß die Belegungsfähigkeit bestehender Krankenanstalten erweitert werden kann. Insbesondere haben sie geeignete Gebäude zu erfassen und herzurichten sowie ausreichende Vorräte an ärztlichen Geräten und an Einrichtungsgegenständen anzulegen und zu unterhalten.
(2) Träger der Hilfskrankenhäuser sind die Landkreise und kreisfreien Städte.
Der Umfang der baulichen und sonstigen Maßnahmen sollte gemäß §24 in Allgemeinen Verwaltungsvorschriften und Weisungen festgelegt und die entstehenden Zweckausgaben gemäß §25 vom Bund getragen werden.
Obwohl dieser Entwurf - wie einige andere Notstands- bzw. Vorsorgegesetze auch - bis zum Ende der Legislaturperiode im Jahr 1965 nicht vom Bundestag gebilligt wurde, zeigt der zitierte Auszug die Verantwortlichkeiten und Trägerschaften für Hilfskrankenhäuser doch so, wie sie schon 1959 im Vorgriff auf die angestrebte Gesetzesregelung geplant und später in der Praxis auch realisiert wurden.
Die erste konkrete gesetzliche Grundlage für Hilfskrankenhäuser erschien mit der Neuordnung des Gesetzes über den Zivilschutz (ZSG) vom 9. August 1976. Hierin hieß es:
§14 - Sanitätsmaterialbevorratung
Für Zivilschutzzwecke sind ausreichende Sanitätsmaterialvorräte anzulegen. Beschaffung und Umtausch werden durch das Bundesamt für Zivilschutz vorgenommen. Die Länder treffen Vorsorge dafür, daß das Sanitätsmaterial sach- und fachgerecht untergebracht und gelagert wird.
§15 - Hilfskrankenhäuser
(1) Für Zivilschutzzwecke sind Hilfskrankenhäuser bereitzustellen, insbesondere die entsprechenden Gebäude zu erfassen und herzurichten. Die Beschaffung der hierfür erforderlichen Einrichtungsgegenstände und Geräte wird durch das Bundesamt für Zivilschutz vorgenommen. Die Länder treffen Vorsorge dafür, daß diese Gegenstände sach- und fachgerecht untergebracht und gelagert werden.
(2) Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung die für den Betrieb der Hilfskrankenhäuser zuständigen Stellen zu bestimmen. Die Landesregierungen können diese Ermächtigung auf oberste Landesbehörden übertragen.
Schon in den "Grundsätzen für das Sofortprogramm zur baulichen Vorbereitung von Ausweich- und Hilfskrankenhäusern" vom Mai 1965 wurde als Endziel der baulichen Vorbereitungen angestrebt, alle Objekte gemäß dem Schutzbaugesetz von 1965 trümmersicher und strahlengeschützt auszurüsten, also jeweils das komplette Hilfskrankenhaus in einem Schutzraum unterzubringen (sog. "Vollausbau"). Neben der Bereitstellung einer ausreichenden Anzahl von Schutzplätzen für Patienten und Personal sollte auch der Krankenhausbetrieb in den medizinischen und sonstigen Funktionsbereichen mit möglichst geringen Einschränkungen immer gewährleistet werden.
Da dieses Ziel in absehbarer Zeit und mit vertretbaren Mitteln kaum zu erreichen war, sollten bauliche Maßnahmen zunächst auf solche beschränkt bleiben, die für die Benutzung als Hilfskrankenhaus unerlässlich sind. Gemeint war hier eine Vorbereitung der vorhandenen oberirdischen Räume der jeweiligen Objekte für eine mögliche Verwendung als Krankenhaus (sog. "einfaches Sofortprogramm"). Für diesen Ausbau gewährte der Bund Zuschüsse von bis zum DM 10.000,- pro Objekt.
In Neubau- und größeren Umbau- und Erweiterungsvorhaben war zusätzlich zu den Maßnahmen des einfachen Sofortprogramms die strahlengeschützte und trümmersichere Vorbereitung des Kellers für Funktions- und Behandlungsräume vorgesehen (sog. "erweitertes Sofortprogramm"). Im erweiterten Sofortprogramm fielen die Zuschüsse des Bundes bereits wesentlich großzügiger aus:
unter 300 Betten | DM 400.000,- |
300-399 Betten | DM 475.000,- |
400-499 Betten | DM 550.000,- |
500-599 Betten | DM 625.000,- |
600 Betten und mehr | DM 700.000,- |
In besonders begründeten Fällen konnten diese Beträge nach Genehmigung des Bundesamtes für Zivilschutz um bis zu fünfunddreißig Prozent überschritten werden. Die Investitionen in die oberirdischen Bauten des einfachen und erweiterten Sofortprogramms sah man nicht als überflüssig an, da die HKH von Anfang an nicht nur für den Krieg mit möglicherweise nuklearen Waffen, sondern auch für andere Katastrophenfälle gedacht waren. Die für nicht bundeseigene Anlagen zur Verfügung stehenden Bundesmittel sollten nach einem bestimmten Schlüssel auf die Bundesländer verteilt werden:
Baden-Würtemberg | 16,0 % |
Bayern | 18,5 % |
Bremen | 1,2 % |
Hamburg | 3,4 % |
Hessen | 7,0 % |
Niedersachsen | 12,6 % |
Nordrhein-Westfalen | 25,9 % |
Rheinland-Pfalz | 7,4 % |
Saarland | 2,2 % |
Schleswig-Holstein | 5,8 % |
Bei dieser Verteilung sollte der Mindestjahresbetrag pro Bundesland DM 500.000,- nicht unterschreiten. Die jeweiligen Anteile der Länder sollten sich über die Jahre anhand der Erfordernisse dynamisch ändern. Die Geldmittel selbst wurden den Bundesländern zur haushaltsmäßigen Bewirtschaftung zur Verfügung gestellt. Anders als für die bauliche Vorbereitung und Verwaltung der Hilfskrankenhäuser wäre der Krankenhausbetrieb im Bedarfsfall nicht Sache des Bundes oder der Länder gewesen, sondern in die Zuständigkeit der Landkreise und kreisfreien Gemeinden (unter der Fachaufsicht der staatlichen Gesundheitsbehörden) gefallen.
Der jährliche Gesamtetat für Bau und Unterhalt von Hilfskrankenhäusern aus Mitteln des Bundes lag zwischen 1965 und 1976 bei rund zehn Millionen DM und nahm ab Ende der siebziger Jahre langsam ab. Die Kosten für die Beschaffung und Lagerung von Einrichtungs- und Ausrüstungsgegenständen, Arznei- und Verbandmitteln sowie medizinischem Gerät beliefen sich im selben Zeitraum durchschnittlich auf etwa 7,5 Mio. DM pro Jahr.
Den Bedarf an Krankenhausbetten in Ausweich- und Hilfskrankenhäusern schätzte man im Jahr 1965 im Vergleich zum obigen Verteilungsschlüssel wie in der folgenden Tabelle dargestellt ein:
Bedarf an Bettenplätzen Planungsstand 1965 in | |||
---|---|---|---|
Ausweichkrankenhäusern | Hilfskrankenhäusern | Zusammen | |
Schleswig-Holstein | 2.900 | 84.200 | 87.100 |
Hamburg | 20.100 | 30.800 | 50.900 |
Niedersachsen | 12.500 | 176.500 | 189.000 |
Bremen | 6.400 | 12.000 | 18.400 |
Nordrhein-Westfalen | 69.000 | 319.500 | 388.500 |
Hessen | 13.600 | 90.900 | 104.500 |
Rheinland-Pfalz | 8.500 | 103.000 | 111.500 |
Baden-Würtemberg | 13.700 | 226.000 | 239.700 |
Bayern | 16.300 | 260.700 | 277.000 |
Saarland | 0 | 33.400 | 33.400 |
bundesweit (o. Berlin) | 163.000 | 1.337.000 | 1.500.000 |
West-Berlin nahm mit seinem politischen Sonderstatus auch im Bezug auf die Hilfskrankenhäuser eine gesonderte Stellung ein. Der Senator für Gesundheit und Umwelt der Stadt Berlin erließ am 2. September 1977 eine entsprechende Richtlinie: "Hilfskrankenhäuser sind für eine Nutzung als Krankenhäuser baulich vorbereitete Schulen, die im Bedarfsfall geräumt, eingerichtet und mit Kranken belegt werden. Sie sind organisatorisch in den örtlich zuständigen Krankenhausbetrieb (Stammkrankenhaus) angeschlossen." 1987 existierten in West-Berlin drei einfache Hilfskrankenhäuser und eine 400-Betten-Anlage im Vollausbau (Krankenhausbunker Heckeshorn) - diese Zahl stellt auch den letzten Stand per 1997 dar.
Bereits seit Anfang der sechziger Jahre erfassten die Bundesländer eine große Zahl geeigneter Objekte für die Nutzung als HKH. Meist handelte es sich dabei um Schulen, Jugendheime und -herbergen, Erholungsheime und ähnliche Einrichtungen (Die jeweiligen Eigentümer verpflichten sich vertraglich, die Gebäude im Bedarfsfall zur Verfügung zu stellen). Die Auswahl geeigneter Objekte oblag den zuständigen Landesbehörden, die auch Umfang und Reihenfolge der Baumaßnahmen festlegten. Für den Großteil der erfassten Objekte war aufgrund der aus Sicht des Zivilschutzes immer recht knappen Haushaltsmittel zunächst keine weitere oder nur eine geringe bauliche Vorbereitung gemäß des einfachen Sofortprogramms vorgesehen. Bis Juni 1970 waren so alleine im Niedersächsischen Regierungsbezirk Lüneburg 61 Objekte erkundet und durch den Niedersächsischen Sozialminister als Hilfskrankenhaus festgelegt worden - darunter zum damaligen Zeitpunkt nur ein einziges im Vollausbau (Realschule Oedeme bei Lüneburg). Bundesweit wurden bis 1972 insgesamt 2.152 Objekte mit zusammen 636.000 Bettenplätzen erfasst, nur die wenigsten davon waren für eine bauliche Vorbereitung vorhersehen.
Die folgende Tabelle, die aus Publikationen des Bundestags und des damaligen Bundesamtes für Zivilschutz zusammengestellt wurde, zeigt die Entwicklung der baulichen Vorbereitungen über die Jahre - leider liegen nicht für jedes Jahr alle Zahlen vor.
einf. Sofortprogramm | erw. Sofortprogramm | Vollausbau | Gesamt | |||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Jahr | Objekte | Betten | Objekte | Betten | Objekte | Betten | Objekte | Betten |
1972 | 122 (4) | 36.689 (4.295) | 41 (27) | 19.755 (13.398) | 5 (7) | 1.950 (3.145) | 168 (38) | 58.394 (20.838) |
1976 | 175 (37) | 64.900 (18.200) | ||||||
1980 | 129 (2) | 56 (11) | 12 (7) | 197 (20) | 75.800 (9.380) | |||
1987 | 129 | 68 | 17 (4) | 214 | ||||
1997 | 127 | 35.645 | 71 | 32.716 | 23 | 11.034 | 221 | 79.395 |
In Klammern: Zum jeweiligen Zeitpunkt im Bau befindlich. |
Bei HKH des Einfachen Sofortprogramms, die meist in größeren, zum Teil bereits eingerichteten Objekten untergebracht wurden, hielt man Kapazitäten bis zu 1.000 Betten für machbar und sinnvoll. Im Erweiterten Sofortprogramm stellten sich nach einiger Zeit Hilfskrankenhäuser mit Kapazitäten von 400 bis 500 Betten als zweckmäßig und wirtschaftlich sinnvoll heraus, da die Funktionsräume von HKH dieser Größenordnung in den meisten Fällen auf der Kellerfläche der entsprechenden Objekte realisierbar war.
In der generellen Planung für Hilfskrankenhäuser in der Bundesrepublik Deutschland ging man von einem Netto-Raumbedarf (ohne Flure und Treppen) von etwa 1.400m² für ein Hilfskrankenhaus mit 200 Betten aus. Hierbei war es vorgesehen, mindestens fünfzig Prozent der Krankenbetten und sämtliche Personalbetten zweistöckig, letztere teilweise auch dreistöckig, aufzustellen. Für den geschützten Teil eines HKH im erweiterten Sofortprogramm mit 400 Betten rechnete man mit einem Bedarf von 820m², von denen 380m² auf Behandlungs- und 100m² auf Frischoperiertenräume entfielen. Bei einem Hilfskrankenhaus im Vollausbau erhöhte sich dieser Raumbedarf durch die Einbeziehung der Kranken- und Personalräume und der im Erweiterten Sofortprogramm außerhalb des geschützten Teils liegenden Räume des Wirtschaftsteiles auf rund 2.000 m².
Die Finanzierung der Hilfskrankenhäuser und Sanitätslager erfolgte, wie bereits weiter oben erwähnt, durch Mittel des Bundes. Von 1962 bis 1970 wurden insgesamt rund 95,6 Millionen DM für die bauliche Vorbereitung aufgewendet. 1981 lag der entsprechende Etat bei 8,9 Millionen DM, von 1982 bis 1985 bei jeweils rund zehn Millionen DM, 1987 bei 6,5 Millionen DM.
Am 31.12.1979 standen in der Bundesrepublik Deutschland rund 479.000 Betten in "normalen" Akut-Krankenhäusern zur Verfügung, die durchschnittlich zu 84 Prozent belegt waren. Die Planung für den Spannungsfall sah vor, daß ein Teil der Patienten entlassen worden wäre, um freie Kapazitäten zu schaffen. Man ging davon aus, daß dadurch im Verteidigungsfall die Hälfte der Bettenplätze der Krankenhäuser zur Aufnahme und Behandlung von Verletzen zur Verfügung stünden. Darüber hinaus sollte die Anzahl an Betten durch zusätzliche Bettenplätze und die Inanspruchnahme von Kurheimen und Sonderkrankenhäusern weiter erhöht werden. Die Bettenplätze der Hilfskrankenhäuser wären im Verteidigungsfall noch hinzugekommen.
Die Bundeswehr verfügte zum selben Zeitpunkt über zwölf Krankenhäuser mit einer Kapazität von zusammen 3.025 Betten, die für den V-Fall auf 7.025 erhöht werden sollte, und 133 Reservelazarett-Einrichtungen mit einer Kapazität von jeweils eintausend Betten - insgesamt also rund 140.000 Bettenplätze. Diese Zahlen beziehen sich, im Gegensatz zu denen der rein zivilen Krankenhäuser und Hilfskrankenhäuser, auf militärische Einrichtungen und sollen nur dem zahlenmäßigen Vergleich dienen.
Bauliche Vorbereitung
Im "Einfachen Sofortprogramm" sollte in möglichst kurzer Zeit und mit relativ geringem finanziellem Aufwand eine möglichst große Zahl von Hilfskrankenhäusern eingerichtet werden. Bei der Auswahl der Objekte wurde besonders auf die Eignung der vorhandenen Einrichtung und Infrastruktur geachtet. Die Krankenstationen und Behandlungsräume sollten in den meist schon vorhandenen, oberirdischen Gebäudeteilen untergebracht werden. Soweit es die baulichen Gegebenheiten erlaubten, versuchte man, die Behandlungsräume im Keller oder Erdgeschoss unterzubringen. Die baulichen Vorbereitungen erstreckten sich im wesentlichen auf die Installationen und zusätzlichen Funktionseinbauten, ein bestimmter Schutzgrad war nicht vorgesehen. Wirtschafträume wie Küche oder Sanitäranlagen waren in vielen Objekten bereits vorhanden und sollten auch für die Funktion als Hilfskrankenhaus eingesetzt werden. Das benötigte Personal sollte in den oberen Stockwerken oder umliegenden Gebäuden untergebracht werden.
In den Hilfskrankenhäusern des "Erweiterten Sofortprogramms" waren die Behandlungs-, Operations-, Labor und Röntgenräume, die Bettenstation für Frischoperierte, die Be- und Entlüftung, die Entgiftung und der Notwirtschafsteil (Küche etc.) in einem unterirdischen, geschützten Bereich untergebracht, während die Personalräume und Bettenstationen sich im ungeschützten, oberirdischen Bereich befanden. Um auch bei Ausfall der öffentlichen Versorgung weiterarbeiten zu können, waren eine Netzersatzanlage mit zwei getrennten Stromkreisen, eine Lüftungsanlage mit ABC-Filtern und ein eigener Brunnen zur Wasserversorgung vorgesehen. Da eine Nachrüstung eines vorhanden Bauwerks nur mit großem technischen und finanziellem Aufwand möglich gewesen wäre, wurden die notwendigen Baumaßnahmen im Zuge von Neubau- oder Erweiterungsmaßnahmen der als HKH vorgesehenen Objekte durchgeführt. Häufig wurde aufgrund knapper Finanzmittel in einem ersten Bauabschnitt zunächst lediglich der Rohbau erstellt und der Ausbau zum Hilfskrankenhaus zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt.
In den Hilfskrankenhäusern im "Vollausbau" waren sämtliche Räume des HKH, also auch alle Personal- und Bettenräume, im geschützten, unterirdischen Bereich untergebracht. Häufig waren aber auch bei diesen Objekten zusätzlich zum geschützten Bereich auch oberirdische Räume zusätzlich in die Planung zur Nutzung als Hilfskrankenhaus einbezogen. Auch ein Vollausbau erfolgte aus finanziellen Gründen meist in mehreren Bauabschnitten.
Für die geschützten Bauwerksbereiche war eine Ausführung nach den Forderungen des so genannten "Grundschutzes" vorgesehen. Solche Schutzräume mussten "gegen herabfallende Trümmer, gegen radioaktive Niederschläge, gegen Brandeinwirkung sowie gegen biologische und chemische Kampfmittel Schutz gewähren und für einen längeren Aufenthalt geeignet sein". Im Inneren des Bauwerks durfte nur ein Hundertstel der außen vorhandenen Strahlung ankommen, für die Definition der Trümmersicherheit wurden spezielle Formeln herangezogen. Je nach genauer Materialzusammensetzung und anderen Einflüssen waren zur Erfüllung dieser Forderungen nur relativ schwache Wand- und Deckenstärken, meist deutlich unterhalb 1m, notwendig. Zur Gewährleistung eines autarken Betriebs war eine Lüftungsanlage mit Sandvor- und Partikelfiltern, ein eigener Brunnen und eine Stromversorgung durch Dieselaggregate und Pufferbatterien vorgesehen.
Ein Beispiel für ein Hilfskrankenhaus im Vollausbau ist das ehemalige HKH unter dem Schulzentrum in Walsrode (Niedersachsen). Die einstöckige Anlage mit einer Fläche von rund 5.000m² wurde im Jahr 1977 in Betrieb genommen. Der Bau erfolgte bereits in den Jahren 1972 bis 1976, zusammen mit dem des Schulzentrums. Die Deckenstärke beträgt etwa 70cm, darüber befindet sich ein Hohlraum, gefolgt vom Fußboden der Schule. Die Baukosten beliefen sich damals auf rund 7,3 Millionen DM, dazu kam noch rund eine weitere Million für die Ausstattung. Dieses Hilfskrankenhaus war für 616 Patienten ausgelegt (594 Betten auf 12 Stationen, 22 Betten auf einer Frischoperierten-Station), für das Personal standen 186 Betten zur Verfügung. Ähnlich aufgebaut, aber deutlich größer ist das Hilfskrankenhaus unter dem Johann-Rist-Gymnasium in Wedel (Schleswig-Holstein). Errichtet wurde es in mehreren Bauabschnitten zwischen 1964 und 1976 (Gesamtkosten: rund 5,6 Mio. DM) und verfügte zuletzt über eine Kapazität von 1.694 Krankenbetten, davon 710 Betten (inkl. 34 Betten für Frischoperierte) im geschützten Teil und 984 im oberirdischen, ungeschützten Bereich sowie über 210 Personalbetten. Die folgenden Aufnahmen entstanden in den genannten Anlagen sowie in Syke und Lüneburg.
Interaktive Panoramen aus dem HKH Wedel
Nur wenige Hilfskrankenhäuser im Vollausbau wurden in wiederhergestellten Luftschutzbauten des Zweiten Weltkriegs errichtet. Da Hilfskrankenhaus am Heckeshorn im Berliner Stadtteil Wannsee - Berlins einziges Hilfskrankenhaus im Vollausbau - ist ein Beispiel für diese Variante. Mit den Umbauten wurde 1980 begonnen, endgültig fertig gestellt wurde es erst 1994. Die Gesamtkosten für den Umbau wurden auf rund acht Millionen DM veranschlagt, verteilt auf mehrere Bauabschnitte. Es verfügte über 460 Bettenplätze, davon vierzehn Spezialbetten und vierzig Kinderbetten. Inklusive Personal konnten insgesamt 620 Personen bis zu 47 Tage völlig autark überleben. Die Anlage war mit einer Kältemaschine mit zwei Kompressoren, einem Tiefbrunnen und zwei Dieselgeneratoren mit vier im Gelände verteilten Kraftstofftanks von je 6.000 Liter Fassungsvermögen ausgestattet. Neben vier OP-Sälen gab es - wie in anderen HKH - eine Röntgenabteilung, Labor, Sterilisatoren sowie einen Aufzug. ÄhnlicheAnlagen in wiederhergestellten Hochbunkern gab es in Sande und Münster.
Sanitätslager
Die Bevorratung von Sanitätsmitteln gemäß Paragraph 14 ZSG sollte die ärztliche Versorgung der Bevölkerung in Krankenhäusern, vor allem in Hilfskrankenhäuser, sicherstellen. Für die Beschaffung und regelmäßige Umwälzung war der Bund zuständig, er trug auch die Kosten der Bevorratung einschließlich der Einrichtung, Anmietung, Unterhaltung und Bewirtschaftung der Lager. Die eingelagerten Gegenstände umfassten Medikamente, Verbandstoffe und ärztliches Gerät, Einrichtungs- und Ausrüstungsgegenstände für die vorbereiteten Hilfskrankenhäuser und sollte auch in Friedenszeiten bei größeren Katastrophen und anderen Notständen zur Verfügung stehen. Für humanitäre Hilfsaktionen im Ausland wurden beispielsweise bis Ende 1971 Arzneimittel im Wert von 12 Millionen DM und Verbandstoffe und ärztliches Gerät im Wert von 2,8 Millionen DM aus Beständen der Sanitätsmittelbevorratung zur Verfügung gestellt.
Die Verteilung des Materials auf die Bundesländer erfolgte für die Ausstattung der HKH natürlich nach den vorhandenen Objekten, für Arzneimittel und Verbandsstoffe etc. nach einem von der Bevölkerungsdichte abhängigen Schlüssel.
Das Material lagerte bei den Hilfskrankenhäusern im Vollausbau und denen des erweiterten Sofortprogramms meistens jeweils direkt im Objekt, für die Hilfskrankernhäuser des einfachen Sofortprogramms und diejenigen ohne bauliche Vorbereitung in nahe gelegenen, räumlich abgesetzten Sanitätslagern. Bei etwa einem Drittel der Gesamtlagerfläche war der Bund Eigentümer, der Rest war angemietet bzw. gepachtet
Bei den Sanitätslagern handelte es sich meist um relativ einfache, eingeschossige, oberirdische Lagerhallen in verkehrsgünstiger Lage. Die Grundstücke sollten mindestens die zwei- bis dreifache Größe der jeweiligen Halle haben, um eine problemlose Befahrbarkeit mit LKW zu gewährleisten und die Möglichkeit für die Landung eines Hubschraubers zu bieten. Jede Halle sollte mindestens zwei größere Tore haben, eine direkte Befahrung durch LKW war allerdings nicht vorgesehen. Um die Vorschriften für die Arzneimittelbevorratung (verschließbar, trocken, frostfrei) zu erfüllen, waren meist bauliche Maßnahmen zur ausreichenden Isolierung und Belüftung notwendig. Im Jahr 1972 gab es in der Bundesrepublik Deutschland 144 ZS-Sanitätslager (incl. denen in HKH) mit einer Gesamtfläche von rund 141.000m², 1980 war die Zahl auf 192 Lager (incl. denen in HKH) gestiegen, in denen Sanitätsmittel für etwa 240.000 bis 260.000 Geschädigte lagerten - darunter 2.000 OP-Einrichtungen und rund einhundert verschiedene Medikamente..1997 existierten insgesamt 67 abgesetzte, also nicht in einem Hilfskrankenhaus untergebrachte Sanitätslager.
Bis 1980 wurden Sanitätsmittel im Wert von rund 250 Millionen DM beschafft, davon 142 Millionen DM für Arzneimittel, 70 Millionen DM für Verbandmittel und 38 Millionen DM für ärztliches Gerät. Als Kostenrahmen für die materielle Ausstattung eines Hilfskrankenhauses mit 200 Betten wurden 1976 300.000,- DM veranschlagt.
Interessantes Detail am Rande: Bis 1986 gehörte gemäß den "Richtlinien für die Lagerung und Wartung von Sanitätslagern für den Zivilschutz" auch die (eigentlich militärische) Bundeswehr-Dienstvorschrift ZDv 49/50 - "Die dringliche Kriegschirurgie" zur Ausstattung der Hilfskrankenhäuser. In der Vorschrift wird die nach militärischen Erfordernissen unterschiedliche Behandlung und Versorgung von Kriegsverletzten bei massenhaftem Auftreten solcher Fälle (sog. "Triage") behandelt. Einzug in die Sanitätslager des Zivilschutz hatte diese ZDv wohl in Ermangelung eines für diesen Zweck geeigneteren Werks gehalten. Sie wurde bei der Bundeswehr bereits am 16. Februar 1983 außer Kraft gesetzt, aus den für die zivilen Hilfskrankenhäuser bestimmten Beständen wurde sie, wahrscheinlich durch schlichtes Übersehen, erst viel später entfernt.
Personal
Für den Ernstfall, also eine Inbetriebnahme der Hilfskrankenhäuser, wäre selbstverständlich neben den baulichen und materiellen Vorbereitungen auch entsprechend ausgebildetes Personal notwendig gewesen. Für ein Hilfskrankenhaus mit 200 Betten rechnete man mit 4-5 Ärzten, 1-2 Hilfsärzten, 8 Krankenschwestern, 24 Schwesternhelferinnen, einer medizinisch-technischen Assistentin, einer Röntgenassistentin, zwei Krankenpflegern und zwei Krankenträgern. Bereits 1963 schätzte man allein den Bedarf an ausgebildeten Schwesternhelferinnen in der damaligen Bundesrepublik auf 160.000.
Hierzu wurde jedes Hilfskrankenhaus organisatorisch und personell einem Stammkrankenhaus angegliedert, das im Bedarfsfall das nötige qualifizierte Personal von Ärzten und Hilfskräften zu stellen gehabt hätte. Der im Ernstfall entstehende, zusätzliche Bedarf sollte soweit möglich auf freiwilliger Basis gedeckt werden. Die Landkreise und kreisfreien Gemeinden waren als Träger verpflichtet, zusammen mit den Gesundheitsbehörden und Stammkliniken entsprechende Notfallpläne aufzustellen.
Der große Bedarf an Pflegepersonal sollte hauptsächlich durch freiwillige Schwesternhelferinnen gedeckt werden. Das Deutsche Rote Kreuz, die Johanniter-Unfallhilfe und der Malteser-Hilfsdienst führten im Auftrag und auf Kosten des Bundes entsprechende Aus- und Fortbildungsmaßnahmen durch. In vierzehn Tagen Theorie und vierzehn Tagen Krankenhaus-Praktikum ließen sich bis Ende 1985 rund 285.000 Frauen freiwillig zur Schwesternhelferin ausbilden. 1986 wurden allein 19.000 Schwesternhelferinnen ausgebildet, etwa 30.000 nahmen an Fortbildungslehrgängen teil. Die Kosten hierfür betrugen im selben Jahr rund 6,1 Millionen DM. Nicht alle dieser Schwesternhelferinnen hätten im Krisenfall dem Zivilschutz zur Verfügung gestanden, ein Teil wäre auch im militärischen Bereich in Lazaretten eingesetzt worden.
Übungen
Die Hilfskrankenhäuser nahmen nicht an den übergeordneten Übungen im Stabsrahmen (WINTEX, CIMEX, FALLEX etc.) teil, zur Erprobung der materiellen und personellen Aspekte wurden aber vor allem in den siebziger und frühen achtziger Jahren von den Ländern spezielle Hilfskrankenhaus-Übungen vorbereitet und durchgeführt. An diesen Übungen nahmen neben Teilen des für das jeweilige Hilfskrankenhaus vorgesehenen Personals fast immer auch Kräfte der Hilfsorganisationen teil. Ziel solcher Übungen war neben der reinen Funktionsprüfung auch die Erkennung von Schwächen und die Einweisung des zugeordneten Personals. Die diesen Übungen zugrunde liegenden Einsatzpläne wurden bereits Anfang der 1960er Jahre von Krankenhausärzten in Zusammenarbeit mit den Gesundheitsbehörden ausgearbeitet und über die Jahre aufgrund neuer Erkenntnisse weiterentwickelt.
Die aus diesen Übungen gewonnenen Erfahrungen zeigten, daß zur Herstellung der Einsatzbereitschaft von Hilfskrankenhäusern, die über bereits eingerichtete Funktionsräume verfugen, mit einer durchschnittlichen Aufbaudauer von zwei Tagen gerechnet werden konnte. Dieser Zeitplan wurde auch in die allgemeine Planung für die Herstellung der Verteidigungsbereitschaft einbezogen (Stand 1981).
Auflösung
Mit der "Wende" im Jahr 1989 und dem Ende des Kalten Krieges kündigte sich auch das Ende der Hilfskrankenhäuser in der Bundesrepublik Deutschland an. Im Entwurf des Gesetzes zur Neuordnung des Zivilschutzes (ZSNeuOG) vom Juni 1996 wurde neben vielen anderen Punkten schließlich auch auf die Hilfskrankenhäuser und Sanitätslager eingegangen:
Die Verbesserung der Sicherheitslage in Europa gestattet eine Verringerung der bisherigen Vorkehrungen für die Verteidigung. Dies gilt nicht nur für die Bundeswehr, die umstrukturiert und in ihrer Stärke verringert wird. Dies gilt im gleichen Maße auch für die zivile Verteidigung [...] Für den Zivilschutz bedeutet dies, daß eine Reihe von Zivilschutzaufgaben ihre Bedeutung verloren haben und Sonderstrukturen aufgelöst werden können. Hierzu gehören insbesondere
- die staatliche Förderung des Schutzraumbaus,
- der Bau und die Vorhaltung von Hilfskrankenhäusern,
- die Bevorratung von Arzneimitteln sowie ärztlichem Gerät und Ausstattungsgegenständen für Hilfskrankenhäuser in Sanitätslagern,
- der Bundesverband für den Selbstschutz.
Im Zivilschutzgesetz vom 25. März 1997 kommen Hilfskrankenhäuser dementsprechend nicht mehr vor. Lediglich in zwei Paragraphen wurde das Gesundheitswesen explizit auch im Zivilschutz verankert:
§ 17 Sanitätsmaterialbevorratung
Das Bundesministerium des Innern kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates anordnen, daß nach Maßgabe des Artikels 80 a des Grundgesetzes ausreichend Sanitätsmaterial von Herstellungsbetrieben, Großhandlungen sowie öffentlichen und Krankenhausapotheken vorgehalten wird, um den zusätzlichen Bedarf im Verteidigungsfall sicherzustellen. Die §§ 4, 8 und 13 bis 16 des Wirtschaftssicherstellungsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung sind entsprechend anzuwenden.
§ 18 Erste-Hilfe-Ausbildung und Ausbildung von Pflegehilfskräften
Der Bund fördert die Ausbildung der Bevölkerung durch die nach § 20 Abs. 1 mitwirkenden privaten Organisationen
1. in Erster Hilfe mit Selbstschutzinhalten und
2. 2. zu Pflegehilfskräften.
In der Folgezeit wurden die Sanitätsmaterialvorräte, zu denen Arzneimittel, Verbandsstoffe und Ausrüstungsgegenstände für Hilfskrankenhäuser gehörten, zum größten Teil vom Bundesministerium des Innern in Abstimmung mit dem Bundesministerium der Finanzen und dem Auswärtigen Amt im Rahmen zahlreicher humanitärer Hilfslieferungen in ausländische Notstandsgebiete abgegeben. Die Hilfskrankenhäuser im Vollausbau gingen in den Bestand der Zivilschutzanlagen über, dies gilt wahrscheinlich auch für den geschützten Teil der Anlagen des erweiterten Sofortprogramms. Viele dieser Anlagen werden heute als Lagerraum und für ähnliche Zwecke genutzt.
Hilfskrankenhäuser in der DDR
Auch in der ehemaligen DDR waren Hilfskrankenhäuser vorgesehen. Das Gesamtkonzept unterschied sich aufgrund der nahezu identischen Anforderungen zum Teil nur relativ wenig von dem der Hilfskrankenhäuser in der Bundesrepublik Deutschland.
Die staatliche Gesundheitsverwaltung war, unterstützt vom DRK der DDR, Im Rahmen der Zivilverteidigung auf dem Gebiet des Gesundheitswesens für den gesamten medizinischen Schutz der Zivilbevölkerung zuständig. Diese Aufgabe war genauer definiert als "die spezifische Form des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung unter den komplexen Bedingungen des Einsatzes von Massenvernichtungsmitteln durch den Gegner".
Auf Weisung des Leiters der ZV des Territoriums wurden so genannte Krankenhausbereiche entfaltet. Ein solcher Krankenhausbereich bestand aus dem medizinischen Verteilerposten (dem die Verletzten von sog. Geschädigten-Sammelstellen zugeführt wurden), dem Hauptkrankenhaus (HptKH), den medizinischen Einrichtungen und Hilfskrankenhäusern (KH, HKH) und den Leichtgeschädigten-Behandlungsstellen. Die Leitung eines Krankenhausbereichs oblag dem jeweiligen Hauptkrankenhaus. Dem jeweiligen Kreisarzt unterstand auch das betriebliche Gesundheitswesen seines Zuständigkeitsbereiches. In der Zivilverteidigung hätten die Einrichtungen des Betriebsgesundheitswesens eine bedeutende Rolle gespielt. Die Angehörigen der Arztpraxen und Kliniken hätten medizinische Einsatzpunktgruppen für die ärztliche Hilfe gebildet. Die Arzneimittelversorgung wäre durch Apotheker der pharmazeutischen Zentren der Bezirke, pharmazeutischen Kreiszentren und Arzneimittelausgabestellen gesichert worden.
Insgesamt standen 1979 in der DDR 571 Krankenhäuser mit 180.000 Bettenplätzen, 534 Polikliniken, 947 Ambulatorien (darunter 306 Betriebs- und 398 Landambulatorien), 1.622 staatliche Arztpraxen, 998 staatliche Zahnarztpraxen, 5.146 Gemeindeschwesternstationen, 2.048 Arztsanitätsstellen, 1.292 Schwesternsanitätsstellen und 208 Geschwulstbetreuungsstellen zur Verfügung, in denen die Mehrzahl der 32.097 Ärzte und 8.108 Zahnärzte beschäftigt waren.
Die Auswahl der als Hilfskrankenhaus vorgesehenen Objekte erfolgte durch die Leitung der ZV auf Kreisebene. Für 50.000 Einwohner waren dabei etwa 1.200 Bettenplätze vorgesehen. Bei den ausgewählten Objekten sollte es sich um Liegenschaften handeln, die bereits über eine möglichst vollständige Infrastruktur mit sanitären Anlagen, Küche, Betten etc. verfügten. Hierfür boten sich Internate und Studentenwohnheime, besonders aber die zahlreichen Ferienheime des FDGB und der Beitriebe an. Für den Katastrophenfall hätte der FDGB 1979 im Rahmen von Maßnahmen zur Evakuierung und des Gesundheitsschutzes 430 Heime, 782 Vertragsheime und 500 Betriebsferienheime als Hilfskrankenhäuser oder Notquartiere zur Verfügung stellen können.
Für ein Hilfskrankenhaus chirurgischen Profils mit OP-Einrichtung mit einhundert Betten veranschlagte man eine benötigte Gesamtfläche von 694m², davon entfielen 400 m² auf den Bettenbereich und 59m² auf den OP-Bereich. Hier wären ein bis zwei Ärzte, siebzehn Pflege- bzw. Hilfspflegekräfte, zwei Mitarbeiter im Verwaltungsbereich und zwei Reinigungskräfte planerisch vorgesehen, die in einer 15-stündigen Tag- und einer 9-stündigen Nachtschicht gearbeitet hätten. Für die Einrichtung des Hilfskrankenhauses waren zusätzlich für einen begrenzten Zeitraum sechs Handwerker und Hilfskräfte eingeplant.
Eine bauliche Vorbereitung im Sinne von Voll- oder teilgeschützter Ausführung dieser Hilfskrankenhäuser gab es in der DDR nicht. Verfügte das Objekt bereits über einen Schutzraum, wurde dieser natürlich in die Planung aufgenommen. Die überwiegende Mehrzahl der Objekte wurde lediglich erkundet und registriert, Umbaumaßnahmen bestehender Bauwerke, z.B. zur Verbesserung der Infrastruktur, fanden nur in den seltensten Fällen statt. Bei Neubauten solcher als Hilfskrankenhaus eingeplanter Anlagen wurde in späteren Jahren allerdings häufig darauf geachtet, diese für die Zweitverwendung möglichst sinnvoll auszustatten, so z.B. durch den Einbau von 1,10m breiten Zimmertüren und ähnlichen Details.
Das benötigte Material lagerte in so genannten "Lagern des Gesundheitswesens", von denen es - je nach Bevölkerungsdichte - durchschnittlich zwei pro Landkreis gab. Zumindest bis in die siebziger Jahre hinein überstieg der Umfang des eingelagerten Materials den in Westdeutschland deutlich. So wurde in diesen Lagern damals sogar Blutplasma eingelagert und regelmäßig umgewälzt.
Die Ferienobjekte des FDGB wurden nach der "Wende" von der Treuhand übernommen und gingen danach - zunächst en bloc, später einzeln - an neue Eigentümer und wurden unterschiedlichsten neuen Nutzungen zugeführt. Die Bestände an Sanitätsmitteln und medizinischem Gerät gingen in das Eigentum der Bundesrepublik Deutschland über und wurden, wie die westdeutschen Lagerbestände, als Hilfeleistung in Notstandsgebiete geliefert.
Quellen:
- Militarisierungsatlas der Bundesrepublik, Alfred Mechtersheimer/Peter Barth
- Weißbuch der zivilen Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland 1972, BMI
- Landkreis Soltau-Fallingbostel
- Die Organisation Todt, Franz W. Seidler, Bernhard & Graefe 1987
- Arzt und Luftschutz, Berlet/Ritter/Pfaundler, Knelle Verlag, 1939
- Erstes Gesetz über Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung vom 9.10.1957
- Schutzbaugesetz vom 9.9.1965
- Neufassung des Gesetzes über den Zivilschutz, 9.8.1976
- Grundsätze für das Sofortprogramm zur baulichen Vorbereitung von Ausweich- und
Hilfskrankenhäusern, Mai 1965
- Leitfaden zur Einrichtung eines Hilfskrankenhauses chirurgischen Profils im Medizinischen Zivilverteidigungspraktikum, D.Bastian, 1988
- Zivilschutz und Zivilverteidigung, Band A und C, Osang-Verlag 1969+1974
- Nieders. Hauptstaatsarchiv, Nds.12 Lüneburg 15/86 Nr. 326
- Weißbuch der zivilen Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland, BMI 1972
- Kieler Nachrichten 31.03.98
- Deutscher Bundestag, IV/895, 9/636, 10/4564, PlPr 13/46, PlPr 13/79, 13/1462, 13/4980
- Plenarprotokoll des Bundestages vom 24.1.1963
- Bürgerschaft Hamburg, 9/2662
- Die Zivilverteidigung in der Deutschen Demokratischen Republik, Regina Ruhland, 1982
- Landtag Schleswig-Holstein, 15/1279
- Landtag Niedersachsen, 14/2964
- Zivilschutzgesetz in den Fassungen 1957, 1976 und 1997
- Zivilverteidigung III/1987
- Informationen des BBK
- versch. Jahresberichte des Bundesrechnungshofes
- Sammlung Holger Beiersdorf
- Sammlung Reiner Janick
- Sammlung René Krüger
- Sammlung Oliver Wleklinski
- Sammlung Godeke Klinge
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